Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Lehrerin nach dem BAT-O
Leitsatz (amtlich)
Normenkette
BAT-O § 11 S. 2; ÄnderungsTV Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 § 2 Nr. 3; 2. BesÜV vom 21. Juni 1991 Anlage 1 BesoldungsGr. A 10; 2. BesÜV vom 21. Juni 1991 Anlage 1 BesoldungsGr. A 11
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 18. Februar 1993 – 3 Sa 786/92 – aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht Brandenburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin in die VergGr. IVb oder IVa BAT-O.
Die Klägerin bestand 1959 die staatliche Abschlußprüfung des Instituts für Lehrerbildung der DDR und erwarb damit u. a. die Lehrbefähigung für die Unterstufe der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen in der DDR. Im Jahr 1972 erlangte sie zusätzlich den akademischen Grad eines Diplompädagogen der Akademie der pädagogischen Wissenschaften der DDR. Bis zu ihrer Übernahme als angestellte Lehrerin in die Dienste des beklagten Landes unterrichtete sie in der Zeit von August 1959 bis Juli 1970 sowie von August 1976 bis Juli 1979 in den Klassen 1 bis 4 und von August 1979 bis Juli 1991 die Klassen 5 bis 10 im Fach Deutsch in W…. Seit August 1991 wird sie vom beklagten Land als Lehrerin vorwiegend im Fach Deutsch an der Grundschule in W… in der Sekundarstufe I eingesetzt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung u. a. der Erste Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifrechtliche Vorschriften – (BAT-O) einschließlich der ihn ändernden und ergänzenden Bestimmungen Anwendung. Für die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte ist in § 2 Nr. 3 des ÄnderungsTV Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 folgendes bestimmt:
“3. Die Anlage 1a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die
…
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2l I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde …”
In den auf diese Tarifbestimmung gestützten Richtlinien der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1a zum BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 (TdL-Richtlinien), die am 1. Juli 1991 in Kraft getreten sind, hieß es:
“
Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 11. Juni 1992 haben die Parteien ebenfalls auf Abschn. E… der TdL-Richtlinien Bezug genommen. Hierzu hat die Klägerin aber den Vorbehalt erklärt, daß sie mit der Anwendung dieser Richtlinien nur unter dem “Vorbehalt der gerichtlichen Entscheidung” einverstanden sei.
Seit dem 1. Juli 1991 wurde die Klägerin vom beklagten Land unter Berufung auf die TdL-Richtlinien nach VergGr. IVb BAT-O vergütet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IVa BAT-O. Diese Vergütungsgruppe entspreche der BesoldungsGr. A 11, die in der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345) für die Besoldung entsprechender beamteter Lehrer vorgeschrieben sei. Wegen dieser im BAT-O enthaltenen abschließenden Regelung komme die Anwendung der TdL-Richtlinien nicht in Betracht, soweit diese zu ihren Lasten von den tariflichen Regelungen abwichen.
Mit der am 6. April 1992 beim Arbeitsgericht Neuruppin eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst die Feststellung begehrt, das beklagte Land habe sie mit Wirkung ab dem 1. Januar 1992 in die VergGr. IVa BAT-O einzugruppieren. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Neuruppin am 3. September 1992 hat die Klägerin die begehrte Gehaltsdifferenz für die Monate Januar bis September 1992 auf 2.359,32 DM brutto beziffert. Daneben hat sie beantragt festzustellen, das beklagte Land habe sie für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 1992 in die VergGr. IVa BAT-O einzugruppieren. Im Tenor seines am 24. September 1992 verkündeten Urteils hat das Arbeitsgericht Neuruppin dem Leistungsantrag der Klägerin in vollem Umfang entsprochen und darüber hinaus die Feststellung ausgesprochen, wonach die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in die VergGr. IVa BAT-O einzugruppieren ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 18. Februar 1993 hat die Klägerin klargestellt, daß sich der Feststellungsantrag nur auf den Zeitraum ab dem 1. Oktober 1992 beziehen soll.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
- das beklagte Land zu verurteilen, ihr für die Zeit vom Januar bis September 1992 2.359,32 DM brutto zu zahlen,
- festzustellen, daß das beklagte Land sie auch für die Zeiträume ab 1. Oktober 1992 in die VergGr. IVa BAT-O einzugruppieren hat.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung ist die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum zutreffend in die VergGr. IVb BAT-O eingruppiert. Für ihre Eingruppierung seien nämlich die TdL-Richtlinien maßgeblich. Der 1. ÄnderungsTV enthalte insoweit keine abschließende Regelung, sondern überlasse diese den Richtlinien. Aber selbst wenn für die Eingruppierung der Klägerin die tarifvertraglichen Vorschriften maßgeblich sein sollten, sei die Klage unbegründet. Die Klägerin könne dann nur verlangen, entsprechend den für vergleichbare beamtete Lehrkräfte geltenden Vorschriften behandelt zu werden. Nach den Vorschriften der 2. BesÜV komme eine Einstufung in die BesoldungsGr. A 11 aber erst dann in Betracht, wenn die Klägerin eine mindestens dreijährige Dienstzeit in der BesoldungsGr. A 10 zurückgelegt habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes unter Klarstellung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land, die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, denn zur Beurteilung der Frage, ob die Klägerin in die VergGr. IVa BAT-O eingruppiert ist, bedarf es weiterer Feststellungen.
