Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Revision. Geltendmachung eines Verfahrensmangels ≪hier Recht auf mündliche Verhandlung≫
Orientierungssatz
Es bedarf grundsätzlich keines weiteren Vortrags, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf die mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein. Schon nach dem Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darf indes zur Vermeidung aussichtsloser Revisionen auch die Entscheidungsrelevanz dieses Verfahrensfehlers nicht von vorne herein ausgeschlossen sein (vgl BSG vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B = SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 61).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Gründe
Der Kläger betreibt parallel mehrere Verfahren im Zusammenhang mit der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Zuletzt hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Verfahren über die Mitgliedschaft des Klägers in der KVdR bei der AOK Westfalen-Lippe durch Urteil vom 26. Februar 2003 (L 5 KR 43/00) abgeschlossen. Es hat die Mitgliedschaft in der KVdR verneint, weil ausreichende Vorversicherungszeiten nicht vorhanden waren. Der Senat hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil mit Beschluss vom 21. April 2004 (B 12 KR 1/03 BH) abgelehnt und mit weiterem Beschluss vom 7. Juni 2004 die hiergegen erhobene Gegenvorstellung des Klägers als unzulässig verworfen. Vorliegend ist in der Hauptsache in einem selbstständigen Verfahren die Mitgliedschaft des Klägers bei einer Rechtsvorgängerin der AOK Rheinland - Die Gesundheitskasse im Rahmen der Krankenversicherung der Studenten in der Zeit vom 1. April 1975 bis 30. September 1984 streitig, die als Vorversicherungszeit in der KVdR in Betracht kommen sollte. Der Kläger hat Untätigkeitsklage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte spätestens mit Schreiben vom 19. Juli 1999 eine Entscheidung getroffen habe (Gerichtsbescheid vom 3. März 2000 - S 3 KR 71/99). Das LSG hat die Klage in seinem Urteil vom 7. März 2002 (L 16 KR 58/00) als zulässig, die Berufung jedoch als unbegründet angesehen. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 7. März 2002 (L 16 KR 58/00) ist unzulässig. Der Kläger beruft sich als Zulassungsgrund allein auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Diesen sieht er darin, dass das Berufungsgericht seine vor dem Termin gestellten Anträge auf Verlegung der mündlichen Verhandlung bereits nicht zur Kenntnis genommen und rechtzeitig beschieden hat. Es kann unerörtert bleiben, ob der entsprechende Sachvortrag des Klägers zutrifft. Obwohl hierzu ausnahmsweise Anlass bestanden hätte, hat er nämlich auch nach dem Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 26. April 2004 innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 25. Mai 2004 nicht schlüssig dargelegt, aus welchen Gründen die Entscheidung des Berufungsgerichts auf dem als Zulassungsgrund geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2004 (beim Bundessozialgericht ≪BSG≫ per Telefax eingegangen am selben Tag um 21.53 h - 21.54 h) hat er im Wesentlichen darauf hingewiesen, er habe trotz der Entscheidung des LSG vom 26. Februar 2003 ein Rechtsschutzinteresse, im vorliegenden Verfahren seine Mitgliedschaft bei der Beklagten im Rahmen der KVdR feststellen zu lassen. Es sei davon auszugehen, dass die AOK Westfalen-Lippe auf der Grundlage einer Bestätigung über die Mitgliedschaft bei der Beklagten von § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) Gebrauch machen und nunmehr zugunsten des Klägers davon ausgehen werde, dass die Voraussetzungen von § 5 Abs 1 Nr 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erfüllt seien. Dem stehe die Rechtskraft des Berufungsurteils vom 26. Februar 2003 im Verfahren L 5 KR 43/00 nicht entgegen.
Der Senat vermag dem nicht zu folgen. Zwar bedarf es grundsätzlich keines weiteren Vortrags, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf die mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein. Schon nach dem Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darf indes zur Vermeidung aussichtsloser Revisionen auch die Entscheidungsrelevanz dieses Verfahrensfehlers nicht von vorne herein ausgeschlossen sein (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 61). An der möglichen Beeinflussung des Verfahrens durch verhinderten Sachvortrag kann es ausnahmsweise von vorne herein dann fehlen, wenn die ursprüngliche oder - wie hier nachträgliche - Unzulässigkeit der Klage in Betracht kommt. Jedenfalls mit dem Zeitpunkt, in dem das LSG Nordrhein-Westfalen eine abschließende Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers im Rahmen der KVdR getroffen und hierzu alle in Betracht kommenden Vorversicherungszeiten einschließlich des vorliegend der Sache nach streitigen Zeitraums - ohne Annahme einer Bindung an Entscheidungen in anderen Prozessen - geprüft hatte, hätte daher im Einzelnen vorgetragen werden müssen, warum dennoch ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung einzelner Vorversicherungszeiten fortbestehen soll (vgl entsprechend zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses hinsichtlich der Vormerkung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit bereits mit Ergehen des Rentenbescheides BSG, Urteil vom 22. September 1981 - 1 RA 31/80 - SozR 1500 § 53 Nr 2). Die Hinweise des Klägers auf das Verfahren nach § 44 SGB X ändern hieran nichts. Weder kommt nach dieser Vorschrift eine erneute Überprüfung der von der AOK Westfalen-Lippe erlassenen Bescheide nur auf der Grundlage der gerichtlichen Feststellung einzelner Vorversicherungszeiten in Betracht, noch bedarf es hierzu notwendig der Aufhebung der von der Beklagten getroffenen Regelungen. Deren Bindungswirkung (§ 77 SGG) erstreckt sich allein auf die Ablehnung eines ursprünglich vom Kläger beantragten Verwaltungsaktes und bezieht sich nicht auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen