Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Sozialpädagogen in psychiatrischem Wohnheim

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Sozialpädagoge, der psychisch kranke Menschen in einem Wohnheim/Wohnhaus mit gemeindepsychiatrischer Orientierung betreut, erfüllt nicht die Voraussetzungen der VergGr. IVa BAT/BL.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; VergGr. IVb, IVa “Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst” der Anlage 1a zum BAT/BL vom 19. Juni 1970 i.d.F. vom 24. April 1991

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 27.03.1995; Aktenzeichen 8 Sa 60/94)

ArbG Hamburg (Urteil vom 14.04.1994; Aktenzeichen 23 Ca 220/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach den Vergütungsgruppen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) Anlage 1a Teil II Abschn. G (Sozial- und Erziehungsdienst), die sich daraus ergebende Vergütung und die Nachzahlung der Differenz zwischen der aus der VergGr. IVb BAT gewährten und der aus der VergGr. IVa BAT geforderten Vergütung für den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993.

Der Kläger ist seit dem 15. Juni 1989 bei dem Beklagten als Sozialpädagoge tätig. Er ist staatlich anerkannter Sozialpädagoge. Seit dem 1. Oktober 1990 wird er in dem mit psychisch kranken Menschen belegten Wohnhaus J… straße mit angeschlossener Nachsorge eingesetzt.

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach Ziff. 2 des Dienstvertrages vom 5. Juni 1989 nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung aus der VergGr. IVb BAT zuzüglich einer Psychiatriezulage von 30,-- DM und einer “allgemeinen Zulage” von 100,-- DM.

Der Beklagte betreibt in H…-W… das sog. Wohnhaus J… straße. Dieses verfügt über 20 Wohnheimplätze, die mit psychisch kranken Frauen und Männern belegt sind, welche zuvor fast ausnahmslos in der Psychiatrischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses E… (AKE) stationär behandelt wurden. Sie sind in Einzelzimmern untergebracht. Für ihre sozialpsychiatrische Behandlung bestehen individuell erstellte Behandlungspläne, die von den Sozialarbeitern/Sozialpädagogen, Psychologen und Krankenpflegern umgesetzt werden. Dem Heim liegt das Konzept einer gemeindepsychiatrischen Orientierung zugrunde, es hat deswegen eine Versorgungsverpflichtung für die Bewohner des Stadtteils E… übernommen. Dies führt dazu, daß in ihm auch Patienten aus diesem Bereich aufgenommen werden müssen, die zuvor von anderen Einrichtungen abgelehnt worden sind.

Der Kläger hat bereits während seines Studiums den Schwerpunkt auf den Bereich Sozialpsychiatrie gelegt. Er ist zuständig für die Einzelbetreuung von einzelnen Bewohnern des Hauses, u.a. für die Einzelbetreuung von einzelnen Bewohnern des Hauses, u.a. für die Aufstellung von deren individuellen Rehabilitationsplänen, deren Fortschreibung und -entwicklung, das Training kommunikativer und interaktiver Fähigkeiten, Krisenprävention und die berufliche Rehabilitationsvorbereitung.

Der Kläger betreut dabei Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen, wobei die jeweils dem Patienten anzubietende Hilfe von dessen ganz konkreter Problemlage, Persönlichkeitsstruktur und Krankheitsbild abhängt. Neben dieser Betreuung ist der Kläger mit arbeitsorganisatorischen Tätigkeiten befaßt, wie Fallbesprechungen im Team und der Teilnahme an der innerbetrieblichen Selbstverwaltung und Gemeinwesenarbeit.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 1991 und vom 23. April 1992 beantragte der Kläger seine Höhergruppierung in die VergGr. IVa der Anlage 1a Teil II Abschn. G zum BAT. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 19. April 1993 ab.

Mit seiner dem Beklagten am 31. Dezember 1993 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seinen Höhergruppierungsanspruch für die Vergangenheit und Zukunft weiter, und zwar für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 mit einer Zahlungsklage in Höhe der Differenz zwischen der Vergütung nach VergGr. IVb und IVa und für die Folgezeit mit einer Feststellungsklage.

Er hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit hebe sich durch ihre besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus den nach der VergGr. IVb BAT zu vergütenden Tätigkeiten heraus. Die besondere Schwierigkeit ergebe sich schon aus den Besonderheiten des zu behandelnen Personenkreises. Es handele sich nämlich um Personen, die neben der im Vordergrund stehenden psychischen meist aus dem schizophrenen Formenkreis stammenden Erkrankung zu einem erheblichen Teil auch an einer Suchtmittelabhängigkeit litten. Die Bedeutung seiner Tätigkeit ergibt sich seiner Auffassung nach daraus, daß das Wohnaus J… straße gegenüber dem AKE eine Aufnahmeverpflichtung eingegangen sei und daher unter den aufzunehmenden Patienten keine Auswahl getroffen werden könne. Das Wohnhaus stelle ein wichtiges Glied in der psychiatrischen Versorgungskette in dem Stadtteil dar. Die Bedeutung ergebe sich aber vor allem aus der Sicht der zu behandelnden Menschen, weil es darum gehe, Rückfälle und eine Chronifizierung ihrer Krankheit zu vermeiden. Schließlich ergebe sich die Bedeutung seiner Tätigkeit aus der Tatsache, daß er an den mehrfach stattfindenden Konzeptionstagen und damit an der Weiterentwicklung des Konzepts der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung mitwirke.

Der Kläger hat beantragt,

  • den Beklagten zu verurteilen, an ihn 14.874,08 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1994 zu zahlen,
  • festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist,

    • ihm Vergütung nach VergGr. IVa der Anlage 1a Teil II Abschnitt G zum BAT zu zahlen,
    • die sich aus dem Antrag zu 2a ergebende Vergütungsdifferenz mit 4 % Zinsen p.a. ab jeweiliger Fälligkeit zu verzinsen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit erfülle zwar das Merkmal “schwierige Tätigkeiten” i.S.d. VergGr. IVb BAT Fallgruppe 16, obwohl sie in der dazugehörigen Protokollnotiz Nr. 5 nicht ausdrücklich als solche aufgeführt sei. Sie hebe sich jedoch nicht durch ihre besondere Schwierigkeit und Bedeutung im Sinne der VergGr. IVa Fallgruppe 15/16 BAT heraus. Die sozialtherapeutische Behandlung mit dem Ziel einer medizinischen Rehabilitation, die Durchführung therapeutischer Gruppenarbeit und die Familientherapie, die von dem Kläger in 68 % seiner Tätigkeit ausgeübt würden, erfüllten diese Merkmale nicht. Es finde im Wohnhaus J… straße auch keine gezielte Suchttherapie statt. Kenntnisse in Krisenintervention gehörten zu den Grundvoraussetzungen der Arbeit mit psychisch kranken Menschen, im übrigen liege die medzinische Gesamtverantwortung für die Tätigkeit des Klägers bei dem Arzt Dr. L… des AKE.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klageforderung mit Ausnahme der Zinsforderung für den Zahlungsanpruch entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IVa BAT, da sich seine Tätigkeit jedenfalls nicht durch ihre Bedeutung aus den nach der VergGr. IVb BAT zu vergütenden schwierigen Tätigkeiten heraushebt.

  • Die Klage ist zulässig. Soweit der Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1994 einen Feststellungsantrag stellt, handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (Senatsurteile vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 20. März 1996 – 4 AZR 1052/94 – AP Nr. 22 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Das gilt auch hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen (BAG, aaO).
  • Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt nicht die von ihm in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 BAT).

    • Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT anwendbar, und zwar in der Bund/Länder (BL) – Fassung, wie die Parteien in der Revisionsverhandlung übereinstimmend klargestellt haben.
    • Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. IVa der Anlage 1a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) vom 19. Juni 1970 in der Neufassung des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991, in Kraft seit 1. Januar 1991, entsprechen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT).

      • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die vom Kläger unstreitig zu mehr als 50 % seiner Gesamttätigkeit zu erbringenden sozio-therapeutischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Bewohner des Hauses J… straße bildeten einen einheitlichen größeren Arbeitsvorgang. Eine weitere Aufteilung etwa nach einzelnen Bewohnern oder einzelnen Problemfällen führe zu einer unangemessenen Zersplitterung.
      • Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 8. Februar 1995 – 4 AZR 922/93 – AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; vom 4. September 1996 – 4 AZR 177/95 – AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter, m.w.N.). Auch vorliegend ist zumindest der weit überwiegende Teil der Tätigkeit des Klägers auf ein einheitliches Arbeitsergebnis, nämlich die Betreuung der ihm zugewiesenen Personen im Haus J… straße gerichtet.
      • Für die Bewertung der Tätigkeit des Klägers kommen damit die folgenden tariflichen Tätigkeitsmerkmale in Betracht:

        “VergGr. Vb Fallgruppe 10

        Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

        VergGr. IVb Fallgruppe 16

        Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

        mit schwierigen Tätigkeiten …

        (Hierzu Protokollnotizen Nr. 1 und 5)

        Protokollnotiz Nr. 5:

        Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die

        • Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
        • Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
        • begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
        • begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
        • Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der VergGr. Vb.

        VergGr. IVa Fallgruppe 15

        Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

        deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgruppe 16 heraushebt.

        (Hierzu Protokollnotiz Nr. 1)

        VergGr. IVa Fallgruppe 16

        Sozialarbeiter/Sozialpädagogen …, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgruppe 16 heraushebt.

        (Hierzu Protokollnotiz Nr. 1)

        …”

      • Die vom Kläger in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IVa Fallgruppen 15 und 16 BAT/BL bauen auf der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der VergGr. Vb Fallgruppe 10 BAT/BL voraussetzt.

        Insoweit ist zunächst festzustellen, daß die Voraussetzungen der VergGr. Vb Fallgruppe 10 BAT/BL erfüllt sind. Der Kläger ist Diplom-Sozialpädagoge mit staatlicher Anerkennung. Seine Tätigkeit entspricht auch dem Berufsbild eines solchen, denn sie soll den Patienten des J… straße-Hauses Hilfe zur besseren Lebensbewältigung in ihrer besonderen Situation leisten und auf diese Weise mit dazu beitragen, daß diese im Rahmen des Möglichen ihre Sozialisationsdefizite überwinden, zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit gelangen und in Zukunft ein geordnetes Leben in der Gesellschaft führen können.

        Auch die Voraussetzungen der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL liegen vor. Denn die Tätigkeit des Klägers hebt sich durch ihre Schwierigkeit aus der VergGr. Vb Fallgruppe 10 BAT/BL heraus.

        Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, die von dem Kläger zu erbringende Tätigkeit in dem Haus J… straße stehe nach ihrem Schwierigkeitsgrad den in den Protokollnotiz Nr. 5 beispielhaft aufgeführten Tätigkeiten zumindest gleich.

        Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von dem Beklagten nicht bestritten. Die, wie das Landesarbeitsgericht es nennt, sozio-therapeutische Leistung zur medizinischen Rehabilitation von psychisch kranken Menschen in einem Heim kann durchaus mit den in der Protokollnotiz Nr. 5c und d genannten Tätigkeiten der begleitenden und nachgehenden Fürsorge für Heimbewohner und Strafgefangene gleichgesetzt werden.

    • Die Tätigkeit des Klägers erfüllt aber im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht die Voraussetzungen der VergGr. IVa Fallgruppe 15 BAT/BL, denn sie hebt sich jedenfalls nicht durch ihre Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL heraus.

