Entscheidungsstichwort (Thema)
Formerfordernisse für Interessenausgleich mit Namensliste - soziale Auswahl
Orientierungssatz
Wird ein Interessenausgleich mit Namensliste eingereicht, so muß letztere ein äußeres Merkmal aufweisen, das sie als Bestandteil des Interessenausgleich ausweist.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. November 1997 - 21
Sa 28/97 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der am 5. März 1946 geborene Kläger war seit 1969 als Gebietsverkaufsleiter im Außendienst gegen einen Bruttomonatsverdienst von zuletzt 11.407,00 DM für die Gemeinschuldnerin tätig. Ihm wurde 1991 Prokura erteilt. Sein Aufgabengebiet umfaßte große Teile Westeuropas, Nordafrika, die USA, Kuba, die Falklandinseln sowie Mittel- und Südamerika. Er spricht Englisch, Französisch und Spanisch.
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 1. April 1996 der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt; zum damaligen Zeitpunkt wurden ca. 200 Arbeitnehmer in verschiedenen Betriebsstätten beschäftigt. Bereits unter dem 29. April 1996 schloß der Konkursverwalter mit dem bei der Gemeinschuldnerin gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Danach war das Personal binnen drei Monaten um etwa 100 Mitarbeiter zu verringern, damit der Betrieb zumindest für ein Jahr befristet fortgeführt werden und nach Kaufinteressenten gesucht werden konnte. Die Zahl der Verkäufer und Verkaufsleiter einschließlich der zu betreuenden Verkaufsgebiete sollte beschränkt und deshalb die im Verkauf eingesetzten 18 Arbeitnehmer auf neun reduziert werden.
Im Zuge dieser Planung wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zunächst mit Schreiben vom 28. Mai 1996 zum 31. Dezember 1996 gekündigt. In dem diesbezüglich geführten Kündigungsschutzrechtsstreit obsiegte der Kläger (rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. November 1997 - 21 Sa 21/97 -).
Der ersten Kündigung folgten zwei weitere Kündigungen. Mit Schreiben vom 27. September 1996 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1997. Auch mit seiner gegen diese Kündigung gerichteten Klage war der Kläger erfolgreich. Das Arbeitsgericht Pforzheim hat in seinem Urteil vom 25. Februar 1997 - 1 Ca 609/96 - festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht zum 31. März 1997 aufgelöst wurde. Die Berufung des Beklagten wurde durch rechtskräftiges, am 14. Juli 1998 zugestelltes Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 1998 - 7 Sa 38/97 - zurückgewiesen. Unter dem Datum des 28. Oktober 1996 schließlich erklärte der Beklagte die streitgegenständliche Kündigung zum 31. Januar 1997, über die das Arbeitsgericht Pforzheim ebenfalls durch Urteil vom 25. Februar 1997 - 1 Ca 655/96 - zuungunsten des Klägers entschied.
Mit Vertrag vom 10. Oktober 1996 hatte der Beklagte mit Wirkung zum 2. Januar 1997 jedenfalls einen Teil des Betriebs der Gemeinschuldnerin an die neu gegründete H GmbH B veräußert, bis zum 31. Dezember 1996 führte der beklagte Konkursverwalter den Geschäftsbetrieb weiter.
Mit einem undatierten Schriftwerk hatten der Beklagte und der Betriebsrat unter Beteiligung der IG Metall einen weiteren Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen: Unter der Rubrik "Regelung Personalabbau" nimmt der Interessenausgleich auf eine als Anlage 1 bezeichnete Personalliste Bezug; neben weiteren 21 Namen und Daten enthält die vorgelegte Liste Vor- und Nachnamen des Klägers sowie den beabsichtigten Kündigungstermin 31. Januar 1997. Am Ende des Textes des Regelungswerks finden sich die Unterschriften der Betriebspartner, die Namensliste selbst ist nicht unterzeichnet. Der Text und die Namensliste des beigebrachten Originals sind weder gebunden noch geheftet, auch die einzelnen Blätter der Vereinbarung selbst sind nicht unterzeichnet oder verbunden. Allerdings wurden von den Betriebsparteien mehrere Ausfertigungen unterschrieben. Ob der Interessenausgleich bereits am 24. Oktober 1996 - wie der Beklagte behauptet hat - oder erst am 12. Dezember 1996 - wie dies der Kläger vorgetragen hat - von den Betriebspartnern unterschrieben wurde, ist zwischen den Parteien streitig geblieben.
