Entscheidungsstichwort (Thema)
Flachdachabdichtungsarbeiten als Baugewerbe
Leitsatz (redaktionell)
Zuordnung von Betrieben, die Flachdachabdichtungsarbeiten ausführen zum Baugewerbe oder zum Dachdeckerhandwerk; Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung: Vgl. BAG Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 314/88 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 11.03.1991; Aktenzeichen 14 Sa 108/87) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 03.12.1986; Aktenzeichen 3 Ca 2751/86) |
Tenor
1. Die Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. März 1991 – 14 Sa 108/87 – werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagten und die Nebenintervenientin tragen die Kosten der Revision je zur Hälfte.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Betrieb der Beklagten im Zeitraum von Januar 1986 bis Juli 1986 vom Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes erfaßt wurde und die Beklagten deshalb zur Auskunftserteilung an die Klägerin verpflichtet sind.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagten auf Auskunft für den Zeitraum von Januar 1986 bis Juli 1986 über die Zahl der beschäftigten Arbeiter und Angestellten, deren Bruttolohnsumme und die entsprechende Höhe der abzuführenden Beiträge sowie – für den Fall der Nichterfüllung – auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.
Die Beklagte zu 1), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2) ist, unterhält eine Hauptniederlassung in S. sowie Nebenniederlassungen in G., L., M., P., R., S. und Ü.. Sie leistete seit über 20 Jahren Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Seit dem 10. Mai 1984 ist sie als Betrieb des Dachdeckerhandwerks in die Handwerksrolle eingetragen. Der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) L. ist Diplom-Volkswirt. Der Geschäftsführer K. ist ebenso wie der Betriebsleiter M. Dachdeckermeister. Die Beklagte zu 1) ist seit dem 1. Januar 1965 Mitglied des Fachverbandes Bau Württemberg e.V., eines Mitgliedsverbandes sowohl des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes e.V. als auch des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V.
In einem Schreiben an die ZVK vom 25. Oktober 1985 gab die Beklagte zu 1) an, ihre betriebliche Tätigkeit bestehe zu 75 bis 80 v.H. aus Flachdacharbeiten, zu 15 bis 20 v.H. aus Steildacharbeiten und zu 5 bis 10 v.H. aus der Ausführung verschiedener anderer Arbeiten.
Nachdem die ZVK den Beklagten mit Schreiben vom 17. Dezember 1985 mitgeteilt hatte, daß das Beitragskonto zum 2. Januar 1986 gelöscht werde, nimmt sie mit ihrer den Beklagten am 11. Juli 1986 zugestellten Klage diese auf Auskunftserteilung für die Zeit von Januar 1986 bis Juli 1986 in Anspruch.
Mit Schriftsatz vom 19. August 1986 ist die Lohnausgleichskasse für das Dachdeckerhandwerk dem Rechtsstreit als Streithelferin auf seiten der Beklagten beigetreten.
Die ZVK vertritt die Auffassung, der Betrieb sei auch nach dem 31. Dezember 1985 weiterhin vom betrieblichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge erfaßt worden. Der betriebliche Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) in der Fassung vom 17. Dezember 1985, der mit dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes i.d.F. vom 17. Dezember 1985 übereinstimmt, hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:
§ 1 Geltungsbereich
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
Nr. 1
Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;
…
Nr. 8
Dämm-(Isolier-)Arbeiten (z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserung-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen; …
Abschnitt VI
Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Selbständige Betriebsabteilungen sind Betriebe i.S. dieses Tarifvertrages.
Werden in Betrieben des Baugewerbes in selbständigen Abteilungen andere Arbeiten ausgeführt, so werden diese Abteilungen dann nicht von diesem Tarifvertrag erfaßt, wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfaßt werden.
Abschnitt VII
Nicht erfaßt werden Betriebe …
2. des Dachdeckerhandwerks.
