Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Insolvenzverfahren. Insolvenzgeld. Betriebsübergang vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (amtlich)
- An den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung eines Betriebserwerbers im Konkurs (vgl. BAG 17. Januar 1980 – 3 AZR 160/79 – BAGE 32, 326 = AP BGB § 613a Nr. 18) wird auch unter der Geltung der Insolvenzordnung festgehalten.
- Danach ist die Haftung eines Betriebserwerbers gem. § 613a BGB nicht beschränkt, wenn er den Betrieb vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernommen hat.
Orientierungssatz
- Wird ein Betrieb im Rahmen eines Konkursverfahrens veräußert, ist § 613a BGB insoweit nicht anwendbar, wie diese Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für bereits entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang (BAG 17. Januar 1980 – 3 AZR 160/79 – BAGE 32, 326 = AP BGB § 613a Nr. 18).
- An diesen Grundsätzen der beschränkten Haftung eines Betriebserwerbers im Konkurs wird auch unter der Geltung der Insolvenzordnung festgehalten.
- Danach ist die Haftung eines Betriebserwerbers gem. § 613a BGB nicht beschränkt, wenn er den Betrieb vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernommen hat.
Normenkette
BGB §§ 611, 613a; SGB III § 187; GmbHG §§ 1, 2 Abs. 1, § 7 Abs. 2-3, § 11 Abs. 1, § 13 Nr. 1; InsO §§ 21-22, 113
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 5. Juli 2001 – 1 Sa 430 a/00 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Lohnansprüche aus übergegangenem Recht.
Die Beklagte unterhält einen Malereibetrieb in der Rechtsform einer GmbH. Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Beklagten ist – neben ihrem Sohn – Frau M…. Ihr Ehemann H…-D… M… war als Einzelunternehmer tätig und unterhielt einen Malerei- und Lackiererbetrieb. Die Malerei befand sich in W…. In diesem Bereich waren zuletzt 18 Arbeitnehmer tätig (12 Gesellen, ein Meister ohne Prüfung, vier Auszubildende und eine kaufmännische Angestellte). Bereits im Jahr 1997 trat Frau M… an die Geschäftsbank ihres Ehemannes zur Sicherheit eine Lebensversicherung ab, um eine bereits damals drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Am 31. Dezember 1997 übereignete H…-D… M… “alle im Betrieb befindlichen Fahrzeuge” im Rahmen einer Sicherungsübereignung an seine Ehefrau. Diese nahm die Sicherungsübereignung am gleichen Tag an. Des weiteren übereignete Herr M… am gleichen Tag zur Sicherung
“alle in dem Malereibetrieb W… und dem Lackierbetrieb E… befindlichen Werkzeuge und Geräte lt. anliegender Aufstellung, sowie die komplette Büroausstattung”
an Frau M…, die diese Sicherungsübereignung annahm. Ferner wurden an diesem Tag
“alle in dem Malereibetrieb W… und dem Lackierbetrieb E… befindlichen Werk- und Hilfsstoffe, alle Materialien gem. Auflistung, Inventur sowie Materialien, die auf den Baustellen ermittelt wurden”,
von Herrn H…-D… M… an seine Ehefrau sicherungsübereignet. Gemäß Vertrag vom 1. April 1998 gewährte Frau M… ihrem im Güterstand der Gütertrennung lebenden Ehemann ein Darlehen in Höhe von 49.000,00 DM. Zur Sicherheit wurden Frau M… wiederum der Fahrzeugpark (Fuhrpark laut Fahrzeugliste), die Betriebsausstattung (Malerei und Lackiererei) sowie die Lager- und Warenbestände (gemäß Inventur und Bestand) übertragen. Die gleichen Sicherheiten wurden ihr von ihrem Ehemann auch für eine weitere Darlehensgewährung in Höhe von 80.000,00 DM laut Vertrag vom 8. Januar 1999 gegeben. Am 8. Februar 1999 gründete Frau M… als alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die “M… GmbH Malereibetrieb”. Am 12. Februar 1999 stellte die AOK Schleswig-Holstein einen Antrag auf Durchführung des Insolvenzverfahrens gegen die Firma H…-D… M…. Sämtliche im Rahmen der Darlehensgewährung an Frau M… zur Sicherheit übereigneten Betriebsmittel wie der Fuhrpark, Materialien, Werkzeuge, Geräte, Büroausstattung sowie Forderungen sind von dem späteren Insolvenzverwalter U… an die “Geschäftsführerin” herausgegeben worden und werden von der Beklagten auch weiterhin genutzt. Im Schreiben des späteren Insolvenzverwalters vom 11. März 1999 an Herrn M… ist ua. folgendes festgehalten:
“… Wir vereinbarten, daß Sie mit Wirkung vom 08.03.1999 die nicht sicherungsübereigneten und abgetretenen Wirtschaftsgüter (z.B. Kundenstamm, halbfertige Aufträge und neue Aufträge) an die GmbH zum Preis von DM 30.000,-- netto zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer verkaufen.”
