Beteiligte
Sächsische Landwirtschaftliche Alterskasse |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt Ausgleichsgeld für landwirtschaftliche Arbeitnehmer mit der Begründung, sie sei zum 31. Dezember 1996 aufgrund von Flächenstillegungsmaßnahmen entlassen worden.
Die im Januar 1942 geborene Klägerin war von 1986 bis September 1991 als Mitglied der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Pflanzenproduktion Hartmannsdorf im Feldbau beschäftigt; danach war sie bis zum 31. Dezember 1996 als Melkerin bei der Agrargenossenschaft Friedersdorf eG tätig. Ihr am 21. Juni 1996 bei der Beklagten gestellter Antrag auf Gewährung von Ausgleichsgeld blieb ebenso erfolglos wie Widerspruch, Klage und Berufung (Bescheid vom 10. September 1997, Widerspruchsbescheid vom 17. November 1997; Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. Januar 1999; Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 27. Juli 2000).
Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen der §§ 9 Abs 1, 13 Abs 1 Nr 6 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit ≪FELEG≫ (BGBl 1989 I, 233 idF des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 – BGBl I, 3843) lägen im Falle der Klägerin nicht vor. Für den nach der Kausalnorm der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Zusammenhang zwischen dem Ende der Beschäftigung der Klägerin und der Stillegung/Abgabe von Flächen des Betriebes sei eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung mehrerer Kriterien vorzunehmen. Dabei handele es sich um das Motiv für die Beendigung der Beschäftigung, den inneren und den zeitlichen Zusammenhang zwischen Ende der Beschäftigung und Stillegung, die Proportionalität zwischen dem Verhältnis der durch die Stillegung/Abgabe freigesetzten Arbeitnehmer zur Gesamtzahl der Arbeitnehmer und um das Verhältnis der in die Stillegung einbezogenen Flächen zur Gesamtfläche des Unternehmens. Außerdem müsse der konkrete Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen sein und Art und Umfang der Beschäftigung des Arbeitnehmers vor der Stillegung berücksichtigt werden.
Im vorliegenden Fall fehle es nach wertender Zusammenschau aller Kriterien an diesen Voraussetzungen. Trotz Stillegungen von Flächen seit 1995 sei kein Arbeitnehmer entlassen worden, die Klägerin sei sogar noch bis Ende 1996 weiterbeschäftigt worden. Die Stillegungsfläche 1996 sei weitaus geringer als die im Jahre 1995 gewesen. Die Quote der für 1995 freisetzbaren Arbeitnehmer könne nicht auf 1996 übertragen werden. Anderenfalls würde man den erforderlichen inneren Zusammenhang außer Acht lassen. Der Kuhbestand schließlich sei von 1993 bis 1996 ebenfalls nur von 257 auf 241 Tiere verringert worden. Die Tätigkeit der Klägerin habe keinen unmittelbaren Flächenbezug gehabt und besondere Umstände, die zur Bejahung der Kausalität zwischen Flächenstillegung und Kündigung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Wollte man jede noch so geringe Mitursächlichkeit zwischen Flächenstillegungen ihres früheren Arbeitgebers und dem Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin ausreichen lassen, gäbe man de facto die Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung auf. Das würde dem Gesetzeszweck des FELEG zuwiderlaufen. Wären alle Ursachen gleichwertig, müßte jeder noch so vage Zusammenhang zwischen Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und Flächenstillegung zur Bejahung des Kausalzusammenhanges führen. Erforderlich sei aber eine wertende Betrachtung.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Es werde an der Rechtsauffassung festgehalten, daß ein wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen der Flächenstillegung beim ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin im Jahr 1995 und der Entlassung der Klägerin zum 31. Dezember 1996 bestehe. Es dürften keine strengen Anforderungen an die Kausalität gestellt werden; vielmehr genüge (jede) Mitursächlichkeit. Der Kausalitätsnachweis sei bereits erbracht, wenn der Unternehmer bestätige, daß der Verlust des Arbeitsplatzes auf die Stillegung/Abgabe zurückzuführen sei, es sei denn, es lägen konkrete Erkenntnisse darüber vor, daß die Angabe nicht der Realität entspreche. Das sei hier nicht der Fall. Im übrigen führe auch eine nähere Prüfung der Kausalität zu keinem anderen Ergebnis.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 2000 und des Sozialgerichts Dresden vom 27. Januar 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. September 1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Ausgleichsgeld ab dem 1. Januar 1997 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet.
Das angefochtene Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung des allein gerügten materiellen Rechts. Das LSG hat die Kausalitätserfordernisse des vor allem streitigen Begriffs „auf Grund” in § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und § 13 Abs 1 FELEG nicht verkannt.
Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 FELEG in der hier maßgebenden Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) erhalten ua Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, ein Ausgleichsgeld, wenn – neben weiteren, hier nicht zu erörternden Voraussetzungen nach §§ 9 Abs 1, 13 Abs 1 Nr 6, 18c Abs 1 FELEG
- ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stillegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und
- sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate in Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stillegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind.
