Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. 90 vH des kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgeltes oder 100 vH des zuletzt gezahlten laufenden Nettoarbeitsentgelts. Zusammensetzung. beitragspflichtige Einmalzahlung. Höhe der Vergütungsbestandteile, die einer arbeitsrechtlichen Kürzung oder Verweigerung durch Arbeitgeber bei krankheitsbedingten Fehltagen unterliegen
Leitsatz (amtlich)
Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 90 vH des kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts, wenn sich ihre beitragspflichtigen Einmalzahlungen zu zwei Dritteln oder mehr aus Vergütungsbestandteilen zusammensetzen, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Fehltage arbeitsrechtlich kürzen oder gänzlich verweigern darf. Eine Begrenzung des Krankengeldes auf 100 vH des zuletzt gezahlten laufenden Nettoarbeitsentgelts ist nur zulässig, wenn sich die Einmalzahlungen zu mehr als einem Drittel aus Vergütungsbestandteilen zusammensetzen, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf Fehltage nicht kürzen oder gänzlich verweigern darf.
Normenkette
SGB IV § 23a; SGB V § 47 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2000-12-21, S. 2 Fassung: 2000-12-21, S. 3 Fassung: 2000-12-21, S. 4 Fassung: 2000-12-21, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2000-12-21, S. 2 Fassung: 2000-12-21, S. 3 Fassung: 2000-12-21, S. 4 Fassung: 2000-12-21, S. 5 Fassung: 2000-12-21, S. 6 Fassung: 2000-12-21; GG Art. 3 Abs. 1; EntgFG § 4a Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob das unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen zu berechnende Krankengeld (Krg) auf das Nettoentgelt, das zuletzt aus laufendem Arbeitsentgelt erzielt wurde, begrenzt werden darf.
Die beklagte Ersatzkasse gewährte dem bei ihr versicherten Kläger vom 25. Dezember 1999 bis 31. Mai 2000 Krg. Sie legte der Krg-Berechnung dabei zunächst nur das laufend gewährte Arbeitsentgelt zu Grunde (4.503,50 DM) und zahlte dem Kläger Krg, das auf 90 vH des zuletzt abgerechneten laufenden Nettoarbeitsentgelts (2.680,52 DM) begrenzt war und kalendertäglich 80,42 DM betrug (2.680,52 DM × 90 vH : 30 = 80,415 DM; Bescheid vom 5. Januar 2000). Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, weil bei der Krg-Berechnung auch Einmalzahlungen zu berücksichtigen seien. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1971) half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab: Sie bezog nunmehr auch die in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gewährten Einmalzahlungen in Höhe von 12.282,86 DM in die Krg-Berechnung ein und zahlte dem Kläger unter Anrechnung geleisteter Zahlungen ein kalendertägliches Krg in Höhe von nunmehr 89,35 DM (Bescheid vom 14. Februar 2001). Sie führte aus, auch unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen dürfe das Krg nicht höher sein als das zuletzt laufend gezahlte Nettoarbeitsentgelt (89,35 DM). Soweit der Kläger darüber hinaus Krg in Höhe von 90 vH des um pauschalierte Netto-Einmalzahlungen erhöhten laufenden Nettoarbeitsentgelts (täglich 98,69 DM, sog kumuliertes tägliches Nettoarbeitsentgelt) begehrte, wies sie den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 9. August 2001).
Das Sozialgericht (SG) hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 31. Januar 2003). Das Landesozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 10. Februar 2005). Beide Gerichte haben einen Anspruch auf den Differenzbetrag von täglich 9,34 DM (98,69 DM ./. 89,35 DM) abgelehnt und darauf hingewiesen, dass das kalendertägliche Krg auch bei Vorliegen von Einmalzahlungen das nach § 47 Abs 2 Sätze 1 bis 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) berechnete kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen dürfe. § 47 Abs 1 Satz 4 SGB V nehme insoweit nur auf die Sätze 1 bis 5, nicht jedoch auf Satz 6 des § 47 Abs 2 SGB V Bezug, der sich mit den Einmalzahlungen befasst. Lohnersatzleistungen dürften die “eigentlichen Lohnzahlungen” der Höhe nach nicht übertreffen. Versicherte sollten nicht an ihrer Arbeitsunfähigkeit “verdienen”. Bei Berücksichtigung von Einmalzahlungen erhöhe sich der Zahlbetrag des Krg auf höchstens 100 vH des aus laufendem Arbeitsentgelt berechneten Nettoarbeitsentgelts.
Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Zahlung weiterer 9,34 DM täglich für die Zeit vom 25. Dezember 1999 bis 31. Mai 2000. § 47 Abs 1 Satz 4 SGB V sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass sowohl bei der Berechnung des Regelentgelts als auch bei der Begrenzung auf 90 vH des kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts entsprechend § 47 Abs 2 Satz 6 SGB V das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sei. Die Beklagte sei nicht berechtigt, das Krg trotz Vorliegens von Einmalzahlungen auf 100 vH des nur aus laufendem Arbeitsentgelt berechneten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts (89,35 DM) zu beschränken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Januar 2003 und das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 5. Januar und 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2001 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 25. Dezember 1999 bis 31. Mai 2000 kalendertäglich weitere 9,34 DM Krg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Das dem Kläger vom 25. Dezember 1999 bis 31. Mai 2000 zustehende Krg ist unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen zu berechnen (dazu 1.). Der Kläger hat wegen der Höhe seines Nettoarbeitsentgelts zwar keinen Anspruch auf Krg in Höhe von 70 vH des kumulierten kalendertäglichen Regelentgelts (zu dessen Berechnung unter 2.). Der Senat kann jedoch nicht abschließend darüber entscheiden, ob ihm Krg in Höhe von 90 vH des kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts zusteht, das durch Addition des tatsächlichen kalendertäglichen laufenden Nettoarbeitsentgelts mit den pauschalierten kalendertäglichen Netto-Einmalzahlungen ermittelt wird (dazu unter 3.), oder ob sein Krg von der Beklagten zu Recht auf 100 vH des zuletzt aus laufendem Arbeitsentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelts begrenzt worden ist (dazu 4.). Die Entscheidung hierüber hängt von der Zusammensetzung und der Rechtsnatur der dem Kläger im Einzelnen gewährten Einmalzahlungen ab. Setzen sich die Einmalzahlungen ganz überwiegend (zu zwei Dritteln oder mehr) aus Vergütungsbestandteilen zusammen, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf Fehltage kürzen, aber nicht gänzlich verweigern darf, so bedarf es keiner verfassungskonformen Auslegung des § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V vor dem Hintergrund der Einmalzahlungs-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). In diesen Fällen darf das Krg auf 100 vH des zuletzt aus laufend gezahltem Arbeitsentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelts begrenzt werden (4.). Erhielt der Arbeitnehmer indessen zu einem erheblichen Teil (zu mehr als einem Drittel) Einmalzahlungen, die bei länger dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit überhaupt nicht mehr zu zahlen sind, scheidet eine Begrenzung des Krg auf 100 vH des zuletzt aus laufend gezahltem Arbeitsentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelts in verfassungskonformer Auslegung des § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V aus. In diesem Fall ist dem Versicherten Krg in Höhe von 90 vH des kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts zu gewähren, auch wenn dies mehr ergibt als 100 vH des zuletzt aus laufend gezahltem Arbeitsentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelts (dazu 4.c). In welchem Umfang der Kläger gänzlich entfallende und in welchem Umfang er allenfalls kürzbare Einmalzahlungen erhalten hat, ist vom LSG bisher nicht festgestellt worden (dazu 5.).
1. Bei der Berechnung des Krg des Klägers sind Einmalzahlungen zu berücksichtigen. Auf den vorliegenden Rechtsstreit findet, obwohl der Krg-Anspruch bereits im Dezember 1999 entstanden ist, § 47 SGB V bereits in derjenigen Fassung Anwendung, die er durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1971) gefunden hat.
a) Ursprünglich wurden die in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung aus Beitragsmitteln finanzierten kurzfristigen Lohnersatzleistungen nur nach den laufenden beitragspflichtigen Arbeitsentgelten berechnet. Einmalzahlungen wurden nicht berücksichtigt, obwohl auch Zuwendungen der Beitragspflicht unterlagen, die dem Arbeitnehmer nicht als laufendes Entgelt, sondern in der Form von Sonderzahlungen einmalig zuflossen, wie zB das Weihnachts- und Urlaubsgeld oder Urlaubsabgeltungen (vgl § 14 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB IV≫). Das BVerfG hat diese rechtliche Ausgestaltung in seinem Beschluss vom 11. Januar 1995 beanstandet. Danach ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) unvereinbar, einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw) zu Sozialversicherungsbeiträgen heranzuziehen, ohne dass dieses bei der Berechnung kurzfristiger Lohn- bzw Entgeltersatzleistungen (beispielsweise Arbeitslosengeld, Krg und Übergangsgeld) berücksichtigt wird (vgl BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6). Auf Grund dieses Beschlusses hatte der Gesetzgeber das “Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt” vom 12. Dezember 1996 (BGBl I 1859; im Folgenden: EinmalzahlungsG) erlassen und zum 1. Januar 1997 in Kraft gesetzt. Auf Grund mehrerer Vorlagebeschlüsse von Sozialgerichten wurde das BVerfG erneut mit der nunmehr nach Maßgabe des EinmalzahlungsG vorzunehmenden Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen befasst. Mit Beschluss vom 24. Mai 2000 hat das BVerfG entschieden, dass auch das EinmalzahlungsG vom 12. Dezember 1996 verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt (BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1). Das BVerfG hat dem Gesetzgeber einen erneuten Auftrag zur Beseitigung des gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßenden Rechtszustandes erteilt und Regelungen verlangt, die einmalig gezahlte Arbeitsentgelte bei den Entgeltersatzleistungen anspruchserhöhend berücksichtigen, soweit über deren Gewährung für die Zeit nach dem 1. Januar 1997 noch nicht bestandskräftig entschieden worden war.
