Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentnerweihnachtsgeld. betriebliche Übung. Begriff der betrieblichen Altersversorgung. Voraussetzungen und Aufhebung einer betrieblichen Übung. interne Willensbildung des Arbeitgebers. zusätzliche Kenntnisse des einzelnen Versorgungsberechtigten. ablösende Betriebsvereinbarung. Regelungskompetenz. Betriebsvereinbarungsoffenheit. Inhaltskontrolle. Veränderungssperre
Orientierungssatz
1. Für das Entstehen einer betrieblichen Übung kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers und seine interne Willensbildung an. Entscheidend ist, ob die Arbeitnehmer bzw. Betriebsrentner dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen können.
2. Da die betriebliche Übung zu typisierten Leistungsbedingungen führt, ist das Verhalten des Arbeitgebers losgelöst von den Umständen des Einzelfalles nach objektiven Kriterien auszulegen. Die speziellen Kenntnisse und das Verständnis des einzelnen Versorgungsanwärters oder Versorgungsempfängers sind nicht maßgeblich. Deshalb spielte es keine Rolle, über welche zusätzlichen Informationen der Kläger auf Grund seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat und Gesamtbetriebsrat verfügte. Auf den Inhalt und die Bedeutung der Benachteiligungsverbote des § 78 Satz 2 BetrVG und § 26 Satz 2 MitbestG kam es nicht an.
3. Auch in diesem Rechtsstreit konnte offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen im Betriebsrentenrecht eine betriebliche Übung durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden kann. Denn es fehlte bereits ein stillschweigendes Angebot des Versorgungsschuldners zum Abschluss eines Änderungsvertrages. Die Versorgungsberechtigten hatten demgemäß keine Veranlassung, einer Änderung ihrer Versorgungsrechte zu widersprechen.
Normenkette
BetrAVG § 1b; BGB §§ 242, 133, 157; BetrVG §§ 77, 78 S. 2; MitbestG § 26 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 21. Oktober 2005 – 10 Sa 1077/04 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für Betriebsrentner.
Der am 21. Oktober 1932 geborene Kläger ist Betriebsrentner der Beklagten. Er war seit dem 1. September 1949 bei der B… AG beschäftigt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Vom 9. April 1973 bis zum 24. April 1997 gehörte er dem Aufsichtsrat an, seit dem 16. Juli 1990 als stellvertretender Vorsitzender. Außerdem war er Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Mit Ablauf des 30. April 1997 endete sein Arbeitsverhältnis. Seit dem 1. Mai 1997 bezieht er Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und von der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung.
Die B… AG gewährte seit den 50er Jahren auch den Betriebsrentnern Weihnachtsgeld. Ihr Aufsichtsrat genehmigte mit Beschluss vom 31. März 1960 “eine Jahresvergütung an die Belegschaft in Höhe der Lohn- und Gehaltssumme vom November 1960, dazu rd. 60.000,00 DM für die Pensionisten” und betonte dabei, dass “kein Präjudiz für kommende Geschäftsjahre geschaffen werden” sollte. Auch in den folgenden Jahren bewilligte der Aufsichtsrat derartige Zahlungen. Zumeist wurden die Leistungen als “Weihnachtsgaben” bezeichnet. Teilweise war nicht mehr von “Pensionisten”, sondern von “Versorgungsempfängern” oder “Beihilfeempfängern” die Rede. Teilweise wurden die Betriebsrentner nicht mehr genannt, ihnen aber dennoch diese Leistungen gewährt. Das Rentnerweihnachtsgeld betrug zunächst 50 % und später 60 % der ungekürzten betrieblichen Gesamtversorgung.
In den ausgehängten Bekanntmachungen wurde darauf hingewiesen, dass durch die Gewährung der Jahresvergütung kein Präjudiz für kommende Jahre geschaffen werde. 1999 und 2000 wurde außerdem folgender Satz aufgenommen: “Die Jahresvergütung ist eine freiwillige, widerrufliche Leistung des Unternehmens.” Nur ein Teil der Bekanntmachungen befasste sich sowohl mit den aktiven Mitarbeitern als auch mit den Versorgungsempfängern. Unter anderem in den Bekanntmachungen für die Jahre 1995 bis 2000 wurde das dem Kläger gezahlte Rentnerweihnachtsgeld nicht mehr erwähnt.
