Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen einer Behinderung und des Alters im Rahmen der Auswahl eines Bewerbers auf einen Job
Leitsatz (amtlich)
Ein an den TVöD-V gebundener öffentlicher Arbeitgeber kann dazu berechtigt sein, Bewerber, die die Regelaltersgrenze überschritten haben, unabhängig davon, ob sie schwerbehindert sind oder nicht, aufgrund des Alters im Sinne der Generationengerechtigkeit nicht einzustellen und nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn ein jüngerer qualifizierter Bewerber für die Stelle vorhanden ist.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 10; TVöD-V § 33; SGB IX § 165 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 01.02.2024; Aktenzeichen 1 Ca 1036/23) |
Tenor
1. Dem Kläger wird hinsichtlich der versäumten Frist zur Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.02.2024, Az. 1 Ca 1036/23 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.02.2024, Az. 1 Ca 1036/23 wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Wiedereinsetzung hat der Kläger zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG wegen einer Benachteiligung wegen einer Behinderung und/oder des Alters zu zahlen.
Die Beklagte, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband ist, schrieb unter dem 02.02.2023 eine Stelle als "Sachbearbeiter/in für die Verwaltung der A (m/w/d)" in B in Vollzeit oder Teilzeit (30 bis 39 Wochenstunden) aus, die nach der Entgeltgruppe 6 TVöD vergütet werden sollte. Das Entgelt der EG 6 Stufe 1 belief sich nach dem TVöD-V bis zum 29.02.2024 auf 2.683,45 Euro brutto. In der Stellenausschreibung wurden "eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, gerne zur/zum Verwaltungsfachangestellten, mehrjährige Berufserfahrung, wünschenswert in einer öffentlichen Einrichtung, ein hohes Maß an sozialer Kompetenz (Kommunikations- und Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit), strukturierte und eigenständige Arbeitsweise" sowie "Freude im Umgang mit Menschen und einem vielseitigen Arbeitsfeld" gefordert. Zudem war angegeben, dass die Stelle für 24 Monate befristet und eine Übernahme möglich sei. Bewerbungen von Schwerbehinderten sollten bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden. Die Bewerbung sollte bis zum 24.02.2023 per E-Mail an die Verwaltungsleiterin der Beklagten gesandt werden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Stellenausschreibung (Anlage K1, Bl. 8 der erstinstanzlichen Akte, nachfolgend d. A.) verwiesen.
Der am 14.05.1956 geborene, verheiratete, schwerbehinderte Kläger ist ausgebildeter Großhandelskaufmann und hat die Regelaltersgrenze überschritten. Er bewarb sich unter dem 06.02.2023 postalisch auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle. Das an die Verwaltungsleiterin gerichtete Anschreiben lautet im Wesentlichen wie folgt:
"Sachbearbeiter für die Verwaltung der A in Vollzeit
Sehr geehrte Frau C,
Ihre Stellenanzeige hat nicht nur mein Interesse für die vakante Position geweckt, sondern mich auch neugierig auf die A gemacht. Bereits während meiner Tätigkeit in der D-Kreisverwaltung hatte ich viel Freude an der Arbeit mit Menschen und konnte hier zusätzliche interkulturelle Erfahrungen sammeln und aus diesem Grund biete ich Ihnen meine Unterstützung für diese Stelle an.
Als kaufmännischer Generalist mit langjährigen praxisorientierten Tätigkeiten konnte ich vielseitige Erfahrungen erwerben und kann auf deshalb umfassendes Know-how zurückgreifen. Zu meinen Kernaufgaben gehörten unter anderem die Erfassung und Pflege von Kundendaten, telefonische Beratung und persönliche Betreuung von Neu- und Bestandskunden. Zu meinen Aufgaben als Bürokraft gehörte u.a. die Büroorganisation, allgemeine Verwaltungsaufgaben, Telefondienst und Empfang. Der sichere Umgang mit allen gängigen MS-Office-Standardanwendungen ist mir vertraut.
Leider musste ich aus gesundheitlichen Gründen meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren. In meiner vorletzten Position war ich als kaufmännischer Mitarbeiter in der Stabsabteilung Öffentlichkeitsarbeit tätig und mitverantwortlich für die Bereiche Ehrenamt und Verbandsarbeit. Zu meinen Aufgaben gehörten hier neben administrativen Arbeiten auch die organisatorische Bearbeitung von diversen Veranstaltungen, Schulungen und Seminare, d.h. von der Planung, über die Aus wahl der Tagungshäuser bis zu Abrechnung und statistischen Auswertung. Die Überprüfung der Vereinskonten auf Beitragsrückstände einschließlich Mahnwesen gehörte ebenfalls zum Aufgabenbereich.
Zuletzt war ich als Regierungsbeschäftigter (Teilzeitkraft) im E F tätig und hier im Bereich Verwaltung/Infoservice. Leider wurde das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit aufgelöst und aus diesem Grund suche ich jetzt eine neue berufliche Aufgabe, auch wenn...