Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestumsatzgrenze für Provision
Orientierungssatz
Nach § 622 Abs 5 BGB darf für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer einzelvertraglich keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Hieraus ist der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, daß dem Arbeitnehmer infolge der Kündigung des Arbeitsverhältnisses keine Rechtsnachteile erwachsen dürfen.
Normenkette
HGB § 65; BGB §§ 133, 157; HGB § 87 Abs. 1; BGB § 622 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.04.1987; Aktenzeichen 7 (13) Sa 141/86) |
ArbG Ulm (Entscheidung vom 22.09.1986; Aktenzeichen 1 Ca 408/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um Provisionsansprüche des Klägers.
Der Kläger trat aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. Juni 1983 mit Wirkung vom 1. September 1983 als Verkaufsleiter in die Dienste der Beklagten. Als Verkaufsgebiet waren ihm die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland zugewiesen. Ob er darüber hinaus noch weitere Gebiete betreuen sollte, ist zwischen den Parteien streitig. Vereinbart war ein Gehalt von 4.500,-- DM brutto monatlich. Daneben sollte der Kläger im ersten Jahr der Beschäftigung 1,25 % Provision aus allen Vertragsabschlüssen erhalten. Für das zweite Beschäftigungsjahr war vereinbart:
"Mindestumsatz: DM 1,2 Mio
DDS-C 3 % pro SW-Paket
CADES-G 2 % pro SW-Paket
Upgrades 3,5 % pro SW-Paket
-Umsatz: ab 2,4 Mio = 6 %."
Die Provision sollte aus allen Vertragsabschlüssen berechnet werden, wenn ein Mindestumsatz von 1,2 Millionen DM erzielt wurde. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus einem Provisionsplan der Beklagten. Hiernach berechnet sich die Provision für Software-Pakete aus der Multiplikation von Nettoverkaufswert x Prozentsatz. Die Provision wird in zwei Raten als Abschluß- und Betreuungsprovision fällig.
Am 19. Dezember 1984 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1985. Im ersten Arbeitsjahr hatte der Kläger keine Vertragsabschlüsse vermittelt. Vom 1. September 1984 bis zum 31. März 1985 vermittelte er Vertragsabschlüsse im Wert von 1.142.000,-- DM. Sofern dieser Umsatz zu verprovisionieren ist, ergibt sich daraus nach der Berechnung der Beklagten eine Provision von 26.235,-- DM. Auf diesen Betrag hat der Kläger in der Zeit vom 1. April 1984 bis zum 31. März 1985 einen zu verrechnenden Provisionsvorschuß in Höhe von 11.000,-- DM erhalten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe die Verprovisionierungsgrenze erreicht. Diese sei für das gesamte Jahr auf 1,2 Millionen DM festgesetzt. Bei nur siebenmonatiger Beschäftigung betrage sie 700.000,-- DM. Im übrigen sei die Provisionsgrenze unwirksam; sie wirke sich als einseitige Kündigungserschwerung zu seinem Nachteil aus.
Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM
15.235,-- brutto nebst 4 % Zinsen aus dem
sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab dem
27.9.1985 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat Widerklage erhoben mit dem Antrag,
den Kläger zu verurteilen, an sie 11.000,--
DM nebst 9,25 % Zinsen hieraus seit dem 25.
Juli 1985 zu zahlen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe durch seine Kündigung die Entstehung eines Provisionsanspruchs verhindert, da er die Provisionsgrenze nicht erreicht habe. Eine Herabsetzung der Grenze wegen der unterjährigen Beschäftigung sei in dem Vertrag nicht vorgesehen. Die Vertragsabrede sei wirksam.
Das Arbeitsgericht hat im Wege des Teilurteils die Beklagte zur Zahlung von 15.235,-- DM verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Insoweit ist die Berufung der Beklagten ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision will die Beklagte erreichen, daß der Zahlungsantrag abgewiesen und der Widerklage stattgegeben wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger noch 15.235,-- DM Provision. Ihre Widerklage ist unbegründet. Die Mindestumsatzgrenze, bei deren Überschreiten die Provisionspflicht einsetzt, ist im Falle unterjähriger Beschäftigung entsprechend der Beschäftigungsdauer herabzusetzen.