In einer im Jahre 1993 erschienen Broschüre “Hinweise für unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestand” hieß es:
“Diese Broschüre berücksichtigt die betrieblichen und gesetzlichen Bestimmungen nach dem Stand vom 1. Januar 1993. Die Broschüre gibt nur Erläuterungen. Die Ansprüche der Betriebsangehörigen richten sich ausschließlich nach den gesetzlichen und betrieblichen Regelungen. …
2.3 Weihnachtsvergütung
Auch als Rentner erhalten Sie jeweils im November eines Jahres eine Weihnachtsvergütung, wenn sie der Aufsichtsrat genehmigt hat. …”
Diese Broschüre wurde jedem Mitarbeiter nach Erreichen des 55. Lebensjahres übermittelt.
Die auch dem Kläger übersandten Schreiben über die Auszahlung eines Rentnerweihnachtsgeldes enthielten jedenfalls in den Jahren 1999 bis einschließlich 2001 folgenden Zusatz: “Die Weihnachtsvergütung ist eine freiwillige, widerrufliche soziale Leistung. Hierdurch soll, wie schon bisher, kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werden.”
Nach der Verschmelzung mit der P… AG firmierte die B… AG im Jahre 2000 auf die Beklagte um. Sie schloss am 10. Oktober 2002 mit dem Gesamtbetriebsrat die “Betriebsvereinbarung zur Neuregelung bzw. Aufhebung von betrieblichen Regelungen für Versorgungsempfänger aus dem Bereich des ehemaligen B…-Konzerns (Einmalzahlung anlässlich des Weihnachtsfestes, Beihilfen in Krankheitsfällen, Sterbegeld/Beihilfen im Todesfall)” (BV Aufhebung Versorgungsempfänger). In ihr hieß es auszugsweise:
“Präambel
Im Rahmen der Fusion der B… AG und der P… AG zum E…-Konzern wurde zwischen Arbeitgeber, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern die Vereinheitlichung der in beiden Unternehmen bestehenden Regelwerke vereinbart.
…
Für Versorgungsempfänger bestehen im Bereich des ehemaligen B…-Konzerns nach wie vor unterschiedliche und verwaltungsaufwendige Regelungen zur Gewährung von jährlichen Einmalzahlungen anlässlich des Weihnachtsfestes, von Beihilfen in Krankheitsfällen und von Sterbegeld/Beihilfen im Todesfall.
Um eine Vereinheitlichung der betrieblichen Regelungen auch im Bereich der Versorgungsempfänger zu erreichen, löst daher diese Betriebsvereinbarung alle betrieblichen Regelungen und freiwilligen Leistungen zur Gewährung von jährlichen Einmalzahlungen anlässlich des Weihnachtsfestes, von Beihilfen in Krankheitsfällen und von Sterbegeld/Beihilfen im Todesfall für Versorgungsempfänger im Bereich des ehemaligen B…-Konzerns ab.
§ 1 Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle in den nachfolgenden Paragraphen genannten Versorgungsempfänger (Betriebsrentner und versorgungsberechtigte Hinterbliebene), die betriebliche Versorgungsleistungen nach den Versorgungsregelungen der Unternehmen des ehemaligen B…-Konzerns erhalten. Ausgenommen hiervon sind …
§ 2 Beendigung von Regelungen
E… und der Betriebsrat vereinbaren einvernehmlich für den unter § 1 genannten Personenkreis die Beendigung der nachstehend genannten betrieblichen Regelungen und freiwilligen Leistungen wie folgt:
1. Jährliche Einmalzahlungen anlässlich des Weihnachtsfestes
a) Beendigung
Ab 01.01.2002 werden keine freiwilligen Einmalzahlungen anlässlich des Weihnachtsfestes für Versorgungsempfänger mehr gewährt. Etwaige betriebliche Regelungen zur Gewährung einer freiwilligen Einmalzahlung anlässlich des Weihnachtsfestes werden daher ab 01.01.2002 durch diese Betriebsvereinbarung für Versorgungsempfänger beendet.
