Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung des steuerlichen Abzugsbetrags nach § 10e EStG im Gegensatz zur Eigenheimzulage bei der Arbeitslosenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Arbeitslosenhilfe lediglich die Eigenheimzulage und nicht auch den steuerlichen Abzugsbetrag gemäß § 10e EStG privilegiert hat.
Normenkette
SGB III § 194 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Nr. 4; AFG § 138 Abs. 3 Nr. 3a; EigZulG § 6 Abs. 3; EStG § 10e; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. Juni 2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 16. Juni 1999 bis zum 15. Juni 2000.
Der Kläger bezog bis zum 15. Juni 1999 Arbeitslosengeld (Alg). Anschließend bewilligte ihm die Beklagte Alhi ab 16. Juni 1999. Zunächst wurde durch Bescheid vom 4. Juni 1999 vorläufig Alhi bewilligt, die sodann durch Bescheid vom 2. Juli 1999 endgültig festgesetzt wurde. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Kläger machte im Widerspruchsverfahren wie auch im nachfolgenden Klageverfahren durchgehend geltend, der seiner Ehefrau gewährte steuerliche Abzugsbetrag gemäß § 10e Einkommensteuergesetz (EStG) dürfe bei der Ermittlung des Einkommens der Ehefrau im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht berücksichtigt werden. Durch einen weiteren Bescheid vom 9. Juli 1999 forderte die Beklagte einen Teil der vorläufig bewilligten Alhi in Höhe von 173,55 DM zurück. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Am 17. August 1999 erließ die Beklagte sodann zwei Änderungsbescheide. Zum einen erhöhte sie den wöchentlichen Zahlbetrag der Alhi auf 196,14 DM “wegen einer Erhöhung anrechenbarer Versicherungsbeträge des Klägers”. Weiterhin erließ sie einen Änderungsbescheid zum Erstattungsbescheid vom 9. Juli 1999 und reduzierte den vom Kläger geforderten Zahlbetrag von 173,55 DM auf 167,85 DM. Durch Widerspruchsbescheid vom 18. August 1999 wies die Beklagte sodann die Widersprüche des Klägers zurück, soweit ihnen nicht durch die Änderungsbescheide vom 17. August 1999 abgeholfen worden war.
Hiergegen hat der Kläger im August 1999 Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Nach Klageerhebung ergingen noch weitere Bescheide der Beklagten für nachfolgende Zeiträume. Insgesamt hat der Kläger drei Klagen zum SG erhoben. Das SG hat am 25. April 2002 diese drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und durch Urteil vom selben Tage abgewiesen. Der Kläger hat Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG haben die Beteiligten einen vom Landessozialgericht (LSG) so bezeichneten “Teilunterwerfungsvergleich” geschlossen, in dem sie den streitigen Zeitraum auf die Zeit vom 16. Juni 1999 bis 15. Juni 2000 begrenzt haben.
