Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung einer Jahressonderzahlung
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.02.1990; Aktenzeichen 5 Sa 91/89) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 05.10.1989; Aktenzeichen 20 Ca 1147/89) |
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 23. Februar 1990 – 5 Sa 91/89 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückzahlung der Jahressonderzahlung 1988.
Der Beklagte war bei der Klägerin als Werkstattmeister und Fuhrparkleiter beschäftigt. Sein Gehalt war zunächst mit 3.500,– DM brutto monatlich vereinbart und betrug zuletzt 4.000,– DM brutto monatlich. Im Arbeitsvertrag war u.a. folgendes vereinbart:
„Für die Jahressonderzahlung wurde vereinbart, daß für die Berechnungsgrundlage die getroffene Vereinbarung in Höhe von 3.500,– DM gültig ist. Der § 16 des MTV mit Ausnahme der Ziffer 3 ist Bestandteil dieses Vertrages.
Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist der Manteltarifvertrag für die Angestellten des privaten Speditions- und Verkehrsgewerbes in Baden-Württemberg vom 08. 11. 1984, gültig ab 01. 01. 1985, der zur Einsicht vorliegt.”
In § 16 des Manteltarifvertrages für die Angestellten des privaten Speditions- und Verkehrsgewerbes in Baden-Württemberg vom 8. November 1984 (MTV) ist u.a. folgendes bestimmt:
„Jahressonderzahlung
1. Die Angestellten erhalten eine Jahressonderzahlung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
2. Der Anspruch auf die Jahressonderzahlung setzt voraus, daß der Angestellte am Auszahlungstag in einem unbefristeten und ungekündigten Beschäftigungsverhältnis steht.
…
7. Die Jahressonderzahlung ist spätestens am 15. Dezember auszuzahlen. …
9. Die Jahressonderzahlung ist zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres endet; das gilt nicht, wenn die Jahressonderzahlung den Betrag von DM 200,– nicht übersteigt oder wenn das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen durch den Arbeitgeber gekündigt worden ist.”
Die Klägerin leistete dem Beklagten im Monat November 1988 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 3.500,– DM brutto (2.228,94 DM netto). Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. März 1989. Da die Klägerin die Auffassung vertrat, daß der Beklagte zur Rückzahlung der Jahressonderzahlung verpflichtet sei, zahlte sie ihm das Gehalt für den Monat März 1989 nicht in voller Höhe aus. Eine entsprechende Zahlungsklage des jetzigen Beklagten hatte Erfolg. Im Urteil vom 25. Juli 1989, das der jetzigen Klägerin am 9. August 1989 zugestellt wurde, erklärte das Arbeitsgericht Stuttgart die Aufrechnung der Klägerin für unzulässig.
Mit ihrer am 8. September 1989 bei Gericht eingereichten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung der Jahressonderzahlung für das Jahr 1988 in Höhe von 2.228,94 DM netto. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei nach § 16 Ziffer 9 MTV zur Rückzahlung verpflichtet, da das Arbeitsverhältnis bis zum 31. März 1989 geendet habe. Durch die fristgemäße Kündigung des Beklagten zum Ablauf dieses Tages seien die tariflichen Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch erfüllt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.228,94 DM nebst 4 % Zinsen hieraus ab 15. September 1989 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, durch seine fristgemäße Kündigung zum Ablauf des 31. März 1989 habe sein Arbeitsverhältnis nicht „bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres” geendet. Aus den tariflichen Bestimmungen folge keine Rückzahlungsverpflichtung bei einer Kündigung zu diesem Termin.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, daß der Beklagte zur Rückzahlung der Jahressonderzahlung für das Jahr 1988 verpflichtet ist.
I. Die Klage ist zulässig. Im Vorprozeß zwischen den Parteien über den Anspruch des Beklagten auf Zahlung des Gehaltes für den Monat März 1989 ist über die Klageforderung nicht rechtskräftig entschieden worden. Zwar hat die Klägerin mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der Jahressonderzahlung aufgerechnet. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat im Urteil vom 25. Juli 1989 die Aufrechnung jedoch für unzulässig erklärt. Damit liegt eine rechtskräftige Entscheidung über die jetzige Klageforderung nicht vor (§ 322 Abs. 2 ZPO; Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 322 Anm. 8).
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten folge aus § 16 Ziff. 9 MTV. Da der Beklagte aufgrund eigener fristgemäßer Kündigung mit Ablauf des 31. März aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, habe das Arbeitsverhältnis „bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres” geendet. Das Arbeitsverhältnis ende auch dann in der Zeit bis 31. März, wenn dies erst mit Ablauf dieses Tages geschehe. Dies folge aus dem Sinn und Zweck der tariflichen Bestimmung, gegen deren Zulässigkeit keine rechtlichen Bedenken bestünden.