1. Für den Kläger ist ein Anspruch auf Provision entstanden. Nach § 65 HGB in Verbindung mit § 87 Abs. 1 HGB entsteht ein Anspruch auf Provision, wenn die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, daß der Arbeitnehmer für Geschäfte, die von ihm geschlossen oder vermittelt werden, Provision erhalten soll. Diese Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht festgestellt. Die Arbeitsvertragsparteien haben im Anhang zum Arbeitsvertrag vereinbart, daß der Kläger bei einem Mindestumsatz von 1,2 Millionen DM für die von ihm vermittelten Geschäfte zwischen 2 und 3,5 % Provision erhalten soll. Dies wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
2. Der Kläger hat den verlangten Mindestumsatz erbracht. Der im Arbeitsvertrag vorausgesetzte Mindestumsatz ist jahresbezogen. Er ist bei unterjähriger Beschäftigung entsprechend zu kürzen.
a) Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vereinbart, daß sich die Vergütung des Klägers aus einem Festgehalt und einer Provision zusammensetzt. In der Anlage zum Arbeitsvertrag sind alsdann der Mindestumsatz und die Provisionsstaffel festgesetzt worden. Aus der Anlage selbst ergibt sich nicht, in welcher Zeitspanne der Mindestumsatz erreicht werden muß. Aus dem zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gemachten Provisionsplan läßt sich aber entnehmen, daß der Mindestumsatz jahresbezogen sein soll. Im Abschnitt "E" hat sich die Beklagte das Recht vorbehalten "die persönliche Jahresquote" zu ändern. Auch aus der Anlage 1 zum Provisionsplan ergibt sich, daß die Mindestumsätze auf das Jahr bezogen sind.
b) Die Parteien haben keine vertragliche Regelung über Mindestumsätze für den Fall getroffen, daß der Kläger nicht während eines ganzen Jahres beschäftigt wird. Aus dem Vertragswerk selbst ist dafür nichts ersichtlich.
Soweit die Beklagte behauptet, auch im Falle unterjähriger Beschäftigung müsse die Jahresumsatzgrenze gelten, ist das nicht richtig. Auch wenn der Arbeitsvertrag, der Pensionsplan und seine Anlagen ins einzelne gehende Regelungen enthalten, so fehlt es doch an Bestimmungen für die Mindestumsatzgrenze bei unterjähriger Beschäftigung. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Seine Auslegung des Vertrages ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Da die Parteien keine Regelung für den Fall der unterjährigen Beschäftigung getroffen haben, bedarf es insoweit der ergänzenden Vertragsauslegung.
a) Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu untersuchen, wie die Parteien bei redlichem Verhalten den offengebliebenen Punkt geordnet haben würden, wenn sie ihn bedacht hätten (MünchKomm-Mayer-Maly, BGB, 2. Aufl., § 157 Rz 39, mit weiteren Nachweisen).
Die ergänzende Vertragsauslegung führt zu dem Ergebnis, daß bei unterjähriger Beschäftigung die Jahresumsatzgrenze auf die Beschäftigungsdauer umgerechnet werden muß. Vereinbaren die Parteien, daß eine Verprovisionierung bei Überschreiten eines Mindestumsatzes erfolgen soll, so bedeutet das, daß bis zum Mindestumsatz allein das Gehalt die Gegenleistung darstellt. Erst die Mehrleistung soll durch Provisionen zusätzlich honoriert werden. Die Mehrleistung läßt sich aber auch monatlich bestimmen, wenn eine Monatsvergütung bestimmt wird.
b) Das Landesarbeitsgericht weist auch zu Recht darauf hin, daß eine Vertragsauslegung nicht zu rechtswidrigen Arbeitsvertragsbedingungen führen darf. Nach § 622 Abs. 5 BGB darf für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer einzelvertraglich keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Hieraus ist der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, daß dem Arbeitnehmer infolge der Kündigung des Arbeitsverhältnisses keine Rechtsnachteile erwachsen dürfen. Hiervon ist das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgegangen (vgl. BAG Urteil vom 11. März 1971 - 5 AZR 349/70 - AP Nr. 9 zu § 622 BGB; Urteil vom 9. März 1972 - 5 AZR 246/71 - AP Nr. 12, aa0, zu 4 der Gründe; Urteil vom 12. Januar 1973 - 3 AZR 211/72 - AP Nr. 4 zu § 87 a HGB zu II 1 der Gründe, alle mit weiterem Nachweis). Wäre aber die Mindestumsatzgrenze auch bei unterjähriger Beschäftigung jahresbezogen auszulegen, würde sie zu einer erheblichen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen. Dieser könnte praktisch nur einmal jährlich kündigen. In allen anderen Fällen hätte er Verdiensteinbußen zu gewärtigen.
4. Wegen der Berechnung der ausstehenden Provision besteht zwischen den Parteien kein Streit. Damit ergibt sich, daß der Zahlungsanspruch des Klägers begründet und die Widerklage unbegründet sind.
5. Der Senat kann nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens entscheiden. Die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts im Schlußurteil kann der Senat nicht überprüfen.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Dr. Michels Zilius
Fundstellen
Haufe-Index 438568 |
DB 1990, 1423-1424 (LT1) |