Entscheidungsstichwort (Thema)
Angestellter Krankenhausarzt. gleichzeitige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. bei keiner unmittelbaren patientenbezogenen Tätigkeit (hier: Pathologe). Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Arzt, der keine unmittelbar patientenbezogene Tätigkeit ausübt (hier: Arzt für Pathologie), schließt die Tätigkeit als angestellter Krankenhausarzt eine gleichzeitige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nicht von vornherein aus.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V §§ 116, 95 Abs. 1, § 98 Abs. 2 Nr. 11; Ärzte-ZV § 20 Abs. 1; SGB V § 98 Abs. 2 Nr. 10; Ärzte-ZV § 20 Abs. 2; GG Art. 12 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juni 1997 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten sowie des Beigeladenen zu 1) auch im Berufungs- und Revisionsverfahren. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Beigeladene zu 1) ist Arzt für Pathologie und Chefarzt des Pathologischen Instituts des Kreiskrankenhauses Reutlingen. Im September 1993 beantragte er die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Er wolle zwar weiterhin als angestellter Chefarzt tätig sein, bei seiner Zulassung aber seine Arbeitszeit als Krankenhausarzt auf die Hälfte der tariflichen Arbeitszeit reduzieren. Hierüber sowie über die Inanspruchnahme von Räumen, Einrichtungen, Material und Personal des Krankenhauses durch den Beigeladenen zu 1) und deren Vergütung wurden am 22. Dezember 1995 Vereinbarungen zwischen dem Krankenhausträger (Kreis Reutlingen) und dem Beigeladenen zu 1) geschlossen. Der Beigeladene zu 1) gab an, seine vertragsärztliche Tätigkeit in seinem Privathaus in R. …, D. …, ausüben zu wollen. Lediglich die Laborleistungen (Einbetten, Schneiden und Färben der Präparate) wolle er in den Räumen des Kreiskrankenhauses Reutlingen durchführen lassen.
Der Zulassungsausschuß lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 3. Mai 1995). Der Zulassung des Beigeladenen zu 1) stehe § 20 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) entgegen, weil die Tätigkeit als Chefarzt wegen der damit verbundenen vollen Verantwortung für die Krankenhausabteilung mit der Tätigkeit als Vertragsarzt nicht vereinbar sei. Der beklagte Berufungsausschuß gab dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1) statt und ließ ihn ab 1. Januar 1996 mit dem Vertragsarztsitz „D. …, R. … …” als Vertragsarzt zu (Bescheid vom 21. Dezember 1995). Insbesondere die erheblichen Unterschiede zwischen der patientengebundenen Behandlung in anderen ärztlichen Bereichen und der patientenungebundenen Tätigkeit als Pathologe rechtfertigten die Beurteilung, daß eine Unvereinbarkeit iS von § 20 Abs 2 Ärzte-ZV nicht vorliege. Dies gelte mit Blick auf die Urteile des erkennenden Senats vom 15. März 1995 auch für die sonstigen organisatorischen Umstände der vertragsärztlichen Tätigkeit, weil der Beigeladene zu 1) beabsichtige, für den Untersuchungs- und Sekretariatsbereich eigene Fachkräfte einzustellen und lediglich für den Laborbereich auf Kräfte des Kreiskrankenhauses zurückzugreifen. Wegen der auf die Hälfte reduzierten Arbeitszeit als Krankenhausarzt stehe der Beigeladene zu 1) iS von § 20 Abs 1 Ärzte-ZV auch in hinreichendem Maß persönlich zur Verfügung.
Das hiergegen von der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) angerufene Sozialgericht (SG) Reutlingen hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Mai 1996). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten geändert und den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) zurückgewiesen (Urteil vom 11. Juni 1997). Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 95 Abs 1 bis Abs 2a, § 98 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), §§ 17 ff, 20 Ärzte-ZV sei die Zulassung des Beigeladenen zu 1) von vornherein ausgeschlossen, weil seine Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung allein im Wege der Ermächtigung nach § 116 SGB V möglich sei. Ein angestellter Krankenhausarzt könne unabhängig von seiner diesbezüglichen zeitlichen Inanspruchnahme nicht als Vertragsarzt zugelassen werden. Die Frage, ob bei dem Beigeladenen zu 1) zudem die Eignung iS von § 20 Ärzte-ZV wegen nicht ausreichender Verfügbarkeit und/oder Interessen- oder Pflichtenkollisionen zu verneinen sei, müsse daher nicht abschließend entschieden werden.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beigeladene zu 1) die Verletzung von Gesetzes- und Verfassungsrecht. Schon einfachgesetzlich sei seine Zulassung nicht ausgeschlossen. Überdies verletze das Urteil seine Grundrechte auf Berufsfreiheit und auf Gleichbehandlung.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juni 1997 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Mai 1996 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt ebenfalls,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juni 1997 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Mai 1996 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beigeladenen zu 1) ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und das klageabweisende Urteil des SG wiederherzustellen; denn der beklagte Berufungsausschuß hat den zu 1) beigeladenen Arzt zu Recht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der Beigeladene zu 1) hat einen Rechtsanspruch auf Zulassung. Er erfüllt, was auch die Klägerin nicht bezweifelt, die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 95 Abs 1 bis Abs 2a, § 98 SGB V, §§ 17, 18 Ärzte-ZV. Rechtliche Hinderungsgründe stehen seiner Zulassung nicht entgegen.