I. Die Revision meint allerdings zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht hätte die Klage für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 1992 wegen fehlenden Feststellungsinteresses der Klägerin abweisen müssen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin ausdrücklich klargestellt, daß ihr Feststellungsantrag lediglich den Zeitraum ab dem 1. Oktober 1992 betrifft. Dies entspricht auch dem von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht gestellten Antrag. Lediglich das Arbeitsgericht ist im Tenor seines verkündeten Urteils über diesen Antrag hinausgegangen und hat der Klägerin bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1992 die begehrte Feststellung zugesprochen. Nach der Umstellung des Festellungsantrages im Wege der Klagebeschränkung war das Feststellungsbegehren für den Zeitraum bis zum 30. September 1992 nicht mehr rechtshängig, einer abweisenden Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht bedurfte es daher nicht.
II. Die Klage ist in dem zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Umfang zulässig. Bei dem unter Ziff. 2 gestellten Antrag handelt es sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, bei der nach der ständigen Rechtsprechung des Senats das erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung zu bejahen ist (Senatsurteile vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 10. März 1993 – 4 AZR 204/92 –, n. v., zu II 1 der Gründe).
III. Für die Beurteilung, ob die Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT-O hat, bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Die Klage ist nur dann begründet, wenn die Klägerin, stünde sie im Beamtenverhältnis, im streitbefangenen Zeitraum in die BesoldungsGr. A 11 eingestuft worden wäre.
1. Zutreffend kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß im vorliegenden Fall die Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a des BAT-O nicht heranzuziehen sind. Nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des 1. ÄnderungsTV zum BAT-O ist die Anlage 1a auf Lehrkräfte nicht anzuwenden.
2. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind kraft beiderseitiger Tarifbindung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst und damit der 1. ÄnderungsTV zum BAT-O anwendbar, der für die Eingruppierung der Lehrkräfte auf die für beamtete Lehrer geltenden Besoldungsvorschriften verweist.
a) Allerdings kommen im vorliegenden Fall für die Einstufung der Klägerin nach der Anlage 1 der 2. BesÜV die BesoldungsGr. A 10 bzw. A 11 in Betracht, die den VergGr. IVb bzw. IVa BAT-O entsprechen (§ 11 BAT-O). Die Klägerin erfüllt neben den sachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Einstufung in die BesoldungsGr. A 10 als Eingangsamt auch die der BesoldungsGr. A 11 als Aufstiegsamt. In letztere können Lehrer für untere Klassen im Unterricht der Klassen 1 bis 4 an einer allgemeinbildenden Schule mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung eingereiht werden, soweit sie die in der Fußnote 2) geforderten Voraussetzungen erfüllen. Danach ist entweder eine achtjährige Lehrtätigkeit nach Abschluß der Fachschulausbildung erforderlich (1. Alt.) oder eine dreijährige Dienstzeit seit Anstellung als Lehrer in der BesoldungsGr. A 10 (2. Alt.).
Die Klägerin erfüllt bereits die Voraussetzungen der 1. Alt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besitzt sie neben der im Jahr 1960 abgeschlossenen pädagogischen Fachschulausbildung für die Klassen 1 bis 4 einen weitergehenden wissenschaftlichen Abschluß als Diplompädagoge. Nach den weiteren, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen weist die Klägerin bis zum Januar 1992 eine Lehrtätigkeit von über 17 Jahren auf.