Das LSG hat sich in seiner Beurteilung, daß diese Voraussetzungen bei der Klägerin nicht erfüllt seien, ausschließlich auf eingehende Ausführungen zu den Kausalitätserfordernissen in den §§ 9 und 13 FELEG sowie auf die im einzelnen von ihm festgestellten tatsächlichen Umstände gestützt. Diese nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen. Wie vom LSG richtig erkannt, gibt der Rechtsbegriff „auf Grund” in § 9 und § 13 FELEG einen kausalen Zusammenhang iS der Norm der wesentlichen Bedingung wieder.
Danach dürfen als Ursachen für das Ende der Beschäftigung eines landwirtschaftlichen Arbeitnehmers – unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes – nur die (naturwissenschaftlich wirksam gewordenen) Bedingungen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl zB BSG, Urteil vom 12. Juni 2001 – B 9 V 5/00 –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen und BSGE 1, 72, 76). Die Beurteilung, ob eine Bedingung wesentlich und deshalb (auch) rechtlich Ursache oder Mitursache ist, stellt eine Wertentscheidung dar (vgl zB BSGE 69, 108, 113 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6). Sie richtet sich nach der Qualität der Bedingung, die nicht davon abhängt, an welcher Stelle der Kausalkette sie steht. Insbesondere ist eine Bedingung nicht erst (oder schon) deshalb wesentlich, weil sie als letzte eingetreten ist und den Erfolg sichtbar gemacht hat (vgl BSGE 13, 40, 42 = SozR Nr 9 zu § 35 Bundesversorgungsgesetz ≪BVG≫). Entscheidend kommt es stets auf die Umstände des einzelnen Falles an (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 81). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie sämtlich wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinn (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO); ist eine der Bedingungen oder sind mehrere Bedingungen gemeinsam gegenüber anderen Bedingungen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur jene die wesentliche Bedingung und damit die Ursache im Rechtssinne der geltenden Kausalitätslehre (vgl BSGE 12, 242, 245 f = SozR Nr 27 zu § 542 aF RVO; zum Vorstehenden vgl näher das Senatsurteil vom heutigen Tage – B 10 LW 9/00 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Diese Regeln hat das Berufungsgericht beachtet. Ob die oben bezeichneten Voraussetzungen hier vorliegen, erfordert tatsächliche Feststellungen des LSG, die für das Bundessozialgericht (BSG) bindend sind, sofern sie nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG), hier also die Feststellung der Umstände, die einen Ursachenzusammenhang zwischen Flächenstillegung und Entlassung der Klägerin begründen können oder ihm entgegenstehen. Solche Feststellungen hat das LSG getroffen und insbesondere wertend festgestellt, daß keiner von den erörterten Umständen als wesentliche Bedingung iS der sozialrechtlichen Kausalitätsnorm für die Bejahung eines Kausalzusammenhangs zwischen Flächenstillegung und Entlassung der Klägerin anzusehen ist.
Zutreffend hat das LSG – neben anderen Kriterien – insbesondere auch den zeitlichen Zusammenhang zwischen Flächenstillegung und Entlassung der Klägerin geprüft. Bei der Beurteilung, ob eine bestimmte Ursache eine bestimmte Wirkung ausgelöst hat, können durchaus auch zeitliche Kriterien eine Rolle spielen. Dies ist in der Verwaltungspraxis seit längerem erkannt und umgesetzt worden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat unter dem 14. März 1997 im Hinblick auf die Verwaltungspraxis der Sächsischen Landwirtschaftlichen Alterskasse Grundsätze zur Ausgleichsgeldgewährung nach dem FELEG entwickelt, die auch auf die Frage der zeitlichen Kausalität zwischen Stillegung/Abgabe und Entlassung von Arbeitnehmern eingehen. Danach ist – als „Faustregel” – die zeitliche Kausalität regelmäßig in solchen Fällen gegeben, in denen die Entlassung der Arbeitskräfte innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten vor bzw nach dem Zeitpunkt der Stillegung/Abgabe des Unternehmens oder von landwirtschaftlichen Nutzflächen erfolgt ist (Nr 2.2.1). Die „Sechs-Monatsregel” stellt indes eine widerlegliche Vermutung dar (Nr 2.2.3). Außerdem binden diese Grundsätze die Gerichte nicht. Das LSG durfte danach insoweit an den auch bereits im Gesetzgebungsverfahren erörterten zeitlichen Kausalzusammenhang anknüpfen (vgl BT-Drucks 13/331 S 7). Seine Feststellungen, insbesondere daß der zeitliche Ursachenzusammenhang im vorliegenden Falle nach wertender Gesamtschau jedenfalls deshalb nicht gegeben ist, weil die Klägerin noch fast zwei Jahre nach der Flächenstillegung weiterbeschäftigt worden ist, beruhen danach jedenfalls auf anerkannten Grundlagen. Diese nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des LSG binden den Senat (§ 163 SGG). Danach ergibt sich, daß zwischen der im Jahre 1995 durchgeführten Flächenstillegung und der Beendigung der Beschäftigung der Klägerin in dem landwirtschaftlichen Unternehmen kein ursächlicher Zusammenhang bestand. Damit liegt die geforderte Kausalität iS der §§ 9 und 13 FELEG nicht vor.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen