Ein Anspruch auf Entfernung berechtigter Abmahnungen aus Personalakten besteht grundsätzlich nicht. Er besteht nur dann, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist und kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an dem Verbleib einer zu Recht erteilten Abmahnung in der Personalakte besteht.
Abmahnungen sind gerichtlich nachprüfbar. Der Arbeitnehmer kann in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalakten verlangen, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
Ein Entfernungsanspruch besteht somit vor allem dann, wenn
- die Abmahnung keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zum Inhalt hat,
- der in der Abmahnung dargestellte Sachverhalt objektiv unzutreffend ist, nur teilweise zutrifft, zu pauschal beschrieben ist oder vom Arbeitgeber im Bestreitensfall nicht nachgewiesen werden kann,
- die Abmahnung Wertungen enthält, die das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen,
- die Abmahnung eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Fehlverhalten des Arbeitnehmers darstellt.
Das Recht des Arbeitnehmers, eine Gegendarstellung zu den Personalakten geben zu können, macht seinen etwaigen Entfernungsanspruch nicht gegenstandslos.
Für die Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erfolgt ist, kommt es allein darauf an, ob der erhobene Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist, nicht aber, ob das beanstandete Verhalten dem Arbeitnehmer auch subjektiv vorgeworfen werden kann.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Beschäftigten grundsätzlich kein Entfernungsanspruch mehr zu. Er kann aber dann gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung dem Beschäftigten auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Beschäftigte darlegungs- und beweispflichtig. Nach einer Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt hat ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Das LAG Hamm und das LAG Baden-Württemberg haben ebenso entschieden.
Selbst wenn ein Entfernungsanspruch des Beschäftigten gegeben ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Abmahnung damit ihre Warnfunktion verloren hat und der Arbeitgeber diese Abmahnung später nicht mehr verwerten kann (vgl. nachfolgend unter 10.2).
Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist.
Mit einer Abmahnung übt der Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte in doppelter Hinsicht aus: Zum einen weist er den Arbeitnehmer auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion).
Der Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setzt deshalb nach der zutreffenden Auffassung des BAG nicht nur voraus, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat. Vielmehr darf der Arbeitgeber darüber hinaus kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben.
Es besteht – so das BAG – nicht deshalb ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, eine Abmahnung in der Personalakte des Arbeitnehmers zu belassen, weil sie stets für eine evtl. notwendig werdende spätere Interessenabwägung von Bedeutung sein kann. So kann ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung auch für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich wird demgegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein.
Mit dieser Entscheidung des BAG dürfte endgültig klargestellt sein, dass eine Abmahnung nicht automatisch nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums ihre Wirkung verliert und deshalb aus den Personalakten zu entfernen ist.
Es trifft zwar zu, dass eine Abmahnung nach längerem einwandfreiem Verhalten des Beschäftigten ihre Wirkung verlieren kann. So ka...