Entscheidungsstichwort (Thema)
Unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Kausalzusammenhang zwischen Benachteiligungsgrund und tatsächlicher Benachteiligung. Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters. Ausgewogene Altersstruktur als Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (hier: Lebensalter) eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
2. Ein Kausalzusammenhang zwischen Benachteiligungsgrund und tatsächlicher Benachteiligung ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist. Ausreichend ist ferner, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat.
3. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung des Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.
4. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist gerechtfertigt, wenn es darum geht, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten zu schaffen, um über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern.
Normenkette
RL 2000/78/EG Art. 6 Abs. 1; AGG §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 S. 1; SGB VI § 41 S. 3; TzBfG § 14 Abs. 1; TVöD § 33 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 08.08.2022; Aktenzeichen 2 Ca 29/22) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 08.08.2022 - 2 Ca 29/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche des Klägers wegen Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit einer abgelehnten Bewerbung.
Der am 26.06.1952 geborene, schwerbehinderte Kläger befindet sich nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer beim beklagten Land seit Ende 2018 im Ruhestand. Seither war er wiederholt im Rahmen von befristeter Arbeitsverhältnisses weiter als Lehrer für das beklagte Land tätig. Er verfügt über das erste Staatsexamen für das Lehramt Sek. I mit Deutsch und Musik sowie für das Lehramt Sek. II mit Musik und Philosophie sowie einer Erweiterung zur ersten Staatsprüfung im Fach praktische Philosophie für die Sek. I. Des Weiteren hat er die 2. Staatsprüfung für das Lehramt für die Sek. II in den Fächern Philosophie und Musik erfolgreich abgelegt.
Am 20.12.2021 bewarb er sich neben einem am 05.04.1981 geborenen weiteren Bewerber auf eine befristete Vertretungsstelle, die von der Schulleitung des Gymnasiums A der Stadt B mit einem Umfang von 18 Wochenstunden für den Zeitraum 01.02.2022 - 09.08.2022 mit der Fächerkombination Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie im Internet-Portal des Landes unter www.C.nrw.de ausgeschrieben war. Der weitere Bewerber verfügt ebenfalls über beide Staatsexamen für das Lehramt. Beide Bewerber wurden zu Vorstellungsgesprächen geladen. Nach Abschluss des durch die Schule durchgeführten Auswahlverfahrens wurde der Kläger am 04.01.2022 von der Schulleitung mit dem dafür vorgesehenen Formblatt zur Einstellung vorgeschlagen. Die Bezirksregierung Arnsberg bemängelte daraufhin mit E-Mail vom 06.01.2022 (Bl. 66 d.A.), auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, dass die vorgelegten Angaben über das Ergebnis des Auswahlverfahrens unvollständig seien, weil unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger die gesetzliche Altersgrenze bereits überschritten habe, weitere Angaben zu den Mitbewerbern benötigt würden. Hintergrund der E-Mail war ein Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW vom 26.09.2012 und ein hierauf basierendes Schreiben der Bezirksregierung an die Schulleitungen der öffentlichen Gymnasien und Weiterbildungskollegs im Regierungsbezirk Arnsberg vom 10.01.2013 (Bl. 80f. d.A.), auf das verwiesen wird. Hierin heißt es unter anderem: "Eine Einstellung oder auch die Verlängerung eines lfd. Vertretungsvertrages mit einer Person, die kein Lehramt hat oder die bereits die Altersgrenze überschritten hat, kommt ab dem 02.02.2013 nur dann in Betracht, wenn eine Ausschreibung ohne Ergebnis geblieben ist."
Der Schulleiter des Gymnasiums A teilte der Bezirksregierung per E-Mail vom 07.01.2023 (Bl. 65 d.A.) daraufhin mit, dass er den Kläger zwar für besser qualifiziert halte, gleichwohl aber einen Antrag für die Besetzung der Vertretungsstelle mit dem Mitbewerber beantrage. Den entsprechenden Antrag nebst Einverständniserklärung des Mitbewerbers vom 07.01.2022 (Bl. 69 d.A.) reichte er sodann bei der Bezirksregierung ein, woraufhin die Stelle mit diesem besetzt wurde.
Mit seiner am 19.01.2022 b...