Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragsauslegung. sog. Tarifautomatik. Reichweite des sog. Besserstellungsverbots
Orientierungssatz
1. Weder aus dem DRK-TV noch aus der RahmenV-DRK ergibt sich eine Verweisung auf einen Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, wonach Änderungen in dessen Bereich ohne weiteres zu einer entsprechenden Änderung der im Bereich des DRK geltenden Tarifnormen führen würden.
2. Es bleibt unentschieden, ob § 67 Abs. 3 DRK-TV, wonach es keiner formalen Kündigung des DRK-TV bedarf, um geänderte Vorschriften für den öffentlichen Dienst als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen, nur die Übernahme geänderter und zwingend geltender Tarifnormen betrifft oder auch die Kündigung tariflicher Regelungen eine Änderung iSd. Vorschrift darstellt.
3. Die Praxis der Tarifparteien kann jedenfalls dann Anhaltspunkte für ihren tatsächlichen Willen beim vorherigen Abschluss einer Tarifvereinbarung enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein, wenn es um eine Auslegung dieser Vereinbarung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB geht. Allein die Praxis eines tarifgebundenen Mitglieds, das am Abschluss des Tarifvertrags nicht beteiligt war, ist für diese Auslegung keine geeignete Grundlage.
4. Wenn arbeitsvertragliche Vereinbarungen materieller Arbeitsbedingungen auf für das Arbeitsverhältnis geltende Inhaltsnormen eines Tarifvertrages treffen, die für den Arbeitnehmer günstigere materielle Bedingungen enthalten, werden die ungünstigeren arbeitsvertraglichen Bedingungen aufgrund der zwingenden Wirkung des Tarifvertrages gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG verdrängt und entfalten für die Dauer der Geltung der günstigeren Tarifbedingungen keine Wirksamkeit im Arbeitsverhältnis.
5. Über das sog. Besserstellungsverbot kann die unmittelbare und zwingende Wirkung von Tarifnormen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht aufgehoben werden. Es kann deshalb dahinstehen, ob das zwischen einem öffentlich-rechtlichen Zuwendungsgeber und dem nicht öffentlich-rechtlichen Zuwendungsempfänger geltende sog. Besserstellungsverbot überhaupt rechtliche Auswirkungen auf die zwischen dem Zuwendungsempfänger und einem Arbeitnehmer vereinbarten Arbeitsbedingungen hat.
Normenkette
TVG § 1 Auslegung; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. Mai 2007 – 9 Sa 128/07 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf eine Zuwendung und Urlaubsgeld sowie in diesem Zusammenhang über die Geltung tarifvertraglicher Regelungen.
Die Klägerin ist seit dem 1. Mai 2005 mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit als Altenpflegerin beim Beklagten beschäftigt. Der zwischen den Parteien am 22. März 2005 geschlossene Arbeitsvertrag lautet:
“Par 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem DRK-Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung. Die gekündigten Tarifverträge über eine Zuwendung, über ein Urlaubsgeld und über die Gewährung von Beihilfen finden keine Anwendung.”
Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, der Beklagte Mitglied der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).
Am 31. Januar 1984 hatten die Tarifvertragsparteien ÖTV (nunmehr: ver.di) und die Tarifgemeinschaft des DRK eine Vereinbarung (nachfolgend: RahmenV) geschlossen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
“Vereinbarung
über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen
Zwischen der
Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Bonn,
einerseits, und der
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Hauptvorstand –, Stuttgart,
andererseits, wird unter Berücksichtigung der internationalen und nationalen Stellung und Aufgabenstellung des Deutschen Roten Kreuzes folgende Vereinbarung geschlossen:
TEIL I
§ 1
(1) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß gleichzeitig mit dieser Vereinbarung ein Tarifvertrag zwischen ihnen abgeschlossen wird.
(2) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß der Tarifvertrag nach Abs. 1 die Arbeitsbedingungen des DRK darstellt. Die Arbeitsbedingungen enthalten dabei Bestandteile, welche mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind (Katalog A), und solche Bestandteile, welche besondere Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK enthalten (Katalog B).
§ 2
Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.
§ 3
(1) Die Vertragsparteien führen Vertragsverhandlungen über die Materien, die im Katalog B zu regeln sind.
(2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragspartnern keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt.
§ 4
(1) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit dem BAT inhaltlich nicht identisch sind, verpflichten sich die Vertragsparteien, im Fall der Nichteinigung bei den Tarifverhandlungen alles zu unternehmen, um einen Arbeitskampf zu verhindern.
(2) Kommt zwischen den Vertragsparteien eine Einigung nicht zustande, so findet das Verfahren nach §§ 5 ff. dieser Vereinbarung Anwendung.
§ 5
(1) Sind zwischen den Vertragsparteien die Verhandlungen gescheitert, oder verweigert eine Vertragspartei Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen, dann kann jede der Vertragsparteien die Schlichtungsstelle anrufen.
(2) Das Nähere regelt die gleichzeitig abgeschlossene Schlichtungsvereinbarung.
…”
Von den Parteien der RahmenV wurde am selben Tag ua. der DRK-TV abgeschlossen, dessen Wirkung seit dem 1. Januar 1991 auf das “Tarifgebiet West” (alte Bundesländer) beschränkt ist. Dieser weist in den Schlussbestimmungen idF des 20. Änderungstarifvertrages vom 1. Oktober 1998 folgende Regelung auf:
Ҥ 67 Inkrafttreten, Laufzeit
(1) Der Tarifvertrag tritt am 1. Januar 1984 in Kraft.
(2) Dieser Tarifvertrag kann mit einer Frist von drei Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres, frühestens zum 31. Dezember 1994, schriftlich gekündigt werden.
(3) Soweit Regelungen gemäß § 3 der Rahmenbedingungen (Katalog A) zwischen den Tarifvertragsparteien nicht zu verhandeln sind, bedarf es keiner formalen Kündigung des Tarifvertrages, um die geänderten Vorschriften für den öffentlichen Dienst als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen.
(4) § 7, § 9 Abs. 1 und 2, § 14 Abs. 7, § 18 Abs. 1 und 3, § 20, § 21 Abs. 2 und 3, § 24 Abs. 1 und 5, § 29 Abs. 5, 6 und 7, § 33 Abs. 1, § 39 Abs. 5, 6 und 7, § 40 Abs. 2, § 43 Abs. 2, § 48 Abs. 4, § 50 Abs. 4, § 51, § 63 Abs. 1 sowie Anlage 10a Verg.-Gruppe IVa Nr. 16 bis 18 … weichen von den Regelungen des BAT ab. Sie sind nach dem 31. Dezember 1992 mit den im § 67 Abs. 2 vorgesehenen Fristen jederzeit kündbar.
(5) § 4 der Anlage 2 gilt als Bestandteil des Katalogs A im Sinne und mit den Rechtsfolgen des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über die Rahmenbedingungen.
…
(6) Die Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 in der Anlage 2 zum DRK-Tarifvertrag gilt als Bestandteil des Katalogs A im Sinne und mit den Rechtsfolgen des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen. Sofern künftig Arbeitszeitverkürzungen für § 15 Abs. 2 BAT vereinbart werden, werden diese im Rahmen der Tarifautomatik (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen über den Abschluß von Tarifverträgen) für den DRK-Tarifvertrag wirksam, wenn diese Arbeitszeitverkürzungen prozentual über das hinausgehen, was in der Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag in Anlage 2 vereinbart ist.”
Nach der Anlage 8 “Sonderregelungen für die Zahlung von Urlaubsgeld” des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (nachfolgend: DRK-TV) ist für alle Mitarbeiter, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages beim DRK fallen, ein Urlaubsgeld zu zahlen. Die Anlage 9 “Sonderregelungen für die Zahlung einer Zuwendung” des DRK-TV (idF des 24. Änderungstarifvertrages vom 29. Dezember 2004) regelt für die vom Tarifvertrag erfassten Mitarbeiter die Zahlung einer jährlichen Sonderzuwendung. Diese beträgt nach § 3 Abs. 1 der Anlage 9 zum DRK-TV “100 % der Urlaubsvergütung/des Urlaubslohnes, die/der dem Mitarbeiter … für den Monat September zustand oder zugestanden hätte”. Ein zwischen den Tarifvertragsparteien, der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ver.di am 10. März 2005 geschlossener Übergangstarifvertrag (nachfolgend: ÜbergangsTV) sieht in § 1 Abs. 2 vor, dass die Zuwendung für das Jahr 2005 abweichend von § 3 Abs. 1 der Anlage 9 zum DRK-TV nunmehr 80 % beträgt.
Die Gegenstände, die in den Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV geregelt sind, zählen gemäß § 3 Abs. 2 RahmenV sowie nach § 67 Abs. 3 und 4 DRK-TV zum Katalog A.
Mit Wirkung zum 30. Juni 2003 wurden der den BAT ergänzende Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (nachfolgend: ZuwendungsTV) und zum 31. Juli 2003 der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte (nachfolgend: UrlaubsgeldTV) ua. durch die Bundesrepublik Deutschland gekündigt. Eine Kündigung der entsprechenden tariflichen Bestimmungen für den Bereich des DRK, der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV, erfolgte durch keine der Tarifvertragsparteien.
Mit Schreiben vom 3. April 2006 hat die Klägerin Ansprüche auf Urlaubsgeld für das Jahr 2005 sowie eine Zuwendung für dasselbe Jahr geltend gemacht, welche der Beklagte mit Schreiben vom 16. Mai 2006 ablehnte.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage in rechnerisch unstreitiger Höhe die Zahlung einer tariflichen Zuwendung für das Jahr 2005 iHv. von 832,00 Euro und mit Klageerweiterung die Zahlung eines tariflichen Urlaubsgeldes für das Jahr 2006 iHv. 165,81 Euro brutto. Sie macht geltend, die Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV stellten zwingendes Recht dar, von dem durch die Regelung in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages nicht abgewichen werden könne. Die Kündigung des ZuwendungsTV und des UrlaubsgeldTV habe auf die Regelungen des DRK-TV keinen unmittelbaren Einfluss. Es fehle an einer Kündigung der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV. Eine sog. Tarifautomatik, wie sie der Beklagte für die Regelungen des Katalogs A anführe, bestehe nicht. Zudem greife § 67 Abs. 3 DRK-TV vorliegend nicht ein. Bei einer gekündigten Vorschrift handele es sich nicht um eine “geänderte”. Vielmehr sei eine Übernahme im Sinne eines aktiven Handelns der Tarifvertragsparteien erforderlich. Ein anderes folge auch nicht aus § 3 Abs. 2 RahmenV. Soweit sich der Beklagte auf ein Besserstellungsverbot berufe, bleibe schon offen, worauf dieses beruhe und weshalb es Auswirkungen auf das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis habe. Ein etwaiger Rechtsirrtum des Beklagten könne keinen Vertrauenstatbestand zu seinen Gunsten begründen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 832,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2005 sowie weitere 165,81 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. August 2006 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Kündigungen der Tarifregelungen im Bereich des öffentlichen Dienstes hätten unmittelbar die zwingende Geltung der Anlagen 8 und 9 des DRK-TV aufgehoben. Es handele sich um Vorschriften des Kataloges A nach der RahmenV, die nach der in § 67 Abs. 3 DRK-TV vorgesehenen sog. Tarifautomatik in das Tarifwerk des DRK zu übernehmen seien. Deshalb seien die Kündigungen der Tarifverträge im öffentlichen Dienst für das DRK bindend gewesen. § 67 Abs. 3 DRK-TV lege als Inhaltsnorm materiellrechtlich fest, welche geänderten Normen zu übernehmen seien, ohne dass die Vorschrift eine Handlungspflicht begründe. Zudem stellten auch Kündigungen Änderungen iSd. Regelung dar, begründeten sie doch die Nachwirkung der Tarifregelungen. Deren Umsetzung sei so erfolgt, dass die fehlende Geltung der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden sei. Aus dem ÜbergangsTV ergebe sich kein anderes Ergebnis. Als Übergangsregelung erfasse er nur diejenigen Arbeitnehmer, die bereits vor Eintritt der Nachwirkung beim DRK beschäftigt gewesen seien. Zudem sei der Beklagte als Zuwendungsempfänger auf Grund des sog. Besserstellungsverbots gehalten gewesen, die Kündigungen der Tarifverträge im öffentlichen Dienst bei sich umzusetzen. Schließlich sei der Beklagte schon in der Vergangenheit bei Kündigung der Beihilfevorschriften des öffentlichen Dienstes in gleicher Weise verfahren und habe daher auf die sog. Tarifautomatik vertrauen dürfen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision strebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Die Klägerin beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Klägerin kann die Zahlung einer Zuwendung für das Jahr 2005 nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 9 zum DRK-TV iVm. § 1 Abs. 2 ÜbergangsTV und eines Urlaubsgeldes für das Jahr 2006 nach § 3 Abs. 1 Satz 2 der Anlage 8 zum DRK-TV beanspruchen.
I. Die ungekündigten Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV, letztere iVm. dem ÜbergangsTV, gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien nach § 3 Abs. 1 TVG gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend für das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis.
1. Die Kündigung des ZuwendungsTV und des UrlaubsgeldTV im öffentlichen Dienst hat auf die unmittelbare und zwingende Wirkung der einschlägigen Regelungen im Tarifwerk des DRK keinen Einfluss. Sie beendet nach Ablauf der im öffentlichen Dienst geltenden Kündigungsfristen nicht die zwingende Geltung der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV iSd. § 4 Abs. 5 TVG. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht für diejenigen Tarifregelungen, welche “mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch” oder “im Wesentlichen identisch sind (Katalog A)”, keine sog. Tarifautomatik, die unmittelbar zu einer Geltung geänderter Regelungen aus dem Bereich des BAT im Tarifwerk des DRK und damit im Arbeitsverhältnis der Parteien führen würde.
Die Übernahme der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst in den Bereich des DRK erfolgt nicht ohne weiteren Übertragungsakt, sondern bedarf jeweils eines eigenen Tarifvertragsabschlusses des DRK mit der Gewerkschaft ÖTV bzw. ver.di, um die materiellen Arbeitsbedingungen derjenigen Arbeitnehmer des DRK zu regeln, deren Arbeitsverhältnisse sich tariflich oder auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung nach dem DRK-TV richten. Das hat der Senat aus Anlass der Übertragung der Regelungen des Vergütungstarifvertrages Nr. 35 vom 31. Januar 2003 in den Bereich des DRK bereits in mehreren Fällen entschieden und begründet (grdl. 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43; weiterhin 11. Oktober 2006 – 4 AZR 581/05 –; 18. April 2007 – 4 AZR 751/06 –).
2. Gleiches gilt im Ergebnis für die Kündigung von Tarifregelungen im Bereich des öffentlichen Dienstes. Diese werden nicht im Wege einer sog. Tarifautomatik ohne weitere Handlungen der Tarifvertragsparteien im Tarifwerk des DRK wirksam.
a) Dabei ist nicht zu entscheiden, ob § 67 Abs. 3 DRK-TV nur die Übernahme geänderter und zwingend geltender Vorschriften, nicht aber lediglich gekündigter Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes betrifft. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten davon ausgeht, dass auch die Kündigung tariflicher Regelungen eine Änderung iSd. § 67 Abs. 3 DRK-TV darstellt, ist ein Übertragungsakt in das Tarifwerk des DRK erforderlich, um den Wirkungen einer Kündigung im Bereich des öffentlichen Dienstes dort Geltung zu verschaffen. Ob dieses Ergebnis durch eine Vereinbarung der beiden Tarifvertragsparteien herbeigeführt wird, die die zwingende Wirkung von Vorschriften des Tarifwerkes des DRK beendet, oder auch im Wege der Kündigung der einschlägigen Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV erreicht werden kann, ist nicht zu entscheiden.
b) Der Vortrag des Beklagten, die tatsächliche Tarifpraxis spreche für eine unmittelbare Wirkung der Kündigung, überzeugt nicht. Die Tarifvertragsparteien haben seit 1984 sämtliche von ihnen übernommenen Änderungen und Ergänzungen des BAT in eigenständigen Tarifverträgen geregelt. Sie haben damit ihr Verständnis der eigenen Willenserklärungen bei der Vereinbarung der RahmenV dahingehend verdeutlicht, dass eine solche Normierung in eigenständigen Tarifverträgen auch erforderlich ist (s. bereits Senat 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43).
Das zeigt auch das von dem Beklagten selbst angeführte Beispiel der Änderung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT zum 1. März 1998 durch Kündigung der Regelung zum 28. Februar 1998, wodurch die vorangehende Fassung wieder in Kraft trat. Die daraufhin vorgenommene Anpassung des – inhaltsgleichen – § 14 Abs. 1 Satz 2 DRK-TV erfolgte durch § 1 III 1. a) des 20. Änderungstarifvertrages vom 1. Oktober 1998 mit Wirkung zum 1. März 1998 und trat nicht ohne weiteres “per Tarifautomatik” ein.
Der am 10. März 2005 geschlossene ÜbergangsTV spricht gleichfalls für das Verständnis der Tarifvertragsparteien, die Kündigung des ZuwendungsTV im Bereich des öffentlichen Dienstes bleibe ohne unmittelbaren Einfluss auf die Geltung der Anlage 9 zum DRK-TV. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des ÜbergangsTV von lediglich nachwirkenden tariflichen Regelungen ausgegangen sind, wie es der Beklagte geltend gemacht hat, können dem ÜbergangsTV nicht entnommen werden. Von daher kann offenbleiben, ob das Tarifvertragsgesetz den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit gibt, Tarifregelungen zu treffen, die von vornherein nur als nachwirkende Bestimmungen gelten sollen (ablehnend Senat 29. Januar 1975 – 4 AZR 218/74 – BAGE 27, 22, 26; 14. Februar 1973 – 4 AZR 176/72 – BAGE 25, 34, 40).
II. Die Anwendung der tariflichen Regelungen der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV konnte durch die Abrede in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages nicht wirksam ausgeschlossen werden.