Eine Nachwirkung etwaiger betrieblicher Regelungen ist ausgeschlossen.
…
§ 3 Ausgleichszahlung
Für den Wegfall der unter § 2 genannten Leistungen werden folgende einmalige Ausgleichszahlungen gewährt:
1. Jährliche Einmalzahlung anlässlich des Weihnachtsfestes Versorgungsempfänger … erhalten eine einmalige Ausgleichszahlung in folgender Höhe:
– |
Betriebsrentner |
€ 1.100,-- brutto, …” |
Mit Schreiben vom 22. November 2002 unterrichtete die Beklagte ihre Betriebsrentner über diese Neuregelung. Der Kläger erhielt von der Beklagten die in § 3 BV Aufhebung Versorgungsempfänger vorgesehene Ausgleichszahlung von 1.100,00 Euro. Er widersprach mit Schreiben vom 14. Dezember 2002.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde das geforderte Weihnachtsgeld. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus einer betrieblichen Übung. Diese Anspruchsgrundlage sei weder durch eine gegenläufige betriebliche Übung noch durch die nach seinem Eintritt in den Ruhestand geschlossene Betriebsvereinbarung beseitigt worden.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 163,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2002 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn auch weiterhin ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % des durchschnittlichen Versorgungsbezuges zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Weihnachtsgeld stehe dem Kläger nicht zu. Auf eine betriebliche Übung könne die Klageforderung nicht gestützt werden. Die Zahlung eines Rentnerweihnachtsgeldes sei stets unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit und ohne Präjudiz für die Zukunft erfolgt. Selbst wenn eine betriebliche Übung entstanden wäre, sei sie durch eine gegenläufige betriebliche Übung beseitigt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob eine betriebliche Übung zustande kam und dem Kläger die geltend gemachte Forderung auf Rentnerweihnachtsgeld zusteht.
A. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, bestehen weder gegen den Leistungsantrag noch gegen den Feststellungsantrag prozessuale Bedenken.
B. Weiterer Sachverhaltsaufklärung durch das Landesarbeitsgericht bedarf es für die Entscheidung über die Begründetheit der Klage. Der eingeklagte Anspruch kann sich aus einer betrieblichen Übung ergeben. Zur Beantwortung der Frage, ob sie zustande kam, bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen. Falls eine betriebliche Übung bestand, sind die sich daraus ergebenden Pflichten nicht wirksam aufgehoben worden.
I. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist die betriebliche Übung vom Gesetzgeber ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt (§ 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Ob eine betriebliche Übung zustande kam und welchen Inhalt sie hat, unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung (BAG 28. Juni 2006 – 10 AZR 385/05 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 74 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 7, zu II 2d aa der Gründe mwN unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung). Diese Auffassung teilt der Dritte Senat. Eine betriebliche Übung wirkt auf alle Arbeitsverhältnisse ein; individuelle Einzelheiten werden nicht verhandelt. Sie führt ähnlich wie ein Formulararbeitsvertrag zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen und damit zu einer Typisierung (vgl. dazu BAG 25. Juni 2002 – 3 AZR 360/01 – AP BetrAVG § 16 Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 3, zu B II 1 der Gründe).