Die ZVK behauptet, das Unternehmen der Beklagten zu 1) habe sich im Klagezeitraum zu mehr als 50 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit mit Abdichtungs- und Isolierarbeiten an Flachdächern, sowie mit Abdichtungs- und Isolierarbeiten gegen aufsteigendes und drückendes Wasser an Kellerwänden, Kellerböden, Grundmauern, Außenwänden, Terrassen und Balkonen beschäftigt. Damit habe die Beklagte zu 1) Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 bzw. Dämm- und Isolierarbeiten i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 8 Verfahrens-TV vorgenommen.
Der Betrieb sei nicht als Betrieb des Dachdeckerhandwerks vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 ausgenommen. Die Beklagte zu 1) habe im Klagezeitraum 230 Arbeitnehmer beschäftigt. Dabei seien 194 Isolierer und Abdichter, 20 Bautechniker, 4 Bürofachkräfte und 1 Stenotypistin beschäftigt worden. Selbst wenn einige wenige gelernte Dachdecker tätig gewesen sein sollten, so sei ihre Zahl im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft unbedeutend gewesen. Zwar sei der Geschäftsführer Dachdeckermeister. Dies rechtfertige jedoch noch nicht die Zuordnung des Betriebes zum Dachdeckerhandwerk.
Die ZVK macht ferner geltend, im Unternehmen seien allenfalls zu 15,71 v.H. Steildacharbeiten ausgeführt worden. Dies reiche nicht aus, um die betriebliche Tätigkeit insgesamt als Tätigkeit des Dachdeckerhandwerks anzusehen. Die einzelnen Niederlassungen der Beklagten seien auch nicht als selbständige Betriebsabteilungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 2 Verfahrens-TV anzusehen. Selbst wenn in den Niederlassungen M. und R., wie die Beklagten anführten, in erheblichem Umfang Steildachabdeckungen ausgeführt worden seien, falle der Betrieb als Ganzes nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Verfahrens-TV unter dessen betrieblichen Geltungsbereich.
Die ZVK hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten
Februar 1986 bis Juli 1986
in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind.
2.1 Wieviel technische und kaufmännische Angestellte sowie Poliere und Schachtmeister in den Monaten
Januar 1986 bis Juli 1986
in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und in welcher Höhe Beiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind.
Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1 |
DM 576.000,00 |
zu Nr. 1.2 |
DM 66.662,40 |
Gesamtbetrag |
DM 642.662,40 |
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertreten die Auffassung, der Betrieb sei als Betrieb des Dachdeckerhandwerks nicht vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfaßt worden. Dazu behaupten sie, 75 bis 80 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit sei auf die Ausführung von Flachdacharbeiten entfallen, die die Herstellung aller funktionsbedingten Schichten des Flachdaches umfaßt hätten. Diese Tätigkeit sei dem Dachdeckerhandwerk zuzuordnen. Darüber hinaus seien 15 bis 20 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf Steildacheindeckungen entfallen. Im Klagezeitraum seien 185 Arbeitnehmer beschäftigt worden. Darunter hätten sich 2 Dachdeckermeister, 8 Dachdeckergesellen, 1 Klempnermeister, einige Bauingenieure und im übrigen angelernte Kräfte befunden. Sämtliche Dacharbeiten seien von Dachdeckern beaufsichtigt worden. Der Geschäftsführer K. habe als Dachdeckermeister die technische Aufsicht über die Hauptniederlassung und die Nebenniederlassungen ausgeübt und regelmäßig Schulungen abgehalten.