b) Der Gesetzgeber hat daraufhin das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21. Dezember 2000 erlassen. Dessen Art 2 Nr 1 änderte den die Krg-Berechnung betreffenden § 47 SGB V zwar rückwirkend, aber erst mit Wirkung vom 22. Juni 2000 (vgl Art 6 Einmalzahlungs-NeuregelungsG). Der ebenfalls am 22. Juni 2000 ins SGB V eingefügte § 47a Abs 1 ordnet jedoch entsprechend dem Regelungsauftrag des BVerfG an, dass für Ansprüche auf Krg, die vor diesem Zeitpunkt entstanden und über die am 21. Juni 2000 noch nicht unanfechtbar entschieden war, § 47 SGB V in seiner ab dem 22. Juni 2000 geltenden Fassung Anwendung findet. Dies ist hier der Fall. Über den am 25. Dezember 1999 entstandenen Krg-Anspruch des Klägers war am 22. Juni 2000 ein Widerspruchsverfahren anhängig. Eine bestandskräftige Entscheidung erging erst im Dezember 2000. Über den streitbefangenen Krg-Anspruch ist somit gemäß § 47a Abs 1 SGB V auf Grund des § 47 SGB V in seiner seit dem 22. Juni 2000 geltenden Fassung zu entscheiden.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krg in Höhe von 70 vH des kumulierten kalendertäglichen Regelentgelts. Vielmehr war dieses auf einen niedrigeren Betrag zu begrenzen.
a) Nach § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des Einmalzahlungs-NeuregelungsG beträgt das Krg 70 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (sog Regelentgelt). Die Berechnung des Regelentgelts wird durch § 47 Abs 2 SGB V vorgegeben. Danach ist in einem ersten Schritt von dem im maßgeblichen Bemessungszeitraum abgerechneten Arbeitsentgelt zunächst einmalig gezahltes Arbeitsentgelt abzuziehen (aaO Satz 1). Wird das Arbeitsentgelt – wie vorliegend – als festes monatliches Entgelt gezahlt, so ist das um Einmalzahlungen bereinigte Regelentgelt durch 30 zu teilen (aaO Satz 3). Dies ergibt das kalendertägliche, um Einmalzahlungen bereinigte Regelentgelt. Zur Einbeziehung von Einmalzahlungen verlangt § 47 Abs 2 Satz 6 SGB V in einem zweiten Schritt der Krg-Berechnung, dass der dreihundertsechzigste Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 23a SGB IV der Beitragsberechnung zu Grunde gelegen hat, ermittelt und – in einem dritten Schritt – zu dem nach § 47 Abs 2 Satz 1 bis 5 SGB V berechneten (laufenden) Arbeitsentgelt hinzugerechnet wird. Die Summe dieser Teilbeträge ergibt das sog kumulierte kalendertägliche Regelentgelt (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz, BT-Drucks 14/4371 S 15 f zu Art 2 Nr 1 Buchst a und b).
b) Danach war das Krg im Falle des Klägers wie folgt zu berechnen: |
1. Schritt: Ermittlung des kalendertäglichen, um Einmalzahlungen bereinigten Regelentgelts |
150,12 DM |
Brutto-Monatsentgelt Oktober 1999: |
4.503,50 DM : 30 |
= |
2. Schritt: Ermittlung des auf Einmalzahlungen entfallenden kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrages: |
34,12 DM |
Brutto-Einmalzahlungen von November 1998 bis Oktober 1999 |
12.282,86 DM : 360 |
= |
3. Schritt: Die Addition der vorgenannten Teilbeträge ergibt das kumulierte kalendertägliche Regelentgelt (brutto) |
184,24 DM |
150,12 DM + 34,12 DM |
= |
c) Das Krg beträgt im Regelfall 70 vH des kumulierten Regelentgelts, was vorliegend einem Betrag von 128,97 DM (184,24 × 70 vH) entspräche. Nach § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V darf das Krg allerdings 90 vH des bei entsprechender Anwendung des § 47 Abs 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen (dazu unter 3.)
