Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachkündigung des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Der Insolvenzverwalter ist nach Eröffnungs des Insolvenzverfahrens nicht daran gehindert, das Arbeitsverhältnis erneut unter Ausnutzung der kürzeren Kündigungsfristen gemäß § 113 Abs. 1 InsO zu kündigen. Der Kündigungsgrund „Betriebsstilllegung” ist durch eine darauf gestützte Kündigung vor Verfahrenseröffnung, die gemäß § 7 KSchG wirksam geworden ist, nicht verbraucht.
Normenkette
KSchG §§ 4, 7; InsO § 113 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 05.06.2001; Aktenzeichen 2 Ca 647/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.06.2001 – 2 Ca 647/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob das Arbeitsverhältnis bereits zum 30.04.2001 oder erst mit Ablauf des 31.07.2001 beendet worden ist.
Der am 23.04.1944 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 02.01.1979 bei der früheren Firma B3xxxxxxx KG und späteren B3xxxxxxx & Schnelle B6xxxxxxn2xxxxx GmbH als Buchhalter gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 7.250,00 DM brutto tätig. Die Firma B3xxxxxxx & S3xxxxxx kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 04.09.2000 fristlos und erneut am 10.09.2000 fristgerecht zum 30.04.2001. Der deswegen geführte Kündigungsschutzprozess – Arbeitsgericht Bielefeld 4 Ca 2729/00 – endete durch folgenden Vergleich vom 20.11.2000:
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.08.2001 beendet wird, da dann die Buchhaltung der Firma B3xxxxxxx & S3xxxxxx komplett neu strukturiert wird.
- Die im Zusammenhang mit den Kündigungen vom 04.09. bzw. 28.09.2000 erhobenen Vorwürfe werden nicht aufrechterhalten.
- Bis zum 31.08.2001 wird der Kläger unter Fortzahlung der Vergütung jedoch unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt. Eventuelle anderweitige Zwischenverdienste muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen. Der Kläger verbleibt jedoch weiter unter der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers. Der Kläger verpflichtet sich für eine tatsächliche Arbeitsleistung in Bereitschaft zu bleiben.
- Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der Kläger entsprechend den §§ 9, 10 KSchG, § 3 Ziff. 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 23.000,00 DM. Die Abfindung ist fällig am 31.08.2001 und vererblich.
- Mit rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die für den Kläger abgeschlossene Direktversicherung auf ihn übertragen. Zahlungen auf die Direktversicherung erfolgen für den Zeitraum nach dem 31.08.2001 nicht mehr.
- Die Parteien sind sich einig, dass ab 01.06.2001 der Urlaubsanspruch des Klägers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird.
Bereits am 06.11.2000 hatte das Amtsgericht Bielefeld den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma B3xxxxxxx & S3xxxxxx B4xxxxxxxxxxxxx GmbH bestellt und ihm das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse einschließlich der Ermächtigung, Kündigungen auszusprechen, übertragen. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter am 20.12.2000 zum 31.07.2000 und stellte den Kläger ab 01.01.2001 von der Arbeitsleistung frei. Diese Kündigung ist vom Kläger gerichtlich nicht angegriffen worden.
Am 01.01.2001 wurde über das Vermögen der Firma B3xxxxxxx & S3xxxxxx B4xxxxxxxxxxxxx GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser informierte den Betriebsrat am 16.01.2001 von seiner Absicht, die Arbeitsverhältnisse namentlich genannter 13 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kündigen. Zur Begründung gab er an, der Betrieb der Schuldnerin sei bereits zum 31.10.2000 stillgelegt worden. Er mache nunmehr von seinem Sonderkündigungsrecht als Insolvenzverwalter nach § 113 InsO Gebrauch.
Mit Schreiben vom 25.01.2001 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger erneut zum 30.04.2001.
Der Kläger vertritt die Auffassung, es handele sich bei der Kündigung vom 25.01.2000 um eine unzulässige Nachkündigung. Der Beklagte habe die Stilllegung des Betriebes bereits zum Anlass der Kündigung zum 31.07.2001 genommen. Es sei ihm daher verwehrt, darauf erneut eine Kündigung mit kürzerer Kündigungsfrist zu stützen.
Demgegenüber vertritt der Beklagte den Standpunkt, er sei verpflichtet, durch Ausnutzung der nach § 113 InsO ermöglichten kürzeren Kündigungsfrist eine weitere Verringerung der Insolvenzmasse im Interesse anderer Insolvenzgläubiger zu verhindern. Eine unzulässige Nachkündigung läge nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 05.06.2001 abgewiesen un...