Das LSG hat sodann die Berufung durch Urteil vom 21. Juni 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass der monatlich gewährte Steuerfreibetrag gemäß § 10e EStG von dem Einkommen seiner Ehefrau abgezogen werde, “was den ihm gewährten Zahlbetrag an Alhi erhöhen würde”. § 194 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) beinhalte für das Recht der Alhi einen eigenständigen Einkommensbegriff, der sich nicht mit dem Steuerrecht decke. Es seien nur solche Beträge als Einkommen zu berücksichtigen, die im Alhi-Bezugszeitraum zuflössen. Maßgeblich sei allein der Zufluss im jeweiligen Bewilligungsabschnitt. Etwas anderes folge auch nicht aus § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III. Hiernach gelte lediglich die Eigenheimzulage nach dem Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohnungseigentumsförderung (EigZulG) nicht als Einkommen. Der Steuerfreibetrag gemäß § 10e EStG werde hingegen in § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III ausdrücklich nicht erwähnt. Dies beruhe nicht auf einem Versehen, sondern auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Bis zum Jahre 1995 hätten die Freibeträge gemäß § 10e EStG jedenfalls kein privilegiertes Einkommen iS des § 138 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dargestellt. Der Gesetzgeber habe sich sodann mit § 138 Abs 3 Nr 3a AFG bewusst dafür entschieden, lediglich die in einem Pauschbetrag gezahlte Eigenheimzulage zu privilegieren. In dieser Regelung könne auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) gesehen werden.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner – vom Senat zugelassenen – Revision. Er rügt eine Verletzung des § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III und des Art 3 Abs 1 GG. Die Eigenheimzulage gelte gemäß § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III nicht als Einkommen. Seine Ehefrau habe seit 1. Januar 1995 diese Eigenheimzulage “in Form der indirekten Steuervergünstigung nach § 10e EStG erhalten”. Der Unterschied zwischen Eigenheimzulage und Steuerfreibetrag gemäß § 10e EStG bestehe darin, dass der Steuerfreibetrag zu progressionsabhängigen Unterschieden bei den Bauherren geführt habe, während die Eigenheimzulage progressionsunabhängig für jeden denselben Betrag ergebe. Durch die gewährte Steuervergünstigung sei das tatsächliche Nettoeinkommen seiner Ehefrau unverhältnismäßig hoch gewesen. Diejenigen Einkommensanteile, die steuerbegünstigt gewesen seien, könnten vorliegend nicht als Einkommen berücksichtigt werden, weil sonst die gewünschte Subventionswirkung wieder aufgehoben würde. Die von ihrem Sinn und Zweck her identischen Vergünstigungen für die Schaffung von Wohneigentum müssten im Rahmen des § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III in gleicher Weise berücksichtigt werden. Dies folge ua auch aus § 6 Abs 3 EigZulG, der regele, dass der Abzugsbetrag nach § 10e EStG der Eigenheimzulage gleichstehe. Es liege zudem ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor, weil er als Bauherr des Jahres 1995 im Vergleich zu einem Bauherren des Jahres 1996 ungleich behandelt werde. Er sei auch an die 1995 gewählte Form der Steuerbegünstigung gebunden gewesen und habe nicht frei zwischen § 10e EStG und der Eigenheimzulage wählen können. Auch seien die Unterschiede zwischen dieser Zulage und einem Steuerfreibetrag nicht so wesentlich, dass sie unterschiedliche Rechtsfolgen rechtfertigen könnten. Der Gesetzgeber habe mit seiner Entscheidung schließlich auch gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit verstoßen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 21. Juni 2004 und das Urteil des SG Rostock vom 25. April 2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 2. Juli 1999 und 9. Juli 1999 in der Form der Änderungsbescheide vom 17. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 1999 aufzuheben und den Änderungsbescheid vom 9. Dezember 1999 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 16. Juni 1999 bis 15. Juni 2000 höhere Alhi unter Berücksichtigung einer Steuervergünstigung seiner Ehefrau nach § 10e EStG zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, der erkennende Senat habe bereits entschieden, dass erhöhte Abschreibungen für Wohngebäude nach § 7b EStG nicht als einkommensmindernde Werbungskosten anerkannt werden könnten. Durch Urteil vom 26. Oktober 2004 (B 7 AL 2/04 R) habe der erkennende Senat zudem klargestellt, dass vom Einkommen iS des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III alle auf das Einkommen entfallenden Steuern abzuziehen seien. Hieraus sei zu folgern, dass bei der Berechnung des “anrechenbaren” Einkommens auch alle anderen steuerlichen Entlastungstatbestände berücksichtigt werden müssten. Die Beträge gemäß § 10e EStG seien wie Sonderausgaben