Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Betriebsvereinbarung über eine Gesamtversorgung. Begriff des “pensionsfähigen Gehalts”
Orientierungssatz
Sieht eine Betriebsvereinbarung über eine Gesamtversorgung die Anrechnung der gesetzlichen Rente auf die Betriebsrente vor, so spricht dies dafür, dass der vom Arbeitgeber übernommene Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht zum “pensionsfähigen Gehalt” iSd. Pensionsordnung gehört.
Normenkette
Auslegung einer Betriebsvereinbarung
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. September 2006 – 10 (5) Sa 1562/05 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob zum pensionsfähigen Gehalt im Sinne des Leistungsplans zur Pensionsordnung der Beklagten auch der von dieser stets übernommene Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung gehört.
Der am 4. April 1946 geborene Kläger war vom 1. April 1962 bis zum 30. April 2006 bei der Beklagten als Sachbearbeiter beschäftigt, zuletzt in Altersteilzeit.
Die betriebliche Altersversorgung ist bei der Beklagten in Pensionsordnungen auf der Grundlage von Gesamtbetriebsvereinbarungen geregelt. Die Pensionsordnung vom 6. Oktober 1993 (im Folgenden: PO 93) enthält ua. die folgenden Regelungen:
Ҥ 5
Altersrente
Altersrente wird den Mitarbeitern gewährt, die die Altersgrenze erreicht haben und aus den Diensten des Unternehmens ausgeschieden sind. Altersgrenze ist die Vollendung des 65. Lebensjahres.
§ 6
Vorgezogene Altersrente
(1) Mitarbeiter, die vor Erreichen der Altersgrenze und durch Vorlage des Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers nachweisen, daß sie Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente beziehen, haben Anspruch auf vorgezogene Altersrente.
…
§ 9
Höhe der Alters- und Invalidenrenten
(1) Alters- und Invalidenrenten ergeben sich aus dem Leistungsplan (Anlage 1 bzw. 2).
…”
In der Anlage 2 – Leistungsplan für Angestellte – zur PO 93 heißt es ua.:
“a) Nach 10 Jahren der Betriebszugehörigkeit wird eine Grundanwartschaft von 14 % des pensionsfähigen Gehalts erreicht.
Die Steigerungsrente beträgt für das 11. – 30. Jahr der Betriebszugehörigkeit je 2,8 %, so daß nach 30 Jahren der Betriebszugehörigkeit der Höchstanspruch von 70 % des pensionsfähigen Gehalts erreicht ist.
Als pensionsfähiges Gehalt gilt das letzte Brutto-Grundgehalt – ohne Berücksichtigung von Überstunden- oder sonstigen Zuschlägen.
b) Auf die Leistungen nach a) werden angerechnet:
1. Die Leistungen des Versorgungsverbandes der deutschen Zuckerindustrie e. V.;
2. Leistungen der Angestelltenversicherung, soweit sie in Zeiten erworben wurden, in denen Beiträge von der Firma erbracht worden sind; im Falle der vorgezogenen Altersrente nach § 6 der Pensionsordnung wird diejenige Rente aus der Angestelltenversicherung angerechnet, die sich ergeben würde, wenn keine Kürzung wegen vorgezogener Inanspruchnahme nach dem Rentenreformgesetz 1992 (s. § 41 SGB VI) vor Vollendung des 65. Lebensjahres erfolgte (d.h. ohne Berücksichtigung der Zugangsfaktoren nach § 63 Abs. 5 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 SGB VI, also mit Zugangsfaktor 1);
3. …”
Während des Laufs des Arbeitsverhältnisses hatte die Beklagte stets den Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung übernommen. In dem auch vom Kläger unterzeichneten Exemplar der von der Beklagten seinerzeit allgemein verwendeten Anstellungsverträge heißt es diesbezüglich wie folgt:
“Ihre Bezüge sollen wie folgt geregelt werden:
|
Gehalt nach Tarifgruppe … |
DM … |
+ |
außertarifliche Zulage |
DM … |
+ |
von uns übernommener Arbeitnehmeranteil zur Angestelltenversicherung |
DM … |
|
monatliches Gesamtbrutto |
DM …” |
Die Vergütungsabrechnungen und die schriftlichen Gehaltsmitteilungen der Beklagten wiesen den von der Beklagten übernommenen Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen der Rentenversicherung stets als Teil der Bruttobezüge aus.
