Die Prüfung der Gerichte erstreckt sich in erster Linie darauf, ob die Abmahnung auf zutreffenden Tatsachen beruht und ob eine Pflichtverletzung des Beschäftigten vorliegt (die allein Gegenstand einer Abmahnung sein kann).

Darüber hinaus prüfen die Arbeitsgerichte vielfach die Frage, ob der zum Anlass für die Abmahnung genommene Sachverhalt eine entsprechende Reaktion des Arbeitgebers rechtfertigt. Untersucht wird also, ob das Fehlverhalten des Beschäftigten erheblich genug war, um die nachfolgende Abmahnung als angemessene Reaktion hierauf bezeichnen zu können. Diese Überlegungen beruhen auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nach allgemeiner Auffassung zur Begründung der Erforderlichkeit einer Abmahnung (als das mildere Mittel) vor dem Ausspruch einer Kündigung herangezogen wird. Eine Abmahnung darf nicht unverhältnismäßig sein.

Dieser Grundsatz kann aber nur insoweit zum Tragen kommen, als eine offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Fehlverhalten des Beschäftigten und der mit der Abmahnung verbundenen Kündigungsandrohung vorliegt. Ein verständiger Arbeitgeber wird völlig unerhebliche Pflichtverstöße nicht zum Anlass für eine Abmahnung nehmen. Wer z. B. einen Beschäftigten abmahnt, der nach zehnjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit einmal fünf Minuten zu spät zur Arbeit gekommen ist, ohne dass dies betriebliche Auswirkungen hatte, macht sich als Arbeitgeber unglaubwürdig. Er setzt sich damit auch unnötigerweise in Zugzwang, weil er konsequenterweise in gleich gelagerten Fällen entsprechend reagieren muss. Mit einer solchen Praxis würde die Abmahnung – immerhin eine Vorstufe zur Kündigung – entwertet.

Andererseits kann es nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein, im Vorfeld einer Abmahnung eingehend zu prüfen, ob diese quasi "sozial gerechtfertigt" ist. Die Abmahnung hat nämlich nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Es liegt allein in der Hand des Beschäftigten, diese Gefahr durch ein entsprechend vertragstreues Verhalten zu beseitigen.

Für die Praxis gilt deshalb Folgendes:

  • Alle Pflichtverstöße berechtigen grundsätzlich zur Abmahnung.
  • Herabsetzende Werturteile im Abmahnungsschreiben sind zu unterlassen.
  • Bagatellen eignen sich nicht für Abmahnungen.

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