Am 5. März 1999 stellte das Einzelunternehmen M… seine betriebliche Tätigkeit ein. Die “M… GmbH Malereibetrieb” wurde am Markt ab dem 8. März 1999 tätig, nachdem am selben Tag zunächst mit zwei ehemals in der Einzelfirma beschäftigten Mitarbeitern (S… und K…) neue Arbeitsverhältnisse begründet wurden. Für die Nutzung der Räumlichkeiten des Einzelunternehmens wurde vorübergehend an die Kreis- und Stadtsparkasse E… eine monatliche Miete von 5.000,00 DM entrichtet. In der Folgezeit traten dann zwei weitere Mitarbeiter – R… und V… – ein. Herr R… war früher Geselle der Einzelfirma und schied dort zum 19. Februar 1999 aus. Herr V… war vorher nicht bei der Einzelfirma beschäftigt. Des weiteren wurden im Laufe des Monats März bzw. April die ehemaligen Mitarbeiter der Einzelfirma Si…, D…, L… sowie W…, am 13. März 1999 die vier Auszubildenden und am 1. April 1999 P… sowie H…-D… M… eingestellt. Am 28. April 1999 wurde die M… GmbH Malereibetrieb in das Handelsregister eingetragen. Mit Beschluß vom 29. Juni 1999 eröffnete das Amtsgericht Neumünster das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Malermeisters H…-D… M… zum 1. Juni 1999 und bestellte Rechtsanwalt und Steuerberater U… zum Insolvenzverwalter.
Die Klägerin zahlte an die in der Malerei beschäftigten ehemaligen Mitarbeiter (D…, G…, L…, P… sowie W…) der Einzelfirma H…-D… M… Insolvenzgeld in der zwischen den Parteien außer Streit stehenden Höhe von insgesamt 18.226,40 DM.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Erstattung des von ihr an die ehemaligen Mitarbeiter des in Vermögensverfall geratenen Malermeisters H…-D… M… gezahlten Insolvenzgeldes. Sie hat die Auffassung vertreten, die Einzelfirma H…-D… M… sei spätestens zum 8. März 1999 iSd. § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen, so daß sie aus übergegangenem Recht gemäß § 187 SGB III iVm. § 613a BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des Insolvenzgeldes habe. Mit der Einbringung und Nutzungsüberlassung der sächlichen Betriebsmittel durch die Sicherungsnehmerin, Frau M…, liege ein wesentlicher Umstand für einen Betriebsübergang nach § 613a BGB vor. Das erforderliche “Rechtsgeschäft” sei in der Nutzungsüberlassung an die Beklagte zu erblicken. Es komme nicht darauf an, inwieweit die Beklagte die halbfertigen Aufträge übernommen habe. Entscheidend sei allein, daß die Beklagte in dem gleichen Aufgabengebiet tätig gewesen sei wie die Einzelfirma H…-D… M…. Durch den Erwerb des Kundenstammes sei sie in der Lage gewesen, mit dem erworbenen Betrieb den arbeitstechnischen Zweck weiterzuverfolgen. Da die Zeiträume zwischen der Kündigung der Arbeitnehmer bei der Einzelfirma und einem Eintritt bei der Beklagten sehr gering gewesen seien, könne auch nicht von einer Betriebsstillegung gesprochen werden. Auf jeden Fall sei in zeitlicher Nähe zur Betriebseinstellung des Einzelunternehmens eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten erfolgt. Durch die Übernahme von insgesamt acht Mitarbeitern der Einzelfirma habe die Beklagte auch einen nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernommen. Sie habe vier Gesellen, einen Malermeister, einen Meister ohne Prüfung, die bürokaufmännische Angestellte sowie Frau M… als Geschäftsführerin übernommen und sich damit einen wesentlichen Teil des Fachwissens des Malereibetriebes zu eigen gemacht.
