Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifizierungsmerkmale bei Eingruppierung. Bestätigung der Senatsrechtsprechung zum Begriff des Arbeitsvorgangs und zu den Bemessungsgrundlagen tariflicher Qualifizierungsmerkmale. Unerheblichkeit der verspäteten Urteilsabsetzung bei fehlender Rüge
Leitsatz (amtlich)
- Die Zusammenfassung von Tätigkeiten von unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit zu einem Arbeitsvorgang ist nur dann ausgeschlossen, wenn diese Tätigkeiten tatsächlich voneinander getrennt werden können.
- Tarifliche Qualifizierungsmerkmale wie das Erfordernis selbständiger Leistungen liegen dann vor, wenn Arbeitsvorgänge, die den im jeweiligen Tätigkeitsmerkmal geforderten Anteil an der Gesamtarbeitszeit ausmachen, überhaupt in rechtserheblichem Ausmaß die Anforderungen dieser Qualifizierungsmerkmale erfüllen. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß darüber hinaus auch innerhalb jedes Arbeitsvorganges das Qualifizierungsmerkmal diesen Anteil an der Gesamtarbeitszeit erreicht.
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23, Anlage 1a VergGr. Vc, VIb; ZPO § 551 Nr. 7
Verfahrensgang
LAG Bremen (Urteil vom 27.05.1992; Aktenzeichen 2 Sa 39/91) |
ArbG Bremen (Urteil vom 20.12.1990; Aktenzeichen 6 Ca 6433/89) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 27. Mai 1992 – 2 Sa 39/91 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin ist seit 1970 bei der Beklagten angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Seit 1985 ist die Klägerin an der Universität B… mit der Baubestandserhebung sowie der Aufstellung einer Raumdatei und einer Raumnutzungsdatei befaßt. Sie führt die Dateien selbständig und hat dabei folgende Aufgaben:
1. |
Erfassung aller neu der Universität übergebenen Gebäude |
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a) |
Ermittlung der bautechnischen Daten |
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b) |
Ermittlung der Nutzer |
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c) |
Ermittlung der Nutzung |
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d) |
Begehung der Räume zur Vervollständigung und zum Datenvergleich |
50 % |
2. |
Aktualisierung des Bestandes |
10 % |
3. |
Lieferung von Daten an das Statistische Landesamt |
5 % |
4. |
Bereitstellung von Daten für inner- und außeruniversitäre Einrichtungen |
5 % |
5. |
Sachbearbeitung für die Erstellung des Gebäudeatlasses |
10 % |
6. |
Schreibarbeiten u.a. |
20 % |
Bei der Erfassung der neuen Gebäude und der Aktualisierung des Bestandes (Positionen 1 und 2) fallen folgende Tätigkeiten an: Zur Ermittlung der bautechnischen Daten hat die Klägerin die ihr übermittelten Angaben auf Vollständigkeit zu überprüfen und selbständig Nachberechnungen vorzunehmen. Die Flächenberechnung erfolgt nach einer acht Seiten umfassenden DIN-Vorschrift, wobei auch eine vier Seiten umfassende Erläuterungsschrift des Wissenschaftsrates zu beachten ist. Bei der Ermittlung der Nutzer hat die Klägerin die Flächen sowohl nach einem universitätsinternen als auch nach einem davon abweichenden Nutzerschlüssel des Bundes einzuordnen. Dabei ist zwischen den Dezernaten der Zentralverwaltung, den Fachbereichen mit ihren Studiengängen, den wissenschaftlichen Einrichtungen außerhalb der Fachbereiche, den zentralen Betriebseinheiten, den Instituten und den Fremdnutzungen zu unterscheiden. Die Schlüssel sind von der Klägerin laufend zu aktualisieren. Die Ermittlung der Nutzung erfolgt nach dem Raumnutzungsschlüssel des Bundes, wobei die Klägerin nach der DIN-Vorschrift 277 nach Hauptnutzflächen, Verkehrsflächen, Nebennutzflächen und betriebstechnischen Flächen zu unterscheiden hat. Zur Bestimmung der Raumnutzungsart hat die Klägerin eigene Feststellungen zu treffen, z.B. über die in Laborräumen vorhandene technische Ausstattung und darüber, für welche wissenschaftliche Versuche bestimmte Laborräume vorgesehen sind. Dabei ist zwischen physikalischen, chemischen und technischen Labors sowie danach zu unterscheiden, ob Labors überwiegend zu Forschungs- oder zu Unterrichtszwecken genutzt werden und ob sie besonderen sicherheitstechnischen oder Hygieneanforderungen unterliegen. Weiter sind die Flächen hinsichtlich ihrer Studienplatzkapazität zu bewerten, wobei ebenfalls nach einem vom Wissenschaftsrat aufgestellten Schlüssel vorzugehen ist. Die von der Klägerin zur Ermittlung der Nutzung benötigten Angaben kann sie nur zum Teil den ihr vorliegenden Planungsunterlagen entnehmen; zum Teil ist sie auf eigene Feststellungen angewiesen.