Entgegen der Auffassung der Revision steht es einer Einstufung der Klägerin in die BesoldungsGr. A 11 nicht entgegen, daß sie keine drei Jahre als Lehrer in der BesoldungsGr. A 10 verbracht hat. Nach der Fußnote 2) zu der BesoldungsGr. A 11 ist es für eine Einstufung ausreichend, wenn eine der beiden dort genannten Voraussetzungen vorliegt. Zutreffend hat bereits das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß ansonsten für die 1. Alt. kein Anwendungsbereich bliebe.
Diese Sichtweise wird durch einen Vergleich mit den ursprünglichen Anforderungen für die Einstufung der beamteten Lehrkräfte nach der 1. BesÜV vom 4. März 1991 (BGBl I S. 622) bestätigt. Nach deren Anlage 1 war für die Lehrkräfte in den unteren Klassen 1 bis 4 EingangsbesoldungsGr. A 9 und Aufstiegsgruppe A 10, soweit sie nicht über ein Ergänzungsstudium verfügten. Die Zuordnung zur letztgenannten Gruppe erforderte nach der Fußnote 2) eine achtjährige Lehrtätigkeit, davon drei Jahre im Beamtenverhältnis, oder eine vierjährige Amtszeit als Lehrer in der EingangsbesoldungsGr. A 9. Nach der geänderten Fassung der Fußnote 2) ist die Ausübung der Lehrtätigkeit im Beamtenverhältnis gerade keine Voraussetzung mehr für eine Zuordnung in die Aufstiegsgruppe A 11.
b) Allerdings ist die Klägerin nicht schon deshalb in die von ihr begehrte VergGr. IVa BAT-O eingruppiert, weil sie die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für eine Anstellung in der BesoldungsGr. A 11 erfüllt. Denn nach § 2 Nr. 3 Satz 2 des 1. ÄnderungsTV ist darüber hinaus erforderlich, daß sie in diese BesoldungsGr. tatsächlich eingestuft worden wäre, soweit sie das beklagte Land in ein Beamtenverhältnis übernommen hätte.
Nach der tariflichen Regelung müssen die angestellten Lehrkräfte nicht nur die in den Besoldungsgruppen genannten fachlichen und pädagogischen Anforderungen erfüllen, sondern für ihre Eingruppierung ist darüber hinaus maßgeblich, daß die Voraussetzungen einer Anstellung im Beamtenverhältnis vorliegen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Tarifnorm, insbesondere den letzten beiden Halbsätzen von Satz 2. Dort wird für die Eingruppierung ausdrücklich auf die mutmaßliche Einstufung im Beamtenverhältnis abgestellt und nicht lediglich, ob die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für eine bestimmte BesoldungsGr. erfüllt sind. Nach Beamtenrecht ist ein Aufstieg innerhalb derselben Laufbahn aber an weitere Voraussetzungen gebunden. So muß der Bewerber aufgrund seiner bisherigen Leistung für das Beförderungsamt geeignet erscheinen und die betreffende Planstelle auch tatsächlich im Haushalt zur Verfügung stehen. Selbst dann besteht im Gegensatz zur Tarifautomatik des BAT-O kein Anspruch des Beamten auf Übertragung des Beförderungsamts, sondern lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung seines Dienstherrn in dieser Hinsicht.
Dies folgt auch aus Sinn und Zweck von § 2 Nr. 3 des 1. ÄnderungsTV. Die Regelung dient der vergütungsrechtlichen Gleichbehandlung der beim beklagten Land beschäftigten Lehrkräfte, unabhängig davon, ob sie im Beamten- oder Angestelltenverhältnis tätig sind. Ansonsten würde die tarifliche Regelung zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung der Angestellten führen. Diese hätten beim Vorliegen der fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen der BesoldungsGr. A 11 Anspruch auf Zahlung der VergGr. IVa BAT-O. Damit wäre der Aufstieg der angestellten Lehrkräfte im Gegensatz zu dem der Beamten nicht vom Vorliegen entsprechender Planstellen abhängig. Darüber hinaus könnten bei der Höhergruppierung von angestellten Lehrkräften deren bisherige Leistungen nicht berücksichtigt werden. Nach dem insoweit maßgeblichen Wortlaut der Anlage 1 der 2. BesÜV wird die Bewährung der Lehrkraft in der zurückgelegten achtjährigen Dienstzeit nicht als Voraussetzung für einen Aufstieg gefordert.