Die von der Beklagten angeführte Haftungsbeschränkung könne allein wegen des am 12. Februar 1998 erfolgten Antrages auf Insolvenzeröffnung nicht in Betracht kommen. Eine Haftungsbeschränkung könne erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingreifen. Zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges am 8. März 1999 habe aber lediglich ein Insolvenzeröffnungsantrag vorgelegen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 18.226,40 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab Klageerhebung zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsansicht vertreten, ein Betriebsübergang liege nicht vor, denn bei ihr handele es sich um ein eigenständiges neu gegründetes Unternehmen. Ein zeitlicher Zusammenhang der Sicherungsübereignungen aus dem Jahr 1997 zu einem Betriebsübergang im Jahr 1999 sei nicht gegeben. Für die Annahme eines Betriebsüberganges sei erforderlich, daß die Betriebsmittel vom Erwerber auf Grund einer mit einem Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung genutzt werden könnten. Frau M… habe indessen die Betriebsmittel in den Betrieb eingebracht, so daß von einer Übertragung im Rahmen des Insolvenzverfahrens bzw. aus Anlaß der Betriebsgründung nicht gesprochen werden könne. Die halbfertigen Aufträge seien auch nicht vom Insolvenzverwalter, sondern von der Hauptgläubigerin der Einzelfirma – der Stadtsparkasse – übernommen worden. Die Beklagte habe nach den zugrunde liegenden Angeboten der Einzelfirma die vollendeten Leistungen abgerechnet. Ferner sei die GmbH auch überregional tätig geworden, was die Einzelfirma zuvor nie getan habe. Die immateriellen Betriebsmittel und der alte Kundenstamm der Einzelfirma habe daher für die Beklagte kaum Bedeutung gehabt.
Von der Arbeitnehmerschaft seien am 8. März 1999 lediglich die Gesellen K… und S… übernommen worden. Beide hätten das Arbeitsverhältnis zur Einzelfirma selbständig zum 4. März 1999 gekündigt. Bei Herrn K… handele es sich um den Bruder der Geschäftsführerin. Bei Zugrundelegung der Eigenkündigungen sowie der familiären Verhältnisse zwischen der Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Beklagten und dem Zeugen K… könne von einer Übernahme der Arbeitnehmer nicht die Rede sein. Auch die am 10. März 1999 eingetretenen Mitarbeiter R… und V… könnten nicht bei der Frage der Übernahme von Mitarbeitern berücksichtigt werden. Bei Herrn R… handele es sich um einen ehemaligen Gesellen der Einzelfirma, der dort schon zum 19. Februar 1999 ausgeschieden war. Herr V… sei nicht bei der Einzelfirma beschäftigt gewesen. Die Übernahme von vier Auszubildenden der ehemaligen Einzelfirma beruhe auf einer Rücksprache mit der Industrie- und Handelskammer, nachdem neue Ausbildungsplätze nicht gefunden werden konnten. Der Eintritt von Herrn P… zum 1. April 1999 lasse sich damit erklären, daß Herr P… auf Grund seines Alters und auf Grund seines Gesundheitszustandes keinen anderen Arbeitsplatz mehr gefunden habe und der Inhaber der Einzelfirma in der Vergangenheit mit ihm gute Erfahrungen gemacht habe.
Im übrigen würde die Beklagte für die Forderung auch dann nicht haften, wenn von einem Betriebsübergang auszugehen sei. Die haftungsrechtliche Trennung zwischen Insolvenzverfahren und Insolvenzeröffnungsverfahren sei vor dem Hintergrund des geänderten Insolvenzrechts und der aufgewerteten Stellung des Insolvenzverwalters nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Einzelunternehmen sei zum 8. März 1999 gemäß § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen. Mit der Übernahme der sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, mit der Einstellung eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft und der Übernahme der Betriebsräume sowie der halbfertigen und neuen Aufträge einschließlich des Kundenstammes am 8. März 1999 habe die Geschäftsführerin Frau M… auch die Leitungsmacht über den Betrieb erhalten. Die Beklagte sei ab dem 8. März 1999 in der Lage gewesen, die arbeitstechnischen Zwecke eigenverantwortlich weiter zu verfolgen. Die Übernahme sei auch durch ein “Rechtsgeschäft” erfolgt. Entscheidend sei allein, daß die Beklagte die Betriebsmittel zur Nutzung erhalten habe. Der frühere Betriebsinhaber müsse an der Übertragung nicht beteiligt gewesen sein.