abziehbar. Erhöhten sich die Sonderausgaben, vermindere sich die steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen und somit erhöhe sich dessen Nettoeinkommen. § 10e EStG habe eine steuerliche Förderung des Wohneigentums bereits vor Inkrafttreten des EigZulG ermöglicht. Die Einführung des § 138 Abs 3 Nr 3a AFG ins Gesetz sei jedoch erst mit Verkündung des EigZulG erfolgt. Hieraus sei auf einen klaren Willen des Gesetzgebers zu schließen, dass § 10e EStG nicht zu einer Begünstigung der Empfänger von Alhi führen sollte, denn andernfalls hätte der Gesetzgeber § 138 Abs 3 Nr 3a AFG bereits gleichzeitig mit § 10e EStG in das Gesetz eingefügt. Außerdem sei gesetzliche Voraussetzung für die Nichtberücksichtigung der Eigenheimzulage die nachgewiesene Zweckbindung bei der Verwendung der Eigenheimzulage. Bei Gewährung eines bloßen steuerlichen Absetzungsbetrags gemäß § 10e EStG führe hingegen die hieraus folgende Steuerminderung lediglich zu einer Erhöhung des Nettoeinkommens des Steuerpflichtigen, ohne dass die konkrete Verwendung dieser Nettoeinkommenserhöhung zum Zwecke der Förderung des Wohneigentums in irgendeiner plausiblen Form nachgewiesen werden könne. Die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung führe letztlich dazu, dass die Berücksichtigung steuerlicher Absetzungen zu seinen Gunsten die Tilgung seiner individuellen Schulden auf Kosten der die Alhi finanzierenden Steuerzahler ermöglicht werde.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist lediglich iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob dem Kläger für den – hier allein streitigen – Zeitraum vom 16. Juni 1999 bis 15. Juni 2000 ein Anspruch auf höhere Alhi zustand (sogleich 1.). Damit ist auch die Höhe des Erstattungsbetrags (§ 328 Abs 3 Satz 2 SGB III nicht überprüfbar. Allerdings trifft die Rechtsauffassung der Beklagten und des LSG zu, dass das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Alhi zu berücksichtigende Einkommen der Ehegattin des Klägers im streitigen Zeitraum nicht um den Freibetrag gemäß § 10e EStG zu mindern war. Steuerliche Abzugsbeträge gemäß § 10e EStG können nicht als privilegiertes Einkommen gemäß § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III bei der Bedürftigkeitsprüfung unberücksichtigt bleiben. Eine Subsumtion des Steuerfreibetrags gemäß § 10e EStG unter diese Norm ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten (vgl hierzu unter 2.).
1. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Alhi ist unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 7 AL 2/04 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies setzt zunächst voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen auf Alhi dem Grunde nach vorliegen. Ein Anspruch auf Alhi setzt nach dem hier maßgeblichen § 190 SGB III (idF des Arbeitsförderungsreformgesetzes ≪AFRG≫ vom 24. März 1997 – BGBl I 594) voraus, dass der Arbeitnehmer 1. arbeitslos ist, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat, 3. einen Anspruch auf Alg nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, 4. die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat und 5. bedürftig ist. Das LSG hat diese Anspruchsvoraussetzungen nicht geprüft. Insbesondere fehlt es an Feststellungen zur Verfügbarkeit des Klägers im streitigen Zeitraum gemäß § 198 Abs 1 Satz 2 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 Nr 2, Abs 2 SGB III.
Die Höhe der Alhi errechnet sich gemäß § 195 SGB III (idF des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970) unter Berücksichtigung des Leistungsentgelts, der sich nach dem Familienstatus (Existenz eines berücksichtigungsfähigen Kindes) richtenden Nettolohnersatzquote sowie nach dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen. Das aus der Leistungsentgeltverordnung ersichtliche Leistungsentgelt (§ 151 Abs 2 Nr 2 aF, § 198 Satz 2 Nr 4 SGB III) ergibt sich seinerseits aus zwei Kriterien, zum einen aus dem Bemessungsentgelt und zum anderen aus der die (pauschalen) gesetzlichen Entgeltabzüge vom Bemessungsentgelt bestimmenden Lohnsteuerklasse (§§ 136, 137 SGB III idF des AFRG iVm § 198 Satz 2 Nr 4 SGB III). Das Bemessungsentgelt selbst ist grundsätzlich – von den jährlichen Dynamisierungen und Sonderregelungen abgesehen – das Arbeitsentgelt des Bemessungszeitraums (§ 132 Abs 1 aF SGB III iVm § 200 Abs 1 Satz 1 SGB III). Das Urteil des LSG enthält indes ausschließlich Ausführungen dazu, ob die von der Ehefrau des Klägers in Anspruch genommene Steuervergünstigung gemäß § 10e EStG im Jahre 1999 und später im Rahmen der Einkommensberücksichtigung nach § 194 SGB III (ebenfalls idF des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 aaO) gemäß § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III nicht berücksichtigungsfähiges Einkommen darstellt (hierzu sogleich unter 2.).