II. Versorgungspflichten aus einer betrieblichen Übung kann der Arbeitgeber sowohl während des Arbeitsverhältnisses gegenüber den Versorgungsanwärtern als auch nach Eintritt des Versorgungsfalles gegenüber den Versorgungsempfängern eingehen. Rentnerweihnachtsgelder gehören zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. ua. BAG 18. Februar 2003 – 3 AZR 81/02 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 38 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 35, zu I 1c der Gründe) und können Gegenstand einer betrieblichen Übung sein. Diese kann dadurch entstehen, dass im Versorgungsfall an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen erbracht werden (vgl. ua. BAG 16. Juli 1996 – 3 AZR 352/95 – AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 1, zu B I der Gründe). Es ist unschädlich, dass in der Ruhegeldordnung ein Rentnerweihnachtsgeld nicht vorgesehen ist (vgl. ua. BAG 30. Oktober 1984 – 3 AZR 236/82 – BAGE 47, 130, zu I 2a der Gründe).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entsteht eine betriebliche Übung durch ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse oder der Rechtsverhältnisse mit Betriebsrentnern gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn und soweit Arbeitnehmer oder Betriebsrentner aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde eine entsprechende Leistung auch künftig gewährt (vgl. ua. 25. Juni 2002 – 3 AZR 360/01 – AP BetrAVG § 16 Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 3, zu B I 1 der Gründe). Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers und damit auf die interne Willensbildung kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob die Arbeitnehmer bzw. Betriebsrentner dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen können (vgl. ua. BAG 19. Mai 2005 – 3 AZR 660/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 71 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 6, zu II 4a der Gründe mwN).
Die speziellen Kenntnisse und das Verständnis des einzelnen Versorgungsanwärters oder Versorgungsempfängers sind nicht maßgeblich. Da die betriebliche Übung zu typisierten Leistungsbedingungen führt, ist das Verhalten des Arbeitgebers losgelöst von den Umständen des Einzelfalles nach objektiven Kriterien auszulegen. Unabhängig vom Inhalt und der Bedeutung der Benachteiligungsverbote des § 78 Satz 2 BetrVG und § 26 Satz 2 MitbestG spielt es demnach keine Rolle, über welche zusätzlichen Informationen der Kläger auf Grund seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat und Gesamtbetriebsrat verfügte.
1. Bei der B… AG erhielten deren Versorgungsempfänger seit den 50er Jahren laufend “Weihnachtsvergütungen”, “Weihnachtsgaben” oder gleichartige Leistungen. Sie gewährte auf Grund der Beschlüsse ihres Vorstandes auch in den Jahren nach 1996 ihren Versorgungsempfängern ein Weihnachtsgeld. Dies hat die Beklagte nicht bestritten, sondern wegen der Vorbehalte in den Bekanntmachungen für unerheblich gehalten. Ebenso wenig ist die Berechnung des Weihnachtsgeldes im Streit.
2. Es ist nicht auszuschließen, dass die Arbeitgeberin durch ihr seit 1995 zu verzeichnendes Verhalten den Eindruck erweckte, beim Rentnerweihnachtsgeld bestehe eine dauerhafte Bindung. Das Fehlen jedes Rechtsbindungswillens muss klar zum Ausdruck gebracht werden (vgl. ua. BAG 19. Mai 2005 – 3 AZR 660/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 71 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 6). Wenn sich das Zahlungsversprechen erkennbar auf das jeweilige Jahr beschränkt, sind Ansprüche der Leistungsempfänger für die zukünftigen Jahre ausgeschlossen. Den Bekanntmachungen ab dem Jahre 1995 kann ein hinreichend deutlicher Vorbehalt nicht entnommen werden. Nach dem Vortrag der Beklagten kann er jedoch in den Schreiben enthalten sein, in denen sie den einzelnen Betriebsrentnern die Zahlung eines Rentnerweihnachtsgeldes ankündigte.
a) Die in den Aufsichtsratsbeschlüssen vorgesehenen Einschränkungen verhinderten das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht. Aufsichtsratsbeschlüsse sind Teil der internen Willensbildung. Mit ihnen ist noch nicht die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Belegschaft verbunden (BAG 19. Januar 1999 – 9 AZR 667/97 –, zu I 1 der Gründe). Entscheidend ist, ob die Arbeitgeberin durch ihr Verhalten gegenüber den Betriebsrentnern die internen Vorgaben umsetzte.
b) Der Ausschluss eines Rechtsbindungswillens für die künftige Zahlung eines Rentnerweihnachtsgeldes ist den in der Broschüre der B… AG enthaltenen “Hinweisen für unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestand” (Stand: 1. Januar 1993) jedenfalls nicht genügend deutlich zu entnehmen (vgl. BAG 12. Dezember 2006 – 3 AZR 57/06 – Rn. 33 ff.). Deshalb ist es unerheblich, dass jeder Mitarbeiter einschließlich des Klägers diese Broschüre nach Vollendung des 55. Lebensjahres erhielt.
