Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszeiten. kombinierte schulische und berufliche Ausbildung in der DDR. nebenberufliche Tätigkeit als Musiker in der DDR. Glaubhaftmachung von Beitragszeiten. Höhe einer Altersrente. Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen
Leitsatz (amtlich)
1. Gem § 248 Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 6 sind Schulzeiten in der DDR auch dann nicht als bundesrechtliche Beitragszeiten anzuerkennen, wenn sie im Rahmen des Programms "Abitur mit Berufsausbildung" mit einer betrieblichen Ausbildung kombiniert waren.
2. Nebenberufliche Tätigkeiten als Musiker in der DDR können als glaubhaft gemachte Beitragszeiten gem § 286b SGB 6 anerkannt werden, wenn für den Versicherten zwar keine Unterlagen zur Beitragsabführung vorliegen, sich aus "Lohnnachweisen für unständig Beschäftigte" von anderen Musikern der gleichen Band aber für denselben Zeitraum die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen auf erhaltene Gagen ergibt.
Normenkette
SGB VI § 248 Abs. 3, §§ 286b, 286c, 237 Abs. 1, 3, § 55 Abs. 1, § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 1
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 12. Dezember 2013 sowie der Bescheid vom 5. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Berücksichtigung von Arbeitsverdiensten als Musiker in Höhe von 650,00 Mark der DDR jährlich für den Zeitraum von Dezember 1963 bis Januar 1969 eine höhere Altersrente ab dem 1. Oktober 2010 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am …1947 geborene Kläger begehrt eine höhere Altersrente nach Altersteilzeit. Dabei begehrt er im Berufungsverfahren noch die Berücksichtigung zusätzlicher Arbeitsverdienste aufgrund einer nebenberuflichen Tätigkeit als Musiker in der DDR und die rentenerhöhende Berücksichtigung seiner gleichzeitig mit Besuch der Oberstufe erfolgten Berufsausbildung.
Der Kläger hat bis zum Sommer 1989 in der damaligen DDR gelebt. Er verließ die DDR nach deren Maßstäben illegal und reiste in die Bundesrepublik aus. In der DDR hat er von 1964 bis 1966 die Erweiterte Oberschule (EOS) besucht und mit dem Abitur abgeschlossen. Parallel zum Besuch der Oberstufe absolvierte er eine Berufsausbildung zum Mess- und Regelungsmechaniker. Berufsausbildung und Schulbesuch waren dabei im Rahmen des Programms Abitur mit Berufsausbildung aufeinander abgestimmt. Von September 1966 bis Mai 1971 war der Kläger Student der Technischen Hochschule I.. Das Studium schloss er erfolgreich ab. Im Anschluss war er zunächst bis Juni 1978 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den VEB L.-Werken “Walter Ulbricht„ tätig. Ab Juni 1978 war er Leiter der Abteilung Medizintechnik des C.-Z.-Krankenhauses in W.. Ab 1. März 1983 war der Kläger in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen einbezogen. Parallel zu seiner hauptberuflichen Tätigkeit war der Kläger von 1962 bis 1981 in verschiedenen Bands (C., E., T.-Rhythmiker, Ca.) als Musiker aktiv und absolvierte mit den Bands Auftritte in und um W., die durch die Behörden der DDR organisiert und vergütet wurden.
Bereits im Rentenantragsverfahren machte der Kläger umfangreiche Angaben zu seiner Musikertätigkeit und reichte nahezu den gesamten Zeitraum abdeckendes Bildmaterial ein.
Mit Bescheid vom 5. August 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit beginnend ab dem 1. Oktober 2010 in Höhe von dann 1.595,22 EUR brutto und 1.438,09 EUR netto. Der Rentenberechnung lagen Entgeltpunkte im Umfang von 63,1981 und persönliche Entgeltpunkte im Umfang von 58,6478 zugrunde. Dabei ermittelte die Beklagte Entgeltpunkte für die versicherungspflichtigen Tätigkeiten des Klägers ab 1. September 1971, die durch die Sozialversicherungsausweise nachgewiesen wurden. Die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach dem AAÜG wurde dabei ab Beginn der beruflichen Tätigkeit im September 1971 berücksichtigt. Die Tätigkeit als nebenberuflicher Musiker wurde nicht rentenwirksam berücksichtigt. Für die kombinierte Schul- und Berufsausbildung sowie für das anschließende Hochschulstudium wurden keine Entgeltpunkte gebildet.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 30. August 2010, zu dessen Begründung er vortrug, die Tätigkeit als nebenberuflicher Musiker sei in der DDR staatlich reglementiert und gefördert worden. Die Musiker hätten einen Berufsausweis erhalten, in dem der Stundenlohn eingetragen worden sei. Zudem hätten die Musiker zu Beginn einen separaten Sozialversicherungsausweis erhalten, mit dem die Nebenverdienste beim Rat des Kreises, Abteilung für Finanzen vierteljährlich abgerechnet worden seien. Der Kläger richtete sich auch gegen die fehlende Belegung der Beruf...