Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Facharzt für innere Medizin
Orientierungssatz
Eingruppierung von Facharzt für innere Medizin nach BAT Anlage 1a Vergütungsgruppe Ia; entsprechende Tätigkeit; Arbeitsvorgang für fachärztliche Tätigkeit.
Normenkette
BAT Anlage 1a; BAT § 22 Fassung: 1975-03-17
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 15.12.1988; Aktenzeichen 1 Sa 1064/88) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 27.09.1988; Aktenzeichen 1 Ca 1491/88) |
Tatbestand
Der Kläger, der Facharzt für Innere Medizin ist und eine zusätzliche Qualifikation für "Betriebsmedizin" erworben hat, wurde zum 1. September 1984 zum Betriebsarzt der Universität in B bestellt, nachdem er bereits zuvor für die medizinischen Einrichtungen der Universität tätig war. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes- Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Während seiner bisherigen Tätigkeit erhielt der Kläger Vergütung nach VergGr. I b BAT.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß seine Tätigkeit als Betriebsarzt das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. I a, Fallgruppe 4 Teil I der Anlage 1 a zum BAT seit dem 1. Februar 1987 erfülle. Er sei bereits acht Jahre in ärztlicher Tätigkeit in VergGr. I b BAT beschäftigt. Außerdem übe er als Betriebsarzt eine dem Fachgebiet der Inneren Medizin entsprechende Tätigkeit aus. Seit Beginn seiner Tätigkeit führe er täglich von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr Untersuchungen von Mitarbeitern der Universität durch, die der Prophylaxe und Erkennung von Infektionskrankheiten und sonstigen Erkrankungen dienten. Zu diesen Untersuchungen gehöre die Erhebung der Krankheitsgeschichte, die körperliche Untersuchung, die Durchführung und Überwachung von EKG-Untersuchungen, auch unter Belastung, sowie die Durchführung von Blutentnahmen. Die Beurteilung der Labor-, Röntgen- und EKG-Befunde, die Diagnose und deren Niederschrift sowie die Abfassung der dazu gehörenden Berichte erfordere eine Arbeitszeit von ein bis zwei Stunden täglich. Damit entfalle mehr als die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit auf Tätigkeiten, die seiner Qualifikation als Facharzt für Innere Medizin entsprächen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet
ist, ihn in VergGr. I a BAT einzugruppieren und seit
dem 1. Februar 1987 nach VergGr. I a BAT zu be-
zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß die vom Kläger als Betriebsarzt ausgeübte Tätigkeit den tariflichen Anforderungen der VergGr. I a BAT Fallgruppe 4 nicht entspreche. Der Kläger sei nicht berechtigt, die Gebietsbezeichnung "Arbeitsmedizin" zu führen. Seine Tätigkeit als Betriebsarzt sei auch nicht dem Fachgebiet der Inneren Medizin zuzurechnen. Jedenfalls sei sein Sachvortrag, daß er zur Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit derartige Aufgaben wahrnehme, zu unbestimmt. Insoweit hätte es der Vorlage längerfristiger Aufzeichnungen und zeitanteiliger Auflistungen bedurft. Im übrigen seien Vergütungsansprüche für die Zeit vor dem 1. Dezember 1987 mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger ab 1. Dezember 1987 nach VergGr. I a BAT zu bezahlen. Im übrigen wurde die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß dem Kläger ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I a BAT seit dem 1. Dezember 1987 zusteht.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) als Vertragsrecht Anwendung. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllende Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihm für sich beanspruchten VergGr. I a BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (vgl. BAGE 51, 59, 65; 282, 287; 356, 360 = AP Nrn. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Das Landesarbeitsgericht hat sich mit den Arbeitsvorgängen der Tätigkeit des Klägers nicht befaßt. Der Senat hat jedoch die rechtliche Möglichkeit, diese selbst zu bestimmen (BAGE 51, 356, 360 = AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m. w. N.). Alle dafür maßgeblichen Tatsachen sind zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger ist als Betriebsarzt tätig. Insoweit hat er nach § 3 der Richtlinie für den betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Dienst in den Verwaltungen und Betrieben des Landes Nordrhein- Westfalen vom 23. November 1979 (MBl NW 1979, S. 2458, 2460) die Aufgabe, die für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung Verantwortlichen zu beraten, die Beschäftigten zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten sowie die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten, die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit Maßnahmen zu ergreifen und darauf hinzuwirken, daß sich alle Beschäftigten den Anforderungen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung entsprechend verhalten. Diese Aufgaben des Klägers können nicht, wie in aller Regel bei einer sonstigen ärztlichen Tätigkeit (vgl. BAG Urteil vom 2. Dezember 1987 - 4 AZR 431/87 - AP Nr. 141 zu §§ 22, 23 BAT 1975) einheitlich tariflich bewertet werden. Dies folgt daraus, daß es für die VergGr. I a BAT Fallgruppe 4, auf die der Kläger sein Klagebegehren stützt, darauf ankommt, welche Arbeitsvorgänge eine fachärztliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Inneren Medizin umfassen. Diese sind in rechtlicher Hinsicht getrennt von den übrigen Arbeitsvorgängen zu bewerten. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, daß mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit auf die Untersuchung der Mitarbeiter der Universität und die Auswertung der Untersuchungsergebnisse entfalle. Dies ist eine Tätigkeit, die zu seinen Aufgaben nach § 3 Nr. 2 der Richtlinie gehört. Diese Tätigkeit ist als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen.
Soweit das beklagte Land demgegenüber einwendet, daß der Kläger seine Tätigkeit zu vage und unbestimmt geschildert habe, um eine tarifliche Bewertung zu ermöglichen, trifft dies nicht zu. Vom Kläger können keine tagebuchartigen Aufzeichnungen verlangt werden (BAGE 34, 158 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Es reicht vielmehr aus, wenn er alle Tatsachen vorträgt, die das Gericht in die Lage versetzen, selbst Arbeitsvorgänge im Tarifsinne zu bilden. Dies ermöglicht sein Sachvortrag. Der Kläger hat vorgetragen, daß er arbeitstäglich von 8.00 bis 12.00 Uhr Untersuchungen durchführt und diese in weiteren ein bis zwei Stunden auswertet. Arbeitsergebnis dieser Tätigkeit ist der jeweils ermittelte Befund. Die Tätigkeit ist dem Kläger allein übertragen und von seinen übrigen Aufgaben tatsächlich trennbar und tariflich selbständig bewertbar. Sie nimmt mehr als die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit in Anspruch.
Für die tarifliche Bewertung dieses Arbeitsvorganges ist die VergGr. I a BAT Fallgruppe 4 heranzuziehen, die folgenden Wortlaut hat:
"Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit nach acht-
jähriger ärztlicher Tätigkeit in Vergütungsgruppe
I b".