Bei den Nebenniederlassungen handele es sich außerdem um selbständige Betriebsabteilungen, so daß für jede Niederlassung zu prüfen sei, ob sie vom betrieblichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes oder von den Tarifverträgen für das Dachdeckerhandwerk erfaßt werde. Der Anteil der Steildacharbeiten habe in der Hauptniederlassung S. 11,8 v.H., in den Nebenniederlassungen G. 7,3 v.H., L. 15,9 v.H., M. 48 v.H., P. 10,4 v.H., R. 36,06 v.H., S. 4,8 v.H. und Ü. 9,4 v.H. betragen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr mit Ausnahme der für die Niederlassung R. begehrten Auskünfte mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Frist zur Auskunftserteilung sechs Wochen beträgt. Mit der Revision begehren die Beklagten ebenso wie die Nebenintervenientin Klageabweisung in vollem Umfang. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß der Betrieb der Beklagten zu 1) vom betrieblichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes erfaßt wird. Die Beklagte zu 1) ist deshalb zur Auskunftserteilung verpflichtet. Für diese Verpflichtung hat die Beklagte zu 2) wie ein Gesamtschuldner einzustehen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagten seien zur Erteilung der begehrten Auskünfte mit Ausnahme derjenigen für die Niederlassung R. verpflichtet. Die Niederlassung R. sei eine selbständige Betriebsabteilung, die als Betrieb des Dachdeckerhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge ausgenommen sei. Im übrigen seien insgesamt in den einzelnen Nebenniederlassungen arbeitszeitlich überwiegend Flachdachabdichtungsarbeiten ausgeführt worden, die nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen nicht dem Dachdeckerhandwerk zugeordnet werden könnten.
Nach dem Vortrag der Beklagten seien insgesamt zwei Dachdeckermeister und acht Dachdeckergesellen beschäftigt worden. Bei dieser im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft geringen Zahl könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Flachdachabdichtungsarbeiten von einer nicht unerheblichen Anzahl gelernter Dachdecker ausgeführt worden seien.
Die Arbeiten seien auch nicht in erheblichem Umfang von Fachleuten des Dachdeckerhandwerks beaufsichtigt worden. Eine unmittelbare Anleitung und Beaufsichtigung auf den Baustellen durch den Geschäftsführer K. und den Betriebsleiter M. sei aufgrund der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der Betriebsgröße nicht feststellbar gewesen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, daß aufgrund der Schulungen sämtliche Bauleiter Fähigkeiten und Kenntnisse erworben hätten, die denjenigen eines Dachdeckermeisters gleichzustellen seien.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei auch nicht feststellbar gewesen, daß von den Beklagten mit Ausnahme der Niederlassung R. in nicht unerheblichem Umfang Arbeiten verrichtet worden seien, die, wie Steildacharbeiten, ausschließlich dem Dachdeckerhandwerk zuzuordnen seien. Mit Ausnahme der Nebenniederlassung M. und der Nebenniederlassung R. habe der Anteil der Steildacharbeiten in den übrigen Niederlassungen schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten weniger als 20 v.H. betragen. Deshalb sei auch eine abschließende Entscheidung, ob es sich insoweit um selbständige Betriebsabteilungen handele, nicht erforderlich. Für die Niederlassung M. habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, daß der Anteil der Steildacharbeiten nicht unerheblich gewesen sei. Nur in der Niederlassung R., die als selbständige Betriebsabteilung anzusehen sei, seien in erheblichem Umfang Steildacharbeiten ausgeführt worden, so daß sie nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 2 vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge nicht erfaßt worden sei.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.
1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfaßt wird, wenn von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV aufgeführt sind. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handeis- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (BAGE 56, 227, 230 = AP Nr. 88 zu § 1 Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Dabei fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV diejenigen Betriebe, in denen überwiegend die im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 Verfahrens-TV konkret genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, ohne … dann noch die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III dieser Tarifnorm zu prüfen sind.
a) Solche Tätigkeiten werden im Betrieb der Beklagten zu 1) ausgeführt. Von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1) werden arbeitszeitlich überwiegend Flachdachabdichtungen vorgenommen, wobei alle funktionsbedingten Schichten des Flachdaches hergestellt werden. Diese Tätigkeit rechnet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den „Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit” i.S. des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 Verfahrens-TV (BAG Urteil vom 6. Mai 1987 – 4 AZR 664/86 – nicht veröffentlicht; Urteile vom 14. Mai 1988 – 4 AZR 218/88 – und – 4 AZR 307/88 – nicht veröffentlicht; Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 314/88 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker).
