Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Personalrats nur auf Antrag; Hinweispflichten des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat bei einer Personalmaßnahme nach § 72 Abs 1 Satz 2 PersVG NW der Personalrat nur auf Antrag des Arbeitnehmers mitzubestimmen, weil es sich um einen Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher bzw künstlerischer Tätigkeit handelt, so gebietet die dem öffentlichen Arbeitgeber obliegende Fürsorgepflicht es nicht, den Arbeitnehmer vorher auf dieses Antragsrecht hinzuweisen.
2. Zur Frage, ob der öffentliche Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung wenigstens auf die Kündigungsabsicht hinweisen muß.
Normenkette
PersVG NW § 72 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 18.12.1992; Aktenzeichen 5 Sa 1033/92) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 10.03.1992; Aktenzeichen 2 Ca 1829/91) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 21. Mai 1991 zum 31. Dezember 1991 und einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der 1936 geborene Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, war seit 1982 ununterbrochen an der Ruhr-Universität Bochum als wissenschaftlicher Mitarbeiter gegen ein Gehalt von zuletzt 6.000,-- DM brutto beschäftigt. Schon der erste befristete Vertrag für die Zeit vom 1. Mai 1982 bis 30. April 1984 nahm ausdrücklich auf ein Forschungsprojekt der Firma H Bezug und enthielt die Klausel, ein vorzeitiger Wegfall der Haushaltsmittel stelle einvernehmlich einen besonderen Kündigungsgrund dar. Der befristete Vertrag wurde zweimal verlängert, und mit Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 21. Januar 1985 wurde dann vereinbart, der Kläger werde über den 31. Dezember 1984 hinaus auf unbestimmte Dauer weiterbeschäftigt. Auch in diesem Nachtrag zum Arbeitsvertrag war festgelegt, die Weiterbeschäftigung des Klägers erfolge zu Lasten des Forschungsprojekts "P " in Zusammenarbeit mit der Firma H , B , und ein Wegfall der Haushaltsmittel stelle einvernehmlich einen besonderen Kündigungsgrund dar. Mit Schreiben vom 30. April 1991 kündigte die Firma H die Zusammenarbeit an dem Forschungsprojekt mit Wirkung zum 31. Dezember 1991 auf mit der Folge, daß zu diesem Zeitpunkt die Drittmittel für das Forschungsprojekt entfielen. Der Inhaber des Lehrstuhls, bei dem das Forschungsprojekt lief, Herr Professor Dr. Ha , wies den Kläger Anfang Mai 1991 auf das Kündigungsschreiben der Firma H hin und erklärte, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses des Klägers sei fraglich. Mit Schreiben vom 21. Mai 1991, dem Kläger zugegangen am 27. Mai 1991, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31. Dezember 1991. Das beklagte Land wies den Kläger vor der Kündigung nicht darauf hin, daß eine Mitbestimmung des Personalrats im Fall seiner Kündigung nur erfolge, wenn er dies beantrage.
Gegen die Kündigung erhob der Kläger zunächst keine Kündigungsschutzklage. Erst mit einem am 1. Oktober 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte er die Feststellung, daß die Kündigung unwirksam sei, mit der Begründung, der Personalrat sei bei seiner Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, weil man ihn nicht darüber aufgeklärt habe, daß er die Beteiligung des Personalrats bei seiner Kündigung beantragen könne.
