Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaftsdienst. regelmäßige Verlängerung der Arbeitszeit. Wertung als Arbeitszeit;. Zulässigkeit der Anordnung von Bereitschaftsdienst. Vergütung von Bereitschaftsdienst
Leitsatz (amtlich)
Ordnet der Arbeitgeber in einem dem BAT unterworfenen Arbeitsverhältnis in dem in § 15 Abs. 6 BAT vorgesehenen Umfang an, dass Bereitschaftsdienst zu leisten sei, so ist der Arbeitnehmer aus § 15 Abs. 6 BAT verpflichtet, Bereitschaftsdienst zu leisten.
Die Zeit des Bereitschaftsdienstes ist, soweit nicht eine Heranziehung erfolgt, als Ruhezeit zu werten. Diese Zeit ist auch dann nicht als reguläre Arbeitszeit zu werten, wenn der Bereitschaftsdienst an einem vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Ort abgeleistet werden muss.
Wird in eine insgesamt 12-stündige Arbeitsschicht eine Bereitschaftsdienstzeit von 4 Stunden eingelagert und nach Ende der Schicht eine mehr als 11-stündige ununterbrochene Ruhezeit gewährt, so stellt diese Schichtgestaltung weder einen Verstoß gegen §§ 3 und 5 ArbZG noch gegen Art. 2 Ziff. 1, Ziff. 2 RiL 93/104 EG dar, sofern die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden eingehalten wird.
Die Vergütung von Bereitschaftsdiensten, die nach § 15 Abs. 6 BAT geleistet wurden, richtet sich allein nach dieser Vorschrift. Die RiL 93/104 EG ist nicht als Anspruchsgrundlage geeignet.
Normenkette
BAT § 15 Abs. 6a, 2c; ArbZG §§ 3, 5, 7; RiL 93/104 EG Art. 2 Nr. 1; RiL 93/104 EG Art. 2 Nr. 2; RiL 93/104 EG Art. 3; RiL 93/104 EG Art. 17 Abs. 3
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.1.2001 – ÖD 4 Ca 3055 b/00 – wird auf seine Kosten zurück gewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der von dem Kläger verrichtete Bereitschaftsdienst als regelmäßige Arbeitszeit anzusehen ist.
Der Kläger ist bei dem Beklagten seit Jahren als Disponent in der Kreisleitstelle des Rettungsdienstes in R. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet gemäß vertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung. Der Kläger wird im Schichtdienst eingesetzt. 38,5 Stunden werden hierbei als regelmäßige Arbeitszeit abgeleistet.
Seit dem 09.10.2000 findet während der von 17:00 bis 7:00 Uhr andauernden Schicht ein von dem Beklagten gemäß § 15 Abs. 6a BAT angeordneter 4-stündiger Bereitschaftsdienst in der Zeit von 21:00 bis 01:00 Uhr bzw. 01:00 bis 05:00 Uhr statt. Seit dem 22.10.2001 sind die Schichten dahingehend umgestellt, dass die Nachtschicht von 19:00 bis 7:00 andauert, worin weiterhin ein 4-stündiger Bereitschaftsdienst enthalten ist. Die im Bereitschaftsdienst eingesetzten Mitarbeiter erhalten nach einer Nachtschicht eine Ruhezeit und werden i.d.R. erst wieder zur Tagschicht des folgenden Tages herangezogen.
Die Ableistung des Bereitschaftsdienstes geschieht folgendermaßen: Der Bereitschaftsdienstleistende hält sich während des Bereitschaftsdienstes in einem dem Zimmer der Leitstelle benachbarten „Ruheraum” auf. Dieser Raum ist unter anderem mit einer Liege und einem Fernseher ausgestattet, so dass der Bereitschaftsdienstleistende unter anderem ruhen bzw. schlafen oder fernsehen kann. Beim Schlafen darf der Bereitschaftsdienstleistende seine Kleidung im Wesentlichen nicht ablegen, damit er im Falle seiner Alarmierung schnell einsatzbereit ist. Die Alarmierung erfolgt durch denjenigen, der während seiner regelmäßigen Arbeitszeit Dienst im Leitstellenraum verrichtet, in den Fällen, in denen dieser aufgrund der anfallenden Notrufe nicht alleine bzw. schnell genug reagieren kann, insbesondere wenn mehrere Meldungen über größere Unglücke gleichzeitig bzw. kurz hintereinander eingehen. Von sich aus muss der Bereitschaftsdienstleistende nicht tätig werden. Muss der regulär Diensthabende zur Toilette, wird jedenfalls zum Teil auch der Bereitschaftsdienstleistende zur Telefonüberwachung in die Leitstelle geholt. Über die Einsätze der Bereitschaftsdienstleistenden einschließlich Vertretung bei Toilettengängen des Diensthabenden ist Protokoll geführt worden. Danach betrug die tatsächliche Einsatzzeit während des Bereitschaftsdienstes für die Disponenten vom 09.10.2000 bis 07.01.2001 7,2 % der gesamten Bereitschaftsdienstzeit.
Mit der am 24.10.2000 erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Anordnung von Bereitschaftsdienst gewandt und die Auffassung vertreten, der angeordnete Bereitschaftsdienst unterscheide sich im Kern nicht von der Regelarbeitszeit. Denn es handele sich tatsächlich nicht um Freizeit, die nur mit einer Aufenthaltsbeschränkung verbunden sei. Da seit dem 01.01.2000 Rettungswagen in Schleswig-Holstein spätestens in 12 Minuten am Unfallort sein müssten, würden für die Dispositionszeit, Notrufabfrage und Alarmierung nur 2 Minuten angesetzt. Bei Nichteinhaltung könnten sich für das Personal zivil- und strafrechtliche Konsequenzen ergeben. So müsse auch er bei Bereitschaftsdienst sofort, wenn das Telefon läute, den Anruf entgegennehmen un...