b) Der Betrieb der Beklagten zu 1) ist allerdings vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV ausgenommen, wenn es sich um einen Betrieb des Dachdeckerhandwerks handelt (§ 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 Verfahrens-TV). Für die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig (BAG Urteil vom 03. Dezember 1986 – 4 AZR 466/86 – AP Nr. 73 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Hinsichtlich der Zuordnung von Betrieben, die Flachdachabdichtungsarbeiten ausführen, zu den Betrieben des Baugewerbes oder zu denen des Dachdeckerhandwerks, hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts Rechtsgrundsätze entwickelt, denen sich der erkennende Senat anschließt. Flachdachabdichtungsarbeiten werden sowohl von Dachdeckern als auch von Klebeabdichtern, deren Tätigkeit dem Baugewerbe zuzurechnen ist, vorgenommen. Für die Zuordnung von Betrieben, die derartige Arbeiten ausführen, zu den Betrieben des Dachdeckerhandwerks kommt es darauf an, ob der Betrieb neben Flachdachabdichtungen in nicht unerheblichem Umfange Arbeiten ausführt, die ausschließlich dem Dachdeckerhandwerk vorbehalten sind (wie z.B. die Eindeckung und Reparatur herkömmlicher Steildächer) oder ob die Flachdachabdichtungsarbeiten in nicht unerheblichem Umfange von gelernten Dachdeckern ausgeführt werden oder eine entsprechende Aufsicht durch einen Fachmann des Dachdeckerhandwerks (Dachdeckermeister) besteht (vgl. BAG Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 314/88 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker, m.w.N.). Als nicht unerheblich im genannten Sinne kann die Beschäftigung gelernter Dachdecker, die Beaufsichtigung der Arbeiten durch einen Fachmann des Dachdeckerhandwerks oder die Ausführung von Arbeiten, die ausschließlich dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnen sind dann angesehen werden, wenn ein jeweiliger Anteil von 20 v.H. vorliegt (BAG Urteil vom 14. Oktober 1987 – 4 AZR 317/87 – AP Nr. 87 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Hinsichtlich der Beschäftigung gelernter Dachdecker ist nicht erforderlich, daß diese die Gesellenprüfung im Dachdeckerhandwerk abgelegt haben. Ausreichend ist vielmehr, wenn sie von einem Dachdeckermeister als Dachdecker angelernt wurden, wobei allerdings das Anlernen zu einem bestimmten Klebeverfahren nicht ausreicht. Soweit es darauf ankommt, ob die Arbeiten von einem Fachmann des Dachdeckerhandwerks (Dachdeckermeister) beaufsichtigt wurden, ist entscheidend, daß es sich um eine unmittelbare Aufsicht am Arbeitsplatz und nicht nur um eine allgemeine Weisungsbefugnis bzw. lediglich geschäftlich-wirtschaftliche Aufsichtsfunktion handelt (BAG Urteil vom 23. November 1988 – a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Nebenintervenientin, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertieft wurde, kann die Zuordnung von Betrieben, die Flachdachabdichtungsarbeiten ausführen, zum Dachdeckerhandwerk nicht schon damit begründet werden, daß die Flachdachabdichtung zum „Kernbereich” der Tätigkeit des Dachdeckerhandwerks gehört.
Der Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts, daß Flachdachabdichtungsarbeiten sowohl von baugewerblich tätigen Klebeabdichtern als auch von Betrieben des Dachdeckerhandwerks ausgeführt werden, wird auch von der Nebenintervenientin nicht in Zweifel gezogen, sondern ist vielmehr in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Dabei fallen Flachdachabdichtungsarbeiten unter das Tätigkeitsbeispiel des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 Verfahrens-TV. Rechtfertigt damit zunächst die Art der Tätigkeit eine Zuordnung des Betriebes zum betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge, so bedarf es weiterer Kriterien, die den Schluß zulassen, daß der Betrieb als Betrieb des Dachdeckerhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 Verfahrens-TV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen ist. Diese Kriterien sind in der Rechtsprechung entwickelt worden. Dabei ist der von der Nebenintervenientin angeführte Gesichtspunkt, daß die Flachdachabdichtung zum. „Kernbereich” der Tätigkeit des Dachdeckerhandwerks gehört, für die tarifliche Zuordnung ungeeignet.