c) Die in dieser Form im Tarifvertrag vorgenommene Verweisung auf beamtenrechtliche Besoldungsvorschriften begegnet keinen Bedenken. Auf diese Weise wird erreicht, daß Lehrkräfte, die nach ihren fachlichen Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmalen als gleichwertig anzusehen sind, eine annähernd gleiche Vergütung für ihre Tätigkeit ohne Rücksicht darauf erhalten, ob sie Beamte oder Angestellte sind. Eine solche Regelung ist angesichts des Umstandes, daß Angestellte und beamtete Lehrer oft nebeneinander an derselben Schule und außerdem unter weitgehend gleichen äußeren Arbeitsbedingungen tätig sind, sachgerecht. Dies rechtfertigt die in der Tarifnorm enthaltene Blankettverweisung auf die Vorschriften der 2. BesÜV (Senatsurteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m.w.N.).
Gegen die rechtliche Zulässigkeit der im Tarifvertrag enthaltenen Verweisung auf die fiktive Einstufung im Beamtenverhältnis spricht nicht, daß hierdurch dem Arbeitgeber ein weitgehender Gestaltungsspielraum für die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte eingeräumt wird. So verbleibt ihm durch die Ausweisung der entsprechenden Zahl von Beförderungsstellen im Haushaltsplan letztlich die Entscheidung, in welchem Umfang überhaupt ein Aufstieg von Lehrern der unteren Klassen in die VergGr. IVa BAT-O in Betracht kommt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bestehen im Bereich des öffentlichen Dienstes keine Bedenken, wenn der Tarifvertrag die Eingruppierung des Angestellten vom Vorliegen bestimmter, für Beamte geltende haushaltsrechtlicher Vorgaben abhängig macht (vgl. BAG Urteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 26/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 2a der Gründe, m.w.N.). Durch diese Verweisung entäußern sich die Tarifvertragsparteien nicht in unzulässiger Form ihrer Regelungsmacht. So bleibt es, wie beispielsweise im vorliegenden Fall, ihrem Willen überlassen, ob sie die getroffene Festlegung beibehalten wollen oder die Voraussetzungen für den Aufstieg der angestellten Lehrkräfte an andere Voraussetzungen knüpfen. Ebenso kann eine Regelung vorsehen, daß ein Aufstieg eines angestellten Lehrers in eine höhere Vergütungsgruppe nur bei Vorliegen der nach dem Beamtenrecht bestehenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfolgt (BAG Urteil vom 21. Juli 1993 – 4 AZR 394/92 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Darüber hinaus ist es auch nicht in das freie Ermessen des Dienstherrn gestellt, den Aufstieg angestellter Lehrkräfte etwa dadurch zu verhindern, daß er überhaupt keine A 11-Stellen ausweist oder vorhandene Stellen ausschließlich durch beamtete Lehrkräft besetzt.
Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste aller in Betracht kommenden Regelungen getroffen haben; sie haben lediglich zu kontrollieren, ob in der Norm die Grenzen des den Tarifvertragsparteien durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Gestaltungsspielraumes überschritten werden (BAG Urteil vom 27. November 1991 – 4 AZR 533/89 – AP Nr. 103 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Hierfür bestehen aufgrund des bisherigen Parteivortrags zur Zeit noch keine Anhaltspunkte.
d) Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vergütung nach VergGr. IVa BAT-O ist entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits deshalb unbegründet, weil sie die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine Anstellung in der BesoldungsGr. A 11 im streitbefangenen Zeitraum (1. Januar 1992 bis 18. Februar 1993, dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) nicht erfüllt.
Für das Recht der Beamten im Beitrittsgebiet galten nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 2, 3 Einigungsvertrag bis zum Inkrafttreten des jeweiligen Landesrechts die für Bundesbeamte bestehenden Vorschriften. Das Land Brandenburg hat erst zum 1. Januar 1993 ein eigenes Landesbeamtengesetz erlassen (GVBl I S. 506), bis zu diesem Zeitpunkt galt Bundesrecht.
