Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Urteil vom 20.02.1995; Aktenzeichen 11 Ca 9156/94 FR) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20.02.1995 – Az.: 11 Ca 9156/94 FR – wird auf Kosten der Rechtsmittelführerin
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Die am 12.04.1960 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin war in den Jahren 1983 bis 1985 als personalverantwortliche Betriebsteilleiterin eines Brauereibetriebes der ehemaligen DDR tätig. In dieser Eigenschaft war sie Ansprechpartner für staatliche Stellen der DDR, die Auskünfte über Mitarbeiter der Brauerei begehrten. So wurde die Klägerin u. a. von der Kriminalpolizei wegen Hakenkreuzschmierereien auf einer Zufahrtsstraße zum Betrieb befragt, ferner von Mitarbeitern der sogenannten „Technischen Überwachung” wegen häufiger Trunkenheit eines im Betrieb tätigen Heizers. In der Zeit vom 06.01.1984 bis 06.09.1985 wurde die Klägerin im Betrieb viermal von einem Offiziers des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) aufgesucht. Der Offizier stellte sich der Klägerin als Oberstleutnant A. und Mitarbeiter des MfS vor. Er erklärte, er ermittele gegen einen Mitarbeiter der Brauerei wegen strafbarer Zoll- und Devisenvergehen. In den vier Gesprächen gab die Klägerin dem Offizier des MfS mündlich Auskunft über den Mitarbeiter, der im Betrieb versucht hatte, Wertgegenstände zu verkaufen, die angeblich aus einer „Westerbschaft” stammten. In den Gesprächen antwortete die Klägerin auch auf Fragen nach dem Arbeitsverhalten des Mitarbeiters und übergab in diesem Zusammenhang nach Aufforderung Reparaturprotokolle des Betriebes. Ferner übergab sie einen Zusatz zum Arbeitsvertrag des Mitarbeiters, aus dem hervorging, der Mitarbeiter sei für die Wartung von Maschinen verantwortlich. In einem der Gespräche unterzeichnete die Klägerin eine ihr vorgelegte, maschinengeschriebene „Schweigeverpflichtung”. Darin erklärte sie, wegen der Gespräche gegenüber jedermann strengstes Stillschweigen zu bewahren. Auf den Wortlaut der Erklärung, in der auch ein Hinweis auf strafrechtliche Konsequenzen eines Bruches der Schweigeverpflichtung enthalten ist (Bl. 50 d.A.), wird Bezug genommen. Die Klägerin erhielt vom Offizier des MfS für die Gespräche eine Prämie von 100,00 Mark und eine Uhr als Präsent.
Am 11.12.1990 schlossen Klägerin und beklagte Gemeinde einen Arbeitsvertrag (Bl. 76 d.A.), nach dem die Klägerin ab 01.01.1991 als stellvertretende Leiterin der Paß- und Meldestelle der Beklagten tätig wurde. Die Klägerin trat damit, was im Berufungsrechtszug unstreitig ist, erstmals in ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst ein (Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15.09.1995, Bl. 182 d.A.). Am 26.02.1992 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag (Bl. 77 d.A.), in dem die Anwendung des BAT-O vereinbart wurde. Die Klägerin wurde zuletzt im Einwohnermeldeamt der Beklagten beschäftigt. Sie verrichtete dort Tätigkeiten des Meldewesens, Paßwesens und der Ausstellung von Lohnsteuerkarten. Bei ihrer Tätigkeit hat die Klägerin Publikumsverkehr, ferner war sie Vertreterin des Amtsleiters. Zuletzt erzielte sie ein Bruttogehalt von 3.432,00 DM im Monat.
Im Rahmen der Feststellung der Beschäftigungszeit im öffentlichen Dienst gab die Beklagte Anfang Mai 1992 an alle Mitarbeiter vorgedruckte „Anträge auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten” aus. In diesem Formular (Bl. 150 d.A.) ist die Frage enthalten:
„Haben Sie jemals offiziell oder inoffiziell, hauptamtlich oder sonstwie für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen DDR gearbeitet?”. Gleichzeitig ließ die Beklagte ihren Mitarbeitern eine vorgedruckte „eidesstattliche Erklärung” (Bl. 151 d.A.) zukommen, in der es u. a. heißt:
„Hiermit erkläre ich an Eidesstatt, weder als hauptamtlicher noch als inoffizieller Mitarbeiter für das ehemalige MfS oder ANS oder einen anderen Geheimdienst wissentlich gearbeitet zu haben”.
Beide Schriftstücke wurden den Mitarbeitern der Beklagten ohne weitere Erläuterungen oder Merkblätter zugeleitet und waren binnen einer Frist von einer Woche zurückzureichen. Die Klägerin beantwortete am 06.05.1992 die im „Antrag auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten” gestellte Frage mit „nein” und unterzeichnete die „Eidesstattliche Erklärung”.
Am 28.09.1994 erteilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR („Gauck-Behörde”) der Beklagten Auskunft über die Beziehung der Klägerin zum Ministerium für Staatssicherheit. In der Auskunft vom 28.09.1994, auf die im übrigen verwiesen wird (Bl. 80 d.A.), heißt es auszugsweise:
„Frau S. wurde vom MfS … als „GM” („G.”) genutzt.
„GM” wurden Personen genannt, die in gesellschaftlich ode...