Seit dem 1. Mai 2006 bezieht der Kläger von der BfA eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder wegen Altersteilzeit iHv. 1.378,32 Euro und von der Beklagten eine Betriebsrente iHv. 1.089,80 Euro; zugleich zahlt die Beklagte an den Kläger die Leistungen des Versorgungsverbandes der Deutschen Zuckerindustrie (im Folgenden: VVZ-Leistung) iHv. 407,76 Euro aus. Dem Gesamtauszahlungsbetrag liegt folgende Berechnung zugrunde: Zunächst hat die Beklagte auf der Grundlage des letzten tariflichen Monatsentgelts, der letzten tariflichen Leistungszulage und der letzten freiwilligen Zulage iHv. insgesamt 4.792,69 Euro sowie eines Prozentsatzes von 70 einen Gesamtanspruch iHv. 3.354,88 Euro ermittelt. Hiervon hat sie die VVZ-Leistung iHv. 407,76 Euro und auf der Grundlage der PO 93 die fiktive ungekürzte gesetzliche Altersrente aus der BfA iHv. 1.857,32 Euro in Abzug gebracht. Damit verblieb ein Rentenanspruch iHv. 1.089,80 Euro.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der von der Beklagten stets übernommene Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung gehöre zum pensionsfähigen Gehalt iSd. Leistungsplans. Die Übernahme des Arbeitnehmeranteils an den Rentenversicherungsbeiträgen sei anstelle der Zahlung eines höheren Bruttomonatsgehalts erfolgt. Mit dem Anknüpfen an das pensionsfähige Gehalt als Bemessungsgrundlage für die Ruhestandsbezüge solle der Lebensstandard, den der Arbeitnehmer im aktiven Arbeitsverhältnis gehabt habe, im Versorgungsfall – zumindest anteilig – gesichert werden. Sein Lebensstandard sei nicht unmaßgeblich durch die Vorteile geprägt worden, die er infolge der Übernahme der Beiträge durch die Beklagte gehabt habe. Aus der Verknüpfung des Begriffs “Brutto-Grundgehalt” mit der Formulierung “ohne Berücksichtigung von Überstunden- und sonstigen Zuschlägen” folge, dass Brutto-Grundgehalt all das sein solle, was nicht Überstunden- oder sonstige Zuschläge seien. Gemeint seien die regelmäßigen Bezüge, die nicht nur temporär anfielen. Bestätigt werde diese Interpretation auch durch § 7 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der Zuckerindustrie in der Fassung vom 7. Oktober 1988 (im Folgenden: MTV 88), in dem die einschlägigen Zuschläge und Zulagen abschließend aufgeführt seien, und § 6 des Tarifvertrages über die Grundlagen der Arbeitsentgeltregelung in der ab dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung (im Folgenden: ETV 98), wonach neben der Eingruppierung lediglich die Möglichkeit der Zahlung einer Leistungszulage vorgesehen sei. Auch hier werde bestätigt, dass Leistungszulagen zum pensionsfähigen Gehalt zählten und dass nur unregelmäßig anfallende Vergütungsbestandteile nicht mit einzubeziehen seien. Im Übrigen sei der Umstand zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Arbeitnehmeranteil am Rentenversicherungsbeitrag sowohl in den Abrechnungen, als auch in den Gehaltsmitteilungen stets als Teil des Bruttogehalts ausgewiesen hat.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1. 2.077,92 Euro zuzüglich Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 692,64 Euro seit dem 1. Juni 2006, aus 1.385,28 Euro seit dem 1. Juli 2006 und aus 2.077,92 Euro seit dem 1. August 2006 zu zahlen,