Eine Verknüpfung des Rentnerweihnachtsgeldes mit der Jahresvergütung der aktiven Mitarbeiter ist in dieser Broschüre im Gegensatz zur früheren nicht mehr vorgesehen. Nach Nr. 2.3 der Broschüre (Stand: 1. Juli 1979) erhielten die Betriebsrentner “eine Weihnachtsvergütung, wenn der Aufsichtsrat die Zahlung einer Jahresvergütung an die aktiv tätigen Mitarbeiter genehmigt hat”. Nach Nr. 2.3 dieser Broschüre (Stand: 1. Januar 1993) erhielten die Betriebsrentner “eine Weihnachtsvergütung, wenn sie der Aufsichtsrat genehmigt hat”. Damit ist das Rentnerweihnachtsgeld, für das besondere Berechnungsgrundsätze gelten, nicht nur der Höhe nach, sondern auch dem Grunde nach verselbständigt.
Nr. 2.3 der Broschüre (Stand: 1. Januar 1993) ging allerdings nach den damaligen Verhältnissen davon aus, dass auch über das Rentnerweihnachtsgeld jährlich neu zu entscheiden war. Damit war nicht gesagt, dass dies künftig so bleiben werde. Im Vorspann der Broschüre wurde hervorgehoben, dass nur Erläuterungen gegeben würden. Die Ansprüche der Betriebsangehörigen richteten sich ausschließlich nach den gesetzlichen und betrieblichen Regelungen. Die künftige Rechtsentwicklung blieb dementsprechend unberührt. Am 1. Januar 1993 bestand die für die Klageforderung maßgebliche betriebliche Übung noch nicht.
c) Ein Teil der im Unternehmen ausgehängten Bekanntmachungen befasste sich allerdings auch mit den an die Versorgungsempfänger zu zahlenden Weihnachtsgeldern. Außerdem wurde darauf aufmerksam gemacht, dass “durch die Gewährung der Jahresvergütung kein Präjudiz für kommende Jahre geschaffen” werde. Dabei handelte es sich um einen sog. Freiwilligkeitsvorbehalt, der das Entstehen einer betrieblichen Übung verhinderte (vgl. dazu ua. BAG 28. April 2004 – 10 AZR 481/03 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 175 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 172, zu II 1 der Gründe mwN).
Jedenfalls seit dem Jahre 1995 änderte sich jedoch der Inhalt der Bekanntmachungen. Sie sprachen seither nur noch von der Jahresvergütung für die aktiven Mitarbeiter. Die bisherige Einbeziehung der Versorgungsempfänger fehlte. Dies ließ den Schluss zu, dass sich die Bekanntmachungen nicht mehr auf deren Weihnachtsgelder, sondern ausschließlich auf die Weihnachtsgelder der aktiven Mitarbeiter bezogen. Für den Anwendungsbereich dieser Bekanntmachungen spielt es keine Rolle, dass die Bemessung der an die aktiven Mitarbeiter zu zahlenden Jahresvergütungen wie bisher nach den Grundsätzen des Vorjahres erfolgte. Die Erklärungsempfänger mussten nicht damit rechnen, dass der in den Bekanntmachungen enthaltene Vorbehalt weiter reichen sollte als der Anwendungsbereich der Bekanntmachungen. Dies war nicht mit der erforderlichen Klarheit zum Ausdruck gebracht worden (vgl. BAG 12. Dezember 2006 – 3 AZR 475/05 – Rn. 43).
d) Für die Jahre, in denen die Bekanntmachungen das gewährte Rentnerweihnachtsgeld nicht mehr erwähnten, kann sich ein ausreichender Änderungsvorbehalt aus den Schreiben ergeben, mit denen die Beklagte den einzelnen Betriebsrentner über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes unterrichtete.
