Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalratsbeteiligung bei fristloser Änderungskündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in den Personalvertretungsgesetzen geregelten Beteiligungsrechte der Personalvertretung bestehen grundsätzlich nebeneinander, so daß beim Zusammentreffen verschiedenartiger Beteiligungsrechte der Personalrat regelmäßig in allen in Betracht kommenden Beteiligungsformen zu beteiligen ist.
2. Deshalb muß der Arbeitgeber im Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen bei einer beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung, mit der eine nach § 72 Abs 1 Satz 1 Nr 4 LPVG NW mitbestimmungspflichtige wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages angeboten werden soll, nicht nur das nach § 74 LPVG NW für die außerordentliche Kündigung vorgeschriebene Anhörungsrecht des Personalrats beachten, sondern auch dessen Zustimmung zu der vorgesehenen wesentlichen Änderung des Arbeitsvertrages einholen.
3. Fehlt in diesem Falle beim Ausspruch der außerordentlichen Kündigung die Zustimmung des Personalrats zu der angebotenen wesentlichen Änderung des Arbeitsvertrages, so ist das Vertragsänderungsangebot des Arbeitgebers unwirksam. Ob die Unwirksamkeit des Vertragsänderungsangebots auch die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung als solcher zur Folge hat, richtet sich nach § 139 BGB.
4. Hat der Arbeitgeber die außerordentliche Änderungskündigung erklärt, ohne auch nur versucht zu haben, die Zustimmung des Personalrats zu der Vertragsänderung herbeizuführen, so ist die außerordentliche Änderungskündigung insgesamt mangels eines wichtigen Kündigungsgrundes im Sinne von § 626 Abs 1 BGB unwirksam.
Normenkette
BGB §§ 626, 139; PersVG NW §§ 66, 72, 74
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.03.1987; Aktenzeichen 15 Sa 1713/86) |
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 15.10.1986; Aktenzeichen 6 Ca 2445/86) |
Tatbestand
Der am 5. Mai 1949 geborene Kläger ist seit dem 1. September 1971 bei der beklagten Stadt als Arbeiter beschäftigt; seit dem 1. Januar 1976 übte er die Tätigkeit eines Lagerverwalters im Klinikum E aus.
Nachdem die Beklagte dem Kläger im Juni 1986 eine schriftliche Abmahnung erteilt hatte, weil er einem Kollegen geholfen habe, die Entwendung klinikeigener Waren zu vertuschen, und selbst einen Karton Kaffeesahne und einen Kanister Flüssigseife beiseite geschafft habe, stellte die Beklagte anläßlich einer Verbrauchskontrolle für das erste Halbjahr 1986 fest, daß in dem vom Kläger verwalteten Lager 19 Flaschen Weinbrand fehlten, für die keine Anforderungsscheine oder Ersatzbelege vorlagen.
Am 25. Juli 1986 wurde der Kläger hierzu angehört. Daraufhin leitete die Beklagte am 29. Juli 1986 dem Personalrat den Entwurf eines an den Kläger gerichteten Kündigungsschreibens mit dem Vermerk "Personalrat gemäß § 74 LPVG" zu. Darin heißt es im wesentlichen, die Einlassungen des Klägers zum Fehlen des Weinbrands seien so unglaubwürdig, fadenscheinig und wirklichkeitsfremd, daß sie als Schutzbehauptungen zurückgewiesen werden müßten. Außerdem habe der Kläger eingeräumt, daß er vorhandene Bestandsdifferenzen wieder "stimmend gemacht" habe, indem er Anforderungsscheine der Stationen bzw. der Küche um die fehlende Menge nachträglich ergänzt habe. Diese unverantwortliche Handlungsweise, mit der der Kläger das Vertrauensverhältnis wiederum erheblich und nachhaltig gestört habe, mache deutlich, daß der Kläger für die Aufgaben eines Lagerverwalters in den Kliniken der Beklagten nicht mehr geeignet sei. Das Arbeitsverhältnis werde daher hiermit fristlos gekündigt. Nur im Hinblick darauf, daß dem Kläger kein Diebstahl und keine Veruntreuung nachgewiesen werden konnte, werde mit der fristlosen Kündigung das Angebot verbunden, den Kläger ab sofort als Betriebsarbeiter im Hol- und Bringedienst im Klinikum E unter Einreihung in die Lohngruppe IV BMT-G II zu beschäftigen; hierzu werde der Kläger um Abgabe einer Erklärung gebeten.