2. beginnend mit dem 31. August 2006 an monatlichen Rentenleistungen über den Betrag iHv. 1.497,56 Euro hinaus einen weiteren Betrag iHv. 358,32 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Standpunkt vertreten, dass der von ihr übernommene Arbeitnehmeranteil an der Rentenversicherung nicht zum pensionsfähigen Gehalt im Sinne des Leistungsplans zähle. Der Wortlaut sei eindeutig. Andere Vergütungsbestandteile würden neben dem Grundgehalt gerade nicht bei der Bemessung des pensionsfähigen Gehalts berücksichtigt. Die Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge habe im Übrigen historische Gründe. Ihr Zweck sei es gewesen, die Versorgung der Angestellten vollumfänglich sicherzustellen. Man habe den Angestellten – ähnlich einem Beamten – eine Alimentation gewähren wollen, ohne dass diese selbst Aufwendungen für die Rentenversicherung erbringen mussten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Betriebsrente. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den stets von ihr übernommenen Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung in die Berechnung einzubeziehen. Er gehört nicht zum pensionsfähigen Gehalt iSd. Abs. 3 des Buchst. a) der Anl. 2 – Leistungsplan für Angestellte – zur PO 93. Dies folgt aus einer Auslegung der entsprechenden Regelung.
1. Bereits eine am Wortsinn orientierte Auslegung des Abs. 3 des Buchst. a) der Anl. 2 zur PO 93 ergibt, dass der Begriff des pensionsfähigen Einkommens entgegen der Auffassung des Klägers nicht weit auszulegen ist. Danach gilt als pensionsfähiges Gehalt das letzte Brutto-Grundgehalt – ohne Berücksichtigung von Überstunden – oder sonstigen Zuschlägen.
Zwar definiert der Leistungsplan nicht, was unter dem “Brutto-Grundgehalt” zu verstehen ist; ebenso sind im Leistungsplan nicht alle Bestandteile des “Brutto-Grundgehalts” ausdrücklich geregelt. Ausdrücklich als zunächst zum Brutto-Grundgehalt gehörig, weil später wieder herausgenommen, sind hier nur Überstunden- und sonstige Zuschläge aufgeführt. Dabei folgt aus dem Wortbestandteil “Brutto-” selbst aber nicht, dass alle zu versteuernden Einnahmen zu berücksichtigen wären. Hiermit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass beim pensionsfähigen Gehalt die Steuern und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abgezogen werden (vgl. BAG 21. August 2001 – 3 AZR 746/00 – AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 78, zu II 1a der Gründe). Bereits vor diesem Hintergrund kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten daraus ableiten, dass die von der Beklagten stets übernommenen Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung als Teil des “Gesamtbrutto” in den Gehaltsmitteilungen und Abrechnungen aufgeführt waren.
Aus der Verknüpfung des Wortbestandteils “Brutto-” mit dem Wortbestandteil “Grundgehalt” ergibt sich jedoch, dass mit dem “Brutto-Grundgehalt” nicht alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis gemeint sind. Dies spricht dafür, dass der Begriff des pensionsfähigen Einkommens nicht weit auszulegen ist.
2. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lässt sich aus der Verknüpfung der Begriffe “Brutto-Grundgehalt” mit der Formulierung “ohne Berücksichtigung von Überstunden- und sonstigen Zuschlägen” nicht folgern, dass “Brutto-Grundgehalt” all das sein soll, was nicht Überstunden- oder sonstige Zuschläge sind und damit alle regelmäßigen Bezüge zum pensionsfähigen Einkommen zählen.