Wäre dieser Gesichtspunkt maßgeblich, fiele nämlich jeder Betrieb, der Flachdachabdichtungsarbeiten ausführt, stets unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 Verfahrens-TV. Dies führt aber zumindest in den Fällen, in denen es, wie bei den baugewerblich tätigen Klebeabdichtern, an den handwerksrechtlichen Voraussetzungen für einen Betrieb des Dachdeckerhandwerks fehlt, zu nicht sachgerechten Ergebnissen. Eine sachgerechte Abgrenzung läßt sich nur erreichen, wenn den tariflichen Bestimmungen entsprechend von einer baugewerblichen Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 Verfahrens-TV bzw. von baulichen Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II Verfahrens-TV ausgegangen wird und dann geprüft wird, ob die Voraussetzungen für die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 Verfahrens-TV vorliegen.
Daraus rechtfertigt sich auch die entsprechende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Aufgrund der zwischen den Parteien unstreitigen arbeitszeitlich überwiegenden Ausführung von Flachdachabdichtungsarbeiten fällt der Betrieb unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 Verfahrens-TV trifft die Beklagten.
2. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht vorliegend ausgegangen und hat sie auch bei der Subsumtion nicht wieder aufgegeben.
a) Das Landesarbeitsgericht nimmt in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an, daß nicht festgestellt werden könne, die Flachdachabdichtungsarbeiten seien von gelernten Dachdeckern i.S. der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in nicht unerheblichem Umfange ausgeführt worden. Nach dem Vortrag der Beklagten seien zwei Dachdeckermeister und acht Dachdeckergesellen beschäftigt worden. Aus dem Umfang der betrieblichen Tätigkeit, die von mindestens 185 Arbeitnehmern wahrgenommen worden ist, folgert das Landesarbeitsgericht mit Recht, daß die Ausführung der Arbeiten durch gelernte Dachdecker nur in einem unerheblichen Umfang erfolgt sein könne.
Demgegenüber wenden die Beklagten mit ihrer Revision ein, daß das Landesarbeitsgericht für jede einzelne Niederlassung hätte feststellen müssen, daß die Flachdachabdichtungsarbeiten nicht von einer nicht unerheblichen Anzahl gelernter Dachdecker ausgeführt worden seien.
Bei der Beschäftigung von zwei Dachdeckermeistern und acht Dachdeckern in der Haupt- und in sieben Nebenniederlassungen entfällt im Durchschnitt ein Geselle auf eine Niederlassung. Schon dies rechtfertigt den vom Landesarbeitsgericht gezogenen Schluß, daß die von den 185 Arbeitnehmern insgesamt bei der Flachdachabdichtung erbrachte Arbeitszeit nur zu einem unerheblichen Anteil auf die gelernten Dachdecker entfällt.
Zu Unrecht nehmen die Beklagten an, daß die Klägerin für die Anzahl der in den einzelnen Niederlassungen beschäftigten gelernten Dachdecker darlegungspflichtig sei.
Ist die Tätigkeit der Flachdachabdichtung, wie ausgeführt wurde, nicht von vornherein dem Dachdeckerhandwerk zuzuordnen, sondern bedarf es weiterer Kriterien, die eine Zuordnung zum Dachdeckerhandwerk rechtfertigen, so ist der Arbeitgeber hinsichtlich aller Umstände und damit auch für die Beschäftigung einer nicht unerheblichen Anzahl von gelernten Dachdeckern, die den Schluß auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 Verfahrens-TV zuläßt, darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig. Insoweit hat aber das Landesarbeitsgericht mit Recht festgestellt, daß die Beklagten nicht vorgetragen haben, daß etwa in einer Niederlassung eine für die Zuordnung dieser Niederlassung zum Dachdeckerhandwerk erhebliche Anzahl von gelernten Dachdeckern beschäftigt worden sei.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt hat, daß die Flachdachabdichtungsarbeiten nicht in erheblichem Umfange von einem Fachmann des Dachdeckerhandwerks unmittelbar auf der Baustelle beaufsichtigt worden seien, haben die Beklagten mit der Revision keine Einwendungen erhoben.
c) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind im Betrieb der Beklagten zu 1) mit Ausnahme in der Niederlassung R. auch nicht in nicht unerheblichem Umfange, d.h. zu mindestens 20 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Arbeiten ausgeführt worden, die, wie Steildacharbeiten, ausschließlich dem Dachdeckerhandwerk zuzuordnen sind.
Dabei geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, daß die Beklagten allein für die Niederlassung M. und die Niederlassung R. einen 20 v.H. erreichenden Anteil an Steildacharbeiten vorgetragen haben. Diesen hat das Landesarbeitsgericht nur für die Niederlassung R., nicht aber für die Niederlassung M. als bewiesen angesehen.
Mit ihrer Revision rügen die Beklagten, daß das Landesarbeitsgericht seine Feststellungen aufgrund eines Beweisbeschlusses, dessen Inhalt auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet gewesen sei, getroffen habe.
Diese Rüge ist zunächst nur insoweit beachtlich, als sie das Beweisergebnis hinsichtlich der Niederlassung M. betrifft, da die Beklagten hinsichtlich des Beweisergebnisses in bezug auf die Niederlassung R. nicht beschwert sind.
Die Beweiserhebung hinsichtlich des Anteils der Steildacharbeiten in der Niederlassung M. war jedoch nicht unzulässig. Die Beklagten haben vorgetragen, daß 48 v.H. der von den in der Niederlassung M. beschäftigten Arbeitnehmern erbrachten Arbeitszeit auf die Ausführung von Steildacharbeiten entfallen seien. Dabei bezieht sich der Beweisbeschluß erkennbar nur auf den Klagezeitraum. Somit sind die streitigen Tatsachen im Beweisbeschluß hinreichend bezeichnet. Der Beweisbeschluß bezeichnet eine konkrete betriebliche Tätigkeit, während eines bestimmten Zeitraums und die Anzahl der Arbeitnehmer, von denen diese Tätigkeit ausgeführt worden ist.
Im übrigen verkennen die Beklagten, daß ein unzulässiger Ausforschungsbeweis nur dann vorliegt, wenn die beweispflichtige Partei durch die Beweisaufnahme erst die Tatsachen zu erfahren sucht, die sie für ein schlüssiges Vorbringen benötigt. Vorliegend bezieht sich der Beweisbeschluß aber auf die von den Beklagten selbst über ihre eigene betriebliche Tätigkeit vorgetragenen Tatsachen. Insoweit scheidet auch aus Rechtsgründen die Annahme eines unzulässigen Ausforschungsbeweises aus.
3. Soweit die Beklagten sich in ihrer Revision darauf berufen, daß die ZVK mit Schreiben vom 17. Dezember 1985 mitgeteilt habe, daß das Beitragskonto erloschen sei, ist dies unbeachtlich. Maßgebend für die Auskunftsverpflichtung ist allein, ob der Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich der allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifverträge erfaßt wird.
4. Auch kommt der Eintragung in die Handwerksrolle als Betrieb des Dachdeckerhandwerks nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die tarifliche Zuordnung keine entscheidende Bedeutung zu. Dieser Umstand kann allenfalls ergänzend und zur Bestätigung Berücksichtigung finden (BAG Urteil vom 24. Februar 1988 – 4 AZR 640/87 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker). Demgemäß ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf die von ihm getroffenen Feststellungen über die betriebliche Tätigkeit und deren Zuordnung zum Baugewerbe der Eintragung des Betriebes in die Handwerksrolle als Betrieb des Dachdeckerhandwerks keine weitere Bedeutung zugemessen hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Dr. Meyer, Wingefeld
Fundstellen