Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Sozialarbeiters
Leitsatz (amtlich)
Die weiteren Heraushebungsmerkmale der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung einer Tätigkeit verlangen, was die Schwierigkeit angeht, eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung bei den fachlichen Anforderungen. Bei der gesteigerten Bedeutung der Tätigkeit genügt eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung.
Normenkette
BAT 1975 § 22 Sozialarbeiter, § 23 Sozialarbeiter; Anlage 1a (VkA) VergGr. IVb, IVa, III
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 02.10.1992; Aktenzeichen 12 Sa 587/92) |
ArbG Aachen (Urteil vom 14.05.1992; Aktenzeichen 2d Ca 157/92) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 2. Oktober 1992 – 12 Sa 587/92 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung des Klägers.
Der am 21. März 1956 geborene Kläger ist seit dem 1. November 1981 als Diplom-Sozialarbeiter in der R… Landesklinik in D… tätig, die in der Trägerschaft des beklagten Landschaftsverbandes steht. Neben der Betreuung von Patienten verschiedener Stationen der Klinik befaßte sich der Kläger mit der Organisation von therapeutischen Wohngemeinschaften und deren Beratung in Zusammenarbeit mit dem Verein “D…”, den der Kläger durch eigene Mitgliedschaft fördert.
Zu den Aufgaben des Klägers gehören die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von sogenannten Soziogruppen, die der Erkenntnis und Bearbeitung psychosozialer Probleme dienen. Er hat Sozialanamnesen und -berichte zu erstellen sowie materielle und finanzielle Hilfen zu erschließen. Hierbei geht es insbesondere darum, durch die Beantragung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, Krankengeld, Rente oder Sozialhilfe Ansprüche zu wahren, Unterhaltsansprüche zu realisieren oder im Rahmen der Schuldenberatung tätig zu werden. Weiter hat der Kläger, um eine Entlassung der Patienten zu ermöglichen, an deren Enthospitalisierung mitzuwirken, und sich um die Erschließung und Sicherung von Heimplätzen oder von Wohnraum zu bemühen.
Der Beklagte vergütete den Kläger nach der Vergütungsgruppe IVb des für “Angestellte im Sozialdienst” geltenden Teils der Anlage Ia zum BAT. An dieser Eingruppierung änderte der Beklagte auch nach der Änderung der einschlägigen tariflichen Tätigkeitsmerkmale zum 1. Januar 1991 nichts. Er teilte dem Kläger vielmehr unter dem 11. Dezember 1991 nur mit, er sei in die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 BAT eingruppiert.
Mit seiner am 20. Februar 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III BAT geltend gemacht. Er übe als Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung nicht lediglich schwierige Tätigkeiten aus. Seine jedenfalls seit 1986, was die Anforderungen angehe, gleichbleibende Tätigkeit hebe sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung heraus.
Der Kläger hat den Standpunkt vertreten, seine Tätigkeit sei als ein Arbeitsvorgang im tarifrechtlichen Sinne zu bewerten. Sie diene von der ersten Kontaktaufnahme mit dem Patienten bis zum Abschluß der Betreuung einem einheitlichen Behandlungsergebnis. Der Kläger hat behauptet, er müsse erhebliche Kenntnisse auf den unterschiedlichsten Rechtsgebieten, aber auch, was psychiatrische Krankheitsbilder angehe, haben. Von ihm würden selbständige Leistungen und eigene Entscheidungen abverlangt. Sehe man von der spezifisch ärztlichen Betreuung der Patienten ab, in deren Behandlung er aber eingebunden sei, könne er seine Patienten nicht einfach “weiterreichen”. Bei seinen in raschem Personen- und Themenwechsel verlangten Entscheidungen sei es niemals möglich, stereotyp zu verfahren. Jeden der schon für ein bloßes Gespräch sehr schwierig zu erschließenden psychisch Kranken müsse er sich neu erarbeiten, sich auf jeden einzelnen Fall einstellen und dann entscheiden. Seine darauf aufbauenden, meist nicht durch Dritte kontrollierten Entscheidungen beeinflußten die Lebenssituation der Betreuten unmittelbar und umfassend.