Der Kläger hat bestritten, daß er bei seiner Einstellung über seine Rechte auf Einschaltung des Personalrats bei bestimmten Maßnahmen hingewiesen worden ist. Insbesondere habe er kein Merkblatt über die "Information des Wissenschaftlichen Personalrats" erhalten. Herr Professor Dr. Ha habe ihm nur einige Tage nach der Mitteilung über das Kündigungsschreiben der Firma H , gesagt, die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses sei fraglich; auf ein Antragsrecht hinsichtlich der Beteiligung des Personalrats habe er ihn nicht hingewiesen. Der Kläger hat geltend gemacht, der Dienststellenleiter hätte ihn ordnungsgemäß auf sein Recht, den Personalrat zu beteiligen, hinweisen müssen. Da er dies pflichtwidrig unterlassen habe, führe dies zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwi-
schen den Parteien durch die Kündigung vom
21. Mai 1991 nicht zum 31. Dezember 1991 auf-
gelöst worden ist, sondern über den 31. De-
zember 1991 hinaus fortbesteht,
2. das beklagte Land zu verurteilen, ihn für die
Dauer des Feststellungsrechtsstreits weiterzu-
beschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat behauptet, schon bei der Einstellung sei dem Kläger ein Merkblatt übergeben worden, das ihn über seine personalvertretungsrechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt und insbesondere den Hinweis auf das Recht enthalten habe, allgemein einen Antrag auf Beteiligung des Personalrats zu stellen. Daß der Kläger das Merkblatt erhalten habe, ergebe sich aus den Einstellungsunterlagen. Auch durch Professor Dr. Ha sei der Kläger Anfang Mai 1991 darüber unterrichtet worden, daß eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende des Jahres 1991 wohl unvermeidbar sei. Aufgrund dieser Unterrichtung habe der Kläger klar erkennen können, daß er eine Entscheidung über ein personalvertretungsrechtliches Antragsrecht nunmehr habe treffen müssen. Der Dienstherr könne im allgemeinen erwarten, daß der Bedienstete über die aus seinem Dienstverhältnis erwachsenden Rechte und Pflichten hinreichend informiert sei. Jedenfalls sei es dem Kläger unschwer möglich gewesen, sich die entsprechenden Informationen zu verschaffen, sich insbesondere über sein Antragsrecht gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 LPVG NW kundig zu machen. Eine besondere Belehrung über dieses Antragsrecht sei deshalb nicht erforderlich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt, die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich das beklagte Land mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben und die Klage abzuweisen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils angenommen, der Arbeitgeber sei verpflichtet, den Arbeitnehmer in angemessener Form über sein Antragsrecht gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW zu informieren. Eine solche Verpflichtung ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, jedoch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Da der Kläger ersichtlich nicht über die notwendigen Rechtskenntnisse verfügt habe, hätte der Dienststellenleiter ihn umfassend über seine Antragsmöglichkeiten informieren müssen. Dies sei nicht geschehen; eine allgemeine Information bei Einstellung des Klägers reiche jedenfalls nicht aus, und auch anläßlich der Kündigung sei der Kläger nicht ordnungsgemäß informiert worden. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kündigung.
B. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung kann dem angefochtenen Urteil nicht gefolgt werden.
I. Der zulässige Antrag auf Feststellung, daß die Kündigung aus sonstigen Gründen im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG unwirksam ist und deshalb das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat, ist unbegründet. Die Kündigung des beklagten Landes ist nicht nach § 108 Abs. 2 BPersVG wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats unwirksam.
1. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 LPVG NW hat der Personalrat mitzubestimmen in Personalangelegenheiten bei ordentlicher Kündigung. Nach § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW gilt Satz 1 für Beschäftigte mit überwiegend wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit sowie für wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter allerdings nur dann, wenn sie dies beantragen. Der Kläger, der unstreitig zu diesem Personenkreis gehört, hätte also nur durch einen entsprechenden Antrag beim Arbeitgeber eine Einschaltung des Personalrats bewirken können. Da der Kläger bis zum Ausspruch der Kündigung eine Beteiligung des Personalrats nicht beantragt hat, konnte das beklagte Land nach § 72 LPVG NW ohne Einschaltung des Personalrats kündigen.
2. Das beklagte Land war auch nicht verpflichtet, den Kläger vor Ausspruch der Kündigung auf sein Antragsrecht nach § 72 Abs. 2 Satz 2 LPVG NW oder wenigstens auf die beabsichtigte Kündigung hinzuweisen. Etwas derartiges ist im Gesetz ausdrücklich nicht geregelt.
a) Wenn § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW keine gesetzlichen Hinweispflichten des Arbeitgebers enthält, so kann dies weder als ein Redaktionsversehen (so Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand März 1993, § 77 Rz 20 zu einer vergleichbaren Vorschrift im BPersVG) angesehen werden, noch folgt die Hinweispflicht als selbstverständliche Folge aus der gesetzlichen Regelung, daß die Beteiligung der Personalvertretung nur auf Antrag erfolgt (so offenbar Cecior/Dietz/Vallendar, Personalvertretungsrecht NW, Stand November 1989, § 72 Rz 214). Es kann durchaus sachliche Gründe geben, daß der Gesetzgeber bei einzelnen Maßnahmen (Regreßforderungen bzw. Entlassung eines Beamten auf Probe) eine besondere Schutzbedürftigkeit des Beschäftigten annimmt und deshalb eine Hinweispflicht gesetzlich festlegt, während er bei anderen Maßnahmen eine solche besondere Schutzbedürftigkeit nicht für gegeben hält, etwa weil er davon ausgeht, daß bei den laufenden Maßnahmen, die sich während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ergeben, der Beschäftigte selbst dem Arbeitgeber mitteilen kann, er wünsche grundsätzlich eine Beteiligung der Personalvertretung und erwarte deshalb entsprechende Hinweise.
b) § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW ist auch nicht lückenhaft, wenn dort dem Arbeitgeber keine gesetzliche Pflicht auferlegt wird, den Arbeitnehmer auf sein Antragsrecht oder wenigstens auf die beabsichtigte Maßnahme hinzuweisen. Es ist schon seit längerer Zeit bekannt, daß die Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Hinweispflichten enthalten und die Rechtsprechung vor allem der Verwaltungsgerichte nicht bereit ist, aus der Fürsorgepflicht ohne weiteres eine Unterrichtungspflicht herzuleiten, wie dies in der Begründung zum Entwurf des Bundespersonalvertretungsgesetzes angenommen wird (vgl. dazu BVerwGE 68, 197, 200). Wenn der Landesgesetzgeber noch 1987 mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen und des Fachhochschulgesetzes und des Gesetzes über die Kunsthochschulen im Land Nordrhein-Westfalen (GV NW 1987, 366; vgl. dazu Cecior/Dietz/Vallendar, aaO, Stand April 1992, § 72 Rz 207) die Vorschrift des § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW geändert hat, ohne eine entsprechende Mitteilungspflicht aufzunehmen, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine ausfüllungsbedürftige Lücke im Gesetz besteht.
c) Auch aufgrund der Fürsorgepflicht bestand kein Anspruch des Klägers auf Unterrichtung über sein Antragsrecht bzw. über die beabsichtigte Kündigung.
aa) Der Arbeitgeber hat zwar aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht bei allen seinen Maßnahmen, auch soweit er Rechte ausübt, auf das Wohl und die berechtigten Interessen seines Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Deshalb muß er unter Umständen besondere Maßnahmen treffen, die die Entstehung eines Schadens, insbesondere eine Beeinträchtigung des Fortkommens seines Arbeitnehmers verhindern können. Der Umfang dieser Fürsorgepflicht läßt sich im Einzelfall nur aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen bestimmen (BAGE 7, 267, 271, 272 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG Urteile vom 17. März 1970 - 5 AZR 263/69 - AP Nr. 78 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu 2 der Gründe; vom 9. Februar 1977 - 5 AZR 2/76 - AP Nr. 83 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu II 1 der Gründe; vom 13. April 1988 - 5 AZR 537/86 - AP Nr. 100 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu 1 der Gründe). Aufklärungs- und Hinweispflichten können dabei allerdings nur in engem Umfang angenommen werden. Der Arbeitgeber ist nicht zur allgemeinen Rechtsberatung des Arbeitnehmers verpflichtet. Über die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Vorschriften muß sich der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst informieren. So ist es z.B. anerkannt, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht auf die Klagefrist der §§ 4, 13 KSchG hinweisen muß (LAG Düsseldorf Beschluß vom 12. Juni 1980 - 7 Ta 83/80 -, DB 1980, 1551; Becker-Schaffner, Umfang und Grenzen der arbeitgeberseitigen Hinweis- und Belehrungspflichten, BB 1993, 1281, 1282, mit weiteren Nachweisen). Weitergehende Hinweispflichten ergeben sich nur in den Bereichen, in denen der Arbeitnehmer regelmäßig nicht hinreichend über seine Rechte informiert ist, der Arbeitgeber aber über die notwendigen Kenntnisse verfügt, z.B. also bei der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst (vgl. dazu BAG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 3 AZR 44/91 - AP Nr. 32 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Im übrigen kann von dem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes verlangt werden, sich gegebenenfalls mit Hilfe der zuständigen Personalvertretung über die einschlägigen Bestimmungen des Landespersonalvertretungsgesetzes selbst zu informieren.
