Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeugnis - § 630 BGB - Zeugnisanspruch - Inhalt - Überprüfbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 630 BGB haben alle Arbeitnehmer einen unabdingbaren Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses. Für die Anspruchsberechtigung gilt der Arbeitnehmerbegriff, wie er durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft entwickelt worden ist. Danach sind Arbeitnehmer alle Angestellten und Arbeiter, aber auch die leitenden Angestellten, denn sie sind - anders als nach der Betriebsverfassung (§ 5 Abs 3 BetrVG) - im Zeugnisrecht nicht ausgenommen. Auch Arbeitnehmer, die als Rentner aus dem Erwerbsleben ausscheiden, haben einen Anspruch darauf, daß ihr Arbeitsverhältnis mit der Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses ordnungsgemäß abgeschlossen wird. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Zeugnisklage kann jedenfalls dann nicht verneint werden, wenn der Arbeitgeber dem in den Ruhestand getretenen Arbeitnehmer ein fehlerhaftes Zeugnis erteilt hat.
2. Das Zeugnis über Führung und Leistung ist begrifflich ein Werturteil, das mithin subjektiv vom Standpunkt des Arbeitgebers aus abgegeben wird. Dies ist gerichtlich überprüfbar, und zwar einschließlich der daraus gezogenen Leistungsbewertung. Der Arbeitgeber ist zwar bei der Ausstellung des Zeugnisses grundsätzlich in seiner Ausdrucksweise frei, muß sich aber der in der Praxis allgemein angewandten Zeugnissprache bedienen und bei der Beurteilung des Arbeitnehmers den nach der Verkehrssitte üblichen Maßstab anlegen. Verwirft der Arbeitnehmer das erteilte Zeugnis, ist er also mit ihm überhaupt nicht oder überwiegend einverstanden, so ist alsdann der Streit der Parteien im Rahmen des Klageantrags über die gesamte Inhaltsfrage des Zeugnisses zu klären und festzulegen, welches Zeugnis mit welchem Wortlaut vom Arbeitgeber zu erteilen ist.
3. Leistungen eines Arbeitnehmers mit "sehr gut" zu bezeichnen, ist dann angebracht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit ohne jede Beanstandung erbracht hat und darüber hinaus ihn besonders auszeichnende Umstände, zB schnellere Erledigung der Arbeit als üblich, Entwicklung neuer Ideen, vorliegen. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anläßlich seines zehnjährigen Arbeitsjubiläums seine bisherigen Leistungen und seine Treue mit einem Präsent belohnt und seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht hat, auch in den nächsten Jahren auf seine Mitarbeit rechnen zu dürfen, ist die erste Hälfte der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers bei dem Arbeitgeber mit "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" zu bewerten gewesen. Hat der Arbeitgeber für die zweite Hälfte der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers in seinem Betrieb nichts Greifbares vorgetragen, was eine schlechtere Gesamtbeurteilung rechtfertigen könnte, muß es bei der genannten Bewertung verbleiben.
4. Mit "Führung" wird das allgemeine Verhalten, die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, die Vertrauenswürdigkeit, Verantwortungsbereitschaft und die Beachtung betrieblicher Ordnung, angesprochen. Mit "Führung" ist nicht etwa die sozialethische Führung des Arbeitnehmers zu verstehen, sondern dessen Sozialverhalten, seine Kooperations- und Kompromißbereitschaft, gegebenenfalls sein Führungsverhalten und -stil. Gemeint ist hier ein zusammenfassendes Urteil über die Eigenschaften und das gesamte dienstliche Verhalten des Arbeitnehmers, also um das betriebliche Zusammenwirken, nämlich sein Verhalten zu Vorgesetzten, gleichgeordneten Arbeitskollegen, nachgeordneten Mitarbeitern, aber auch gegenüber Kunden. Es ist wichtig, daß alle Verhaltensrichtungen beurteilt werden, da Auslassungen - zB Nichterwähnung einer Gruppe - Rückschlüsse auf Verhaltens-, Anpassungs-, Kontakt- oder Führungsschwierigkeiten zulassen. In der Zeugnissprache spricht man von einem "beredtem Schweigen".
5. Die Formulierung: "Sein Verhalten war ohne Tadel", ist nicht gleichbedeutend mit dem vielleicht etwas außer Mode geratenen Ausdruck "tadellos". Werden im übrigen nur Selbstverständlichkeiten erwähnt, kann man die Zeugnisformulierung als "ohne Lob und Tadel" verstehen und den Zeugnisinhaber als unauffälligen Mitarbeiter ansehen. Das Vorbringen des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe sich gerade nicht gegenüber Vorgesetzten, Arbeitskollegen und Kunden einwandfrei benommen, so daß ihm nur bescheinigt werden könne, sein Verhalten sei "ohne Tadel" gewesen, ist unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Verlangt der Arbeitnehmer mit seinem Antrag nur, daß seine Führung mit "stets einwandfrei" und damit mit der "vollbefriedigend" bewertet wird, dann ist in einem solchen Falle mangels überprüfbarer Angaben über das angeblich "nicht einwandfreie" Verhalten des Arbeitnehmers der Arbeitgeber antragsgemäß zu verurteilen.
6. Es ist vielfach üblich, als Abschluß eines Zeugnisses eine Dankes-Bedauern-Formel mit Zukunftswünschen anzubringen. Der Dank für geleistete Arbeit und/oder Bedauern über das Ausscheiden (den Verlust) des Mitarbeiters, wird vereinzelt noch durch ein Würdigung bleibender Verdienste, eine ausdrückliche Einstellun...