Neben mindestens drei weiteren Verkaufsleitern - den Herren P G , S H und H Sch - sowie der früheren Sekretärin des Klägers B V wurde in der Verkaufsabteilung der Gebietsverkaufsleiter D S weiterbeschäftigt. Er ist jünger als der Kläger, stammt aus den neuen Bundesländern, wurde im Betrieb der Gemeinschuldnerin am 1. Oktober 1990 eingestellt, war zunächst als Montageinspektor im Verkaufsgebiet Herrn Sch eingesetzt und ist seit 1991 als Gebietsverkaufsleiter für alle Länder des früheren Ostblocks zuständig.
Der Kläger hat in seiner am 2. November 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage u.a. geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er hat behauptet, die von ihm betreuten Verkaufsgebiete seien nicht tatsächlich entfallen, sondern lediglich auf Frau V , die Herren G , H , Sch und S sowie den Rentner A , der Tunesien und Marokko bereise, umverteilt worden. Auf die Wirkungen des § 125 InsO könne sich der Beklagte nicht berufen, weil der Interessenausgleich nicht wirksam zustande gekommen sei. Die als Anlage 1 vorgelegte Personalliste sei nicht integraler Bestandteil des Interessenausgleichs und diesem im Zeitpunkt der Unterzeichnung auch nicht angefügt gewesen. Der Kläger hat bestritten, daß die bei Abschluß des Interessenausgleichs verhandelte Namensliste identisch mit der im Kündigungsschutzprozeß eingereichten sei. Zudem habe sich, so das Vorbringen des Klägers, die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert, nachdem ab 2. Januar 1997 ein Betriebsübergang auf die H GmbH B stattgefunden habe. Jedenfalls sei die von dem Beklagten im Rahmen der Neustrukturierung der Verkaufsgebiete durchgeführte soziale Auswahl fehlerhaft. Namentlich der Gebietsverkaufsleiter S sei in sie einzubeziehen gewesen. Anerkennenswerte betriebliche Belange geböten seine Weiterbeschäftigung nicht. Russische Sprachkenntnisse seien nicht erforderlich, um den Ostblockmarkt zu bedienen, wie sich daran zeige, daß Herr Sch den russischen Markt über zehn Jahre ohne entsprechende Sprachkenntnisse betreut habe. Auch sei es nicht üblich, daß Verkaufsgespräche in Russisch geführt würden, gebräuchlich seien die Verkaufssprachen Deutsch oder Englisch. Überdies sei der Ostmarkt seit der Einstellung von Herrn S nicht wesentlich gewachsen.
Der Kläger hat beantragt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
durch die Kündigung des Beklagten vom 28. Oktober 1996 zum 31.
Januar 1997 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, er habe schon im April 1996 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Vertrieb neu zu ordnen, die bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verkaufsgebiete teils aufzugeben, teils zusammenzulegen oder anders zuzuordnen und sie mit vier anstelle von vormals acht Gebietsverkaufsleitern weiterzuführen. Voraussetzung für die Übernahme eines Teils des Betriebs der Gemeinschuldnerin durch die Auffanggesellschaft H GmbH B zum 2. Januar 1997 sei gewesen, die Kosten weiter zu reduzieren, die zu übernehmende Arbeitnehmerzahl auf 70 und die Verkaufsgebiete auf vier - besetzt mit vier Verkäufern - zu begrenzen. Interessenausgleich und Sozialplan seien schon am 24. Oktober 1996 vom Betriebsrat, ihm selbst - dem Beklagten - und Vertretern der IG Metall unterschrieben worden. Folglich finde § 125 InsO auf die Kündigung Anwendung. Im übrigen sei die Entlassung des Klägers aus dringenden betrieblichen Gründen geboten gewesen; infolge der Neustrukturierung habe lediglich noch Bedarf für vier Gebietsverkaufsleiter bestanden. Eine soziale Auswahl sei nicht zu treffen gewesen, der Kläger sei mit keinem der verbliebenen Verkäufer zu vergleichen, weil er eine herausragende Stellung innegehabt habe. Jedenfalls seien alle weiterbeschäftigten Gebietsverkaufsleiter entweder sozial schützenswerter als der Kläger oder - wie der Mitarbeiter D S - unentbehrlich für den Betrieb. Dessen Aufgabengebiet habe dem Kläger nicht übertragen werden können, weil Herr S aufgrund seiner Herkunft aus den neuen Bundesländern und seiner vorangegangenen beruflichen Tätigkeit hervorragende Kontakte im ehemaligen Ostblock habe. Er spreche darüber hinaus perfekt Russisch und Englisch.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, die 21. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der Rechtsstreit war aufgrund eines Nachtrags zur Geschäftsverteilung des Landesarbeitsgerichts für das Jahr 1997, der auf die Neubildung zweier Kammern zurückging, von der ursprünglich zuständigen 8. Kammer an die 21. Kammer abgegeben worden. Ziff. 3 c Abs. 2 des Nachtrags vom 30. Juni 1997 lautet:
"Der Kammer 21 werden ebenfalls zugewiesen die sieben
Berufungsverfahren, die die Kammern 2, 5, 7 und 8 jeweils ab 1.
Oktober 1997 zeitlich aufeinanderfolgend terminiert haben
(insgesamt sonach 28 Berufungsverfahren; Stichtag: jeweils 19.
Juni 1997; ausgenommen sind Fortsetzungstermine)."
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte nach wie vor die Abweisung der Klage. Der Kläger hat neben seinem Antrag auf Zurückweisung der Revision hilfsweise die Hauptsache im Hinblick auf das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 16. Juni 1998 - 7 Sa 38/97 - für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die in zuständiger Besetzung getroffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, die streitige Kündigung sei wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) unwirksam, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
I. An einer eigenständigen Entscheidung in der Hauptsache ist der Senat durch die Rechtskraft des Urteils vom 16. Juni 1998 - 7 Sa 38/97 - nicht gehindert (§ 322 Abs. 1 ZPO). Zwar beinhaltet ein rechtskräftiges Urteil, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine bestimmte Kündigung zu dem vorgesehenen Kündigungstermin nicht aufgelöst worden ist, grundsätzlich auch, daß dieses Arbeitsverhältnis nicht zuvor schon durch andere Kündigungen oder sonstige Auflösungstatbestände aufgelöst wurde (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - BAGE 81, 111 = AP Nr. 48 zu § 519 ZPO und vom 21. Januar 1999 - 2 AZR 648/97 - DB 1999, 806, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; ebenso BAG Urteil vom 18. März 1999 - 8 AZR 306/98 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Vorliegend waren aber die Kündigung vom 27. September 1996 zum 31. März 1997 und die jetzt noch streitige Kündigung vom 28. Oktober 1996 zum 31. Januar 1997 Gegenstand separater Kündigungsschutzklagen, über die dieselbe Kammer des Arbeitsgerichts jeweils am 25. Februar 1997 entschieden hat. Damit war sowohl für die Parteien als auch das Gericht klar, daß die Kündigung vom 28. Oktober 1996 nicht zugleich Gegenstand im Rechtsstreit über die Kündigung vom 27. September 1996 sein sollte; eine etwaige Auflösung durch die Kündigung vom 28. Oktober 1996 blieb im Rechtsstreit über die Kündigung vom 27. September 1996 ausgeklammert, was zulässig ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969 und vom 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 - EzA-SD 1999 Nr. 9, 10, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
II. Das Landesarbeitsgericht hat vorliegend auch durch die zuständige Kammer entschieden. Die Besetzungsrüge der Revision (§§ 551 Nr. 1, 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO) ist unbegründet. Die Änderung der Geschäftsverteilung des Landesarbeitsgerichts für das Jahr 1997 durch den Nachtrag IV vom 30. Juni 1997 genügt sowohl den Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG als auch der durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und den inhaltsgleichen § 16 Satz 2 GVG gebotenen abstrakt-generellen Vorherbestimmbarkeit des gesetzlichen Richters.
1. Wenngleich wegen der Jährlichkeits- und Stetigkeitsprinzipien des § 21 e Abs. 1 Satz 2 GVG während des laufenden Geschäftsjahres grundsätzlich eine Veränderungssperre besteht (Kissel, GVG, 2. Aufl., § 21 e Rz 96, 84 und 85), rechtfertigt der mit der Neuschaffung der 21. Kammer verbundene Richterwechsel am 1. Oktober 1997 ausnahmsweise die nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans nach § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG, der über § 6 a Einleitungssatz ArbGG auf das arbeitsgerichtliche Verfahren anzuwenden ist (vgl. auch BAG Urteil vom 24. März 1998 - 9 AZR 172/97 - AP Nr. 4 zu § 21 e GVG, zu I 1 b aa und bb der Gründe).