3. Die in § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V geforderte Vergleichsberechnung ergibt, dass der Betrag von 70 vH des kumulierten Regelentgeltes den Betrag von 90 vH des bei entsprechender Anwendung des § 47 Abs 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts stets übersteigt.
a) Auch die Berechnung des kalendertäglichen kumulierten Nettoarbeitsentgelts ist in mehreren Schritten vorzunehmen. Nach § 47 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 SGB V ist in einem ersten Schritt das um Einmalzahlungen bereinigte zuletzt abgerechnete kalendertägliche (laufende) Nettoarbeitsentgelt zu ermitteln. Sodann ist – zweitens – gemäß § 47 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 6 SGB V der dreihundertsechzigste Teil des einmalig gezahlten Nettoarbeitsentgelts zu ermitteln, soweit dieses in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 23a SGB IV der Beitragsberechnung zu Grunde gelegen hat.
b) Das tägliche Einmalzahlungs-Nettoarbeitsentgelt ist allerdings nicht nach dem individuellen, auf Einmalzahlungen entfallenden Nettoarbeitsentgelt zu ermitteln, sondern das Gesetz sieht dessen Pauschalierung nach Maßgabe des § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V vor. Danach ist für diese Berechnung des Einmalzahlungs-Nettoarbeitsentgelts der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag nach § 47 Abs 2 Satz 6 SGB V ergebende Anteil am Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach § 47 Abs 2 Satz 1 bis 5 SGB V zu dem sich aus diesem Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Regelung heißt es dazu: “Der Anteil am Nettoarbeitsentgelt, der auf Einmalzahlungen entfällt, ergibt sich aus der Anwendung des individuellen Vomhundertsatzes, der dem Verhältnis des laufenden Nettoarbeitsentgelts am laufendem Bruttoarbeitsentgelt entspricht” (vgl aaO, BT-Drucks 14/4371 S 16).
Dies bedeutet, dass der prozentuale Anteil des kalendertäglichen laufenden Nettoarbeitsentgelts am kalendertäglichen laufenden Bruttoarbeitsentgelt zu ermitteln ist. Der sich hieraus ergebende Prozentsatz ist auf die kalendertäglichen Brutto-Einmalzahlungen (hier: 34,12 DM) anzulegen. Dieses ergibt den auf den Kalendertag entfallenden pauschalierten Netto-Hinzurechnungsbetrag für Einmalzahlungen. Die derart pauschalierten kalendertäglichen Netto-Einmalzahlungen sind – in einem dritten Schritt – dem tatsächlichen Nettoarbeitsentgelt hinzuzurechnen. 90 vH dieser Summe ergeben sodann – in einem vierten Schritt – den gemäß § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V maßgebenden Höchstbetrag des an den Versicherten zu zahlenden kalendertäglichen Krgs (hier: 98,69 DM).
c) Danach war der Höchstbetrag der 90 % des bei entsprechender Anwendung des § 47 Abs 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts des Klägers wie folgt zu ermitteln: |
1. Schritt: Ermittlung des kalendertäglichen, um Einmalzahlungen bereinigten Nettoentgelts |
89,35 DM |
Netto-Arbeitsentgelt Oktober 1999 |
2.680,52 DM : 30 |
= |
2. Schritt: Ermittlung der kalendertäglichen Netto-Einmalzahlungen: |
34,12 DM |
a) Brutto-Einmalzahlungen von November 1998 bis Oktober 1999 |
12.282,86 DM : 360 |
= |
b) Ermittlung des Verhältnisses des kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts zum kalendertäglichen Brutto-Arbeitsentgelt |
59,51 vH |
89,35 DM von 150,12 DM |
= |
c) Anlegen des ermittelten vH-Satzes auf die kalendertäglichen Brutto-Einmalzahlungen |
20,31 DM |
59,51 vH von 34,12 DM |
= |
3. Schritt: Ermittlung des kumulierten kalendertäglichen Netto-Arbeitsentgelts durch Addition des tatsächlichen kalendertäglich laufenden Nettoarbeitsentgelts mit den pauschalierten kalendertäglichen Netto-Einmalzahlungen |
109,66 DM |
89,35 DM + 20,31 DM |
= |
4. Schritt: Begrenzung auf 90 vH |
98,69 DM |
109,66 DM × 90 vH |
= |
d) Der gemäß § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V vergleichend heranzuziehende Höchstbetrag von 90 vH des pauschalierten, Einmalzahlungen berücksichtigenden kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts beträgt demnach im Falle des Klägers 98,69 DM.
4. Nach der gemäß § 47 Abs 1 Satz 4 SGB V erforderlichen weiteren Vergleichsberechnung darf das nach Satz 1 bis 3 berechnete kalendertägliche Krg das sich aus dem Arbeitsentgelt nach § 47 Abs 2 Satz 1 bis 5 SGB V ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen.
a) In der Gesetzesbegründung (vgl aaO BT-Drucks 14/4371 S 16) hierzu wird ausgeführt: “Um sicherzustellen, dass der Krankengeldbezieher gegenüber anderen Arbeitnehmern keinen Vorteil erlangt, darf das so errechnete Krankengeld das Nettoarbeitsentgelt ohne Berücksichtigung von Einmalzahlungen im Referenzzeitraum von vier Wochen bzw. einem Monat vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht übersteigen”. Diese Begrenzung folge aus der Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53, 71 f = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21 f), in der es heißt: Allerdings darf durch die Berechnung der laufenden Lohnersatzleistungen nicht die wirtschaftliche Situation des Versicherten verzerrt oder dieser gar besser gestellt werden, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stünde.
Die Beklagte zieht aus der Systematik des § 47 Abs 2 SGB V und der zitierten Gesetzesbegründung den Schluss, das Krg sei generell auf den Betrag des zuletzt im Bemessungszeitraum erzielten (vollen) Nettoarbeitsentgelts (hier: 89,35 DM) zu begrenzen (im Ergebnis ebenso Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 216; Kruse in LPK-SGB V § 47 RdNr 5; Höfler in Kasseler Komm, § 27 SGB V RdNr 7b ≪Stand September 2003≫) und daher scheide eine Zahlung in Höhe von 90 vH des kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts (hier: 98,69 DM) aus. Die Beklagte begrenzte deshalb das Krg auf 89,35 DM, dh auf 100 vH des aus dem laufenden Arbeitsentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelts. Dieser Ansicht kann nicht undifferenziert gefolgt werden.
Ist die Berechnung des Krg unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen vorzunehmen, so kommt eine Begrenzung des Krg auf 100 vH des zuletzt aus laufendem Arbeitsentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelts nur dann in Betracht, wenn sich die Einmalzahlungen ganz überwiegend, nämlich zu zwei Dritteln oder mehr, aus Vergütungsbestandteilen zusammensetzen, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf Fehltage allenfalls kürzen, aber nicht gänzlich verweigern darf. Da dem Versicherten die Einmalzahlungen des Arbeitgebers in einem solchen Fall jedenfalls zum Teil neben dem Krg zufließen und dieses auch nicht zum Ruhen bringen (vgl § 49 Abs 1 Nr 1 2. Halbsatz SGB V), ist die Begrenzung des Krg verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In anderen Fällen bedarf es dagegen verfassungskonformer Auslegung des § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V.
b) Das BVerfG hat es in seinem Beschluss vom 11. Januar 1995 als unvereinbar mit Art 3 Abs 1 GG angesehen, wenn Versicherte, die im Hinblick auf Einmalzahlungen ganz oder zum Teil der Beitragspflicht unterliegen, hinsichtlich kurzfristiger Entgeltersatzleistungen aus diesem Entgelt keine Leistungen erhalten, während Versicherte, die lediglich aus laufendem Arbeitsentgelt Beiträge zahlen, voll in den Genuss entsprechender Leistungen gelangen. Zwar sei es von Verfassungs wegen auch bei der Bemessung kurzfristiger Entgeltersatzleistungen nicht geboten, dass eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen erzielt wird. Für unterschiedliche Leistungen an Versicherte mit gleicher Beitragsbelastung müsse aber ein hinreichender sachlicher Grund bestehen (vgl BVerfGE 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21). Belasse es der Gesetzgeber dabei, die Höhe der jeweiligen Entgeltersatzleistung grundsätzlich an den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten zu orientieren, so müssten alle beitragspflichtigen Arbeitsentgelte berücksichtigt werden. Dies gelte unabhängig davon, wie der Gesetzgeber das konkrete Sicherungsziel bestimmte. Dieses Ziel könne der Erhalt des Lebensstandards auf der Grundlage der Entgelte aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis sein, aber auch der des Lebensstandards entsprechend einem eventuell neuen Arbeitsverhältnis, wenn Versicherungsfall der Eintritt der Arbeitslosigkeit sei oder wenn das bisherige Arbeitsverhältnis nach Eintritt eines anderen Versicherungsfalls beendet werde. Solange die Bemessung der Entgeltersatzleistung nicht in einer ganz unbedeutenden Weise durch das bisherige beitragspflichtige Arbeitsentgelt mitbestimmt werde, müssten alle Arbeitsentgeltbestandteile, die der Beitragspflicht unterworfen werden, einen grundsätzlich gleichen Erfolgswert haben. Der Erfolgswert von beitragspflichtigem einmalig gezahltem Arbeitsentgelt müsse zwar nicht zwingend im Rahmen des Berechnungsfaktors gesichert werden, nach dem die sonstigen beitragspflichtigen Arbeitsentgelte bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der gesetzgeberische Gestaltungsraum lasse hier verschiedene Regelungsmöglichkeiten zu. Entscheidend sei aber, dass die vom Gesetzgeber gewählte Lösung das beitragspflichtige einmalig gezahlte Arbeitsentgelt im Ergebnis berücksichtigte, sodass Versicherte mit einem gleich hohen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt auch mit einer gleich hohen Entgeltersatzleistung rechnen könnten, wenn sich ihre Situation nur dadurch unterscheide, dass einige von ihnen mehr, andere weniger und wieder andere überhaupt kein einmalig gezahltes Arbeitsentgelt erhielten (BVerfGE 102, 127, 144 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1 S 5).