      • Die Tatbestandsmerkmale “besondere Schwierigkeit und Bedeutung” sind als unbestimmte Rechtsbegriffe formuliert. Bei der Anwendung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffes ist den Tatsachengerichten ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Insoweit ist daher die revisionsgerichtliche Überprüfung darauf beschränkt zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAGE 51, 59, 85 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.; BAG Urteile vom 9. März 1994 – 4 AZR 288/93 – und vom 26. Oktober 1994 – 4 AZR 842/93 –, beide n.v.). Auch unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabes hält das angefochtene Urteil der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
        • Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter = ZTR 1994, 291, 292) bezieht sich das Tatbestandsmerkmal der “besonders schwierigen Tätigkeit” auf die fachliche Qualifikation des Angestellten. Sie verlangt ein Wissen und Können, das die Anforderungen der VergGr. IVb Fallgruppe 16 in beträchtlicher und gewichtiger Weise übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation kann sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, etwa Spezialkenntnissen. Dabei muß sich die Schwierigkeit unmittelbar und aus der Tätigkeit selbst ergeben, so daß diese nicht etwa deswegen als besonders schwierig im Tarifsinne angesehen werden kann, weil sie unter belastenden Bedingungen geleistet werden muß.
        • Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die besondere Schwierigkeit der Tätigkeit des Klägers sei darin zu erblicken, daß er nicht innerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses in einem therapeutischen Team und unter ärztlicher Verantwortung psychisch kranke Menschen im Rahmen einer begleitenden Fürsorge betreue, sondern psychisch schwer Kranke, die regelmäßig zuvor in der Psychiatrischen Abteilung des AKE stationär behandelt worden seien, sozio-therapeutisch zu behandeln habe. Er müsse insbesondere aufgrund seines fachlichen Wissens und seiner Erfahrung sofort die Gefahr eines Rückfalls in die akute Psychose erkennen, notfalls im Rahmen der vereinbarten Kooperation mit der Psychiatrischen Abteilung des AKE den Chefarzt bzw. dessen Vertreter konsultieren und/oder eine sog. Notfallkonferenz veranlassen. Da das Wohnhaus J… straße nicht unter ständiger ärztlicher Leitung stehe, müsse der Kläger aufgrund seines fachlichen Wissens und seiner Erfahrung mit schwer psychisch kranken Menschen die Situation erkennen und sogleich den kooperierenden Facharzt ansprechen und erforderlichenfalls die Krisenintervention veranlassen, d.h. die Wiederaufnahme durch das AKE, über die dann allerdings die dort tätigen Ärzte zu entscheiden hätten.
        • Es mag sein, daß dem Kläger über die Tätigkeit eines Sozialpädagogen mit schwieriger Tätigkeit i.S.d. VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL hinaus solche Aufgaben übertragen worden sind, die seine Arbeit als besonders schwierig erscheinen lassen. Dagegen spricht allerdings, daß der Kläger, wie er selbst vorgetragen hat, bereits während seines Studiums einen Schwerpunkt auf den Bereich Sozialpsychiatrie gelegt hat und damit die Tätigkeiten des Klägers zu den Grundtätigkeiten eines derart ausgebildeten Sozialpädagogen gehören. Gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts spricht auch der Umstand, daß entgegen seinen Ausführungen in Krisensituationen jeweils ein Arzt des benachbarten AKE zugezogen werden kann und muß, was das Landesarbeitsgericht im übrigen auch selber hervorgehoben hat. Abschließend braucht der Senat dies jedoch nicht zu entscheiden.
      • Der Kläger hat nämlich in keinem Falle etwas dafür dargetan, daß sich seine Tätigkeit auch durch ihre Bedeutung aus der eines Sozialpädagogen mit schwierigen Tätigkeiten im Sinne der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL heraushebt.

        • Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt für die Bedeutung der Tätigkeit eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Diese muß sich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beziehen und kann sich aus der Bedeutung oder der Größe des Aufgabengebietes sowie der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben (vgl. BAGE 51, 59, 94 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 –, aaO; BAG Urteil vom 12. Februar 1997 – 4 AZR 324/95 –, n.v.; BAG Urteil vom 4. September 1996 – 4 AZR 177/95 – AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter, jeweils m.w.N.). Weiter ist zu bedenken, daß in die VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit mit schwierigen Tätigkeiten eingruppiert sind. Was die Tarifvertragsparteien unter “schwierigen Tätigkeiten” verstehen, haben sie in der Protokollnotiz Nr. 5 beispielhaft erläutert. Zwar behandelt diese unmittelbar lediglich das Tatbestandsmerkmal der “schwierigen” Tätigkeiten. Durch deren Einordnung in die VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL ist aber auch deren Bedeutung von den Tarifvertragsparteien eingruppierungsrechtlich bestimmt worden. Daraus folgt, daß die in der Protokollnotiz Nr. 5 aufgeführten schwierigen Tätigkeiten ihrer Bedeutung nach, soweit es auf diese für eine Heraushebung ankommt, solche der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL sind.