Eine Haftungsbeschränkung komme nicht in Betracht, weil die Beklagte den Betrieb nicht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben habe. Es mache keinen Unterschied, daß sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die Konkursordnung und nicht auf die Insolvenzordnung beziehe. Die Haftungsfragen seien unverändert geblieben. Die gestärkte Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters gehe nicht so weit, daß dieser mit seinen Befugnissen einem Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren gleichgestellt werden könne. Nach wie vor komme dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung eine erhebliche Bedeutung zu. So komme das insolvenzrechtliche Prinzip der Gleichbehandlung erst nach der Verfahrenseröffnung zur Anwendung.
Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu folgen.
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 18.226,40 DM gegen die Beklagte aus § 187 SGB III iVm. § 611 Abs. 1, § 613a BGB.
Ansprüche auf Arbeitsentgelt, welche einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesanstalt für Arbeit über, § 187 Satz 1 SGB III. Das Insolvenzgeld wird gezahlt für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die im Insolvenzzeitraum – die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgehenden Monate des Arbeitsverhältnisses – entstanden sind. Der Übergang erfaßt das rückständige Nettoarbeitsentgelt, da auch nur in dieser Höhe Insolvenzgeld gezahlt wird, § 185 Abs. 1 SGB III.
Die im Malerbereich tätigen Arbeitnehmer D…, G…, L…, P… und W… haben bei der Klägerin die Zahlung von Insolvenzgeld beantragt und Insolvenzgeld erhalten. Zwischen den Parteien steht außer Streit, daß den Arbeitnehmern gegen den Einzelunternehmer H…-D… M… für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 5. bzw. 7. März 1999 Lohnansprüche in Höhe von insgesamt 18.226,40 DM zustanden. Dementsprechend ist die Klägerin Inhaberin der Lohnforderungen geworden.
Im Ergebnis zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die beklagte GmbH passiv legitimiert ist.
Der Betriebsteil “Malerei” des Schuldners H…-D… M… ist zunächst gemäß § 613a BGB auf die Vor-GmbH als Vorgesellschaft und dann mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister am 28. April 1999 auf die Hauptgesellschaft übergegangen.
Nach § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1 GmbH-Gesetz entsteht die GmbH mit der Eintragung in das Handelsregister. Durch die Eintragung der GmbH in das Handelsregister gehen sämtliche Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft automatisch auf die GmbH über. Ein Betriebsinhaberwechsel und damit ein Fall des § 613a BGB liegt nicht vor, wenn eine bereits betrieblich tätige Vorgesellschaft mit Eintragung ins Handelsregister in eine Hauptgesellschaft übergeht (Kasseler-Handbuch/Hattesen 2. Aufl. Bd. 2 6.7 Betriebsübergang Rn. 21; KR-Pfeiffer 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 67).
Die Vor-GmbH ist in die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten mit den vorgenannten Arbeitnehmern eingetreten, da ein Teilbetriebsübergang des Malerbereichs gemäß § 613a Abs. 1 BGB stattgefunden hat.
- Ist damit die Vorgesellschaft in die bis zum 12. März 1999 bzw. 31. März 1999 bestehenden Arbeitsverhältnisse eingetreten, sind mit der Eintragung in das Handelsregister die Passiva der Vorgesellschaft automatisch auf die GmbH übergeleitet worden und diese ist Schuldnerin der Lohnforderungen geworden.
Damit hat eine Betriebsübernahme im Sinne des § 613a BGB zum 8. März 1999 vorgelegen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Einzelfirma H…-D… M… wurde erst am 29. Juni 1999 eröffnet. Die Beklagte hat somit den Betrieb vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernommen. Dem Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen, daß die Beklagte sich nicht auf die Grundsätze der Haftungsbeschränkung auf Grund einer teleologischen Reduktion des § 613a BGB berufen kann.