Das Gebot der Wahrung des gleichen Erfolgswertes von Beiträgen aus laufend sowie aus einmalig gezahltem Arbeitsentgelt steht allerdings in einem Spannungsverhältnis zur Forderung des BVerfG, durch die Berechnung laufender Entgeltersatzleistungen weder die wirtschaftliche Situation des Versicherten zu verzerren noch diesen gar besser zu stellen, als er ohne den Eintritt des Versicherungsfalles stünde (vgl BVerfGE 92, 53, 71 f = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21 f). Letzteres wäre der Fall, wenn der Versicherte trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowohl einen Anspruch auf Krg aus einem kumulierten pauschalierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt hätte als auch seinen (arbeitsrechtlichen) Anspruch auf Gewährung der Einmalzahlungen weitgehend behielte. In diesem Fall träte durch die Kumulation verbleibender krankheitsunabhängig zustehender Einmalzahlungsansprüche mit dem “hohen” Krg-Anspruch eine Übersicherung ein.
Eine solche Situation besteht regelmäßig dann, wenn vertraglich vereinbarte oder vom Arbeitgeber ohne Rechtspflicht gewährte Einmalzahlungen in den Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit arbeitsrechtlich voll gezahlt werden müssen oder wegen fehlender Arbeitsleistung allenfalls gekürzt werden dürfen. In solchen Fällen erhält der Arbeitnehmer nämlich zusätzlich zum Krg noch Arbeitsentgelt in Form von Einmalzahlungen. Insoweit hält der erkennende Senat die Begrenzung des Krg auf 100 vH des letzten laufenden Nettoarbeitsentgelts bei gewährten beitragspflichtigen Einmalzahlungen für verfassungsrechtlich unbedenklich.
Im Sozialversicherungsrecht kann insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Arbeitsrecht eine krankheitsbedingte Kürzung von Sonderzuwendungen, die weitgehend dem Begriff der Einmalzahlungen des § 23a SGB IV entsprechen, nur in engen Grenzen zulässt (vgl dazu Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 47 SGB V RdNr 53b, Stand April 2002). Nach § 4a Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist eine Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit zwar grundsätzlich zulässig. Hierzu bedarf es jedoch gemäß § 4a Satz 1 EFZG einer entsprechenden einzel- oder kollektivvertraglichen Vereinbarung. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, ist eine Kürzung von Sondervergütungen bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unzulässig. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer seinen vollen Sondervergütungsanspruch insoweit behält. Darüber hinaus darf selbst im Falle des Vorliegens einer zulässigen Kürzungsvereinbarung die Kürzung nach § 4a Satz 2 EFZG für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts nicht überschreiten, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt. Der Arbeitnehmer behält also trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kraft Gesetzes seinen Anspruch auf die Sondervergütungen regelmäßig jedenfalls zum Teil. Die Einschränkungen des § 4a EFZG gelten für alle krankheitsbedingten Fehltage, unabhängig davon, ob für diese nach § 3 Abs 1 EFZG Entgeltfortzahlung zu leisten war oder nicht (vgl zB Treber, EFZG, 2005, § 4a EFZG RdNr 15; Feichtinger/Malkus, EFZG, 2003, § 4a EFZG RdNr 22; RdNr 44 mit Berechnungsbeispiel).
Ob eine Sonderzuwendung in den Anwendungsbereich des § 4a EFZG fällt, ist jeweils durch Auslegung der tarifvertraglichen bzw einzelarbeitsvertraglichen Regelungen zu ermitteln. Der Anwendungsbereich des § 4a EFZG ist nicht eröffnet, dh ein vollständiger Wegfall der Sonderzahlung zulässig, wenn es sich um arbeitsleistungsbezogene, in das unmittelbare vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung einbezogene Sonderzahlungen handelt, mit denen ein darüber hinausgehender Zweck (zB Belohnung der Betriebstreue) nicht verfolgt wird (vgl Feichtinger/Malkmus, aaO, § 4a RdNr 6). Solche arbeitsleistungsbezogenen Vergütungen sind ohne tatsächliche Arbeitsleistung arbeitsrechtlich nur eingeschränkt fortzuzahlen, nämlich (idR zeitlich beschränkt) dann, wenn die Entgeltfortzahlung auf Grund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen zu leisten ist. Nach dem Ende des Anspruchs auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entfällt gemäß § 3 Abs 1 EFZG auch der Anspruch auf solche arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlungen, weil für die Dauer der weiteren Arbeitsunfähigkeit keine Vergütungspflichten mehr bestehen. Einer gesonderten Kürzungsvereinbarung bedarf es in solchen Fällen nicht (BAG, Urteil vom 21. März 2001, AP Nr 1 zu § 4b EntgeltFG = NZA 2001, 785; Linck in: Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 11. Aufl 2005, § 78, S 643 RdNr 13).
Ist ein Gratifikationsanspruch hingegen für den Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht ausgeschlossen, kann er in voller Höhe entstehen. Dies wird in der Regel bei freiwilligen Jahressonderzahlungen mit Rückzahlungsklausel wie dem Weihnachtsgeld der Fall sein. Aus dem Zweck der Sonderzuwendung, den Einsatz des Arbeitnehmers über die konkrete (Arbeits-)Leistung hinaus zusätzlich zu “belohnen”, kann nicht ohne Weiteres ein Wegfall oder eine Einschränkung des Anspruchs im Falle krankheitsbedingter Fehlzeiten abgeleitet werden (vgl BAG, Urteil vom 7. August 2002 – 10 AZR 709/01, BAGE 102, 151 = AP Nr 2 zu § 4a EntgeltFG; Linck, aaO, RdNr 13a mit Nachweisen aus der Rspr des BAG; zur Abgrenzung arbeitsleistungsbezogener und sonstiger Sonderzahlungen vgl auch Vossen in: Farthmann/Hanau ua ≪Hrsg≫, Arbeitsgesetzgebung und Arbeitsrechtsprechung; Festschrift zum 70. Geburtstag von Eugen Stahlhacke, 1995, S 617, 618 f; Tofall, ZTR 1997, 446 f; Sowka, NZA 1993, 783 f). In solchen Fällen kann eine Kürzung nur durch ausdrückliche Vereinbarung und nur nach Maßgabe des § 4a EFZG erfolgen.
c) Der erkennende Senat zieht aus den Vorgaben der genannten Einmalzahlungsentscheidungen des BVerfG sowie aus den arbeitsrechtlichen Rechtsgrundsätzen zu Sondervergütungen folgenden Schluss:
(1) Die durch § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V angeordnete pauschalierende Begrenzung des Krg auf das volle zuletzt aus “laufendem” Arbeitsentgelt erzielte Nettoarbeitsentgelt führt zwar zu einer gewissen Beeinträchtigung des Erfolgswertes beitragspflichtiger Einmalzahlungen, wie sie oben (unter 4.b) dargestellt worden ist. Der erkennende Senat hält diese Begrenzung indessen mit Rücksicht auf die dem Versicherten verbleibenden arbeitsrechtlichen Ansprüche für gerechtfertigt, wenn eine Kürzung nur gemäß § 4a EFZG möglich ist. Versicherte werden mit Einmalzahlungen in solchen Fällen immer noch besser gestellt als Versicherte, bei denen das Krg nur aus laufendem Arbeitsentgelt zu berechnen wäre; denn letztere erhalten maximal 90 vH, nicht 100 vH des zuletzt erzielten Nettoarbeitsentgelts. Die dem Versicherten arbeitsrechtlich ggf verbleibenden Einmalzahlungen schlagen mit einer pauschalen Erhöhung des Krg durch die Anhebung der Begrenzung von 90 vH auf 100 vH des letzten Nettoarbeitsentgelts zu Buche, bleiben also auch sozialversicherungsrechtlich nicht völlig unberücksichtigt, anders als dies vor Inkrafttreten des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes der Fall war.
Der erkennende Senat hält die vom Gesetz vorgesehene Vorgehensweise der Begrenzung des Krg auf das zuletzt gezahlte laufende Nettoarbeitsentgelt allerdings nur dann ohne Korrektur für gerechtfertigt, wenn die dem Versicherten arbeitsrechtlich verbleibenden vollen, bzw nach Maßgabe des § 4a EFZG allenfalls kürzbaren Ansprüche auf Sonderzuwendungen deutlich im Vordergrund stehen. Der Senat sieht ein solches Übergewicht im Interesse einer klaren Grenzziehung typisierend als gegeben an, wenn zwei Drittel oder mehr der Sonderzuwendungen gemäß § 4a EFZG allenfalls kürzbar sind und höchstens ein Drittel der Einmalzahlungen solcher Art ist, dass sie der Versicherte bei krankheitsbedingter Fehlzeit verliert.
(2) Anders verhält es sich dagegen, wenn im Einzelfall die Regelung des § 4a EFZG hinsichtlich eines wesentlichen Anteils der Sonderzuwendungen nicht eingreift und der Arbeitnehmer deshalb wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen arbeitsrechtlichen Anspruch auf die Sonderzuwendung (Einmalzahlung) zu mehr als einem Drittel verliert. In solchen Fällen besteht nicht die Gefahr, dass der Versicherte durch eine Kumulation von Krg und gleichwohl gewährten Sonderzuwendungen einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, sodass er besser steht als ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. In solchen Fällen muss der Forderung des BVerfG zum Durchbruch verholfen werden, dass den in einem laufenden Beschäftigungsverhältnis gezahlten Beiträgen aus einmalig und aus laufend gezahltem Arbeitsentgelt (zumindest annähernd) gleicher Erfolgswert zukommt. Dies ist nur dann in ausreichendem Maße gewährleistet, wenn in derartigen Konstellationen das Krg nicht auf das zuletzt nur aus laufend gezahltem Arbeitsentgelt erzielte Nettoarbeitsentgelt begrenzt ist. Vielmehr muss es dann im Wege verfassungskonformer Reduktion des § 47 Abs 1 Satz 4 SGB V bei der Begrenzung des Krg gemäß § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V auf 90 vH des durch Addition des tatsächlichen kalendertäglichen laufenden Nettoarbeitsentgelts mit den pauschalierten kalendertäglichen Netto-Einmalzahlungen ermittelten kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts verbleiben.