          Dies ist für das Tatbestandsmerkmal der gesteigerten Bedeutung im Sinne der Heraushebungsmerkmale der VergGr. IVa Fallgruppen 15 und 16 BAT/BL zu berücksichtigen. Auswirkungen der Tätigkeit des Sozialarbeiters, die die in der Protokollnotiz Nr. 5 aufgeführten Tätigkeiten haben oder, soweit kein Beispiel erfüllt ist, den Auswirkungen dieser Tätigkeiten entsprechen, erfüllen nicht das Heraushebungsmerkmal der gesteigerten Bedeutung im Sinne der VergGr. IVa Fallgruppen 15 und 16 BAT/BL (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

        • Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, im Falle des Klägers gehe es nicht darum, die ärztliche und pflegerische Versorgung der Patienten zu ergänzen. Der Kläger sei vielmehr die entscheidende Bezugsperson der Bewohner des Hauses J… straße, die ihm zwecks Umsetzung des therapeutischen Konzepts des Hauses auf der Grundlage des konkreten Behandlungsvertrags zugewiesen werden. Von Erfolg und Mißerfolg seiner Tätigkeit hänge aber unmittelbar die Erfüllung des für den Versorgungssektor existierenden gemeindepsychiatrischen Konzepts ab. Seine Tätigkeit habe erhebliche Auswirkungen auf Existenz und Existenzberechtigung des Wohnhauses J… straße und nicht minder auf die stationäre psychiatrische Versorgung durch das AKE. Letzteres werde dadurch deutlich, daß der Kläger erfolgreich sein müsse, indem er Bewohner/Bewohnerinnen an das nächste Versorgungsglied abgebe, nämlich das sog. betreute Wohnen, um Wohnheimplätze für wohnheimfeste Patienten/Patientinnen der psychiatrischen Abteilung des AKE freimachen zu können. Das Wohnheim spiele damit innerhalb der psychiatrischen Versorgungskette im Versorgungssektor E… eine besondere Rolle. Es komme wesentlich darauf an, im Interesse der Patienten, deren Chronifizierung zu vermeiden und ihre weitere Rehabilitierung auf eine eigene Wohnung und einen Arbeitsplatz zu bewirken sowie im Interesse der Funktionsfähigkeit der Psychiatrischen Abteilung des AKE und damit der Verwirklichung des von der Freien und Hansestadt Hamburg verfolgten Konzepts einer gemeindenahen Versorgung psychisch kranker Hamburger Bürger/Bürgerinnen einen Rückfall, mithin die Wiederaufnahme mit allen Kräften zu vermeiden.
        • Damit hat das Landesarbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der Bedeutung verkannt. Es hat nicht dargelegt, inwiefern sich die Bedeutung der Tätigkeit des Klägers aus den in der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL Protokollnotiz Nr. 5 genannten Tätigkeiten heraushebt.