Die Betriebspartner haben mit der Herausnahme allein der Überstunden- bzw. sonstigen Zuschläge aus dem Brutto-Grundgehalt nicht zum Ausdruck gebracht, dass nur regelmäßige Bezüge für die Bemessung der Betriebsrente Bedeutung haben und die Bemessungsgrundlagen damit zugleich von Zufälligkeiten und Einflussnahmen des Arbeitnehmers freigehalten werden sollten (vgl. zu dieser Konstellation BAG 19. November 2002 – 3 AZR 561/01 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 84, zu I 2b der Gründe; 14. August 1990 – 3 AZR 321/89 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 12 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 58, zu 3 der Gründe). Nach dem Leistungsplan ist die Überstundenvergütung als solche gerade nicht aus dem Brutto-Grundgehalt ausgenommen worden. Die Überstundenvergütung stellt jedoch ebenso wie der Überstundenzuschlag einen unregelmäßigen Bezug dar. Bereits aus dem Grunde kann der Kläger auch aus dem von ihm angeführten MTV 88 und dem ETV 98 nichts zu seinen Gunsten ableiten.
3. Eine am Willen der Betriebsparteien und am beabsichtigten Zweck der betrieblichen Regelung orientierte Auslegung unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs ergibt, dass die von der Beklagten stets übernommenen Arbeitnehmeranteile an der Rentenversicherung des Klägers nicht zum Brutto-Grundgehalt und damit nicht zum pensionsfähigen Einkommen zählen.
Mit der Übernahme des Arbeitnehmeranteils an der Rentenversicherung des Klägers wollte die Beklagte zur gesetzlichen Rentenversicherung des Klägers beitragen; sie wollte ihn während seines Anstellungsverhältnisses ähnlich einem Beamten alimentieren, so dass dieser selbst keine Aufwendungen für die Rentenversicherung aufzubringen hatte. Darin erschöpfte sich der Zweck. Eine Erhöhung der Ruhestandsbezüge des Klägers war nicht beabsichtigt. Ein anderes Verständnis würde dazu führen, dass die Beklagte letztlich zweimal zur Altersversorgung des Klägers beitragen würde: Einmal, indem sie den Arbeitnehmeranteil an seinen Rentenversicherungsbeiträgen getragen hat, ein anderes Mal, indem genau dieser Anteil bei der Berechnung des pensionsfähigen Gehalts berücksichtigt und so die Betriebsrente erhöhen würde. Gegen einen derartigen Willen der Beklagten spricht insbesondere Buchst. b) der Anl. 2 – Leistungsplan für Angestellte – zur PO 93. Danach werden auf die Leistungen nach Buchst. a) – also auf die Betriebsrente – sowohl die Leistungen des Versorgungsverbandes der Deutschen Zuckerindustrie e.V. als auch die Leistungen der Angestelltenversicherung angerechnet, soweit sie in Zeiten erworben wurden, in denen Beiträge von der Firma erbracht worden sind. Vermindert aber die gesetzliche Rente die Betriebsrente des Klägers, kann nicht angenommen werden, dass die Übernahme der Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen der gesetzlichen Rentenversicherung zum pensionsfähigen Gehalt gehört und deshalb eine höhere Betriebsrente zu zahlen ist.
4. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers fordern letztlich auch nicht Sinn und Zweck der in Rede stehenden Berechnungsvorschrift eine über die Systematik der Pensionsordnung hinausgehende weite Auslegung.
Inwieweit eine Versorgungszusage den bisherigen Lebensstandard sichern will, hängt vor allem davon ab, welche Vergütungsbestandteile nach der konkreten Versorgungsordnung als versorgungsfähig bezeichnet werden. Das Versorgungsziel ist dabei keine vorgegebene Größe, sondern ergibt sich erst durch Auslegung, bei welcher Wortsinn und Systematik im Vordergrund stehen (vgl. BAG 19. November 2002 – 3 AZR 561/01 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 84, zu I 3 der Gründe).
Vorliegend ergibt sich – wie unter 3. ausgeführt –, dass jedenfalls die von der Beklagten stets übernommenen Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung des Klägers nach dem Willen der Betriebsparteien gerade nicht zu den versorgungsfähigen Vergütungsbestandteilen zählen.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Schlewing, Kaiser, Lohre
Fundstellen
Haufe-Index 2090766 |
DB 2009, 855 |