2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.
a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß sich die Rückzahlungsverpflichtung nach der tariflichen Bestimmung des § 16 Ziff. 9 MTV beurteilt. Dies folgt daraus, daß die Parteien bei der Vereinbarung der Jahressonderzahlung im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf § 16 MTV Bezug genommen und nur hinsichtlich der Höhe des Betrages eine anderweitige Vereinbarung getroffen haben. Daraus ergibt sich zugleich, daß sich die Rückzahlungsverpflichtung der Höhe nach nicht nur auf den tariflich vorgesehenen Betrag, sondern auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Summe von 3.500,– DM brutto (2.228,94 DM netto) bezieht.
b) Die tariflichen Voraussetzungen für den Rückzahlungsanspruch liegen vor.
aa) Nach § 16 Ziff. 9 MTV ist die Jahressonderzahlung zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres endet. Nach dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung endet das Arbeitsverhältnis auch dann bis zum 31. März, wenn eine Kündigung zu diesem Termin ausgesprochen wird. Die von den Tarifvertragsparteien gesetzte Frist bis zum 31. März endet mit Ablauf dieses Tages (§ 188 BGB). Wird eine Kündigung, wie vom Beklagten, zum 31. März ausgesprochen, so führt dies zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf dieses Tages und damit zu einer Beendigung innerhalb der von den Tarifvertragsparteien bis zum 31. März gesetzten Frist. Der Zeitpunkt des Ablaufs eines Tages gehört rechtlich noch zu diesem Tag und damit zu der Frist, in die der Tag fällt. Das gilt auch, wenn eine tarifliche Bestimmung keinen erläuternden Zusatz, wie etwa mit der Formulierung „bis einschließlich 31. März” hat (vgl. BAGE 18, 217 = AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 31. Januar 1979 – 5 AZR 551/77 – AP Nr. 101 zu § 611 BGB Gratifikation).
Diese rechtliche Beurteilung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG, wonach ein Arbeitnehmer auch dann in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres ausscheidet, wenn er sein Arbeitsverhältnis zum 30. Juni kündigt (BAGE 18, 345 = AP Nr. 4 zu § 5 BUrlG).
bb) Durch den tariflichen Gesamtzusammenhang, der neben dem Tarifwortlaut bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen ist (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), wird bestätigt, daß die Tarifvertragsparteien eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rückzahlungsverpflichtung erst nach dem 31. März zulassen wollten.
Anspruchsvoraussetzung für die Jahressonderzahlung ist das Bestehen eines unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag, der nach § 16 Ziff. 7 MTV spätestens der 15. Dezember ist. Im Hinblick auf die tariflichen Kündigungsfristen liefe die tariflich normierte Rückzahlungsverpflichtung damit weitgehend leer, wenn eine fristgemäße Kündigung zum 31. März nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses „bis zum 31. März” im Sinne von § 16 Ziff. 9 MTV führen würde. Nach § 5 Ziff. 2 MTV beträgt die Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Der Angestellte hat deshalb nach dem 15. Dezember eines Jahres zum 31. März des folgenden Kalenderjahres nur eine Kündigungsmöglichkeit. Würde die tarifliche Regelung derartige Kündigungen nicht einbeziehen, so käme sie nur in Fällen außerordentlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März zum Tragen. Daß die Rückzahlungsverpflichtung damit bei einer fristgemäßen Kündigung nicht zur Anwendung kommen, sondern nur eine anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31. März erfassen soll, ist der tariflichen Bestimmung jedoch nicht zu entnehmen.
c) Die Rückzahlungsklausel in § 16 Ziff. 9 MTV ist auch rechtswirksam. Sie bewirkt keine unzulässige Kündigungserschwerung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann zwar mit der Zahlung einer Weihnachtsgratifikation, die einen Betrag von 200,– DM übersteigt, jedoch ein Monatsgehalt nicht erreicht, einzelvertraglich nur eine Rückzahlungsklausel verbunden werden, die eine Betriebsbindung bis zum 31. März bezweckt. Scheidet der Arbeitnehmer mit Ablauf des 31. März aus dem Arbeitsverhältnis aus, besteht danach keine Rückzahlungsverpflichtung (BAGE 13, 129 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Gratifikation, BAG Urteil vom 17. März 1982 – 5 AZR 1250/79 – AP Nr. 110 zu § 611 BGB Gratifikation).
Die von der Rechtsprechung für einzelvertragliche Rückzahlungsklauseln entwickelten Schranken gelten jedoch nicht für die Tarifvertragsparteien. Sie können im Rahmen ihrer Tarifautonomie weitergehende Regelungen treffen (vgl. BAGE 18, 217 = AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil vom 23. Februar 1967 – 5 AZR 234/66 – AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation).
Eine solche Regelung enthält § 16 Ziff. 9 MTV. Danach besteht eine Rückzahlungsverpflichtung auch bei einer fristgemäßen Kündigung zum 31. März des auf das Auszahlungsjahr folgenden Kalenderjahres. Dies führt zu keiner unzumutbaren Kündigungserschwerung. Im Hinblick auf die tariflichen Kündigungsfristen wird durch die tarifliche Regelung lediglich bewirkt, daß der Angestellte eine Kündigungsmöglichkeit auslassen muß, um die Jahressonderzahlung zu behalten. Das ist zumutbar.
d) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die in der Revisionsinstanz nicht angegriffen wurden, hat die Klägerin bei der Geltendmachung ihrer Rückzahlungsforderung die tarifliche Ausschlußfrist eingehalten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Dr. Müller-Glöge, Brocksiepe, Hecker
Fundstellen