bb) Eine Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vor einer beabsichtigten Personalmaßnahme über sein Antragsrecht nach § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW zu belehren, läßt sich aus der Fürsorgepflicht nicht herleiten. Das Antragserfordernis des § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW verfolgt bei den überwiegend wissenschaftlich oder künstlerisch tätigen Arbeitnehmern den Zweck, ihnen eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber Einflußmöglichkeiten des Personalrats zu sichern und dient damit mittelbar der Freiheit von Kunst und Wissenschaft (Cecior/Dietz/Vallendar, aaO, Stand April 1992, § 72 Rz 208; vgl. zum Verhältnis zwischen Mitbestimmung und Art. 5 Abs. 3 GG: BVerwGE 62, 55). Über seine Rechte auf Einschaltung der Personalvertretung kann sich der Beschäftigte einfach informieren, bei einer längeren Tätigkeit in der Dienststelle ist im Gegenteil kaum anzunehmen, daß der Beschäftigte weder durch Personalratswahlen noch durch die Tätigkeit der Personalvertretung auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht worden ist, sich über seine konkreten personalvertretungsrechtlichen Rechte zu informieren. Die Fürsorgepflicht des öffentlichen Arbeitgebers geht deshalb nicht so weit, den Beschäftigten auch über solche Vorschriften zu belehren (ebenso OVG Rheinland-Pfalz Urteil vom 18. Mai 1988 - 2 A 80/87 - DÖD 1989, 97, zu einer vergleichbaren Vorschrift).
cc) Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Die von den Vorinstanzen zitierten Entscheidungen sind überwiegend zu personalvertretungsrechtlichen Vorschriften ergangen, die dem öffentlichen Arbeitgeber ausdrücklich die Pflicht auferlegen, den Arbeitnehmer von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen (BVerwGE 68, 197; BVerwG Urteil vom 23. Februar 1989 - 2 C 76.86 - DVBl. 1989, 771; OVG Münster Urteil vom 18. November 1982 - 1 A 1211/80 - ZBR 1983, 239). Selbst für den Fall, daß das Gesetz ausdrücklich vorsieht, der Arbeitnehmer sei über die beabsichtigte Maßnahme vorher zu informieren, lehnen diese Entscheidungen aber eine Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf sein Antragsrecht hinzuweisen, grundsätzlich ab mit der Begründung, aus der Fürsorgepflicht folge keine generelle Verpflichtung, den Beschäftigten über alle sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Rechtsfragen und über die für ihn einschlägigen Vorschriften zu belehren.
dd) Aus der Fürsorgepflicht folgt auch keine allgemeine Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, den Arbeitnehmer im Rahmen des § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW rechtzeitig über die beabsichtigte Maßnahme zu informieren. Es ist nicht erforderlich, den Arbeitnehmer auch ohne entsprechende gesetzliche Regelung dadurch zu schützen, daß ihm jede Personalmaßnahme vorher mitgeteilt wird. Vielfach bedarf der Arbeitnehmer eines solchen Hinweises nicht, entweder weil er über die beabsichtigte Maßnahme schon anderweitig Kenntnis erlangt hat oder weil er als überwiegend wissenschaftlich oder künstlerisch tätiger Mitarbeiter ein Eindringen der Personalvertretung in seine Persönlichkeitssphäre verhindern will und deshalb eine Beteiligung der Personalvertretung an den sein Arbeitsverhältnis betreffenden Personalmaßnahmen grundsätzlich ablehnt. Der Arbeitnehmer hat auch die Möglichkeit, dem öffentlichen Arbeitgeber selbst mitzuteilen, er wünsche eine Beteiligung der Personalvertretung bei allen sein Arbeitsverhältnis betreffenden Maßnahmen. Unter diesen Umständen geht es zu weit, aus der Fürsorgepflicht eine Hinweispflicht des öffentlichen Arbeitgebers herzuleiten, die der Gesetzgeber in § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW gerade nicht aufgenommen hat.
Soweit im Schrifttum zum Bundespersonalvertretungsgesetz bzw. den Landespersonalvertretungsgesetzen aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 68, 197; BVerwG Urteile vom 24. November 1983 - 2 C 26.83 - und vom 23. Februar 1989 - 2 C 76.86 - DVBl. 1984, 441 und DVBl. 1989, 771) teilweise weitergehende Folgerungen hergeleitet werden (Cecior/Dietz/Vallendar, aaO, Stand November 1989, § 72 Rz 214; Altvater, BPersVG, 3. Aufl., § 77 Rz 12; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand März 1993, § 77 Rz 21; Grabendorff/Windscheidt/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 77 Rz 6; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 77 Rz 12; einschränkend Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, Stand Juli 1990, Art. 78 Rz 198), wird dabei nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets zu Fällen ergangen ist, in denen die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf die beabsichtigte Maßnahme hinzuweisen, gesetzlich normiert war (vgl. im übrigen die eine Hinweispflicht des Arbeitgebers ablehnende Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1988, aaO).