Entgegen der Auffassung des LSG kann den Bestimmungen über die Teilnahme von Ärzten an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten nicht die Regelung entnommen werden, daß Krankenhausärzte ausschließlich im Wege der Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen können. Das LSG hat dieses Ergebnis speziell aus der Vorschrift des § 116 SGB V und generell aus der dem SGB V zugrundeliegenden prinzipiellen Trennung zwischen dem vertragsärztlichen (ambulanten) und dem stationären Versorgungsbereich hergeleitet. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Der Anspruch eines Arztes auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist grundrechtlich durch Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) geschützt. Seit der sog Kassenarztentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23. März 1960 (BVerfGE 11, 30) ist anerkannt, daß die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen des kassen- bzw vertragsärztlichen Zulassungsrechts den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit berühren, wegen der besonderen Bedeutung der kassen-(vertrags)ärztlichen Tätigkeit im Rahmen der ambulanten Versorgung der Bevölkerung dem Schutzbereich der Berufswahl aber nahekommen (BVerfGE 11, 42, 43). An der Zuordnung der vertragsärztlichen Tätigkeit zum Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG hat sich trotz der zunehmenden Einbindung dieser Ausübungsform des Arztberufes in eine öffentlich-rechtlich (vertragsarztrechtlich) geprägte Pflichtenstellung nichts grundlegend geändert (vgl dazu Hess, Jahrbuch der Bitburger Gespräche, 1996, 67, 77). Art 12 Abs 1 Satz 2 GG erlaubt Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen läßt. Dabei muß der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind. Dies bedeutet nicht, daß sich die erforderlichen Vorgaben ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben müßten; es genügt, daß sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte der Regelung (BVerfGE 82, 209, 224; BSGE 70, 285, 292 = SozR 3-2500 § 122 Nr 3).
Ausdrückliche Regelungen, die einem angestellten Krankenhausarzt grundsätzlich die gleichzeitige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verwehren, finden sich in den gesetzlichen Bestimmungen über die Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht. Zentrale Vorschrift des Ermächtigungsrechts ist § 116 SGB V, wonach Krankenhausärzte mit abgeschlossener Weiterbildung mit Zustimmung des Krankenhausträgers vom Zulassungsausschuß zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden können (§ 116 Satz 1 SGB V). Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Ermächtigung zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. Dem Wortlaut des § 116 SGB V lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, er verbiete zugleich die Zulassung eines Krankenhausarztes zur vertragsärztlichen Versorgung. Zu Recht weist insoweit die Revision darauf hin, daß das Gesetz ein derartiges Ziel mit einfachen sprachlichen Mitteln hätte ausdrücken können, etwa indem in den Satz 1 das Wort „allein” oder das Wort „ausschließlich” hätte eingefügt werden können. Daran fehlt es indessen.
Auch unter systematischen Gesichtspunkten läßt sich entgegen der Ansicht des LSG ein Anspruch angestellter Krankenhausärzte auf gleichzeitige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nicht ausschließen. Zwar trifft es zu, daß das SGB V die grundsätzliche Trennung in die Bereiche der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung und der stationären Krankenhausversorgung – aber auch deren Verzahnung – regelt, und daß es dem niedergelassenen Vertragsarzt einerseits und dem angestellten Krankenhausarzt andererseits Betätigungsmöglichkeiten im jeweils anderen Versorgungsbereich aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung eröffnet. So kann der Vertragsarzt an der stationären Versorgung der Versicherten als Belegarzt gemäß § 121 SGB V mitwirken, während der angestellte Krankenhausarzt im Wege der Ermächtigung nach § 116 SGB V an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmen kann. Ohne entsprechende Hinweise im Wortlaut des Gesetzes sind die Regelungen des SGB V über die dargelegte Strukturierung der ärztlichen Versorgung der Versicherten aber aus sich heraus nicht so zu verstehen, daß sie dem in dem einen oder anderen Bereich tätigen Arzt ausschließlich diese weiteren beruflichen Betätigungsfelder eröffnen wollen. Auf dem Hintergrund der Berufsausübungsfreiheit nach Art 12 Abs 1 Satz 1 GG sind diese Vorschriften des SGB V allein als das berufliche Tätigkeitsfeld des jeweiligen Arztes erweiternde Bestimmungen anzusehen.
Der Senat hat zwar bereits – gestützt ua auf systematische Erwägungen – in anderem Zusammenhang Einschränkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit von Ärzten als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. So hat er zB die Fachgebietsidentität zwischen dem anstellenden Vertragsarzt und dem anzustellenden Arzt, die bis zu der Neufassung des § 32b Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV durch Art 14 Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl I 1520) nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt war, verlangt (vgl BSGE 78, 291 = SozR 3-5520 § 32b Nr 2). Im vorliegenden Fall kann hingegen der strukturellen Aufteilung der ärztlichen Versorgung in einen ambulanten und einen stationären Bereich nicht mit der nach Art 12 Abs 1 Satz 2 GG notwendigen Klarheit entnommen werden, daß ein angestellter Krankenhausarzt nicht als Vertragsarzt zugelassen werden kann, während ein in demselben zeitlichen und sachlichen Umfang anderweitig – freiberuflich oder auch angestellt – tätiger Arzt die Zulassung als Vertragsarzt erhalten kann (vgl dazu Senatsurteile BSGE 21, 118 = SozR Nr 1 zu § 20 ZO-Zahnärzte; BSGE 26, 13 = SozR Nr 2 zu § 20 ZO-Zahnärzte; BSGE 35, 247 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte; BSG SozR 5520 § 20 Nr 1; BSGE 76, 59 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1; vgl auch BSGE 44, 260 = SozR 2200 § 368n Nr 13).
Nach alledem wird der Anspruch des Beigeladenen zu 1) auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung durch § 116 SGB V bzw die Systematik des SGB V nicht generell ausgeschlossen.
Allerdings findet sich in § 20 Abs 2 Ärzte-ZV eine normative Regelung iS des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG, die im Regelfall der gleichzeitigen Wahrnehmung einer Tätigkeit als Vertragsarzt in freier Praxis (§ 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV) und einer Tätigkeit als angestellter Krankenhausarzt entgegensteht. Nach § 20 Abs 2 Ärzte-ZV in der hier anzuwendenden Fassung des Art 9 Nr 15 GSG ist für eine vertragsärztliche Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Diese als formelles Gesetz beschlossene Vorschrift (Art 9 GSG) ist ihrerseits verfassungsgemäß und geeignet, das Grundrecht der Berufsfreiheit einzuschränken (vgl BSGE 76, 59, 63 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1; Urteil vom 19. März 1997 – 6 RKa 39/96 – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, MedR 1997, 515). Sie will ihrem Sinn und Zweck nach ausschließen, daß bei der Zulassung eines Arztes als Vertragsarzt in dieser Eigenschaft durch eine anderweitig von ihm ausgeübte ärztliche Tätigkeit Interessen- und Pflichtenkollisionen entstehen. Die Regelung dient der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung und damit gleichgewichtig auch dem Schutz der Versicherten, die solchen Interessen- und Pflichtenkollisionen auf Seiten des Vertragsarztes nicht ausgesetzt werden sollen.
Die Rechtsprechung des Senats hat die Vorschrift des § 20 Abs 2 Ärzte-ZV dahingehend konkretisiert, daß Interessen- und Pflichtenkollisionen, die einer Eignung des Arztes iS der genannten Vorschrift entgegenstehen, ua dann anzunehmen sind,
1) wenn sich die anderweitige ärztliche Tätigkeit und vertragsärztliche Tätigkeit vermischen können und dies sich zum einen zum Nachteil der Versicherten ua wegen einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V) und zum anderen zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann, weil insoweit je nach persönlichem Interesse des Arztes Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem einen zum anderen Bereich verlagert werden können;
2) wenn nicht gewährleistet ist, daß der Arzt aufgrund seiner anderweitigen ärztlichen Tätigkeit Inhalt und Umfang einer vertragsärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen persönlichen Mittel selbst bestimmen kann.
Insbesondere die erstgenannte Voraussetzung ist regelmäßig in den Fällen erfüllt, in denen der die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Einzugsbereich des Krankenhauses begehrende Krankenhausarzt bei stationärem Aufenthalt von Patienten unmittelbar in deren Versorgung eingebunden ist. Es liegt nahe, daß sich zB Versicherte nach Beendigung der stationären Behandlung verpflichtet sehen könnten, die sich anschließende ambulante Behandlung bei dem gleichzeitig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Krankenhausarzt fortzusetzen, schon weil bei erneuter Inanspruchnahme stationärer Versorgung mit der Behandlung durch den Krankenhausarzt gerechnet werden kann. Auch die Möglichkeit, daß ein am Krankenhaus und gleichzeitig in der vertragsärztlichen Praxis tätiger Arzt aus nicht sachgerechten Gründen Behandlungsschritte bei Versicherten vom ambulanten in den stationären Bereich und umgekehrt verlagern kann, ist nicht von der Hand zu weisen.
Anders stellt sich hingegen die Sachlage bei denjenigen Ärzten dar, „die ihrem typischen Fachgebietsinhalt nach regelmäßig nicht unmittelbar patientenbezogen ärztlich tätig sind” (so in anderem Zusammenhang die Formulierung der (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 – idF der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages in Eisenach, Deutsches-Ärzteblatt 94 – 1997 –, C-1772, D II Nr 8 Abs 2 Satz 2). In diesen Fällen sind Interessen- und Pflichtenkollisionen der aufgezeigten Art im Regelfall nicht zu befürchten. Die nicht unmittelbar patientenbezogen tätigen Ärzte haben keinen direkten Kontakt zu einzelnen Patienten. Sie steuern die Behandlung nicht und veranlassen auch keine Leistungen Dritter. Die von ihnen erbrachten diagnostischen Leistungen werden in gleicher Form im Rahmen der ambulanten wie der stationären Behandlung benötigt. Demgemäß sind bei dem Beigeladenen zu 1), der mit der Hälfte der tariflichen Arbeitszeit seine Tätigkeit als Chefarzt des Pathologischen Krankenhausinstituts weiter ausüben will, Interessen- und Pflichtenkollisionen der aufgezeigten Art zwischen der Krankenhaustätigkeit und der von ihm geplanten und vom Beklagten zugelassenen vertragsärztlichen Tätigkeit in den Räumen seines Privathauses nicht möglich.
Der Beigeladene zu 1) nimmt als Pathologe weder während der Krankenhaustätigkeit noch als Vertragsarzt an der unmittelbaren Behandlung der Versicherten teil. Er hat ohne jeden persönlichen Kontakt zu den Patienten das ihm von den behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellte morphologische Untersuchungsgut zu beurteilen. Vertragsarztrechtlich äußert sich dies auch darin, daß er gemäß § 13 Abs 4 BMV-Ä ausschließlich auf Überweisung tätig wird (zur Rechtmäßigkeit des Überweisungsvorbehalts in anderem Zusammenhang: Urteil des Senats vom 29. Januar 1997 – 6 RKa 81/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen) und daß er entgegen der allgemeinen Verpflichtung aus § 17 BMV-Ä gerade nicht zur Durchführung von Sprechstunden und Besuchen gehalten ist. Durch die für den Pathologen typischen Bedingungen und Beschränkungen seiner ärztlichen Tätigkeit ist zum einen die Gefahr, daß es zu einer fehlerhaften Zuordnung von Leistungen zu den Bereichen der ambulanten oder der stationären Versorgung kommt, wesentlich reduziert. Zudem sind nach Angaben des Beigeladenen zu 1) auch tatsächlich entsprechende Vorkehrungen getroffen worden, die ausschließen, daß eine im Rahmen der stationären Versorgung anfallende Untersuchung zu Lasten der Klägerin abgerechnet werden kann (verschiedene Farben der Präparatebehältnisse). Zum anderen schließlich ist aufgrund der dargestellten Umstände eine Gefährdung der schutzwürdigen Interessen der Versicherten, insbesondere ihres Rechts auf freie Arztwahl, nicht gegeben.
Pflichtenkollisionen aufgrund von Einflußnahmen des Krankenhausträgers auf die vertragsärztliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sind ebenfalls nicht zu befürchten. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der Beigeladene zu 1) mit dem Vertragsarztsitz in seinem Privathaus zugelassen ist und dort die wesentlichen vertragsärztlichen Tätigkeiten ausführen wird. Wegen dieser räumlichen Trennung zwischen der Vertragsarztpraxis des Beigeladenen zu 1) und den Räumen des Pathologischen Instituts im Krankenhaus ist auch eine Gefahr des Verstoßes gegen die nach § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV, § 15 BMV-Ä bestehende Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu erkennen. Die von dem Beigeladenen zu 1) in den Räumen des Krankenhauses und mit dem dortigen Hilfspersonal beabsichtigten Labortätigkeiten, die aus dem Einbetten, Schneiden und Färben des entnommenen Körpermaterials bestehen, gehen der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit, nämlich der Beurteilung und Befundung, voran und sind als ärztliche Hilfstätigkeiten gemäß § 15 Abs 1 Satz 3 BMV-Ä unter der fachlichen Überwachung des Beigeladenen zu 1) zulässig.
