Keine AGG-Entschädigung für abgelehnten 67-jährigen Bewerber
Darf ein Job auch an jüngere Bewerber gehen, wenn sich ein 67-jähriger Mensch mit Schwerbehinderung ebenfalls auf die Stelle beworben hat? Und muss der schwerbehinderte Bewerber nicht wenigstens zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden? Öffentliche Arbeitgeber sind grundsätzlich dazu verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Doch auch davon gibt es Ausnahmen, wie der vorliegende Fall zeigt.
Der Fall: 67-jähriger Bewerber wird nicht eingeladen
Der schwerbehinderte Mann bewarb sich 2023 auf eine Stelle als Sachbearbeiter in der Verwaltung eines kommunalen Arbeitgebers. Da er bereits die Regelaltersgrenze überschritten hatte, bekam er eine Absage auf seine Bewerbung. Weil er nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, rügte der abgelehnte Bewerber, dass er wegen seiner Schwerbehinderung und seines Alters diskriminiert worden sei. Er forderte eine Entschädigung nach § 15 AGG. Der Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, dass er den Bewerber aufgrund seines Alters über der Regelaltersgrenze ablehnen durfte und ihn entgegen der Verpflichtung aus § 165 SGB IV auch nicht einladen musste. Wegen der Förderung jüngeren Personals sei er grundsätzlich berechtigt gewesen, eine 20 Jahre jüngere Frau einzustellen.
LAG Hamm: Voraussetzung für Entschädigungsanspruch nicht gegeben
Das LAG Hamm stellt fest, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 AGG nicht vorlagen. Hierfür hätte der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG i.V.m. § 1 AGG verstoßen müssen. Dies war nach Meinung des LAG Hamm nicht der Fall: Der Arbeitgeber habe den 67-jährigen Bewerber im Bewerbungsverfahren nicht wegen seiner Behinderung und auch nicht wegen seines Alters unzulässig benachteiligt.
Keine Altersdiskriminierung
Zwar habe der Arbeitgeber den Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weil er die Regelaltersgrenze überschritten habe. Dies habe er jedoch damit gerechtfertigt, dass er eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten schaffen wolle und daher eher jüngere Beschäftigte einstellen wolle. Diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters hielt das Gericht nach § 10 AGG für gerechtfertigt, da der Arbeitgeber damit ein legitimes Ziel verfolgt habe. Das legitime Ziel einer ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen könne, da es auch um die Förderung der beruflichen Entwicklung jüngerer Menschen gehe, die Absage eines Bewerbers, aber auch bereits die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch rechtfertigen.
Keine Diskriminierung wegen Behinderung
Nach Auffassung des Gerichts lag auch keine Diskriminierung wegen Behinderung vor. Der Arbeitgeber sei zwar grundsätzlich als öffentlicher Arbeitgeber gemäß § 165 S.3 SGB IX verpflichtet, einen schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einladung sei aber nach § 164 SGB IX entbehrlich, wenn dem Bewerber offensichtlich die fachliche Eignung fehlt. Der Bewerber war zwar fachlich geeignet, allerdings wäre seine Einladung "reine Förmelei" gewesen, da der 67-Jährige vom Arbeitgeber auf jeden Fall wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze abgelehnt werden durfte. Das zulässige Kriterium der Altersgrenze könne im Vorstellungsgespräch nicht beeinflusst werden. Der Zweck der Vorschrift des § 165 S. 3 SGB IX als schwerbehinderter Bewerber den Arbeitgeber von seiner Eignung überzeugen zu können, hätte somit gar nicht erreicht werden können, argumentierte das LAG Hamm. Selbst wenn der Arbeitgeber verpflichtet gewesen sein könnte, stellte sich das Gericht auf den Standpunkt: Die Nichteinladung erfolgte wegen der - zulässigen - Berücksichtigung des Überschreitens der Regelaltersgrenze und nicht wegen der Behinderung. Im Sinne der Generationengerechtigkeit war es also in Ordnung, den Mann nicht zum Gespräch einzuladen und einer jüngeren Bewerberin den Vorzug zu geben, stellte das LAG Hamm fest. Schließlich sollte die Stelle dauerhaft neu besetzt werden.
Die Revision wurde zugelassen.
Hinweis: LAG Hamm, Urteil vom 6. August 2024, Az. 6 SLa 257/24
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