Mit Schreiben vom 31. Juli 1986 erhob der Personalrat gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung Bedenken mit der Begründung, bei festgestellten Fehlbeständen dürfe nicht allein der Lagerverwalter verdächtigt und verantwortlich gemacht werden; der eingetretene "Schlendrian" beruhe im wesentlichen auf Organisationsmängeln der Beklagten und sei der Küchenverwaltung der Beklagten nicht unbekannt.
Gleichwohl kündigte die Beklagte dem Kläger am 1. August 1986 fristlos und bot ihm gleichzeitig eine Beschäftigung als Betriebsarbeiter im Hol- und Bringedienst im Klinikum E unter Herabgruppierung in die Lohngruppe IV BMT-G II an. Das Kündigungsschreiben der Beklagten entspricht wörtlich dem zuvor dem Personalrat übermittelten Entwurf.
Seit dem 2. August 1986 wurde der Kläger von der Beklagten zu den angebotenen neuen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 6. August 1986 erklärte der Kläger, daß er die Tätigkeit im Hol- und Bringedienst vorbehaltlich der endgültigen Prüfung der fristlosen Kündigung durch das Arbeitsgericht aufgenommen habe.
Mit der der Beklagten am 11. August 1986 zugestellten Klage vom 6. August 1986 hat der Kläger geltend gemacht, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden sei, sondern zu den bisherigen Bedingungen weiterhin fortbestehe. Er hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten und die Auffassung vertreten, die Änderungskündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat der mit ihr beabsichtigten Maßnahme nicht zugestimmt habe. Der Personalrat sei nur gemäß § 74 LPVG NW zur außerordentlichen Kündigung angehört worden; bei den in § 72 Abs. 1 Nr. 4 und 5 LPVG NW bezeichneten Maßnahmen habe der Personalrat jedoch ein echtes Mitbestimmungsrecht gemäß § 66 LPVG NW.
Der Kläger hat im ersten Rechtszuge beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch
die am 1. August 1986 zugegangene fristlose Kün-
digung nicht aufgelöst ist, sondern zu den bis-
herigen Bedingungen weiterhin fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die im Kündigungsschreiben bezeichneten Vorwürfe näher dargelegt und die Ansicht vertreten, der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. In dem dem Personalrat zugeleiteten Entwurf des Kündigungsschreibens liege auch der Zustimmungsantrag zur beabsichtigten Versetzung und Herabgruppierung im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 4 und 5 LPVG NW. Aus der eingehenden Begründung habe der Personalrat erkennen müssen, daß es sich bei dem Vermerk "Personalrat gemäß § 74 LPVG" lediglich um einen rechtlich unerheblichen Rechtsirrtum der Beklagten gehandelt habe. Da sich der Personalrat nur zu der fristlosen Kündigung, nicht aber zu der beabsichtigten Maßnahme der Versetzung und Herabgruppierung des Klägers geäußert habe, müsse diese Maßnahme gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW als vom Personalrat gebilligt angesehen werden.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen entsprechend dem Kündigungsschreiben vom 1. August 1986 unwirksam ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe beim Personalrat keine Zustimmung gemäß § 66 Abs. 2 LPVG NW beantragt, sondern ihn nur gemäß § 74 LPVG NW zur außerordentlichen Kündigung angehört; daher liege eine Billigung seitens des Personalrats im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW nicht vor. Außerdem hätte diese Zustimmung bereits bei Ausspruch der Änderungskündigung vorliegen müssen.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt; der Kläger hat Zurückweisung der Berufung beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils.
Die streitbefangene außerordentliche Änderungskündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts schon deshalb rechtsunwirksam, weil die Beklagte es versäumt hat, die erforderliche Zustimmung des Personalrats zu dem im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung dem Kläger unterbreiteten Vertragsänderungsangebot einzuholen.
1. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 LPVG NW hat der Personalrat u.a. mitzubestimmen bei der Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit für die Dauer von mehr als drei Monaten und bei wesentlichen Änderungen des Arbeitsvertrages (Nr. 4) sowie bei einer Umsetzung innerhalb der Dienststelle für die Dauer von mehr als drei Monaten (Nr. 5). Diese Mitbestimmungstatbestände sind im vorliegenden Falle gegeben. Daß die dem Kläger von der Beklagten angebotene Änderung seiner vertraglichen Arbeitsbedingungen von der Tätigkeit eines Lagerverwalters zu der eines Betriebsarbeiters unter Herabgruppierung in die VergGr. IV BMT-G II nicht nur eine Umsetzung des Klägers innerhalb der Dienststelle und die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit, sondern auch eine wesentliche Änderung seines Arbeitsvertrages bedeutet, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats entfällt hier nicht etwa deswegen, weil das Vertragsänderungsangebot der Beklagten im Zusammenhang mit der von ihr ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Klägers steht und eine außerordentliche Arbeitgeberkündigung im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung (vgl. hierzu § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 LPVG NW) nicht der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Nach § 74 LPVG NW ist vor außerordentlichen Kündigungen dem Personalrat nur Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Personalrat hat insoweit also lediglich ein Anhörungsrecht. Daraus, daß der Gesetzgeber für die außerordentliche Kündigung nur das schwächere Anhörungsrecht des Personalrats vorgesehen hat, kann nicht gefolgert werden, für die außerordentliche Änderungskündigung müsse insgesamt auch nur das schwächere Beteiligungsrecht gelten.