- Unter der Geltung der Konkursordnung ist die haftungsrechtliche Regelung des § 613a BGB nur modifiziert zur Anwendung gekommen. Ist der Betriebsübergang nach der Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt, haftet der Betriebserwerber nach § 613a BGB für solche Ansprüche nicht, die vor der Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden sind (BAG 17. Januar 1980 – 3 AZR 160/79 – BAGE 32, 326 = AP BGB § 613a Nr. 18; 11. Oktober 1995 – 10 AZR 984/94 – BAGE 81, 132, 135 f. = AP BGB § 613a Nr. 132, zu I 2a der Gründe; 16. Februar 1993 – 3 AZR 347/92 – AP BetrAVG § 1 Betriebsveräußerung Nr. 15). Begründet wurde diese Rechtsprechung mit dem das Konkursrecht prägenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Würde die vom Betriebserwerber übernommene Belegschaft einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner für bereits entstandene Ansprüche erhalten, wäre sie im Verhältnis zu anderen Konkursgläubigern unangemessen bevorzugt. Dieser Vorteil müßte von den übrigen Konkursgläubigern finanziert werden, weil der Betriebserwerber den an die Masse zu zahlenden Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung mindern würde. Die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens seien daher vorrangig, § 613a BGB sei insoweit teleologisch zu reduzieren (BAG 17. Januar 1980 aaO, zu II 3c der Gründe). Ist der Betriebsübergang – wie im Streitfall – vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, so gelten die konkursrechtlichen Einschränkungen nicht. Ausschlaggebend ist insoweit, daß außerhalb eines Konkursverfahrens der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger nicht zum Tragen kommt und damit die Voraussetzungen für die Haftungsprivilegierung des Erwerbers entfällt.
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der Insolvenzordnung festzuhalten (so auch: Kasseler-Handbuch/Hattesen 2. Aufl. Bd. 2 6.7 Betriebsübergang Rn. 163; KR-Pfeiffer 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 134; Berscheid NZI 2000, 1, 5; Kammel NZI 2000, 102; Kübler/Prütting/Moll InsO Stand April 2002 § 128 Rn. 5; aA Lohkemper ZIP 1999, 1251 ff.).
Das für den Erwerb vom Insolvenzverwalter im Interesse der Insolvenzgläubiger an einem möglichst hohen Erlös geltende Haftungsprivileg, ist auf den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht zu übertragen, da ihm keine dem “endgültigen” Insolvenzverwalter entsprechende Funktion beizumessen ist. Zwischen der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters und der des “endgültigen” Insolvenzverwalters gibt es weiterhin wesentliche Unterschiede. Zwar können sich die Stellung und die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters gegenüber der Stellung und den Befugnissen des Sequesters erheblich ändern. Die Insolvenzordnung trennt zwischen Anordnungen ohne und mit allgemeinem Verfügungsverbot. Nach der Stellung eines Antrages auf Verfahrenseröffnung kann das Insolvenzgericht im Rahmen von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Demgemäß ist im Insolvenzverfahren zu unterscheiden, ob eine Bestellung getroffen worden ist ohne allgemeines Verfügungsverbot, § 22 Abs. 2 InsO (= schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter), oder mit allgemeinem Verfügungsverbot, § 22 Abs. 1 InsO (= starker Insolvenzverwalter).
An dem Zweck des Eröffnungsverfahrens hat sich aber auch im neuen Insolvenzrecht nichts geändert. Nach der Begründung zu § 26 RegE/§ 22 InsO (BT-Drucks. 12/2443 S 117) darf der vorläufige Insolvenzverwalter die ihm übertragene Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur insoweit ausüben, als es der Zweck der Vermögenssicherung bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung erfordert; endgültige Maßnahmen sind im Regelfall nur im Hinblick auf die Durchführung unaufschiebbarer Geschäfte angebracht. Es soll also weiterhin das schuldnerische Vermögen im Eröffnungsverfahren in erster Linie nur erhalten und gesichert werden (Kübler/Prütting/Pape InsO Stand April 2002 § 21 Rn. 2; Bähr EWiR § 75 AO 1/98, 1017, 1018), so daß die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters gerade nicht mit der des “endgültigen” Verwalters vergleichbar ist. Insbesondere ist der vorläufige Insolvenzverwalter nicht befugt, das schuldnerische Unternehmen zu veräußern oder an einer Veräußerung durch den Schuldner mitzuwirken. Da der vorläufige Insolvenzverwalter gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO die Haftungsmasse zu sichern und zu erhalten hat, kann er sie nicht beliebig verwerten. Eine Verwertung des Schuldnervermögens ist vom Sicherungscharakter der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht mehr gedeckt. Vielmehr ist die Entscheidung über die Veräußerung des Geschäftsbetriebes dem Insolvenzverwalter unter Beteiligung der Gläubigerschaft vorbehalten, wie sich insbesondere aus dem Zustimmungserfordernis des § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO und der Verfahrenszielentscheidung des § 157 InsO ergibt. Im übrigen würde die Rechtsposition des Schuldners von einem derartigen Eingriff in unumkehrbarer Weise betroffen, obwohl noch gar nicht feststünde, ob das Verfahren tatsächlich eröffnet wird (Kammel aaO S 103; Pape ZIP 1994, 89, 92).