Seine Tätigkeit diene auch der Erfüllung sozialpolitischer Aufgaben des Gemeinwesens gegenüber den Hilfs- und Schutzbedürftigen. Es gehe darum, einen erheblichen Teil von ihnen wieder in die soziale Gemeinschaft zurückzuführen. Er habe damit Aufgaben von erheblich wahrnehmbarer Bedeutung zu erfüllen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
festzustellen, daß der beklagte Verband verpflichtet ist, in Abänderung der am 11. Dezember 1991 erfolgten Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IVb BAT, ihn mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 in die Vergütungsgruppe III BAT einzugruppieren und ihm nach der Vergütungsgruppe III BAT Vergütung zu zahlen;
vorsorglich,
festzustellen, daß der beklagte Verband verpflichtet ist, in Abänderung der am 11. Dezember 1991 erfolgten Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IVb BAT ihn mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 in die Vergütungsgruppe IVa BAT einzugruppieren und ihm nach der Vergütungsgruppe IVa BAT Vergütung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat den Standpunkt vertreten, der Kläger sei angesichts der von ihm zu erledigenden Tätigkeiten als Sozialarbeiter tarifgerecht in die Vergütungsgruppe IVb BAT eingruppiert. Er schildere weitgehend den Arbeitsalltag eines jeden Sozialarbeiters, der nur eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe Vb BAT rechtfertige. Daneben verrichte er allerdings auch schwierigere Tätigkeiten, weshalb er nach der Vergütungsgruppe IVb BAT bezahlt werde. Der Kläger gehe zu Unrecht davon aus, daß seine Tätigkeiten in einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden könnten. Es seien mehrere Arbeitsvorgänge zu bilden. Tatsachen, aufgrund derer für diese einzelnen Arbeitsvorgänge die Erfüllung der Heraushebungsmerkmale auch nur der Vergütungsgruppe IVb BAT festgestellt werden könne, habe der Kläger nicht vorgetragen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Eingruppierungsbegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Kläger nach seinem Tatsachenvortrag nicht verlangen kann, nach der Vergütungsgruppe IVa bzw. – nach vierjähriger Bewährung in dieser Vergütungsgruppe – nach der Vergütungsgruppe III BAT vergütet zu werden. Die Klage kann deshalb weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg haben.
I. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist zwischen den Parteien unstreitig, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Bundes-Angstelltentarifvertrag und die Anlage 1a hierzu in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) geltenden Fassung Anwendung findet.
II. Dem Kläger steht die angestrebte Vergütung nicht zu, weil seinem Vorbringen nicht entnommen werden kann, daß bei seiner Tätigkeit mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die – wie es § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT verlangt – für sich genommen die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der geltend gemachten Vergütungsgruppen erfüllen.
1. Unter einem Arbeitsvorgang im Sinne von § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (BAGE 29, 364, 371 f. = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 12. Februar 1992 – 4 AZR 310/91 – AP Nr. 161 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Von diesem Begriff ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat die gesamte dem Kläger übertragene Tätigkeit als einheitlichen Arbeitsvorgang angesehen. Arbeitsergebnis sei die Besorgung der Angelegenheiten der zur Betreuung zugewiesenen psychisch kranken Patienten. Die einzelnen Aktivitäten des Klägers dienten diesem Ziel von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Entlassung oder auch der weiter stattfindenden Betreuung.
Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung bei der Behandlung vergleichbar tätiger Sozialarbeiter. Für den Zuschnitt der Arbeitsvorgänge sind die Arbeitsergebnisse maßgeblich. Bei einem Sozialarbeiter können dies alle Aufgabenbereiche sein, wie die Anspruchswahrnehmung, die Behandlung von Wohnungsangelegenheiten, die Schuldenregulierung oder sonstige soziale Hilfstätigkeiten und die dazugehörigen administrativen Tätigkeiten. Arbeitsergebnis für einen Sozialarbeiter, dem eine bestimmte Personengruppe zur Betreuung zugewiesen ist, ist häufig die Besorgung der sozialen Angelegenheiten der Pflegebefohlenen als Ganzes. Die Einzeltätigkeiten dienen in ihrer Gesamtheit der Erfüllung der einem Sozialarbeiter arbeitsvertraglich übertragenen Aufgabe (vgl. BAG Urteil vom 18. Mai 1983 – 4 AZR 552/80 – AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; BAG Urteil vom 5. November 1986 – 4 AZR 639/85 – AP Nr. 127 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 58, 230, 235 = AP Nr. 143 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Für die Annahme eines solchen großen Arbeitsvorganges spricht auch der in den Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte im Sozial – und Erziehungsdienst in der Anlage 1a (VkA) zum BAT zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien. Dort wird die Betreuung bestimmter näher bezeichneter Personengruppen insgesamt genannt, um eine schwierige Tätigkeit des Sozialarbeiters zu kennzeichnen (Protokollnotiz Nr. 12 zur Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16). Eine hiervon ausgehende Bewertung der Tätigkeiten des Sozialarbeiters muß notwendigerweise alle für den entsprechenden Personenkreis zu erledigenden Tätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammenfassen.
2. Für die tarifliche Bewertung des für die Eingruppierung entscheidenden Arbeitsvorganges der sozialen Betreuung psychisch kranker Patienten von der ersten Kontaktaufnahme bis zu deren Entlassung oder auch im Einzelfall noch darüber hinaus kommt es auf die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1a zum BAT (Vergütungsordnung ≪VkA≫) an. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:
“Vergütungsgruppe Vb, Fallgruppe 10
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
…
Vergütungsgruppe IVb, Fallgruppe 16
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
mit schwierigen Tätigkeiten.
Hierzu Protokollerklärung Nr. 12:
Schwierige Tätigkeiten sind z. B. die
- Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
- Beratung von HIV-Infizierten oder an Aids erkrankten Personen,
- begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
- begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
- Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der Vergütungsgruppe Vb.
Vergütungsgruppe IVa, Fallgruppe 15
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 heraushebt.
…
Vergütungsgruppe III, Fallgruppe 7
Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 heraushebt
nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 15.”
3. Das Landesarbeitsgericht ist bei der Anwendung dieser Tätigkeitsmerkmale von den zutreffenden Rechtsbegriffen ausgegangen und hat auch das Verhältnis der Tätigkeitsmerkmale zueinander richtig bestimmt.
Wer die mit dem Berufsbild eines Sozialarbeiters üblicherweise verbundenen Aufgaben erledigt, erfüllt damit die Merkmale der Ausgangsvergütungsgruppe Vb Fallgruppe 10. Zu diesem Berufsbild gehört es, Hilfe zur besseren Lebensbewältigung in den verschiedenen menschlichen Entwicklungsstufen zu leisten und durch psychosoziale Mittel und Methoden die als Bedürftigkeit, Abhängigkeit oder Not bezeichneten Lebensumstände zu ändern. Es geht darum, daß die Betreuten in die Lage versetzt werden, sich aus unnötiger Abhängigkeit zu lösen und Sozialisationsdefizite zu überwinden. Dabei muß dem Betreuten sozialtherapeutische Hilfestellung gegeben werden. Er muß aber auch unmittelbar praktisch bei der Bewältigung wirtschaftlich-materieller Probleme unterstützt werden, ohne deren Beseitigung soziale Konflikte regelmäßig nicht beigelegt werden können (vgl. hierzu Blätter zur Berufskunde, Band 2, IV A 30 “Diplom-Sozialpädagoge/Diplom-Sozialpädagogin, Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialarbeiterin”, S. 2, 7 f.; BAG Urteil vom 5. November 1986 – 4 AZR 639/85 – AP Nr. 127 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Das für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 erforderliche allgemeine Heraushebungsmerkmal der “schwierigen Tätigkeiten” haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 12 durch konkrete Beispiele erläutert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind dann, wenn eines dieser Tätigkeitsbeispiele zutrifft, immer auch die Merkmale des tariflichen Oberbegriffs erfüllt (BAG Urteile vom 5. Juli 1978 – 4 AZR 795/76 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 29. April 1981 – 4 AZR 1007/78 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk und vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4).
Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann aber dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen hat; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben (BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 51, 59, 87 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Mit dem Merkmal der schwierigen Tätigkeit wird eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung gegenüber der Normaltätigkeit angesprochen, was die fachlichen Anforderungen an den Angestellten angeht. Diese Anforderungen können sich nach dem in der Protokollerklärung Nr. 12 zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien in erster Linie aus Besonderheiten bei den zu betreuenden Personen ergeben. Bei den in der Protokollerklärung genannten Personengruppen ist typischerweise von besonders vielgestaltigen oder umfangreichen sozialen Problemen auszugehen. Häufig werden auch aufgrund der besonderen Befindlichkeit der zu Betreuenden besondere Anforderungen auf psychischem Gebiet an den Sozialarbeiter gestellt werden (“Suchtmittel-Abhängige”, “HIV-Infizierte” oder “an Aids erkrankte Personen”). Wie das Beispiel unter Buchstabe e der Protokollerklärung zeigt, kann das Heraushebungsmerkmal der schwierigen Tätigkeit aber auch durch andere als an die zu betreuende Gruppe angeknüpfte besondere fachliche Anforderungen erfüllt werden.
Die weitere Heraushebung durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit (Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 15) verlangt, was die Schwierigkeit angeht, eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung bei den fachlichen Anforderungen gegenüber der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16. Bei der gesteigerten Bedeutung der Tätigkeit genügt eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Sie muß sich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beziehen und kann sich aus der Bedeutung oder der Größe des Aufgabengebietes sowie der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und die Allgemeinheit ergeben (vgl. BAGE 51, 59, 90 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
4. Auch die Anwendung der Rechtsbegriffe auf den vorliegenden Einzelfall durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger mit der Betreuung der psychisch Kranken zwar eine durch ihre Schwierigkeit herausgehobene Sozialarbeitertätigkeit zu erbringen habe. Bei den von ihm zu betreuenden Patienten handele es sich um Personen, die an den Kläger ähnlich hohe Anforderungen stellten, wie die in der Protokollerklärung Nr. 12 ausdrücklich aufgeführten Problemgruppen. Eine weitere Heraushebung seiner Tätigkeit durch deren besondere Schwierigkeit könne dem Vortrag des Klägers aber nicht entnommen werden. Es sei nicht ersichtlich, daß an den Kläger bei der Erledigung seines Aufgabenfeldes, das weitgehend zum Alltag eines Sozialarbeiters gehöre, besonders hohe und weitgehende Anforderungen gestellt würden.
Der Kläger rügt demgegenüber, das Landesarbeitsgericht habe die besondere Breite des von ihm geforderten Wissens und Könnens, seine umfangreichen Spezialkenntnisse und außergewöhnlichen Erfahrungen nicht ausreichend berücksichtigt. Die fachlichen Anforderungen an seine Betreuungstätigkeit seien höher als sie sich typischerweise bei der Betreuung der in der Protokollerklärung Nr. 12 genannten Personengruppen ergäben. Er sei in die ärztliche Heilbehandlung eingebunden. Seine Aufgabe sei so auch auf die Herbeiführung eines medizinischen Erfolges gerichtet. Darüber hinaus sei es bei den psychisch Kranken besonders schwierig, überhaupt Gesprächskontakt zu finden.
Die Rüge des Klägers hat keinen Erfolg. Beim Tarifbegriff der “besonderen Schwierigkeit” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bei der Anwendung eines solches Rechtsbegriffes durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht nur überprüfen, ob der Begriff als solcher verkannt worden ist, oder ob bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt worden sind (BAG Urteile vom 8. November 1967 – 4 AZR 9/67 – AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT; vom 26. Januar 1972 – 4 AZR 104/71 – AP Nr. 48 zu §§ 22, 23 BAT; vom 5. September 1973, BAGE 25, 268 = AP Nr. 72 zu §§ 22, 23 BAT; BAGE 51, 283, 293 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Diesem Prüfungsansatz halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.
Das Landesarbeitsgericht hat die Breite der vom Kläger verlangten Kenntnisse anhand des konkreten Vortrages des Klägers, der durch tagebuchartige Aufzeichnungen unterstützt war, gewürdigt. Es hat diesen Vortrag aufgrund der schon im Normalfall relativ hohen Anforderungen an einen Sozialarbeiter nicht für die Erfüllung des Heraushebungsmerkmals ausreichen lassen. Anwendungsfehler sind hierbei nicht zu erkennen.
Hinsichtlich des übrigen Vortrages des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zu Recht beanstandet, daß es hier an der erforderlichen, über Begrifflichkeiten hinausgehenden Konkretisierung fehlt.
Es ist nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht bei den vom Kläger zu betreuenden Patienten keine über die typische Belastung durch Suchtmittel-Abhängige, Aids-Infizierte oder Heimbewohner hinausgehenden Anforderungen festgestellt hat. Der Kläger mag bei seiner Tätigkeit in die ärztliche Behandlung eingebunden sein. Diese Feststellung besagt aber nur etwas über die Organisation und Verknüpfung der einzelnen Aufgabenfelder in der Klinik des Beklagten. Eine Aussage zu dem, was der Kläger in seinem eigenen Aufgabenbereich zu leisten hat, trifft sie nicht. Auch hier trägt der Kläger nur allgemeine Begriffe ohne faßbare Tatsachen vor. Es sind auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür erkennbar, warum die besondere, für den Gesunden schwer nachempfindbare psychische Situation Suchtmittel-Abhängiger oder Aidsinfizierter oder -erkrankter Personen deutlich geringere Probleme für einen Sozialarbeiter aufwerfen sollte, in ein Gespräch mit dem Betreuten zu kommen, als die Lage psychisch Kranker. Wenn die vom Kläger betreuten Personen häufig in ihrer Artikulationsfähigkeit so stark beeinträchtigt sind, daß es überhaupt nicht zu einem Gespräch kommen kann, bedeutet dies für den Kläger, daß er sich andere Informationsquellen erschließen muß, um in diesen Fällen den konkreten Betreuungsbedarf zu erfahren. Deutlich gesteigerte Anforderungen an die fachlichen Fähigkeiten ergeben sich hieraus nicht.
Der Kläger hat schließlich auch nicht im einzelnen dargelegt, warum er für seine Tätigkeit medizinische Kenntnisse vergleichbar denen eines spezialisierten Arztes aufwenden muß, die beträchtlich über das hinausgehen, was beispielsweise ein Sozialarbeiter über die seelische Befindlichkeit von Suchtmittel-Abhängigen oder HIV-Infizierten oder an Aids erkrankten Personen wissen muß.
Da die Tätigkeit des Klägers schon nicht wegen ihrer Schwierigkeit aus dem herausragt, was die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 von einem Sozialarbeiter verlangt, kann dahinstehen, ob seine Tätigkeit gegenüber der von einem in diese Vergütungsgruppe eingruppierten Sozialarbeiter verlangten in ihrer Bedeutung herausgehoben ist. Auch die Erfüllung dieses für die begehrte Eingruppierung zusätzlich erforderlichen Tätigkeitsmerkmals ist sehr zweifelhaft. Das Ziel, die Betreuten in die Gemeinschaft zurückzuführen, ist in seiner sozialen Tragweite gut vergleichbar mit der sozialen Bedeutung der Betreuung von Suchtmittel-Abhängigen, HIV-Infizierten und Aids-Kranken oder Strafgefangenen und ehemaligen Strafgefangenen. Ein wertender Gesichtspunkt, warum die Tätigkeit des Klägers in diesem Vergleich von herausgehobener Bedeutung sein sollte, ist aber nicht erkennbar.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Dr. Wißmann, Bepler, Jansen, Lehmann
Fundstellen
Haufe-Index 856657 |
BB 1994, 1016 |
NZA 1995, 239 |