Ob es sich bei der in § 2 Satz 2 des Formulararbeitsvertrages getroffenen Abrede um eine unklare Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305c Abs. 2 BGB handelt, mit der Folge, dass von vornherein ein wirksamer Anwendungsausschluss der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV nicht vorläge, kann dahinstehen. Die zwingende Wirkung der betreffenden Tarifregelungen hat jedenfalls zur Folge, dass eine unterhalb des tariflichen Niveaus liegende vertragliche Vereinbarung in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages während der Geltung der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV in ihrer Wirkung verdrängt wird (Senat 12. Dezember 2007 – 4 AZR 998/06 – AP TVG § 4 Nr. 29, zu II 2b bb der Gründe mwN).
III. Dem Anspruch steht nicht das von dem Beklagten angeführte Besserstellungsverbot entgegen, wie es etwa im Haushaltsgesetz des Bundes oder in Haushaltsgesetzen der Länder geregelt ist.
1. Der Beklagte legt schon nicht dar, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände er bei der Entgeltzahlung gegenüber der Klägerin einem Besserstellungsverbot unterliegt. Er trägt lediglich vor, dass für ihn ein solches gelte. Sein weiteres Vorbringen, er erhalte für weite Teile seines Geschäftsfeldes Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln, ist ein in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unbeachtlicher neuer Sachvortrag, dem sich allerdings auch nicht entnehmen lässt, weshalb die von der Klägerin begehrten Zahlungen von dem Verbot erfasst sein sollen.
2. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten von einem Besserstellungsverbot gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit empfangenen Zuwendungen ausgeht, verhilft dies der Revision nicht zum Erfolg.
Dabei kann es dahinstehen, ob das Besserstellungsverbot den Beklagten in der Weise bindet, mit seinen Arbeitnehmern keine gegenüber den für vergleichbare Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes geltenden Arbeitsbedingungen günstigeren Abmachungen zu treffen (BAG 25. April 2007 – 10 AZR 634/06 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 29), oder ob er insoweit frei und nur durch die Inanspruchnahme der Zuwendung begrenzt ist (BVerwG 3. Mai 1999 – 3 B 91/98 – Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 64). Durch das Besserstellungsverbot kann jedenfalls nicht die unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen von Tarifwerken gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG außerhalb des öffentlichen Dienstes aufgehoben werden (BAG 18. Oktober 2005 – 3 AZR 505/04 – BAGE 116, 143, 151). Das Verbot hindert die Arbeitnehmer des Beklagten nicht, Ansprüche und Rechte ihm gegenüber auch dann geltend zu machen, wenn diese über diejenigen hinausgehen, die vergleichbaren Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gesetzlich oder tariflich zustehen (BAG 25. April 2007 – 10 AZR 634/06 – aaO).
IV. Schließlich kann der Beklagte nicht auf eine sog. Tarifautomatik vertrauen. Dagegen spricht die langjährige Praxis der Tarifvertragsparteien, Änderungsverträge zum BAT bezüglich der Arbeitsbedingungen des Kataloges A jeweils durch eigene Tarifverträge in das DRK-Tarifwerk zu übernehmen (s. auch Senat 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43).
Für einen Vertrauensschutz in die von dem Beklagten geltend gemachte Auslegung des DRK-TV und der RahmenV fehlt es an den tatsächlichen Voraussetzungen. Allein eine abweichende tatsächliche Handhabe des Tarifwerkes auf Grund gekündigter Tarifvorschriften des öffentlichen Dienstes durch den Beklagten ist nicht geeignet, die unmittelbare und zwingende Wirkung der Regelungen des DRK-TV außer Kraft zu setzen. Die tatsächliche Praxis des Vollzuges einer vertraglichen Regelung durch die vertragsschließenden Parteien kann zwar Anhaltspunkt für den tatsächlichen Vertragswillen enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein. Diese für die Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB geltenden Grundsätze finden auch auf Vereinbarungen von Tarifvertragsparteien Anwendung, soweit es um eine Auslegung nach diesen Grundsätzen geht. Maßgeblich ist dann allerdings das Verhalten der Tarifvertragsparteien, nicht dagegen das der Tarifunterworfenen wie des Beklagten, da diese nicht am Vertragsabschluss beteiligt waren (Senat 7. Juni 2006 – 4 AZR 272/05 – AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43).
V. Die Verurteilung zur Verzinsung des Anspruches wird von der Beklagten nicht angegriffen.
VI. Die Kosten der erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagte zu tragen.
Unterschriften
Bepler, Bott, Treber, Schmalz, Drechsler
Fundstellen
Haufe-Index 2096888 |
BB 2009, 157 |