Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollziehbarkeit der Zustimmung zur Kündigung einer Schwangeren

 

Leitsatz (amtlich)

Erklärt die zuständige Behörde gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG die Kündigung gegenüber einer Schwangeren für zulässig, so darf die Kündigung erst nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides oder nach Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides erfolgen.

 

Normenkette

MuSchG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Urteil vom 11.04.2001; Aktenzeichen 1 Ca 2092/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.06.2003; Aktenzeichen 2 AZR 404/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.04.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Herne – 1 Ca 2092/00 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14.06.2000 zum 31.07.2000 aufgelöst worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 auferlegt.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine arbeitgeberseitige, auf betriebsbedingte Gründe gestützte ordentliche Kündigung.

Die Beklagte befasst sich ursprünglich schwerpunktmäßig mit der Herstellung und dem Vertrieb von PSA-Abscheidern und Prozessluftkühlern, wofür sie mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigte.

Die am 05.10.1973 geborene Klägerin war seit dem 01.09.1990 als Auszubildende und seit dem 22.06.1993 als Schweißerin/Automatenschweißerin beschäftigt. Sie erhielt zuletzt einen durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn von 4.700,00 DM. Seit dem Jahre 1998 ist die Klägerin Mitglied des Betriebsrats.

Am 19.01.2000 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über ihre Absicht, 153 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zu kündigen, unter anderem auch der Klägerin. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt schwanger. Daher enthielt das Anhörungsschreiben in der Zeile, in der die persönlichen Daten der Klägerin aufgeführt wurden, den Zusatz „MuSch”. Zudem heißt es in dem Anhörungsschreiben weiter:

„Die Kündigung einer Person, die unter den Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes fällt, wird ebenfalls erst nach Zustimmung durch die zuständige Behörde ausgesprochen. Die Bitte um Zustimmung wird ebenfalls parallel zu dieser Anhörung gestellt.”

Entsprechend dieser Ankündigung beantragte die Beklagte die behördliche Zustimmung zu der Kündigung der schwangeren Klägerin. Die Behörde erklärte die Kündigung unter dem 08.06.2000 für zulässig. Dieser Bescheid ging der Beklagten am 13.06.2000 zu. Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 14.06.2000 die hier umstrittene ordentliche Kündigung zum 31.07.2000 aus. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 23.06.2000 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 19.06.2000 Widerspruch gegen die behördliche Entscheidung ein. Durch Bescheid vom 04.09.2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Klägerin erhob dagegen Klage vor dem Verwaltungsgericht (AZ: 11 K 4877/00 VerwG Gelsenkirchen).

Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung unter anderem mit der Begründung, die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG unwirksam. Da die behördliche Entscheidung, die Kündigung für zulässig zu erklären, im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht bestandskräftig gewesen sei, hätte die Kündigung noch nicht ausgesprochen werden dürfen.

Die Klägerin hat beantragt,

  • festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14.06.2000 zum 31.07.2000 aufgelöst worden ist,
  • sowie die Beklagte zu verurteilen, sie nach Ablauf ihrer Mutterschutzfrist und ihres Erziehungsurlaubes zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Schweißerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie habe nicht die Bestandskraft der behördlichen Entscheidung abwarten müssen.

Durch ein am 11.04.2001 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14.06.2000 zum 31.07.2000 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist auch begründet. Die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung ist unwirksam gemäß §§ 9 Abs. 1 MuSchG, 134 BGB, weil die Kündigung ausgesprochen wurde, obwohl der behördliche Bescheid über die Zulässigkeit der Kündigung weder bestandskräftig war noch die vorläufige Vollzi...

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