Schließlich ist der Beigeladene zu 1) auch nicht nach den Maßstäben des § 20 Abs 1 Ärzte-ZV ungeeignet für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit; denn es kann nicht festgestellt werden, daß er wegen seines Beschäftigungsverhältnisses für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht. Der Senat hat schon nach seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 20 Abs 1 Ärzte-ZV und zu der wortlautgleichen Vorgängerbestimmung in § 20 Abs 1 der Zulassungsordnung für Kassenärzte, die bis zum 31. Dezember 1988 gültig war, durch eine anderweitige ärztliche Tätigkeit zeitlich beanspruchte Ärzte nicht für ungeeignet iS der genannten Bestimmungen gehalten (vgl nochmals BSGE 21, 118 = SozR Nr 1 zu § 20 ZO Zahnärzte; BSGE 26, 13 = SozR Nr 2 zu § 20 ZO Zahnärzte; BSGE 35, 247 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte; SozR 5520 § 20 Nr 1; BSGE 76, 59 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1; vgl auch BSGE 44, 260 = SozR 2200 § 368n Nr 13). In diesen Entscheidungen ist aus dem in § 20 Abs 1 Ärzte-ZV kodifizierten Merkmal des „Zurverfügungstehens in erforderlichem Maße” nicht abgeleitet worden, der Kassen- bzw Vertragsarzt müsse seine gesamte Arbeitskraft der vertragsärztlichen Tätigkeit widmen. Vielmehr hat es der Senat – dem Wortlaut des § 20 Abs 1 Ärzte-ZV folgend – genügen lassen, daß der die Zulassung anstrebende Arzt in dem Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit im dort üblichen Umfang für die ambulant zu behandelnden Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung stand. Der Gesichtspunkt, daß die Zulassung von Vertragsärzten, die nicht ganztägig der Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen, möglicherweise zu Verwerfungen bei der Bedarfsplanung wegen Überversorgung (§ 101 SGB V) führen kann, bedarf hier schon deshalb keiner Erörterung, weil die Arztgruppe der Pathologen nicht der Bedarfsplanung unterliegt. Der Beigeladene zu 1), der durch seine Beschäftigung als Chefarzt nur unter 20 Wochenstunden gebunden ist, steht mithin in ausreichendem Umfang für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung. Hinzu kommt, daß er wegen der schon erörterten Eigenheiten des Faches Pathologie sowie wegen der in seiner Funktion als Krankenhausarzt fehlenden Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung in der Einteilung seiner Arbeitszeit als angestellter Arzt weitgehend frei ist.
Neuerdings bestätigen die Regelungen der §§ 101 Abs 1 Nr 4, Abs 3 Satz 1 SGB V idF des 2. NOG, daß einer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich nicht entgegensteht, wenn ein Arzt nicht seine gesamte Arbeitskraft der vertragsärztlichen Tätigkeit zu widmen bereit ist. Danach wird dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die Ermächtigung übertragen, im Rahmen der Bedarfsplanungsrichtlinien „Ausnahmeregelungen für die Zulassung eines Arztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind” vorzusehen, „sofern der Arzt die vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam mit einem dort bereits tätigen Vertragsarzt desselben Fachgebiets ausüben will und sich die Partner der Gemeinschaftspraxis gegenüber dem Zulassungsausschuß zu einer Leistungsbegrenzung verpflichten, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet”. Mit der Einführung des sog Job-sharing-Modells (vgl Beschlußempfehlung und Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 13/7264, S 65, zu Art 1 Nr 27c) erlaubt das Gesetz nunmehr ausdrücklich, daß sich zwei Vertragsärzte die bisher von einem Arzt geleistete vertragsärztliche Tätigkeit teilen.
Nach alledem ist die vom Beklagten vorgenommene Zulassung des Beigeladenen zu 1) rechtmäßig und die dies bestätigende erstinstanzliche Entscheidung wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174394 |
BSGE 81, 143 |
BSGE, 143 |
NJW 1998, 3442 |
MedR 1998, 279 |
SGb 1998, 657 |
SozR 3-2500 § 95, Nr.16 |
KHuR 1998, 38 |
KHuR 1999, 29 |
SozSi 1998, 438 |
SozSi 1999, 76 |