Dem Änderungsanlaß in der Alternative des Richterwechsels unterfällt nicht nur der Austausch von Richtern in einem bestehenden Spruchkörper während des Geschäftsjahres, sondern auch die Neubildung eines Spruchkörpers (indirekt Kissel, aaO, § 21 e Rz 101).
2. Der gegebene Anlaß rechtfertigt weiter die in Ziff. 3 c Abs. 2 des Nachtrags vorgenommene Änderung; sie ist sachgerecht. Zwar ist § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG als Ausnahmebestimmung eng auszulegen. Das bedeutet über die Eingrenzung auf die vier durch die Norm vorgegebenen Änderungsanlässe hinaus, daß die Auswirkungen des jeweiligen Anlasses so gering wie möglich zu halten sind und nur so weit gehen dürfen wie unbedingt nötig (Kissel, aaO, § 21 e Rz 99). Zu welchen Änderungen der Anlaß zwingt, bleibt aber bis zur Grenze der Willkür dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums überlassen und ist in diesem Rahmen der mittelbaren Anfechtung durch die Besetzungsrüge entzogen (Kissel, aaO, § 21 e Rz 99 und 108). Unzulässig ist eine Zuständigkeitsbestimmung von Fall zu Fall im Gegensatz zu einer normativen, abstrakt-generellen Vorherbestimmung des Richters (BVerfG Vorlagebeschluß vom 10. August 1995 - 1 BvR 1644/94 - NJW 1995, 2703, zu II 1 der Gründe; Senatsurteil vom 7. Mai 1998 - 2 AZR 344/97 - EzA § 551 ZPO Nr. 6, zu II 5 c aa der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BAG Urteil vom 16. November 1995 - 8 AZR 864/93 - BAGE 81, 265, 282 f. = AP Nr. 54 zu Einigungsvertrag Anlage 1 Kap. XIX, zu A der Gründe).
a) Daß Rechtsstreitigkeiten, die bereits in der Vergangenheit bei Gericht eingegangen, von dem zuständigen Spruchkörper aber noch nicht abschließend bearbeitet sind, umverteilt werden, widerspricht allerdings insofern dem Abstraktionsprinzip, als spezielle, durch ihre Anhängigkeit bereits konkretisierte Verfahren zugeteilt werden. Ein solches Vorgehen war hier aber durch die Veränderung der dem Landesarbeitsgericht ab 1. Oktober 1997 zur Verfügung stehenden Zahl der Kammern, die einen sachlichen Anlaß bildet, gerechtfertigt (vgl. Kissel, aaO, § 21 e Rz 87). Das pflichtgemäße Ermessen des Präsidiums ist nicht darauf verengt, dem neu gebildeten Spruchkörper ausschließlich künftig anhängig werdende Prozesse zuzuweisen (vgl. in dem ähnlichen Zusammenhang der Bildung einer Hilfskammer im laufenden Geschäftsjahr BAG Urteil vom 24. März 1998 - 9 AZR 172/97 -, aaO, zu I 1 b bb der Gründe), zumal eine Umverteilung wegen der mit ihr ggf. einhergehenden Verkürzung der Bearbeitungszeit im Interesse der Rechtspflege liegen kann (vgl. auch Kissel, aaO, § 21 e Rz 101 a.E.). Bei einer solchen Aufteilung ist eine gewisse Konkretisierung nicht zu verhindern (BVerwG Urteil vom 30. Oktober 1984 - 9 C 67.82 - DVBl. 1985, 575, 576).
Für die 21. Kammer wurden hier durch den Nachtrag keine individuell bestimmten Verfahren ausgesucht. Daß der jeweilige Vorsitzende der 2., 5.,7. und 8. Kammer keinen Einfluß auf den einzelnen abzugebenden Prozeß nehmen konnte, wurde durch das verwendete Perfekt ("terminiert haben") und die Stichtagsregelung gewährleistet. Gemeinsam betrachtet bedeutet dies, daß die Termine in den sieben abzugebenden Berufungsverfahren am 19. Juni 1997 - einem Zeitpunkt vor dem Datum des Präsidiumsbeschlusses vom 30. Juni 1997 - bereits anberaumt sein mußten. Die Verbindung beider Merkmale stellt ein zulässiges Kriterium dar, um die Zuständigkeit des Spruchkörpers zu bestimmen (vgl. zu einer Zuweisung nach dem Eingangsdatum BAG Urteil vom 24. März 1998 - 9 AZR 172/97 -, aaO, zu I 1 b bb der Gründe). Der in der Revisionsbegründung geäußerte Verdacht, dem Präsidiumsbeschluß seien bestimmte Aktenzeichen zugrunde gelegt worden, wird auch dadurch entkräftet, daß nicht eine, sondern vier Kammern nach denselben Kriterien Verfahren abzugeben hatten. Vermutungen über den Hintergrund der Einbeziehung von nur vier bzw. fünf Kammern, wenn Ziff. 3 c Abs. 1 des Nachtrags berücksichtigt wird, verbieten sich wegen der pflichtgemäßen Verfahrensautonomie des Präsidiums.
b) Schließlich ist die Regelung im Nachtrag auch hinreichend bestimmt. Entgegen der Ansicht der Revision besteht kein vermeidbarer Auslegungsspielraum. Zwar ist die von der Revision alternativ erwogene Interpretation rein logisch wohl möglich, aber völlig abwegig: Ginge es um die Reihenfolge der Terminsverfügungen, wäre der Präsidiumsbeschluß - um die Wortwahl der Revision aufzugreifen - in der Tat nahezu "für niemanden mehr nachvollziehbar". Ersichtlich sollten die sieben Berufungsverfahren der Kammer 21 zugewiesen werden, die nach dem Stand der Terminierung vom 19. Juni 1997 in der Zeit ab 1. Oktober 1997 als nächste von den jeweils genannten Kammern zu verhandeln gewesen wären.
III. In der Sache selbst hat das Landesarbeitsgericht angenommen, statt des Klägers hätte der aufgrund seines Lebensalters und seiner Betriebszugehörigkeit sozial weit weniger schutzwürdige Leiter des Verkaufsgebiets Ost S entlassen werden müssen. Seiner im Mai 1991 erteilten Prokura sei der Kläger durch die Konkurseröffnung im April 1996 verlustig gegangen. Bei Ausspruch der Kündigung seien beide Arbeitnehmer derselben Ebene der Betriebshierarchie zuzuordnen und auch im übrigen vergleichbar gewesen. § 125 InsO finde keine Anwendung, weil das aus § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG folgende Schriftformerfordernis nicht gewahrt sei. Ein berechtigtes betriebliches Interesse im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, das dem Beklagten die Weiterbeschäftigung des Gebietsverkaufsleiters S statt des Klägers erlaube, habe der Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargetan.
IV. Die Entscheidung hält den Angriffen der Revision stand.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten hinsichtlich der Existenz eines formwirksamen Interessenausgleichs mit Namensliste im Sinne von § 125 Abs. 1 InsO für beweisfällig erachtet.
a) Schon in erster Instanz hatte der Kläger nicht nur bestritten, daß der Interessenausgleich bereits am 24. Oktober 1996 und damit vor Zugang der streitigen Kündigung zustande gekommen, sondern darüber hinaus, daß die Personalliste mit dem Namen des Klägers Bestandteil des Interessenausgleichs gewesen sei. Mit Recht verweist der Kläger in seiner Revisionserwiderung auch darauf, er habe zweitinstanzlich dezidiert bestritten, daß dem Interessenausgleich bei Unterzeichnung die fragliche Personalliste beigefügt gewesen und mit der zusammengesetzten Urkunde fest verbunden worden sei.
b) Letzteres hatte der Beklagte zu keiner Zeit behauptet. Daß die in Kopie eingereichte Namensliste im Sinne einer einheitlichen Urkunde Bestandteil des Interessenausgleichs war, ließ sich auch nicht aus sonstigen Umständen wie fortlaufendem Text o.ä. (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Mai 1998 - 2 AZR 55/98 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) entnehmen. Die eingereichte Namensliste enthält vielmehr, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, kein äußeres Merkmal, das sie als Bestandteil des Interessenausgleichs ausweist. Entgegen der Ansicht der Revision genügt insoweit nicht der einseitige Hinweis im Interessenausgleich auf die Anlage 1, ebensowenig die Verwahrung in einer Plastikhülle innerhalb eines Ordners, weil die Namensliste unter solchen Umständen problemlos ausgetauscht werden könnte. Dem Beklagten ist vor der Verkündung des angefochtenen Urteils der Beweis eines gemäß § 125 Abs. 1 InsO, § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 126 BGB formwirksamen Interessenausgleichs mit Namensliste nicht gelungen.
