BAG, Urteil vom 25.4.2024, 8 AZR 140/23
Leitsatz (amtlich)
Die Wiedereinstellung eines Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, kann wegen seines Alters abgelehnt werden, falls ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Dies entspricht dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen.
Sachverhalt
Der im Jahr 1952 geborene Kläger befand sich nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer bei dem beklagten Land wegen Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung seit Anfang des Jahres 2018 im Altersruhestand. Seitdem war er wiederholt im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrer für das beklagte Land tätig. Im Dezember 2021 bewarb er sich bei einem Gymnasium des beklagten Landes auf eine Vertretungsstelle für den Zeitraum vom 1.2.2022 bis zum 9.8.2022. Die Schulleitung besetzte die Stelle jedoch mit dem jüngeren – im Jahre 1981 geborenen- Bewerber.
Der Kläger klagte nun auf eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung gem. § 15 Abs. 2 AGG.
Die Entscheidung
Die Klage war in allen Instanzen ohne Erfolg.
Das BAG entschied, dass der Kläger wegen seines Alters zwar unmittelbar i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt worden sei, indem das beklagte Land seine erneute Einstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze abgelehnt hatte. Dies sei jedoch vorliegend nach § 10 Satz 1 i. V. m. Satz 2 AGG zulässig, da die Ablehnung objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt gewesen sei. Das BAG führte hierzu aus, dass legitime Ziele solche seien, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stünden. Vorliegend liege das legitime Ziel in der besseren Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen mittels einer Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung. Angesichts der demographischen Entwicklung und des Mangels von Berufseinsteiger in bestimmten Branchen sei dieses Ziel nicht schematisch im Sinne einer bloßen Eröffnung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Jüngere zu verstehen, sondern jüngeren Menschen solle mit dem Ausscheiden Älterer aus dem Erwerbsleben auch ermöglicht werden, die Berufserfahrung anzusammeln, die im Wege eines beruflichen Aufstiegs zu erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. in Führungspositionen) und höherer Vergütung führen könne. Dies sei Teil der Generationengerechtigkeit und diene letztlich der gesamten Gesellschaft.
Weiter führte das BAG aus, dass der TV-L zwar keine generelle Höchstaltersgrenze für die Begründung von Arbeitsverhältnissen vorsehe; auch wenn gem. § 33 Abs. 1 Buchst. a TV-L die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Monats bestimmt sei, in dem Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet haben, komme nach § 33 Abs. 5 Satz 1 TV-L die Weiterbeschäftigung der nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TV-L ausgeschiedenen Beschäftigten in Betracht. Es handele sich hierbei im Gegensatz zu § 41 Satz 3 SGB VI nicht um ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses, sondern um die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses, welches nach § 33 Abs. 5 Satz 2 TV-L jederzeit mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden könne. Allerdings werde nach Auffassung des BAG aufgrund der kurzen Kündigungsfrist des § 33 Abs. 5 Satz 2 TV-L verdeutlicht, dass die Tarifvertragsparteien keine dauerhafte Weiterbeschäftigung bereits ausgeschiedener Beschäftigter vor Augen gehabt hätten, sondern nur eine vorübergehende Weiterbeschäftigung bei besonderem Bedarf bzw. beim Fehlen von hinreichend qualifizierten jüngeren Bewerbern. Ansonsten sei die Verweigerung einer Wiedereinstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze nach der tarifvertraglichen Konzeption grundsätzlich zulässig; denn anderenfalls würde der Zweck dieser Altersgrenze unterlaufen werden. Die altersbedingte Ablehnung von Bewerbern, welche die Regelaltersgrenze bereits überschritten hätten, sei somit gerechtfertigt, wenn der Personalbedarf durch die Einstellung von Bewerbern gedeckt werden könne, die die vorgesehene Altersgrenze noch nicht erreicht hätten und die die geforderten Qualifikationen aufwiesen.
Das Unterlassen einer Auswahlentscheidung anhand der Qualifikationen der Bewerber verstoße nach Ansicht des Gerichts auch nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt habe. Dieser Bewerbungsverfahrensanspruch sei von der Organisationsfreiheit des öffentlichen Arbeitgebers abzugrenzen, welche dem eigentlichen Auswahlverfahren vorgelagert sei; denn über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten und damit auch die Anforderungen an die Bewerberauswahl entscheide der Dienstherr nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten.
Auch wenn vorliegend das beklagte Land die Ablehnung des Klägers nicht mit ...