Inwieweit ausnahmsweise etwas anderes in Fällen gilt, in denen der Verkauf vor Verfahrenseröffnung eine Stillegung des Betriebes im Hinblick auf auflaufende erhebliche Verluste abwenden oder einen außerordentlichen wirtschaftlichen Vorteil realisieren soll, der nach Verfahrenseröffnung nicht mehr erzielt werden könnte, kann dahinstehen. Für diese Fälle wird die Auffassung vertreten, daß der vorläufige Insolvenzverwalter nach vorheriger Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Veräußerung befugt ist (Kammel aaO S 104; Lohkemper aaO S 1252). Die Durchführung eines vorweggenommenen Insolvenzverfahrens hat der Gesetzgeber in jedem Fall gerade nicht angestrebt.
Nach wie vor zutreffend ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch das Argument, daß ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich der Gläubiger nicht gilt, der durchbrochen werden könnte. Die Betriebsveräußerung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist kein Akt der Masseverwertung, sondern eine “vorinsolvenzliche” Vermögensverschiebung. Die Insolvenzeröffnung dient dann nur dazu, dem Insolvenzverwalter für die Verwertung des Restvermögens die notwendige Legitimation zu geben (BAG 8. November 1988 – 3 AZR 85/87 – BAGE 60, 118, 123 = AP BetrAVG § 1 Betriebsveräußerung Nr. 6 zur Konkursordnung). Die Vorschriften der Insolvenzanfechtung – §§ 130 ff. InsO – rechtfertigen – entgegen der Auffassung der Beklagten (so auch Lohkemper aaO S 1254) – keine gegenteilige Annahme. Die Anfechtungsvorschriften dienen zwar dem Zweck, die Gläubiger benachteiligende Rechtshandlungen, die im Gegensatz zu dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung im Insolvenzverfahren stehen, rückgängig zu machen und so die Insolvenzmasse anzureichern (Kübler/Prütting/Paulus InsO Stand April 2002 § 129 Rn. 2 ff.). Die Anfechtungsrechte der Insolvenzordnung entstehen aber erst, wenn das Insolvenzverfahren später tatsächlich eröffnet wird. Dementsprechend ist auch der vorläufige Insolvenzverwalter noch nicht zur Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners befugt (Kübler/Prütting/Pape aaO § 22 Rn. 31). Dies zeigt, daß die an die Verfahrenseröffnung anknüpfende Betrachtungsweise sachlich gerechtfertigt ist.
Für die Vergleichbarkeit der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit der des “endgültigen” Insolvenzverwalters läßt sich auch nicht § 113 Abs. 1 InsO anführen (so aber Lohkemper aaO S 1254). § 113 Abs. 1 InsO findet im Eröffnungsverfahren keine Anwendung. Weder wird in § 22 InsO auf die arbeitsrechtlichen Vorschriften der Insolvenzordnung verwiesen, noch ist die Vorschrift des § 22 InsO in § 113 InsO in Bezug genommen worden, sondern es wird nur vom endgültigen Insolvenzverwalter gesprochen (Berscheid aaO S 4 mwN).