Die Klägerin wird nach VergGr. VIb BAT vergütet. Sie hat die Auffassung vertreten, sie erfülle mit ihrer Tätigkeit die Voraussetzungen der VergGr. Vc Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT. Für ihre Tätigkeit benötige sie nämlich gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und müsse selbständige Leistungen erbringen.
Sie hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 1. Januar 1987 nach VergGr. Vc BAT zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist die Klägerin zutreffend in VergGr. VIb Fallgruppe 1a BAT eingruppiert. Sie erbringe nämlich nur zu höchstens 20 % ihrer Arbeitszeit selbständige Leistungen. Außerdem erfordere ihre Tätigkeit keine vielseitigen Fachkenntnisse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das Urteil ist den Parteien rund sechs Monate und drei Wochen nach der Verkündung zugestellt worden. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die der Klage stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
I. Das Berufungsurteil ist nicht etwa deshalb aufzuheben, weil es als nicht mit Gründen versehen zu betrachten wäre (§ 551 Nr. 7 ZPO).
1. Zwar ist das vollständig abgefaßte Urteil erst etwa sechs Monate und drei Wochen nach seiner Verkündung den Parteien zugestellt worden, so daß davon auszugehen ist, daß es nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt und von allen Richtern unterschrieben der Geschäftsstelle zugegangen ist. Ein solches Urteil gilt entsprechend § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 -; Senatsurteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 501/92 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Zu einer hierauf gestützten Aufhebung des Urteil bedarf es aber einer entsprechenden Rüge, an der es im vorliegenden Fall fehlt.
2. Die von der Beklagten erhobene Rüge, dem Berufungsurteil fehle insoweit eine Begründung, als es für die Tätigkeit der Klägerin das Erfordernis vielseitiger Fachkenntnisse bejaht habe, greift nicht durch.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, daß nur der von ihr zitierte Satz des angefochtenen Urteils: “Zur Ermittlung der notwendigen Daten in bezug auf die einzelnen Parameter ist die Klägerin auch auf vielseitige Fachkenntisse angewiesen” ausdrücklich eine wertende Aussage zum Vorliegen vielseitiger Fachkenntnisse enthält. Dieser Satz umfaßt aber, indem er auf die Ermittlung der notwendigen Daten in bezug auf die einzelnen Parameter verweist, ein materiell begründendes Element. Überdies baut er erkennbar auf den ihm vorangehenden, zunächst nur auf das Tatbestandsmerkmal der gründlichen Fachkenntnisse bezogenen Ausführungen auf, aus denen sich die Verschiedenartigkeit der von der Klägerin zu beachtenden Regelungswerke und die Notwendigkeit der Kenntnis der inneruniversitären Organisationsstrukturen ergeben. Damit hat das Landesarbeitsgericht deutlich gemacht, welche Überlegungen es zur Bejahung des Tatbestandsmerkmals “vielseitige Fachkenntisse” geführt haben. Daß dies in sehr knapper Form geschehen ist, ist unschädlich.
II. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (z.B. Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
III. Die Klage ist auch begründet. Die Feststellung der Vorinstanzen, daß die Klägerin in VergGr. Vc Fallgruppe 1 der Anlage 1a zum BAT eingruppiert sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit unterliegt das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien dem BAT. Damit kommt es für die Eingruppierung der Klägerin nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT darauf an, ob in der Tätigkeit der Klägerin zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der von der Klägerin in Anspruch genommenen VergGr. Vc der Anlage 1a zum BAT erfüllen.
Die Vergütungsgruppen, über die zwischen den Parteien Streit besteht, lauten in ihren hier einschlägigen Fallgruppen wie folgt:
Vergütungsgruppe Vc
- Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.
Vergütungsgruppe VIb
- Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.