5. Der Senat verweist den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück, weil den Feststellungen des angefochtenen Urteils die Zusammensetzung der (angeblichen) Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 12.282,86 DM nicht hinreichend klar zu entnehmen ist.
a) Das LSG wird zunächst klären müssen, ob es sich bei sämtlichen Posten, die der Arbeitgeber des Klägers der Beklagten im Verwaltungsverfahren mitgeteilt hat, tatsächlich um Einmalzahlungen iS von § 23a SGB IV handelt (dazu Schlegel in Küttner, Personalbuch, 12. Aufl 2005, Einmalzahlungen, Rz 6 ff). Dies betrifft zB das im Tatbestand des LSG ohne nähere Kennzeichnung aufgeführte “leistungsorientierte Entgelt” und die “Tariferhöhung”. Vor allem für die “tarifliche Jahresabschlusszahlung” ist zu prüfen, ob es sich insoweit um ein 13. Monatsgehalt im Sinne einer ausschließlich arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung handelte (zur Auslegung vgl BAG, Urteil vom 5. Dezember 2001 – 10 AZR 242/01, NZA 2002, 584; Vossen in: Festschrift für Stahlhacke, aaO, S 617, 625), bei der nach der Zweckbestimmung der Arbeitsvertragsparteien bei Arbeitsunfähigkeit in Folge von Krankheit der Anspruch auf das 13. Monatsgehalt im Verhältnis zur Zahl der Krankheitstage entfällt. Anders verhält es sich, wenn die Jahresabschlusszahlung nach ihrer Zweckbestimmung eine nicht arbeitsleistungsbezogene Gratifikation bzw ein Weihnachtsgeld darstellte; hierfür könnte insbesondere das Vorhandensein einer Rückzahlungsklausel sprechen (zu Letzterem BAG, Urteil vom 7. August 2002 – 10 AZR 709/01, BAGE 102, 151 = AP Nr 2 zu § 4a EntgeltFG). In diesem Fall käme nur eine Kürzung nach Maßgabe des § 4a EFZG in Betracht.
b) Das LSG hat weiter zu ermitteln, welche Ansprüche auf Einmalzahlungen trotz der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ganz oder teilweise fortbestanden und welche nicht. Zugleich ist festzustellen, welchen Anteil die jeweiligen Einmalzahlungen an der Gesamtsumme der beitragspflichtigen Einmalzahlungen ausmachten. Sodann ist zu prüfen, ob dem Kläger Einmalzahlungen zu mindestens zwei Dritteln auch im Fall seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als allenfalls kürzbare Ansprüche verblieben. Anhand dessen wird das LSG zu entscheiden haben, ob die Beklagte das Krg zu Recht auf 89,35 DM täglich begrenzte oder ob dem Kläger ein höheres Krg zustand. Solche Ermittlungen müssen die Krankenkassen künftig zur Feststellung des zutreffenden Höchstbetrages des Krg generell vornehmen und ihre Arbeitgeberanfragen entsprechend ausgestalten.
6. Der Senat verkennt nicht, dass mit dieser Abgrenzung und den sich daran anschließenden Ermittlungen zur Zusammensetzung der einem Versicherten zustehenden Einmalzahlungen die Berechnung der Höhe des Krg erheblich schwieriger wird und dass dies dem wünschenswerten Bestreben nach rascher und einfacher Krg-Bewilligung zuwider läuft. Indessen hat die für die Berechnung des Krg maßgebliche Vorschrift des § 47 SGB V auch schon ohne diese Weiterung eine sehr hohe Komplexität erreicht. Diese weitere Komplizierung lässt sich trotz des allgemeinen Bestrebens des erkennenden Senats nach einfach handhabbaren, einer Massenverwaltung gerecht werdenden Regelungen nicht vermeiden, zumal das BVerfG hinsichtlich des Erfolgswerts der Beiträge aus Einmalzahlungen und laufend gezahltem Arbeitsentgelt für die Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen die gesetzliche Regelung bereits zwei Mal für verfassungswidrig erachtet und jeweils strenge Anforderungen aufgestellt hat. Diese Anforderungen für Fälle der vorliegenden Art weisen den Weg für eine verfassungskonforme Handhabung des § 47 SGB V. Insoweit ist es Sache des Gesetzgebers, eine Vereinfachung der Norm in Erwägung zu ziehen, wobei das Recht der Arbeitsförderung möglicherweise Vorbildfunktion haben könnte.
Dem LSG bleibt es vorbehalten, über die Kosten auch des Revisionsverfahrens zu befinden.
Fundstellen
Haufe-Index 1535727 |
BSGE 2007, 72 |
DStR 2006, 2219 |