aa) Da die Aushänge für aktive Arbeitnehmer bestimmt und zur Information der Betriebsrentner nur sehr begrenzt geeignet sind, lag es nicht fern, die für die Betriebsrentner bestimmten Vorbehalte in die Begleitschreiben aufzunehmen. Der Ausgangspunkt einer betrieblichen Übung, die mehrfache Zahlung des Rentnerweihnachtsgeldes, und deren Grundlage – die Anschreiben an die Betriebsrentner – können nicht von der Erklärung des Vorbehalts getrennt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Versorgungsanwärter von der Zahlung eines Rentnerweihnachtsgeldes erfahren. Für den mit der Zahlung verbundenen Vorbehalt gilt nichts anderes (vgl. BAG 12. Dezember 2006 – 3 AZR 57/06 – Rn. 32).
bb) Ob die Beklagte ab 1995 in die den Betriebsrentnern übersandten Schreiben einen ausreichenden Vorbehalt aufnahm, hat das Landesarbeitsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus gesehen folgerichtig, nicht näher geprüft. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen behauptet, in den Jahren 1996 bis 2001 sei die Auszahlung der Weihnachtsvergütung an die Versorgungsempfänger ebenfalls stets unter dem ausdrücklichen Vorbehalt erfolgt, das durch die Zahlung kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werde. Mit dem Inhalt der an die Betriebsrentner gerichteten Schreiben für die Jahre 1996 bis 1998 hat sich die Beklagte jedoch nicht näher auseinandergesetzt. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, ihren bisherigen Sachvortrag insoweit zu präzisieren und zu ergänzen.
III. Falls in den an die Betriebsrentner gerichteten Schreiben für die Jahre 1995 bis 1997 ein ausdrücklicher Vorbehalt fehlte, ist die Klage begründet. Die Verpflichtung zur Zahlung des Rentnerweihnachtsgeldes ist dann weder durch eine gegenläufige betriebliche Übung noch durch Betriebsvereinbarung aufgehoben worden.
1. In den an den Kläger und die übrigen Betriebsrentner gerichteten Schreiben der Jahre 1999 bis 2001 wurde zwar der Satz aufgenommen: “Die Weihnachtsvergütung ist eine freiwillige, widerrufliche soziale Leistung. Hierdurch soll, wie schon bisher, kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werden.” Dies führt jedoch nicht zu einer Vertragsänderung nach den Grundsätzen der sog. gegenläufigen betrieblichen Übung.
a) Der Zehnte Senat hat angenommen, dass ein Anspruch auf Gratifikationszahlung aus betrieblicher Übung durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden kann, wenn der Arbeitgeber erklärt, die jährliche Zahlung der Gratifikation sei (nunmehr) eine “freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die – auch zukünftig – kein Rechtsanspruch besteht”, und die Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprechen (24. November 2004 – 10 AZR 202/04 – BAGE 113, 29, zu II 3c bb (3) der Gründe). Selbst wenn unter diesen Voraussetzungen ein stillschweigender Änderungsvertrag über betriebsrentenrechtliche Ansprüche zustande käme, wären sie im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
b) Die auf Grund der bisherigen betrieblichen Übung entstandenen vertraglichen Ansprüche des Arbeitnehmers könnten nur dann durch eine entgegenstehende oder abändernde neue betriebliche Übung eingeschränkt oder beseitigt werden, wenn die Neuregelung zumindest stillschweigend Inhalt des Arbeitsvertrages geworden ist. Dies setzte voraus, dass der Arbeitgeber das Schweigen des Arbeitnehmers oder Betriebsrentners auf die geänderte betriebliche Übung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte als Akzeptierung der geänderten betrieblichen Übung ansehen durfte, weil er annehmen konnte, dass der Arbeitnehmer der Änderung widersprechen würde, wenn er mit dieser nicht einverstanden sein sollte (BAG 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38, zu II 3b der Gründe; 24. November 2004 – 10 AZR 202/04 – BAGE 113, 29, zu II 3c bb (3) der Gründe). Im vorliegenden Fall hob die Arbeitgeberin mit dem in den Begleitschreiben enthaltenen Einschub “wie schon bisher” hervor, dass sich gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nichts ändere. Nach dem Wortlaut der Mitteilung wollte sie keine “gegenläufige” betriebliche Übung schaffen, sondern – nach ihrer Rechtsauffassung unverändert – nur das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern. Dementsprechend fehlt ein stillschweigendes Angebot zum Abschluss eines Änderungsvertrages. Die Versorgungsberechtigten hatten keine Veranlassung, einer Änderung ihrer Versorgungsrechte zu widersprechen. Die Beklagte konnte trotz widerspruchsloser Annahme des Rentnerweihnachtsgeldes nicht darauf vertrauen, dass der Kläger mit einer Vertragsänderung einverstanden sei. Nur am Rande sei vermerkt, dass im Betriebsrentenrecht der erforderliche Vertrauenstatbestand besonders sorgfältig zu prüfen ist.
2. Der auf einer betrieblichen Übung beruhende einzelvertragliche Anspruch des Klägers ist durch § 2 Nr. 1 Buchst. a BV Aufhebung Versorgungsempfänger nicht abgelöst worden (vgl. BAG 12. Dezember 2006 – 3 AZR 57/06 – Rn. 40).
Ob der auf einer betrieblichen Übung beruhende Rechtsanspruch auf Rentnerweihnachtsgeld als “freiwillige Einmalzahlung” iSd. § 2 Nr. 1 Buchst. a BV Aufhebung Versorgungsempfänger anzusehen ist und damit von dieser Betriebsvereinbarung erfasst wird, kann offenbleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob bereits die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG zur Unwirksamkeit der Neuregelung führt. Auch auf den Umfang der Regelungskompetenz der Betriebspartner kommt es nicht an. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebspartner durch Betriebsvereinbarung nicht Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter begründen oder modifizieren, die bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten sind (vgl. ua. 16. März 1956 – GS 1/55 – BAGE 3, 1; 13. Mai 1997 – 1 AZR 75/97 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 65 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ruhestand Nr. 1, zu I 2 der Gründe). Ob an dieser im Schrifttum zunehmend kritisierten Auffassung festzuhalten ist, bedarf hier ebenso wenig einer Entscheidung wie beispielsweise in den Urteilen des Senats vom 28. Juli 1998 (– 3 AZR 100/98 – BAGE 89, 262, zu B I 2 der Gründe) und vom 12. Dezember 2006 (– 3 AZR 475/05 – Rn. 56).
Betriebsvereinbarungen sind nicht ohne weiteres das geeignete Gestaltungsmittel für die Ablösung individualrechtlicher Regelungen mit kollektivem Bezug, zu denen auch betriebliche Übungen gehören. Entweder müssen die Neuregelungen einem kollektiven Günstigkeitsvergleich standhalten – diese Voraussetzung ist nicht erfüllt – oder die bisherigen Regelungen müssen betriebsvereinbarungsoffen sein. Unter welchen Voraussetzungen betriebliche Übungen betriebsvereinbarungsoffen sind, spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Selbst wenn die Betriebsvereinbarungsoffenheit zu bejahen ist, hat noch eine Inhaltskontrolle stattzufinden. Die Beklagte hat keine tragfähigen Gründe für die Streichung des Rentnerweihnachtsgeldes dargelegt, das zur betrieblichen Altersversorgung zählt (vgl. BAG 18. Februar 2003 – 3 AZR 81/02 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 38 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 35, zu I 1c aa der Gründe; 29. April 2003 – 3 AZR 247/02 – EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 4, zu II der Gründe). Das Harmonisierungsinteresse reicht hierfür nicht aus, zumal nach Eintritt des Versorgungsfalles in der Regel nur noch geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt sein können (vgl. BAG 12. Oktober 2004 – 3 AZR 557/03 – BAGE 112, 155, zu I 2a der Gründe). Sonstige Gründe für die Einschränkung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
C. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Zwanziger, H. Frehse
Ehrenamtlicher Richter Ludwig ist durch Ablauf seiner Amtszeit an der Unterschrift gehindert.
Reinecke
Fundstellen