Ebenso wie die ordentliche besteht auch die außerordentliche Änderungskündigung aus zwei verschiedenen - miteinander verbundenen - Rechtsgeschäften, nämlich aus der auf die Auflösung des bestehenden Arbeitsvertrages gerichteten Kündigungserklärung und dem im Zusammenhang damit dem Arbeitnehmer unterbreiteten Angebot des Arbeitgebers auf Abschluß eines Arbeitsvertrages anderen Inhalts. Für die ordentliche Änderungskündigung hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, daß die Beteiligungsrechte des Personalrats sowohl hinsichtlich der Kündigung als solcher als auch hinsichtlich der erstrebten Änderung der Arbeitsbedingungen zu wahren sind und daß bei unterschiedlichen Beteiligungsrechten und Beteiligungsverfahren beide Beteiligungsverfahren durchzuführen sind (BAG Urteil vom 6. Juni 1958 - 1 AZR 26/58 - AP Nr. 2 zu § 61 PersVG; BAG Urteil vom 3. November 1977 - 2 AZR 277/76 - AP Nr. 1 zu § 75 BPersVG). Für die außerordentliche Änderungskündigung ergibt sich nichts anderes.
Wenn das nordrhein-westfälische Personalvertretungsgesetz dem Personalrat für die außerordentliche Kündigung kein Mitbestimmungsrecht, sondern nur das schwächere Anhörungsrecht zugesteht, so trägt es damit dem Umstand Rechnung, daß das Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB einen wichtigen Grund voraussetzt, der dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist schlechthin unzumutbar macht und der Kündigende deshalb beim Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes die Möglichkeit haben muß, sich alsbald, spätestens aber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB aus dem für ihn untragbar gewordenen Arbeitsverhältnis zu lösen. An der Ausübung dieses außerordentlichen Kündigungsrechts soll der Arbeitgeber nicht dadurch gehindert werden können, daß er an die Zustimmung der Personalvertretung gebunden wird und bei Zustimmungsverweigerung gezwungen wäre, ein ihm unzumutbar gewordenes Arbeitsverhältnis dennoch fortzusetzen. Diese Erwägungen gelten nicht in gleicher Weise auch für das Vertragsänderungsangebot, das der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer außerordentlichen Kündigung dem Arbeitnehmer unterbreitet.
Es berührt das außerordentliche Kündigungsrecht des Arbeitgebers nicht, wenn bei einer außerordentlichen Änderungskündigung die beabsichtigte vertragliche Änderung der Arbeitsbedingungen dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats unterliegt. Zwar muß auch bei einer außerordentlichen Kündigung im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung stets geprüft werden, ob nicht zur Vermeidung einer außerordentlichen Beendigungskündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu anderen Bedingungen möglich ist; denn die außerordentliche Kündigung muß die unausweichlich letzte Maßnahme für den Kündigenden sein (BAGE 30, 309, 314 = AP Nr. 70 zu § 626 BGB, zu III 2 b der Gründe). Besteht die dem Arbeitgeber zumutbare Möglichkeit, den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz gegebenenfalls auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, so muß der Arbeitgeber zunächst versuchen, dafür die personalvertretungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen und die Zustimmung des Personalrats zu erhalten. Die Eilbedürftigkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung steht dem nicht entgegen. Will der Arbeitgeber eine außerordentliche Änderungskündigung aussprechen, so kann er das Anhörungsverfahren für die außerordentliche Kündigung nach § 74 LPVG NW und das für das Änderungsangebot nach § 72 Abs. 1 LPVG NW erforderliche Mitbestimmungsverfahren gleichzeitig einleiten. Dabei kann der Leiter der Dienststelle die Frist, innerhalb der der Personalrat ihm seinen Beschluß über die beantragte Zustimmung mitzuteilen hat, gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 LPVG NW wegen der Dringlichkeit des Falles auf eine Woche abkürzen. Damit ist gewährleistet, daß der Leiter der Dienststelle noch rechtzeitig vor dem Ablauf der für die außerordentliche Kündigung geltenden zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB eine Entscheidung des Personalrats über die beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen herbeiführen kann. Verweigert der Personalrat seine Zustimmung, so bleibt dem Arbeitgeber nichts anderes übrig, als die außerordentliche Kündigung ohne das vorgesehene Vertragsänderungsangebot auszusprechen. In diesem Falle besteht für ihn nicht die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers, so daß er im Rahmen der Prüfung des wichtigen Kündigungsgrundes hierauf auch nicht verwiesen werden kann.
Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt sich der Senat mit der Entscheidung, daß bei einer außerordentlichen Änderungskündigung neben dem Anhörungsrecht des Personalrats nach § 74 LPVG NW auch das Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 1 LPVG NW zu beachten ist, nicht in Widerspruch zu dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 1987 - BVerwG 6 P 6.85 - (BVerwGE 78, 47). Das Bundesverwaltungsgericht hebt in diesem Beschluß ausdrücklich hervor, daß die in den Personalvertretungsgesetzen geregelten Beteiligungsrechte der Personalvertretung grundsätzlich nebeneinander gegeben sind, so daß beim Zusammentreffen verschiedenartiger Beteiligungsrechte der Personalrat regelmäßig in allen in Betracht kommenden Beteiligungsformen zu beteiligen ist. Nur wenn sich aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte von Beteiligungsvorschriften ergibt, daß der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen, deren über den Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes hinausgehende rahmenrechtliche Geltung aus § 104 Satz 3 BPersVG folgt, das stärkere Beteiligungsrecht nicht gewähren wollte, kann sich der Personalrat im Mitbestimmungsverfahren nicht darauf berufen (BVerwGE 78, 47, 51, 52). Im vorliegenden Falle ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber bei einer außerordentlichen Änderungskündigung auch die Änderung der Arbeitsbedingungen ebenso wie die außerordentliche Kündigung selbst nur dem schwächeren Anhörungsrecht des Personalrats unterwerfen wollte. Das kann umso weniger angenommen werden, als die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz zu anderen Arbeitsbedingungen die kollektiven Interessen der Dienststellenangehörigen in der Regel stärker berührt als das Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus den Diensten des Arbeitgebers.
2. Die hiernach erforderliche Zustimmung des Personalrats zu dem mit der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung verbundenen Vertragsänderungsangebot der Beklagten ist nicht erteilt worden. Das hat die Unwirksamkeit des Änderungsangebots zur Folge. Soweit das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertritt, die fehlende Zustimmung des Personalrats zu der mitbestimmungspflichtigen Versetzung und Rückgruppierung des Klägers führe nicht zur Unwirksamkeit des Änderungsvertrages, weil mit dem Änderungsvertrag nur die individual-rechtlichen Voraussetzungen für die dann vorzunehmenden mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen der Versetzung und Rückgruppierung geschaffen werden sollten, bedarf es hierzu keiner Stellungnahme des Senats. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich übersehen, daß nicht nur die Umsetzung und die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 LPVG NW mitbestimmungspflichtig sind, sondern nach Nr. 4 der genannten Vorschrift auch wesentliche Änderungen des Arbeitsvertrages der Mitbestimmung unterliegen. Damit wird also der Änderungsvertrag selbst und nicht erst eine aufgrund des Änderungsvertrages zu vollziehende Maßnahme des Arbeitgebers an die Zustimmung des Personalrats gebunden. Ohne dessen Zustimmung kann der Änderungsvertrag nicht wirksam werden.
3. Die Unwirksamkeit des Vertragsänderungsangebots der Beklagten führt nicht notwendig auch zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Änderungskündigung insgesamt. Vielmehr richtet sich die Beantwortung dieser Frage nach § 139 BGB. Danach ist bei Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
Im vorliegenden Falle spricht viel dafür, daß die Beklagte die außerordentliche Kündigung auch ohne das damit verbundene Änderungsangebot ausgesprochen hätte; denn sie hat in dem Kündigungsschreiben deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger wegen der ihm vorgeworfenen Handlungsweisen in seinem bisherigen Verantwortungsbereich als Lagerverwalter für sie untragbar geworden sei. Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es hier jedoch nicht. Auch wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, daß die Unwirksamkeit des Änderungsangebots nicht schon nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung insgesamt führt, ist die außerordentliche Kündigung unwirksam, weil es an einem wichtigen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB fehlt.