Die Einstellung bzw. Verwendung der Klägerin als beamtete Lehrkraft mit einem Amt der BesoldungsGr. A 11 ist jedenfalls aus Rechtsgründen bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht ausgeschlossen. Die Einstellung des Beamten erfolgt zwar grundsätzlich nach Bundes- bzw. Landesrecht im Eingangsamt seiner Laufbahn (§ 10 Abs. 5 Bundeslaufbahnverordnung – BLV –, § 76 Satz 1 Landesbeamtengesetz – LBG – Brandenburg), von diesem Erfordernis kann im Einzelfall abgesehen werden (§ 10 Abs. 6, § 44 Abs. 1 Nr. 5 BLV, § 76 Satz 3 LBG Brandenburg). Eine Ausnahmeregelung zugunsten der Klägerin erscheint zwar wenig wahrscheinlich, für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlt es aber an Feststellungen der Tatsacheninstanz.
3. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sind die TdL-Richtlinien für die Eingruppierung der Klägerin ohne Bedeutung. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß TdL-Richtlinien kein Rechtsnormcharakter zukommt. Sie sind lediglich einseitige Empfehlungen einer Tarifvertragspartei an ihre Mitglieder (BAG Urteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 –, zu II 3a der Gründe; BAGE 58, 283, 291 f. = AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Beschluß vom 12. November 1991 – 4 AZN 464/91 – AP Nr. 42 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
a) Die Anwendung von TdL-Richtlinien im Arbeitsverhältnis kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn sie von den Arbeitsvertragsparteien vereinbart worden ist oder die Tarifvertragsparteien insoweit dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zuerkannt haben. An beiden Voraussetzungen fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.
b) Die Parteien haben für den streitbefangenen Zeitraum eine Anwendung der TdL-Richtlinien nicht einzelvertraglich vereinbart. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit festgestellt, daß in dem unter dem 11. Juni 1992 unter dem “Vorbehalt der gerichtlichen Entscheidung” von der Klägerin unterzeichneten Arbeitsvertrag keine Vereinbarung der TdL-Richtlinien erfolgt ist. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Wertung, daß insoweit wegen dieses Vorbehalts eine Vereinbarung nicht zustande gekommen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie hält sich im Rahmen des den Tatsacheninstanzen zustehenden Beurteilungsspielraums.
c) Auch die in § 2 Nr. 3 Satz 2 des 1. ÄnderungsTV zum BAT-O enthaltene Verweisung auf die TdL-Richtlinien führt nicht dazu, daß diese für die Eingruppierung der Klägerin maßgeblich wären. Diese Tarifnorm enthält durch die Verweisung auf die 2. BesÜV eine materielle Eingruppierungsregelung, die zwingend und in den von der 2. BesÜV unmittelbar erfaßten Fällen auch abschließend ist.
aa) Die 2. BesÜV enhält in ihrer Anlage 1 eine abschließende Regelung für die als Lehrer für untere Klassen im Unterricht der Klassen 1 bis 4 an einer allgemeinbildenden Schule tätigen Lehrkräfte, die keiner ergänzenden Ausfüllung durch Richtlinien bedarf.
bb) Der § 2 Nr. 3 Satz 2 des 1. ÄnderungsTV zum BAT-O enthält Mindestbedingungen für die Eingruppierung der Angestellten, die keiner verschlechternden Regelung in TdL-Richtlinien zugänglich sind. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und aus dem Regelungszusammenhang der Tarifbestimmung, auf die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Auslegung in erster Linie abzustellen ist (z. B. Senatsurteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2a der Gründe, m.w.N.).
Wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 24. November 1993 (– 4 AZR 16/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ausgeführt hat, ist der Regelungsinhalt der Tarifnorm – Eingruppierung der angestellten Lehrer entsprechend der Einstufung der Beamten – zwar durch den Zusatz eingeschränkt, daß dies “gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien” zu erfolgen habe. Damit wird aber nicht die Möglichkeit eröffnet, den oben dargestellten Regelungsinhalt der Tarifnorm zu modifizieren. Zwar mag das Wort gegebenenfalls in der Bedeutung von “möglicherweise, eventuell, wenn sich ein bestimmter Fall ergibt” (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 3. Band, 1981), für sich allein verschiedene Auslegungen zulassen. So kann es den Fall erfassen, daß es überhaupt einschlägige Richtlinien gibt, wie auch den Fall, daß wegen der Unvollständigkeit der für Beamte geltenden Regelung eine Ergänzung durch Richtlinien vorgenommen wird. Aus dem Zusatz “nach näherer Maßgabe” ergibt sich aber, daß hier nur der zweite Fall gemeint ist. Damit läßt die Tarifbestimmung nämlich nur eine spezifizierende Regelung durch Richtlinien im Rahmen der aus der Heranziehung beamtenrechtlicher Besoldungsvorschriften gewonnenen Regelung zu. Ist diese Regelung aber, wie im vorliegenden Fall, abschließend, so ist für eine solche Spezifizierung kein Raum.