- Gestützt wird die uneingeschränkte Anwendung des § 613a BGB bei einem Betriebsübergang vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Umstand, daß der Gesetzgeber im Zuge des ab 1. Januar 1999 geltenden neuen Insolvenzrechts keine Veranlassung zu einer gesonderten Regelung gesehen hat. Da sich der Gesetzgeber bewußt war, daß die Übernahmehaftung des Erwerbers eine Sanierung erschweren kann, wurde die Regelung in § 419 BGB (Haftung des Vermögensübernehmers) im Zuge der Neuregelung des Insolvenzrechts vollständig aus dem BGB gestrichen (BT-Drucks. 12/2443 S 94, unter B 3 f aa). Gleichwohl ist § 613a BGB unverändert geblieben. Zudem trägt der im Zuge der Neuregelung des Insolvenzrechts neu gefaßte § 27 Nr. 1 ArbnErfG der eingeschränkten Erwerberhaftung ebenfalls Rechnung. Danach tritt nämlich der neue Betriebsinhaber, der die Diensterfindung des Arbeitnehmers mit dem Geschäftsbetrieb erwirbt, nur für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an in die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 9 ArbnErfG ein. Dieser Regelung läßt sich entnehmen, daß der Gesetzgeber an der etablierten teleologischen Reduktion der Haftungsfunktion des § 613a BGB festhalten wollte (vgl. Lohkemper ZIP 1999, 1251, 1252 f.). Ist nämlich der Betriebsübergang nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, haftet der Betriebserwerber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 613a BGB für solche Ansprüche nicht, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Bei dieser Sachlage ist die Annahme gerechtfertigt, der Gesetzgeber gehe davon aus, daß mit dem Gesamtpaket der Kündigungserleichterungen (§§ 125 ff. InsO) die negativen Folgen des § 613a BGB in der Insolvenz beseitigt oder zumindest gemildert werden (vgl. Warrikoff BB 1994, 2338, 2344).
Schließlich steht im Streitfall der uneingeschränkten Anwendung der haftungsrechtlichen Regelung des § 613a BGB das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. Juli 1998 (– VII R 143/97 – BFHE 186, 318 zu § 75 AO) nicht entgegen. Nach § 75 AO haftet der Käufer grundsätzlich für solche Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet und die seit Beginn des letzten, vor der Übertragung liegenden Kalenderjahres entstanden sind. § 75 Abs. 2 AO schließt die Haftung des Käufers beim Erwerb aus der Insolvenzmasse, also nach Verfahrenseröffnung, aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gilt die Haftungsfreistellung nach Abs. 2 auch für den Unternehmenskauf vor Verfahrenseröffnung. Denn Zweck dieses Haftungsausschlusses – so der Bundesfinanzhof – sei die Erleichterung der zwangsweisen Vermögensverwertung im Hinblick auf eine bestmögliche Liquidation im Gläubigerinteresse. Die bestmögliche Liquidation würde erschwert, wenn der Käufer noch mit betrieblichen Steuerschulden rechnen müßte. Das Haftungsrisiko würde den Käufer entweder vom Erwerb abhalten oder zu erheblichen Kaufpreisabzügen veranlassen (BFH 23. Juli 1998 – VII R 143/97 – BFHE 186, 318, zu 2a der Gründe). Dieser Zweck spreche für die Anwendung des Haftungsausschlusses auch beim Erwerb aus dem Insolvenzeröffnungsverfahren. Auch in diesen Fällen sei die Erleichterung der Verwertung sachgerecht.
Diese Auslegung des § 75 Abs. 2 AO mag zutreffend sein. Aus ihr lassen sich aber keine Schlußfolgerungen für die Auslegung des § 613a BGB ziehen, weil sich die Zwecke des § 613a BGB und die des § 75 Abs. 2 AO voneinander unterscheiden. Zu den Zielen des § 613a BGB gehört es, die Forderungen der durch den Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer durch Regelung der haftungsrechtlichen Fragen sicherzustellen (Haftung von Übernehmer und altem Arbeitgeber). Seine Aufgabe ist es dagegen nicht, Sanierungen im Falle von Betriebsübernahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern (BAG 27. April 1988 – 5 AZR 358/87 – BAGE 58, 176 = AP BGB § 613a Nr. 71, zu II 1 der Gründe).
- Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Brückmann, Dr. Haible
Fundstellen
BB 2003, 423 |
DB 2003, 100 |
DB 2003, 835 |
NJW 2003, 2405 |
NWB 2003, 564 |
ARST 2003, 173 |
FA 2003, 91 |
KTS 2003, 321 |
NZA 2003, 318 |
SAE 2003, 179 |
ZAP 2003, 169 |
ZIP 2003, 222 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 12 |
EzA |
NZI 2003, 222 |
PERSONAL 2003, 56 |
PERSONAL 2003, 59 |
ZInsO 2003, 139 |
AUR 2003, 36 |
ArbRB 2003, 77 |
BAGReport 2003, 178 |
SPA 2003, 7 |