c) Ob es für eine einheitliche, formwirksame Urkunde unter Umständen ausreichen könnte, wenn mehrere Exemplare mit Originalunterschriften und der gleichlautenden Namensliste als nicht fest verbundenen Anlage erstellt und von den Betriebspartnern oder gar auch von weiteren Beteiligten (hier evtl. auch Gewerkschaft und Konkursgericht) separat verwahrt werden, erscheint zweifelhaft; auch dann sind nämlich die Namensliste als Anlage und der Interessenausgleich im übrigen nicht jeweils zu einer Urkunde verbunden. Die Frage bedarf aber vorliegend keiner Entscheidung, denn die diesbezügliche Revisionsrüge einer Verletzung von § 428 ZPO und des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör ist unbegründet.
Selbst wenn der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten entgegen der Aussage des Zeugen M (S. 2 Abs. 3 des Protokolls vom 5. November 1997) ein Original des Interessenausgleichs erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 1997 zu Gesicht bekam, kann wegen des frühzeitigen Bestreitens des Klägers (vgl. oben a) und der Aufforderung des Landesarbeitsgerichts zur Vorlegung der Originalurkunde weder hinsichtlich der Existenz mehrerer Originale noch bezüglich der Frage einer festen Verbindung der Namensliste mit dem Interessenausgleich (z. B. mittels Heftmaschine) von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör die Rede sein. Zu letzterem hat das Landesarbeitsgericht mit Recht ausgeführt, der Beklagte habe nicht einmal in der mündlichen Verhandlung die Existenz eines gehefteten Originals behauptet, sondern lediglich Zeit für weitere Nachforschungen gewinnen wollen. Der Beklagte erfüllte damit nicht die Voraussetzungen eines Beweisantritts gemäß § 428 ZPO (vgl. §§ 430, 424 Nr. 2 ZPO). Was die Existenz von weiteren, in den Händen von Dritten befindlichen Exemplaren mit inhaltsgleicher Namensliste angeht, war der Antrag auf Fristnachlaß im Termin vom 5. November 1997 schon gar nicht mit dieser Beweisrichtung gestellt. Im übrigen hatte der Beklagte für einen beachtlichen Beweisantritt auch weder gemäß §§ 430, 424 Nr. 5 ZPO glaubhaft gemacht, daß sich die Urkunden in den Händen Dritter befänden, noch daß und aus welchem Grund diese zur Vorlegung verpflichtet seien.
2. Greift somit weder die Vermutungswirkung noch der schärfere Prüfungsmaßstab für die Sozialauswahl gemäß § 125 Abs. 1 InsO, § 1 Abs. 5 KSchG (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Mai 1998 - 2 AZR 536/97 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 5, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), so kommt es für letztere zunächst darauf an, ob der Beklagte die vom Kläger substantiiert behauptete Vergleichbarkeit mit den unstreitig verbliebenen Gebietsverkaufsleitern (G , H , Sch , S ) ausreichend bestritten hat.
a) Was die Feststellung des Landesarbeitsgerichts angeht, der Kläger sei mit dem Gebietsverkaufsleiter S (horizontal) vergleichbar, hat die Revision keinen Rechtsfehler aufgezeigt. An diese Feststellung ist der Senat mangels beachtlicher Revisionsrügen gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast des Klägers nicht verkannt, sondern ist ausdrücklich von ihr ausgegangen. Wenn das Landesarbeitsgericht dann im Hinblick auf das Erlöschen der Prokura mit Konkurseröffnung und das Vorbringen des Klägers, er habe zu keiner Zeit erhebliche unternehmerische Entscheidungsbefugnisse für die Gemeinschuldnerin ausgeübt, konkretes Gegenvorbringen des Beklagten vermißt hat, ist dies nicht zu beanstanden.
