Entscheidungsstichwort (Thema)
vörübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten. billiges Ermessen
Leitsatz (amtlich)
Die Möglichkeit, Beschäftigte dauerhaft bei Dritten einzusetzen, besteht nicht, wenn ein Personalgestellungsvertrag mit dem Dritten i.S.d. § 4 Abs. 3 TV-L nicht abgeschlossen ist. Solange ein Personalgestellungsvertrag nicht abgeschlossen ist, ist es nicht ermessensfehlerhaft, bei einer bis auf Weiteres bestehenden Abordnung des Beschäftigten an den Dritten diesem die höherwertigen Tätigkeiten nur vorübergehend zu übertragen.
Im Falle der interimistischen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit kommt es im ersten Schritt darauf an, ob es billigem Ermessen entspricht, dem Arbeitnehmer die anders bewertete Tätigkeit überhaupt, wenn auch nur vorübergehend zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist, wenn die Übertragung von Anfang an oder auch erst nach einer bestimmten Zeit mit einer höheren Vergütung oder einer interimistischen Zulage verbunden ist, zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen. Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers daran, die Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und – falls damit verbunden – auch der besseren Bezahlung überwiegt. Wird demselben Angestellten dieselbe oder eine gleichermaßen höherwertige Tätigkeit mehrmals nacheinander vorübergehend oder vertretungsweise übertragen, so unterliegt jeder dieser Übertragungsakte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 BGB. Der Angestellte ist nicht gehalten, einen Vorbehalt hinsichtlich jeder einzelnen vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeit zu erklären (BAG vom 17. April 2002 – 4 AZR 174/01 – NZA 2003, 159-164).
Es kommt nicht darauf an, ob der öffentliche Arbeitgeber nach seinem Stellenplan in der Lage ist, dem Arbeitnehmer überhaupt eine höherwertige Tätigkeit nach der entsprechenden höheren Vergütungsgruppe zu übertragen, sondern ob es gerade für die in Streit stehende vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit möglich ist.
Normenkette
GewO § 106; BGB § 315; BAT § 12; TV-L § 4
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 14.04.2010; Aktenzeichen 8 Ca 28/10 E) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 14. April 2010, Az. 8 Ca 28/10 E, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land seit 1. Januar 2006 verpflichtet war, dem Kläger eine höherwertige Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe II a BAT auf Dauer zu übertragen und ihn entsprechend einzugruppieren.
Der Kläger ist seit 1986 als Jurist beim beklagten Land beschäftigt. Bis 31. Dezember 2004 übte er bei der inzwischen aufgelösten Bezirksregierung eine Tätigkeit als Sachbearbeiter im gehobenen Dienst nach Vergütungsgruppe IV b BAT aus.
Das beklagte Land versetzte den Kläger zum 1. Januar 2005 zum Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jungend und Familie und ordnete ihn zeitgleich mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 (Bl. 49 d. A.) für die Dauer von drei Jahren zur Ärztekammer Niedersachsen ab. Dort übte der Kläger vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 eine Tätigkeit als Sachbearbeiter im gehobenen Dienst im Sachgebiet „Approbationen und Berufserlaubnisse” bei unveränderter Vergütung aus. Auf Grund des Ausscheidens der damaligen Leiterin des Sachgebiets zum 1. Januar 2006 wurde dem Kläger im Rahmen der befristeten Abordnung die Leitung des Sachgebiets vorübergehend übertragen. Mit Schreiben vom 21. Februar 2006 (Bl. 50 d. A.) gewährte das beklagte Land dem Kläger ab 1. Januar 2006 befristet für die Dauer der Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeit und der gleichzeitigen Abordnung des Klägers eine Zulage gemäß § 24 Abs. 1 BAT in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT und der Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT.
Das Sachgebiet „Approbationen und Berufserlaubnisse” wurde mit Gründung des Niedersächsischen Zweckverbandes zur Approbationserteilung (im Folgenden: NiZzA) auf diesen mit Wirkung zum 1. April 2006 übertragen und wir seither als Abteilung 1 bezeichnet. Mit Schreiben vom 30. März 2006 (Bl. 51 d. A.) ordnete das beklagte Land den Kläger ab 1. April 2006 nach § 12 Abs. 1 BAT „bis auf Weiteres” zum NiZzA ab.
Mit Schreiben vom 26. November 2007, zu dessen Inhalt auf Blatt 52 d. A. Bezug genommen wird, gewährte das beklagte Land dem Kläger ab 1. Januar 2008 befristet für die Dauer der Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeit und seiner gleichzeitigen Abordnung an die Ärztekammer Niedersachsen längstens bis 31. Dezember 2008 eine Besitzstandszulage nach § 10 TVÜ-L in Höhe seiner bisherigen Zulage. Bis 31. Oktober 2008 zahlte das beklagte Land dem Kläger eine Zulage in Höhe von 1.131,57 EUR brutto m...