4. Wie oben dargelegt wurde, ist eine außerordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und angemessenen milderen Mittel (etwa eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, einverständliche Abänderung des Vertrages, außerordentliche Änderungskündigung) erschöpft sind, das in der bisherigen Form nicht mehr haltbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme für den Kündigungsberechtigten ist. Daran fehlt es im Streitfalle. Hier wäre eine Vertragsänderung entsprechend dem Änderungsangebot der Beklagten in Betracht gekommen. Die Beklagte hat es jedoch versäumt, die dazu notwendige Zustimmung des Personalrats einzuholen und damit nicht alle ihr gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine außerordentliche Beendigungskündigung zu vermeiden.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts liegt in dem dem Personalrat am 29. Juli 1986 zugeleiteten Entwurf des Kündigungsschreibens der Beklagten nicht zugleich auch ein Antrag der Beklagten an den Personalrat, seine Zustimmung zu dem mit der außerordentlichen Kündigung verbundenen Vertragsänderungsangebot zu erteilen. Der Entwurf des Kündigungsschreibens ist dem Personalrat mit dem ausdrücklichen Hinweis auf § 74 LPVG NW zugeleitet worden. Das konnte nur bedeuten, daß der Personalrat zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gemäß dieser Vorschrift angehört werden sollte. Daß die Beklagte damit auch die erforderliche Zustimmung des Personalrats gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW beantragen wollte, hat sie nicht deutlich gemacht. Aus ihrem Gesamtverhalten ergibt sich sogar, daß sie einen derartigen Zustimmungsantrag auch gar nicht stellen wollte, weil sie ihn - rechtsirrtümlich - nicht für erforderlich hielt. Sie hat die außerordentliche Kündigung mit ihrem Vertragsänderungsangebot verbunden, obwohl die Zustimmung des Personalrats nicht vorlag. Daß der Personalrat aus dem ihm zugeleiteten Entwurf des Kündigungsschreibens entnehmen konnte, daß seine Zustimmung für die beabsichtigte Vertragsänderung erforderlich war, reicht nicht aus um anzunehmen, der Personalrat hätte darin auch einen entsprechenden Antrag der Beklagten auf Erteilung der Zustimmung sehen müssen. Dies kann umso weniger angenommen werden, als die Beklagte, hätte sie einen entsprechenden Zustimmungsantrag beim Personalrat stellen wollen, vernünftigerweise im Hinblick auf die zweiwöchige Ausschlußfrist für die außerordentliche Kündigung und die dadurch begründete Dringlichkeit des Falles die dem Personalrat zustehende Äußerungsfrist von zwei Wochen gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 LPVG NW auf eine Woche hätte abkürzen müssen. Da auch dies nicht geschehen ist, konnte der Personalrat das Schreiben der Beklagten nicht auch als Zustimmungsantrag auffassen. Er hat es auch nicht so verstanden. Das zeigt seine schriftliche Stellungnahme vom 31. Juli 1986, in der er sich nur mit den von der Beklagten angegebenen Kündigungsgründen auseinandersetzt und Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung erhebt, sich aber zu der vorgesehenen Vertragsänderung nicht äußert, obwohl die Ablehnung der außerordentlichen Kündigung nicht zugleich auch die Verweigerung der Zustimmung zu der vorgesehenen Vertragsänderung zur Folge haben muß.
Es wäre Sache der Beklagten gewesen, gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW dem Personalrat durch ihren Dienststellenleiter einen klaren und eindeutigen Zustimmungsantrag zu unterbreiten. Da sie dies unterlassen hat, hat sie nicht alle Mittel ausgeschöpft, um eine außerordentliche Beendigungskündigung des Klägers zu vermeiden.
5. Damit erweist sich die streitbefangene außerordentliche Änderungskündigung insgesamt als unwirksam, so daß durch sie eine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers nicht eingetreten ist.
Dr. Seidensticker Schliemann Dr. Steckhan
Neumann Dr. Knapp
Fundstellen
Haufe-Index 441311 |
BAGE 59, 132-141 (LT1-4) |
BAGE, 132 |
BB 1989, 1198-1199 (LT1-4) |
DB 1989, 1090-1091 (LT1-4) |
ASP 1989, 165 (K) |
JR 1989, 440 |
JR 1989, 440 (L1-4) |
RdA 1989, 128 |
RzK, III 2b Nr 7 (LT1-4) |
ZTR 1989, 199-201 (LT1-4) |
AP § 72 LPVG NW (LT1-4), Nr 2 |
EzA § 7 BUrlG, Nr 62 (LT1-3) |
EzBAT § 47 BAT, Nr 9 (LT1-3) |
EzBAT § 54 BAG Änderungskündigung, Nr 5 (LT1-4) |
PersR 1989, 101-103 (LT1-4) |
PersV 1989, 219-222 (LT1-4) |
VR 1989, 316 (K) |