b) Die Vergleichbarkeit des Klägers mit S wird auch nicht durch die von dem Beklagten behaupteten russischen Sprachkenntnisse und Ostkontakte dieses Gebietsverkaufsleiters ausgeschlossen. Der Kläger hat entgegen der Ansicht der Revision unter Hinweis auf die langjährige Tätigkeit des bis 1991 für das Ostgeschäft zuständigen Gebietsverkaufsleiters Sch hinreichend konkret geltend gemacht, diese Gesichtspunkte seien keine mit dem Ostgeschäft verbundenen spezifischen Erfordernisse; die Vertragsverhandlungen würden dort üblicherweise in deutscher oder englischer Sprache geführt; es lasse sich nach den von S erzielten Umsätzen nicht erkennen, daß die genannten Gesichtspunkte auch nur von Vorteil gewesen wären. Demgegenüber hat der Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit und Substantiierung behauptet, er habe schon vor Ausspruch der streitigen Kündigung das Anforderungsprofil an den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers S dahin bestimmt, die Tätigkeit erfordere die Beherrschung der russischen Sprache und spezielle Kontakte zu Geschäftspartnern im Osten.
Ebensowenig ist die Rüge der Revision begründet, das Landesarbeitsgericht habe zur Vergleichbarkeit des Klägers mit S seine Frage- und Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO verletzt, andernfalls hätte der Beklagte noch erhebliche Gehaltsunterschiede und unterschiedliche Berufsqualifikationen vortragen können.
(1) Was die unterschiedliche Vergütung angeht, wären ergänzende Darlegungen des Beklagten unbehelflich gewesen; bloße Vergütungsunterschiede vermögen die Vergleichbarkeit nicht auszuschließen, weil es mangels hierarchischer Unterschiede entscheidend auf die Vergleichbarkeit der Tätigkeit ankommt. Der Kläger hatte eine entsprechende Austauschbarkeit, wie schon dargelegt, hinreichend konkret vorgetragen. Zu weiterer Substantiierung wäre er nur gehalten gewesen, wenn der Beklagte seinerseits zuvor konkret bestritten hätte.
(2) Hinsichtlich der unterschiedlichen Ausbildung des Gebietsverkaufsleiters S gilt nichts anderes. Unter Berücksichtigung dessen, daß der Kläger langjährig ebenfalls als Gebietsverkaufsleiter tätig war, greift die Rüge der Revision zu kurz. Es ist nicht ersichtlich, daß sich dem Gebietsverkaufsleiter S im technischen Bereich andere Probleme stellten als dem Gebietsverkaufsleiter B (Kläger). Die Revision hat auch nicht angegeben, der Kläger habe sich trotz seiner langjährigen Tätigkeit für die Lösung solcher Kundenprobleme keine vergleichbaren Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet und dies hätte der Beklagte gegebenenfalls vorgetragen, wenn das Landesarbeitsgericht seiner Frage- und Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO nachgekommen wäre. Auch daß der Beklagte das Anforderungsprofil für den Arbeitsplatz des Mitarbeiters S vor der streitigen Kündigung derart bestimmt hätte, daß die Besetzung nur mit einem Textilingenieur hätte erfolgen sollen, ist weder ersichtlich noch hat die Revision mit ihrer Rüge angegeben, der Beklagte hätte solches auf Fragen und Hinweise des Landesarbeitsgerichts gemäß § 139 ZPO vorgetragen.
3. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht ausreichenden Vortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten dazu vermißt hat, der Gebietsverkaufsleiter S sei gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus berechtigten betrieblichen Interessen nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen. In der Tat hätte der Beklagte sich insoweit wegen des substantiierten Bestreitens des Klägers nicht mit pauschalen Behauptungen begnügen dürfen, die obendrein nicht erkennen lassen, ob die berechtigten betrieblichen Interessen von dem Beklagten schon bei Ausspruch der streitigen Kündigung zur Grundlage seiner Auswahlentscheidung gemacht wurden.
4. Durfte das Landesarbeitsgericht demnach mit Recht von der Vergleichbarkeit des Klägers mit Herrn S ausgehen, ist es konsequent, wenn es im Hinblick auf die nach Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit weit größere soziale Schutzwürdigkeit des Klägers die streitige Kündigung für unwirksam angesehen hat (§ 1 Abs. 3 KSchG). Was die Wertung der Sozialdaten angeht, hat die Revision auch keine Rügen erhoben.
Etzel Bröhl Fischermeier
Dr. Roeckl Baerbaum
Fundstellen
Haufe-Index 610865 |
NZI 2001, 87 |
ZInsO 2000, 351 |