In dieser Auslegung hat die Tarifnorm auch ein vernünftiges Ergebnis, denn die in ihr in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Besoldungsvorschriften decken, was von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der ehemaligen DDR vorhandene Vielzahl von Lehrerausbildungsabschlüssen nicht ab. Die Tarifvertragsparteien mußten daher davon ausgehen, daß für eine Reihe von Fällen die Eingruppierung nicht unmittelbar durch Rückgriff auf Vorschriften des Besoldungsrechts möglich sein, sondern – im Rahmen der im Besoldungsrecht zum Ausdruck kommenden Wertungen – noch ergänzende und präzisierende Vorgaben durch Richtlinien voraussetzen werde. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht.
Schließlich steht der von dem beklagten Land für richtig gehaltenen Auslegung, wonach für die Eingruppierung immer dann die Richtlinien maßgeblich sein sollen, wenn sie nur vorhanden sind, auch entgegen, daß der Tarifvertrag für ein derartiges generelles Zurücktreten der Tarifnorm gegenüber der von einer Tarifvertragspartei einseitig vorgenommenen Festlegung keine Grundlage bietet. Sollten die Tarifvertragsparteien wirklich eine solche ungewöhnliche Regelung gewollt haben, die einer Seite ein beliebiges und für die Tarifunterworfenen verbindliches Abweichen vom Tarifvertrag ermöglichen würde, dann hätten sie dies durch eine entsprechende Formulierung im Tarifvertrag – z.B. “sofern nicht in Richtlinien der Arbeitgeber etwas anderes bestimmt ist” – klar zum Ausdruck bringen müssen. Dabei kann hier dahinstehen, inwieweit eine solche Verweisung überhaupt wirksam wäre.
4. Im Ergebnis zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß etwaige Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Januar und Februar 1992 nicht gemäß § 70 BAT-O verfallen sind. Nach Absatz 2 der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O beginnt die Ausschlußfrist des § 70 für Ansprüche, die sich aus einer Eingruppierung vom 1. Juli 1991 an ergeben, erst am 1. Januar 1993. Die Geltendmachung der Differenzvergütung für die Monate Januar bis September 1992 im Termin vom 3. September 1992 hat die Ausschlußfrist gewahrt.
IV. Der Rechtsstreit war aus den unter III.2 genannten Gründen an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf weiterer Feststellungen, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt die Klägerin die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine Einstufung in die BesoldungsGr. A 11 erfüllt. Daneben wird das Landesarbeitsgericht auch zu klären haben, ob die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für einen Aufstieg der Klägerin in die begehrte VergGr. IVa BAT-O vorliegen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, daß die Tarifvertragsparteien durch die Verweisung auf das Beamtenrecht dem beklagten Land nicht völlig freie Hand hinsichtlich der Höhergruppierung der angestellten Lehrer gegeben haben. Dieses ist vielmehr im Rahmen des von ihm auszuübenden pflichtgemäßen Ermessens verpflichtet, überhaupt entsprechende Beförderungsstellen entsprechend dem anzuwendenen Stellenkegel zu schaffen und die angestellten Lehrer bei der Besetzung dieser Stellen leistungsentsprechend und unter Berücksichtigung ihrer Dienstzeiten als Lehrer angemessen zu berücksichtigen. Dabei steht die Zurücklegung von Dienstzeiten in der ehemaligen DDR einer Berücksichtigung nicht entgegen.
Unterschriften
Schaub, Bepler, Schneider, Fieberg, Wax
Fundstellen
Haufe-Index 856655 |
BAGE, 264 |
BB 1994, 1013 |
BB 1994, 1572 |
NZA 1995, 180 |