Selbst wenn der Senat der Rechtsauffassung des Klägers beitreten und das Einkommen seiner Ehegattin um den – lediglich behaupteten, der Höhe nach nicht festgestellten – Steuerfreibetrag gemäß § 10e EStG mindern würde, wäre dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Höhe der dem Kläger dann zustehenden Alhi nicht möglich. Aus den Feststellungen des LSG wird nämlich nicht ersichtlich, in welcher Höhe der Kläger (auf Grund welchen Bemessungsentgelts) im Jahre 1999 einen Anspruch auf Alhi ohne Berücksichtigung von Einkommen hätte. Ebenso ist nicht festgestellt, über welches Einkommen die Ehefrau des Klägers im Jahre 1999 verfügte. Insbesondere ist nicht festgestellt und auch nicht nachvollziehbar, von welchem berücksichtigungsfähigen Einkommen iS des § 194 SGB III (nach Abzug aller – welcher? – Freibeträge, Werbungskosten, Versicherungsbeiträge etc) auf Seiten der Ehefrau des Klägers auszugehen ist. Erst wenn die beiden Rechnungsgrößen – Alhi-Anspruch des Klägers ohne Einkommensberücksichtigung; zu berücksichtigendes Einkommen der Ehefrau des Klägers – feststehen, könnte entschieden werden, ob der behauptete Steuerfreibetrag gemäß § 10e EStG sich überhaupt zu Gunsten des Klägers auswirken konnte. Das LSG hat den Rechtsstreit insofern so behandelt, als sei eine isolierte Entscheidung über ein Element der Höhe der Alhi möglich. Eine solche isolierte Entscheidung ist jedoch rechtlich nicht denkbar, denn maßgebend ist, ob der Kläger einen Rechtsanspruch auf höhere Alhi unter Berücksichtigung aller Berechnungsfaktoren hatte. Der Senat ist aber – wie sogleich begründet werden wird – ebenso wie das LSG der Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass der geltend gemachte Einkommensteuerfreibetrag gemäß § 10e EStG im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Alhi vom Einkommen seiner Ehefrau abzuziehen ist. Dennoch musste der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden, weil der Senat auf Grund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden kann, ob dem Kläger im Jahre 1999 nicht aus anderen Gründen ein Anspruch auf höhere Alhi gemäß §§ 190 ff SGB III zusteht.
2. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die vom Kläger behaupteten steuerlichen Abzugsbeträge gemäß § 10e EStG nicht das Einkommen der Ehegattin des Klägers mindernd bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Alhi zu berücksichtigen sind. Nach § 194 Abs 1 Nr 2 SGB III ist zu berücksichtigendes Einkommen das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, soweit es den Freibetrag übersteigt. Freibetrag iS des § 194 Abs 1 Satz 2 SGB III ist ein Betrag in Höhe der Alhi, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entspricht. Dabei ist bei der Bedürftigkeitsprüfung grundsätzlich das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen, das in dem jeweilig konkreten Zahlungszeitraum angefallen ist (vgl grundlegend BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 17, S 91). Der Senat hat bereits entschieden, dass die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit während der Dauer der Arbeitslosigkeit wegfallen oder neu eintreten kann, jeweils mit der Folge, dass die Änderung vom Zeitpunkt ihres Eintritts an zu berücksichtigen ist. Entscheidend für die Alhi ist jeweils, ob der Lebensunterhalt während des Zeitraums gesichert ist, für den Alhi beansprucht wird (grundlegend BSGE 84, 48, 50 = SozR 3-4220 § 6 Nr 7, S 22). Insofern hätte das LSG im vorliegenden Fall also das jeweilige Einkommen der Ehefrau des Klägers für das Jahr 1999 und 2000 auf Wochen umrechnen und das auf die Woche entfallende Einkommen dem wöchentlichen Leistungssatz der Alhi des Klägers gegenüberstellen müssen (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 17, S 92 mwN).
Ob und inwieweit vom Einkommen Abzüge vorzunehmen sind, beurteilt sich ausschließlich nach § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III. Nach dieser Norm sind lediglich abzusetzen: 1. die auf das Einkommen entfallenden Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, 3. die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und 4. (jedenfalls noch im Jahre 1999) ein Betrag in angemessener Höhe von den Erwerbsbezügen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (BSG SozR 4-4300 § 194 Nr 1; Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 7 AL 2/04 R –), ist die Vorschrift des § 194 Abs 2 SGB III einer analogen Rechtsanwendung nicht zugänglich. Dies folgt ua daraus, dass die Alhi nicht am individuellen Bedarf des Antragstellers, sondern typisierend am Bemessungsentgelt des Alhi-Empfängers anknüpft (vgl BSG SozR 4-4300 § 194 Nr 1, S 6 f). Zu Recht hat das LSG mithin entschieden, dass als Einkommen der Ehefrau des Klägers – dessen Höhe nicht im Einzelnen festgestellt wurde – der gesamte Nettobetrag anzusetzen ist, der jeweils aktuell dem Arbeitslosen bzw dem zu berücksichtigenden Partner des Arbeitslosen zufließt. Im Rahmen des § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III sind also nur die Steuern abzugsfähig, die bereits im Zeitpunkt des Zuflusses des Einkommens an den Betroffenen abgezogen werden und damit das aktuell zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorhandene Einkommen tatsächlich mindern. Im Rahmen des § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III ist es daher nicht möglich, fiktiv den auf die steuerliche Absetzung der Beträge nach § 10e EStG entfallenden Erhöhungsbetrag vom zu berücksichtigenden Einkommen der Ehefrau des Klägers abzuziehen.
Die von dem Kläger behaupteten steuerlichen Abzugsbeträge seiner Ehefrau gemäß § 10e EStG können jedoch auch nicht gemäß § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III privilegiertes Einkommen darstellen. Nach § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III gilt nicht als Einkommen die Eigenheimzulage, soweit sie nachweislich zur Herstellung oder Anschaffung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in einem im Inland gelegenen eigenen Haus oder in einer eigenen Eigentumswohnung oder zu einem Ausbau oder einer Erweiterung an einer solchen Wohnung verwendet wird. § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III entspricht inhaltlich § 138 Abs 3 Nr 3a AFG, der durch das EigZulG vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1783) erstmals in das AFG eingefügt wurde. Zuvor, vor dem 1. Januar 1996, enthielt das AFG in § 138 Abs 3 keine Regelung über eine Privilegierung der steuerlichen Abzugsbeträge zur Förderung des Erwerbs von Wohneigentum, insbesondere nicht eine Privilegierung der Abzugsbeträge gemäß § 10e EStG. Der Gesetzgeber hat die Änderung des AFG in seinem Gesetzentwurf im Jahre 1995 (BT-Drucks 13/2235, S 21) ausdrücklich auf die neu geschaffene Eigenheimzulage begrenzt. Mit dem 1. Januar 1996 hat der Gesetzgeber die steuerrechtliche Förderung des Erwerbs von Wohneigentum auf neue Grundsätze gestellt. Die bisherige steuerrechtliche Förderung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in § 10e EStG wurde in ein steuerrechtliches Leistungsgesetz umgestaltet (vgl hierzu im Einzelnen Brandenberg, Die neue Eigenheimzulage, NJW 1996, S 621; Giloy, Kommentar zum Eigenheimzulagengesetz, 1996). Ziel der Neuregelung war eine verstärkte Förderung der sog Schwellenhaushalte und dabei vorrangig der Familien mit Kindern. Durch Umgestaltung der bisherigen progressionsabhängigen (von der tariflichen Einkommensteuerbelastung abhängenden) Förderung nach § 10e EStG in eine progressionsunabhängige, für alle Bürger (unter Erfüllung gleicher Anspruchsvoraussetzungen) gleich hohe Zulage wurde auch Haushalten mit geringerem Einkommen der Zugang zum Wohneigentum eröffnet oder erleichtert. Dies hatte seinen Grund darin, dass die Eigentumsförderung nach § 10e EStG vielfach ins Leere ging, weil Bürger im unteren Einkommensbereich überhaupt nicht mit Einkommensteuer belastet waren. In anderen Fällen hatte sich die steuerliche Förderung mangels ausreichenden Einkommens jedenfalls nicht im vollen Umfang auswirken können (vgl hierzu Giloy, aaO, Einführung, S 3). Die Eigenheimzulage wird dem Antragsteller direkt ausbezahlt, wobei gemäß § 9 Abs 2 EigZulG der Fördergrundbetrag höchstens 5.000 Deutsche Mark jährlich beträgt. Wenn im Rahmen dieser sozial motivierten Umstellung der Wohneigentumsförderung der Gesetzgeber erstmals mit § 138 Abs 3 Nr 3a AFG eine Privilegierung der Wohneigentumszulage im Recht der Alhi vorsah, so spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber eine Privilegierung des bisherigen § 10e EStG schlichtweg übersehen oder vergessen hätte. Vielmehr korrespondiert der Zweck der neuen Eigenheimzulage, gerade Niedrigverdiener mit einer relativ hohen Zulage zu begünstigen, mit der erstmaligen Privilegierung dieser Zulage im Rahmen des Arbeitsförderungsrechts. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass § 138 Abs 3 Nr 3a AFG als unbewusst lückenhaft einer Analogie zugänglich wäre. Soweit der Kläger sich schließlich auf § 6 Abs 3 EigZulG beruft, verkennt er, dass diese Norm die Eigenheimzulage mit den Abzugsbeträgen nach § 10e EStG nur im Hinblick auf die “Objektbeschränkung” gleichstellt. Eine Gleichstellung hinsichtlich der sozialrechtlichen Folgen der beiden Methoden der Eigenheimförderung kann aus § 6 Abs 3 EigZulG gerade nicht abgeleitet werden.
Es ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III (die Nachfolgevorschrift des § 138 Abs 3 Nr 3a AFG) in verfassungskonformer Weise so auszulegen, dass Abzugsbeträge gemäß § 10e EStG ebenso wie die Eigenheimzulage unter diese Norm subsumiert werden müssten. Der Senat folgt nicht dem Kläger, der in der einseitigen Privilegierung der Eigenheimzulage gegenüber dem steuerlichen Abzugsbetrag nach § 10e EStG einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz iS des Art 3 Abs 1 GG sieht. Nach der sog neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Art 3 Abs 1 GG “vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten” (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 84, 133, 157; BVerfGE 85, 191, 210, BVerfGE 85, 238, 244; BVerfGE 87, 1, 36; BVerfGE 95, 39, 45). Mit dieser sog neuen Formel ist die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürformel um weitere Prüfungsebenen ergänzt worden. Für die praktische Rechtsanwendung wird damit die Vorfrage entscheidend, unter welchen Voraussetzungen jeweils nur eine Willkürkontrolle oder aber eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen hat (vgl im Einzelnen Spellbrink, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 RdNr 133 ff). Eine strenge Prüfung ist vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen, und nicht verschiedene Sachverhalte, ungleich behandelt werden. Im vorliegenden Fall steht eher ein Vergleich von Sachverhalten im Vordergrund, sodass die Prüfungsintensität im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG niedriger anzusetzen ist (vgl BVerfGE 38, 225, 229). Beim Übergang der steuerrechtlichen Förderung von Wohneigentum von § 10e EStG zur Eigenheimzulage zum 1. Januar 1996 handelt es sich um eine rein “technische” Abwicklung steuerrechtlicher Sachverhalte. Eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG liegt hier erst dann vor, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, wenn die gesetzliche Regelung mithin als willkürlich bezeichnet werden muss (so grundlegend BVerfGE 1, 14, 52). Die Nichtberücksichtigung des Abzugsbetrags gemäß § 10e EStG in § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III ist nicht willkürlich. Vielmehr sprachen – wie auch aus der oben zitierten Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/2235, S 21) deutlich wird – sozialpolitische Gründe dafür, auf eine Wohneigentumsförderung durch die Gewährung von Zulagen überzugehen. Der frühere § 10e EStG bevorzugte in seiner rechtstechnischen Umsetzung als Sonderausgabe gemäß § 10e Abs 1 Satz 1 EStG die Bezieher hoher Einkommen. Insofern stand es im sozialpolitisch weiten Ermessen des Gesetzgebers, diese Privilegierung nicht auch noch in das Recht der Alhi weiterzugeben. Demgegenüber sprachen sachliche Gründe dafür, mit der Einführung der Eigenheimzulage auch eine entsprechende Privilegierungsregelung in § 138 Abs 3 Nr 3a AFG einzufügen. Die insofern progressionsunabhängige Zulage wird auch Niedrigverdienern oder solchen Personen ausbezahlt, die überhaupt nicht einkommensteuerpflichtig sind. Es widerspräche dem Sinn und Zweck einer solchen Zulagenlösung, diese im Rahmen der Alhi wieder als Einkommen zu Lasten sozial Schwacher zu berücksichtigen. § 194 Abs 3 Nr 4 SGB III enthält insofern auch die nachvollziehbare Einschränkung, dass die Eigenheimzulage nur dann privilegiert ist, soweit sie nachweislich zur Herstellung oder Anschaffung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung benutzt wird. Dient die Eigenheimzulage hingegen der Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts, so hat sich der Arbeitslose das Einkommen anrechnen zu lassen (vgl so schon BT-Drucks 13/2235, S 21 zu Art 8).
Für die hier gefundene Lösung sprechen schließlich Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität. Die Eigenheimzulage wird in einem festen Betrag ausbezahlt, der nicht von nachfolgenden Steuerfestsetzungen abhängig ist. Zwar konnte auch der Steuerpflichtige, der den Betrag nach § 10e Abs 1 Satz 1 EStG wie eine Sonderausgabe abziehen konnte, gemäß § 39a Abs 1 Nr 5a EStG beantragen, dass insofern auf der Lohnsteuerkarte ein vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag eingetragen wird. Dieser Eintrag eines Freibetrags stand allerdings unter dem Vorbehalt der endgültigen “Abrechnung” im Rahmen der jährlichen Einkommensteuerveranlagung. Es wäre für die Beklagte mithin auch verwaltungspraktisch aufwändig gewesen, den privilegierten bzw vom laufenden Einkommen abzuziehenden Einkommensanteil gemäß § 10e EStG zu errechnen. Jedenfalls wäre eine nachträgliche Verrechnung des monatlichen Freibetrags mit dem endgültigen Ergebnis der steuerlichen Veranlagung für das betreffende Jahr dem Wesen der Alhi fremd, da diese Einkommen und Vermögen jeweils nur aktuell in Bezug auf den jeweiligen Leistungsfall bzw Bezugszeitpunkt berücksichtigt.
Von daher besteht kein Anlass, § 194 Abs 4 Nr 3 SGB III im vom Kläger gewünschten Sinne verfassungskonform auszulegen. Ebenso wenig kam eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG in Betracht.
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2006, 101 |
HFR 2006, 615 |
SGb 2005, 584 |
SozR 4-4300 § 194, Nr. 9 |
BFH/NV-Beilage 2006, 101 |
info-also 2006, 116 |