3. Allenfalls wäre, wenn der Arbeitnehmer erkennbar von der beabsichtigen Maßnahme nichts weiß, im Rahmen des § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW an eine eingeschränkte Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zum Hinweis auf die Personalmaßnahme zu denken. Eine gesteigerte Fürsorgepflicht kann dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer erkennbar über seine Rechte nicht hinreichend informiert ist oder sich im Irrtum befindet (vgl. BAG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 3 AZR 44/91 - AP, aaO). Bei einer plötzlich eingeleiteten Personalmaßnahme kann es sein, daß der Arbeitnehmer erst mit der Durchführung der Maßnahme von der Absicht des Arbeitgebers erfährt und es dann für eine Ausübung seines Antragsrechts nach § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW zu spät ist. Es spricht vieles dafür, daß der öffentliche Arbeitgeber die gesetzliche Vorschrift des § 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW nicht in einer Art und Weise handhaben darf, die das Antragsrecht leerlaufen läßt. Würde er den Arbeitnehmer stets mit dem Vollzug der Personalmaßnahme überraschen, so hätte der Arbeitnehmer, abgesehen von einem allgemeinen Antrag auf Beteiligung des Personalrats, bei allen Maßnahmen des § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW faktisch keine Möglichkeit, sein Antragsrecht auszuüben. Ein solches Verhalten des öffentlichen Arbeitgebers wäre an der Vorschrift des § 162 BGB zu messen, wonach niemand aus seinem eigenen treuwidrigen Verhalten Vorteile ziehen kann.
a) Es braucht aber nicht vertieft zu werden, in welchem Umfang unter diesen Gesichtspunkten ausnahmsweise eine Hinweispflicht des Arbeitgebers anzunehmen ist. Ebenso kann dahinstehen, ob die Verletzung einer solchen Hinweispflicht überhaupt nach § 108 Abs. 2 BPersVG zur Unwirksamkeit der Personalmaßnahme führen würde, was in der Literatur teilweise in Frage gestellt wird (vgl. Altvater, aaO, § 77 Rz 12; Grabendorff/Windscheidt/Ilbertz/Widmaier, aaO, § 77 Rz 6, die annehmen, die Personalmaßnahme sei dann zwar wirksam, der Arbeitgeber könne sich aber nicht auf die Wirksamkeit berufen).
b) Hier war der Kläger hinreichend über die beabsichtigte Personalmaßnahme informiert, um selbst entscheiden zu können, ob er die Beteiligung der Personalvertretung beantragen wollte oder nicht. Der Lehrstuhlinhaber hat den Kläger, wie dieser selbst einräumt, ausdrücklich über das Schreiben der Firma H informiert. Schon mit diesem Schreiben mußte dem Kläger klar sein, daß nunmehr seine Kündigung drohte. In allen Arbeitsverträgen war festgelegt, seine Beschäftigung sei von der Weiterbewilligung von Drittmitteln abhängig und das Arbeitsverhältnis müsse betriebsbedingt gekündigt werden, sobald die Drittmittel wegfielen. Wenn dann nach dem eigenen Vortrag des Klägers einige Tage nach diesem Gespräch der Lehrstuhlinhaber ihm zusätzlich ankündigte, der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses sei in Gefahr, so sprach alles dafür, daß dieses zweite Gespräch nach Rücksprache des Lehrstuhlinhabers mit der Personalabteilung der Universität erfolgte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mußte der Kläger, in dessen Arbeitsvertrag der Wegfall der Drittmittel ausdrücklich als Kündigungsgrund genannt war, davon ausgehen, daß eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen werde. Bis zum tatsächlichen Ausspruch der Kündigung hatte der Kläger ausreichend Zeit zu überlegen, ob er etwas gegen die drohende Kündigung unternehmen könne.
II. Da die Kündigung des beklagten Landes aus personalvertretungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht unwirksam ist, der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG geltend gemacht hat und andere Unwirksamkeitsgründe der Kündigung nicht erkennbar sind, hat die Kündigung des beklagten Landes das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Dezember 1991 aufgelöst. Damit ist auch der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers hinfällig.
Bitter Bröhl Böck
Binzek Dr. Bobke
Fundstellen
Haufe-Index 437846 |
BAGE 74, 158-167 (LT1-2) |
BAGE, 158 |
NZA 1994, 281 |
NZA 1994, 281-284 (LT1-2) |
RzK, III 2a Nr 19 (LT1-2) |
ZTR 1994, 125-127 (LT1-2) |
AP § 72 LPVG NW (LT1-2), Nr 8 |
EzA § 4 nF KSchG, Nr. 47 (LT1-2, ST1) |
MDR 1994, 925-926 (LT1-2) |
PersR 1994, 36-38 (LT1-2) |
PersR 2004, 135 |
ZfPR 1994, 130 (L) |