          Das Ziel, psychisch erkrankte Personen so zu betreuen, daß sie nach Möglichkeit wieder in die Lage versetzt sind, ihren Platz in der Gesellschaft einzunehmen, ist in seiner sozialen Tragweite durchaus vergleichbar mit der Bedeutung der Betreuung von Suchtmittel-Abhängigen, HIV-Infizierten und Aids-Kranken oder Strafgefangenen oder ehemaligen Strafgefangenen. Ein wertender Gesichtspunkt, warum die Tätigkeit des Klägers bei der Betreuung von psychisch kranken Menschen in diesem Vergleich von herausgehobener Bedeutung sein sollte, ist nicht erkennbar. Dazu hätte es der Darlegung seitens des Klägers und entsprechender Ausführungen des Landesarbeitsgerichts bedurft, daß die Tätigkeit des Klägers bedeutungsvoller sei als die eines Sozialpädagogen, der für diese Personengruppen tätig ist. Denn auch bei diesen in der VergGr. IVb Fallgruppe 16 BAT/BL Protokollnotiz Nr. 5 genannten Tätigkeiten sollen die dort betreuten Personen auf ein straffreies, suchtmittelunabhängiges Leben vorbereitet werden und soll die Allgemeinheit dementsprechend vor Rückfällen und den damit verbundenen Gefahren und Kosten geschützt werden. Eine gegenüber diesen Tätigkeiten gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit des Klägers ist auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich und weder vom Kläger dargelegt noch vom Landesarbeitsgericht ausgeführt, inwiefern sich die vom Kläger geforderte und erwartete Tätigkeit in ihrer Bedeutung über die eines in einem psychiatrischen Krankenhaus mit geschlossenen Abteilungen, in Strafanstalten oder in der Drogenentwöhnungsbehandlung tätigen Sozialpädagogen hinausgeht, für die der Senat in ständiger Rechtsprechung dieses Tätigkeitsmerkmal verneint hat (vgl. Urteile vom 26. Oktober 1994 – 4 AZR 842/93 –, n.v.; vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 246/94 – AP Nr. 202 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 22. März 1995 – 4 AZR 71/94 – AP Nr. 194 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 12. Februar 1997 – 4 AZR 324/95 –, n.v.). Das Ziel, psychisch kranke Menschen in einer gemeindenahen Einrichtung so zu versorgen, daß sie an die nächste Versorgungseinrichtung weitergegeben werden können, ist in seiner sozialen Tragweite durchaus vergleichbar mit der sozialen Bedeutung der Betreuung von Suchtmittel-Abhängigen, HIV-Infizierten und Aids-Kranken oder Strafgefangenen oder ehemaligen Strafgefangenen. Ein wertender Gesichtspunkt, warum diese Tätigkeit des Klägers in diesem Vergleich von herausgehobener Bedeutung sein sollte, ist trotz des Hinweises des Klägers und des Landesarbeitsgerichts auf die Bedeutung des Wohnhauses J… straße in der Versorgungskette der psychiatrischen Versorgung der Bewohner des Stadtteils E… nicht erkennbar. Auch die Betreuung der in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Problemgruppen hat zum Ziel, diese Personen auf die Dauer in die Lage zu versetzen, daß sie sich ohne Hilfen im Leben zurechtfinden und daß sie der Allgemeinheit nicht mehr zur Last fallen und daß schließlich die Institution, in der und für die der Sozialpädagoge tätig ist, sich als erfolgreich darstellt. Ebensowenig kann der Hinweis des Klägers und des Landesarbeitsgerichts auf die geringeren Kosten der Unterbringung im Wohnheim gegenüber der in einer psychiatrischen Klinik die besondere Bedeutung der Tätigkeit des Klägers belegen. Auch die in der Protokollnotiz Nr. 5 genannten Tätigkeiten haben u.a. das Ziel, die Kostenbelastung der Allgemeinheit für die Zukunft zu verringern, wenn nicht gar vollkommen zu beseitigen. Schließlich kann das vom Kläger hervorgehobene besondere Konzept und dessen Fortentwicklung des Wohnheims J… straße nicht die besondere Bedeutung der Tätigkeit des Klägers belegen. Abgesehen davon, daß es sich bei dem Wohnheim J… straße, wie der Kläger selbst vorträgt, schon seit einigen Jahren nicht mehr um ein Modellobjekt handelt, kann die Bedeutung der Arbeitsstelle nicht die Bedeutung der Tätigkeit eines dort tätigen Sozialarbeiters nicht gegenüber Tätigkeiten in anderen Einrichtungen mit vergleichbarer Klientel herausheben. Das gleiche gilt für die vom Kläger hervorgehobene Teilnahme an den jährlichen Konzeptionstagen schon deshalb, weil diese nach seinem eigenen Vortrag nur eine untergeordnete Rolle im Rahmen seiner Gesamtarbeitszeit ausmachen.

          Auf die von der Beklagten insoweit nach § 139 ZPO erhobene Revisionsrüge kommt es deshalb nicht an.

  • Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.
 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Schneider, Seifner, Schamann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI893903

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