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die Tätigkeit des Klägers diese tariflichen Anforderungen erfülle. Er sei Facharzt für Innere Medizin und übe unstreitig bereits acht Jahre eine ärztliche Tätigkeit in VergGr. I b BAT aus. Die von ihm ausgeübte Tätigkeit entspreche auch dem Fachgebiet der Inneren Medizin. Im übrigen handele es sich hinsichtlich des Aufstiegs aus VergGr. I b BAT Fallgruppe 13 nach VergGr. I a BAT Fallgruppe 4 um einen reinen Zeitaufstieg.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann im wesentlichen gefolgt werden. Zwar geht es vorliegend entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht um einen Zeitaufstieg von VergGr. I b BAT Fallgruppe 13 nach VergGr. I a BAT Fallgruppe 4. In VergGr. I b BAT Fallgruppe 13 sind Ärzte nach fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit einzugruppieren. Demgegenüber kommt es in VergGr. I a BAT Fallgruppe 4 ebenso wie in VergGr. I b BAT Fallgruppe 7 (Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit) nicht nur auf eine ärztliche Tätigkeit an; vielmehr ist eine der Facharztqualifikation entsprechende Tätigkeit gefordert. Eine solche hat das Landesarbeitsgericht aber im übrigen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Die Tarifvertragsparteien verwenden den Begriff des "Facharztes" - wie in anderen Vergütungs- bzw. Fallgruppen den des "Arztes" - im Sinne des inländischen staatlichen Medizinalrechts. Danach ist Facharzt ein Arzt, der sich nach den Bestimmungen einer Facharztordnung durch entsprechende mehrjährige Weiterbildung auf einem bestimmten medizinischen Fachgebiet besondere Kenntnisse erworben hat (BAG Urteil vom 2. Dezember 1987 - 4 AZR 431/87 - AP Nr. 141 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin. Das Fachgebiet der Inneren Medizin ist in der Weiterbildungsordnung für die nordrheinischen Ärzte in der Fassung vom 10. November 1984 in Ziffer 9 (jetzt Ziffer 10) wie folgt beschrieben:
Innere Medizin
Definition:
Die Innere Medizin umfaßt die Erkennung und
konservative Behandlung der Erkrankungen der
Atmungsorgane, des Herzens und Kreislaufs, der
Verdauungsorgane, der Nieren und ableitenden Harn-
wege, des Blutes und der blutbildenden Organe, des
Stoffwechsels und der inneren Sekretion, der internen
allergischen Erkrankungen, der internen Erkrankungen
des Stütz- und Bewegungsapparates, der Infektions-
krankheiten und Vergiftungen einschließlich der
Intensivmedizin, der Prophylaxe und Rehabilitation.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entspricht die vom Kläger bei der Untersuchung der Mitarbeiter der Universität und der Auswertung der Untersuchungsergebnisse mit allen damit zusammenhängenden Tätigkeiten, wie zum Beispiel dem Diktat von Gutachten, ausgeübte Tätigkeit der in der Weiterbildungsordnung für einen Arzt beschriebenen Tätigkeit, der die Gebietsbezeichnung Innere Medizin zu führen berechtigt ist. Daraus folgert das Landesarbeitsgericht zu Recht, daß der Kläger in dem tariflich geforderten Umfang eine seinem Fachgebiet entsprechende Tätigkeit ausübt.
Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind vom beklagten Land mit der Revision nicht ordnungsgemäß gerügt worden. Das beklagte Land wendet nur ein, daß der Kläger seine Tätigkeit nicht hinreichend konkret beschrieben habe, um feststellen zu können, ob es sich um eine einem Facharzt für Innere Medizin entsprechende Tätigkeit handele. Dies trifft jedoch nicht zu. Die vom Kläger durchgeführten Untersuchungen und ihre Auswertung sind eindeutig dem Fachgebiet der Inneren Medizin, wie es in der Weiterbildungsordnung umschrieben ist, zuzurechnen. Längerfristiger Aufzeichnungen durch den Kläger bedurfte es dazu entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht. Auch hat das beklagte Land den vom Kläger angegebenen zeitlichen Umfang dieser Tätigkeit nicht bestritten, sondern nur den Rechtsstandpunkt vertreten, daß seine Angaben zu vage seien. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Kläger substantiiert dargelegt hat, daß er arbeitstäglich fünf bis sechs Stunden mit der Durchführung der Untersuchungen und ihrer Auswertung beschäftigt sei. Insgesamt ist damit das Landesarbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger eine seiner Facharztqualifikation entsprechende Tätigkeit in dem tariflich geforderten Umfang ausübt.
Das beklagte Land hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Dr. Konow Scheerer
Fundstellen
Haufe-Index 438933 |
ZTR 1989, 352-353 (ST1-2) |
ArztR 1990, 183-184 (T) |
EzBAT §§ 22, 23 BAT B4, VergGr Ia Nr 1 (ST1-2) |