Beiden Fallgruppen ist folgender Zusatz beigefügt:
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung [des Betriebes], bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Erfassung der neu der Universität übergebenen Gebäude, die 50 % der Arbeitszeit der Klägerin in Anspruch nimmt, ein Arbeitsvorgang i.S. des § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT ist.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die auch das Landesarbeitsgericht seinen Erwägungen zugrunde gelegt hat, ist unter einem Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 51, 282, 287 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 51, 356, 360 = AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dabei können tatsächlich trennbare Tätigkeiten von unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (BAG Urteil vom 12. November 1986 – 4 AZR 718/85 – AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
b) An diese Grundsätze hat sich das Berufungsgericht bei seiner Subsumtion gehalten. Die Erfassung der neu der Universität B… übergebenen Gebäude führt als Arbeitsergebnis zur Bestandsaufnahme dieser Gebäude nach Fläche, technischer Ausstattung, Nutzungsart, Zuordnung zu Fachbereichen und Kapazitätsrelevanz. Wegen der weitgehenden gegenseitigen Abhängigkeit dieser Parameter – so erfordert die technische Ausstattung eine bestimmte Fläche und bedingt ihrerseits die Nutzungsart und damit möglicherweise auch die Fachbereichszugehörigkeit eines Gebäudes oder Gebäudeteils – und auch wegen der gegenseitigen Bedingtheit von Raumnutzungen – ein als Besprechungszimmer genutzter Raum kann kein Schreibbüro sein und umgekehrt – widerspräche es einer vernünftigen Verwaltungsübung, diese Bestandsaufnahme entsprechend den einzelnen angeführten Parametern oder nach Räumlichkeiten in unterschiedliche Arbeitsvorgänge aufzusplittern. Vielmehr führt gerade erst die unter Berücksichtigung aller dieser Kriterien erfolgende Erfassung der neuen Universitätsgebäude in ihrer Gesamtheit zu einem Ergebnis, das als geeignete Grundlage für Entscheidungen der Universitätsverwaltung und anderer Stellen, z.B. über die Verwendung von Räumlichkeiten, über die Zulassung von Studenten sowie über weitere Planungen, dienen kann.
Diese Tätigkeit kann auch nicht, wie mit der Revision geltend gemacht wird, sinnvoll in “routinemäßige” und “qualifizierte” Raumbestandsaufnahmen aufgespalten werden. Ohne Erfolg macht die Beklagte insoweit unter Berufung auf Neumann (ZTR 1987, 41, 44) geltend, daß Tätigkeiten von unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden könnten. Sie übersieht dabei, daß nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 12. November 1986 – 4 AZR 718/85 – AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ebenso Neumann, aaO) nur die Zusammenfassung tatsächlich trennbarer Tätigkeiten ausgeschlossen ist. Um solche Tätigkeiten handelt es sich hier aber, wie ausgeführt, nicht.
3. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Klägerin mit der Erfassung der neu der Universität übergebenen Gebäude die Voraussetzungen der VergGr. Vc Fallgruppe 1a BAT erfüllt, weil dies 50 % ihrer Arbeitszeit in Anspruch nimmt und sowohl gründliche und vielseitige Fachkenntnisse als auch selbständige Leistungen erfordert.
a) Die Klägerin benötigt für die hier erhebliche Tätigkeit neben bautechnischen Kenntnissen auch Fachkenntnisse unterschiedlicher komplexer Regelwerke für die Flächenberechnung, die Ermittlung der Nutzer sowie der Nutzung und für die Feststellung der Kapazitätswirksamkeit der vorhandenen Flächen. Darüber hinaus muß sie die Organisation der Universität, soweit sie für die Nutzung der Räumlichkeiten von Bedeutung ist, kennen. Diese Fachkenntnisse sind entgegen der Auffassung der Beklagten vielseitig. Dies ergibt sich schon aus ihrem dargestellten Umfang, ohne daß es daneben noch darauf ankäme, wievielen Fachgebieten dieses Wissen zuzuordnen ist (Senatsurteil vom 29. August 1984 – 4 AZR 338/82 – AP Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Die von der Klägerin benötigten Fachkenntnisse müssen auch gründlich sein. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24. August 1983 – 4 AZR 32/81 – AP Nr. 78 zu §§ 22, 23 BAT 1975) hat das Tarifmerkmal der “gründlichen Fachkenntnisse” sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Element, wonach Fachkenntnisse von nicht unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art erforderlich sind. Diese Voraussetzung liegt hier vor, denn die Klägerin bedarf, wie bereits ausgeführt, sogar vielseitiger Fachkenntnisse, und diese können angesichts der Komplexität der von ihr zu leistenden Bestandsaufnahmen und der dabei anzuwendenden Regelwerke auch nicht nur oberflächlicher Art sein. Insoweit besteht auch zwischen den Parteien kein Streit.
b) Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, daß die Tätigkeit der Klägerin selbständige Leistungen erfordert, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat insoweit darauf abgehoben, daß die Klägerin wegen der Unvollständigkeit der Angaben über die aufzunehmenden Räume oft eigenständig Daten feststellen müsse, und daß die fachgerechte Verschlüsselung der aufgenommenen Räume wegen der feinen Ausdifferenzierung der anzuwendenden Regelwerke zu einer Fülle von Abgrenzungsproblemen führe und daher eine eigene wertende Tätigkeit der Klägerin erfordere. Damit hat sich das Landesarbeitsgericht im Rahmen des Beurteilungsspielraums gehalten, der ihm bei der Anwendung und Auslegung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffs zukommt (BAG Urteil vom 18. Juli 1990 – 4 AZR 25/90 – AP Nr. 151 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 2. Dezember 1992 – 4 AZR 140/92 –, n.v., zu B IIIc aa der Gründe). Überdies konnte es hier bei einer pauschalen Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals bewenden, da die Beklagte das Erfordernis selbständiger Leistungen nicht in Abrede gestellt hat (vgl. BAGE 29, 364, 375 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
bb) Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, daß die von der Klägerin vorzunehmende Erfassung der neu der Universität übergebenen Gebäude jedenfalls in rechtserheblichem Ausmaß selbständige Leistungen erfordere. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Tatbestandsmerkmal der selbständigen Leistungen in VergGr. Vc Fallgruppe 1a BAT nicht voraus, daß diese Leistungen während mindestens der Hälfte der Gesamtarbeitszeit zu erbringen sind.
Seit dem Urteil vom 19. März 1986 (BAGE 51, 282, 299 ff. = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975) ist es gefestigte Rechtsprechung des Senats, daß Qualifizierungsmerkmale wie das Erfordernis selbständiger Leistungen dann vorliegen, wenn Arbeitsvorgänge, die den im jeweiligen Tätigkeitsmerkmal geforderten Anteil an der Gesamtarbeitszeit – in VergGr. Vc Fallgruppe 1a BAT die Hälfte – ausmachen, überhaupt in rechtserheblichem Ausmaß die Anforderungen dieser Qualifizierungsmerkmale erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 16. April 1986 – 4 AZR 552/84 – AP Nr. 121 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 18. Juli 1990 – 4 AZR 25/90 – AP Nr. 151 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Senat hat dies in erster Linie damit begründet, daß die Parteien des BAT 1975 den Arbeitsvorgang zur grundlegenden und universalen Bezugsgröße für die Eingruppierung gemacht haben.
Dieser Gesichtspunkt wird auch durch die von der Revision gegen die Senatsrechtsprechung vorgebrachten Bedenken nicht entkräftet. Unterstellt man im Sinne der Revision, daß sich innerhalb eines Arbeitsvorganges überhaupt die Anteile selbständiger und unselbständiger Leistungen mit hinreichender Sicherheit voneinander abgrenzen lassen – hiergegen könnte schon die Verknüpfung dieser auf dasselbe Arbeitsergebnis bezogenen Leistungen sprechen –, so kann die Senatsrechtsprechung zwar in der Tat zu dem von der Revision dargestellten, unbefriedigend erscheinenden Ergebnis führen, daß z.B. ein zu 100 % selbständige Leistungen erfordernder Arbeitsvorgang, der 49 % der Arbeitszeit ausmacht, nicht für die Eingruppierung in VergGr. Vc Fallgruppe 1a BAT ausreicht, wohl aber ein 50 % der Arbeitszeit in Anspruch nehmender Arbeitsvorgang, der nur zu weniger als der Hälfte selbständige Leistungen erfordert. Derartige Ergebnisse sind aber die natürliche Folge des Umstands, daß die Tarifvertragsparteien die hier maßgeblichen qualifizierenden Merkmale eben nicht, wie es die Beklagte für richtig hält, auf die Arbeitszeit, sondern auf den Arbeitsvorgang bezogen haben. Hätten die Tarifvertragsparteien die Arbeitszeit zum Bezugspunkt von Qualifikationsmerkmalen machen wollen, so hätten sie das in § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT zum Ausdruck bringen müssen. Eine solche Änderung des BAT ist auch zwischen den Tarifvertragsparteien erwogen, aber nicht vorgenommen worden (dazu Neumann, ZTR 1987, 41, 42).
Die Klägerin hat bei der Erfassung der neu der Universität übergebenen Gebäude selbständige Leistungen auch in rechtserheblichem Ausmaß zu erbringen. Es mag dahinstehen, ob, wie das Landesarbeitsgericht meint, der unbestimmte Rechtsbegriff des rechtserheblichen Ausmaßes keinerlei quantitatives Element enthält. Entscheidend hat das Berufungsgericht nämlich darauf abgestellt, daß selbständige Leistungen dann in rechtserheblichem Ausmaß erforderlich sind, wenn ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde. Damit hat das Landesarbeitsgericht in zutreffender Weise das Erfordernis des rechtserheblichen Ausmaßes zum Begriff des Arbeitsvorganges in Bezug gesetzt. Mit seiner Wertung, daß im vorliegenden Fall eine ohne selbständige Leistungen erfolgte Bestandsaufnahme wegen ihrer erheblichen Lückenhaftigkeit kein brauchbares Arbeitsergebnis darstellen würde, hat es den ihm bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes zustehenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Dr. Wißmann, Müller-Tessmann, Wehner
Fundstellen
Haufe-Index 845960 |
BB 1994, 148 |
NZA 1994, 560 |