5.1 Welche Rechte haben die von einer (vermeintlichen) Diskriminierung Betroffenen?

Betroffene Arbeitnehmer haben folgende Rechte:

5.2 Wann besteht das Beschwerderecht nach § 13 AGG?

Der Beschäftigte kann sich beschweren, wenn er sich benachteiligt "fühlt". Das Vorliegen einer objektiven Benachteiligung oder begründete Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sind nicht erforderlich. Wer den Arbeitnehmer vermeintlich benachteiligt, ist ebenfalls unerheblich, auch Kollegen und Dritte sind erfasst, der Betriebsrat aber nicht.[1]

Hinweis: Die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist keine Voraussetzung für die Ansprüche aus § 15 AGG, § 12 AGG i. V. m. Schadensersatz oder für das Leistungsverweigerungsrecht nach § 14 AGG.
5.3 Wie hat die Beschwerde zu erfolgen?

Der Beschäftigte kann die Beschwerde formlos bei der zuständigen Stelle vorbringen. Die zuständige Stelle hat dann eine Prüfungs- und Mitteilungspflicht, d. h. sie muss den Sachverhalt prüfen und die Ergebnisse mitteilen. Die Beschwerde kann auch anonym erfolgen; der Beschäftigte verzichtet jedoch mit einer solchen Beschwerde auf das Mitteilungsrecht.[2]

Hinweis: Da der Arbeitgeber nicht die zuständige Stelle sein muss, muss er gewährleisten, dass er von begründeten Beschwerden Kenntnis erlangt. Ansonsten kann er die vom Gesetzgeber in § 12 AGG geforderten Maßnahmen nicht ergreifen.[3]
5.4 Wann besteht ein Leistungsverweigerungsrecht?

Hier bestehen mehrere Voraussetzungen[4]:

  1. Der Beschäftigte muss (sexuell) belästigt werden und dafür die nötigen Beweise erbringen (§ 22 AGG greift nicht ein)
  2. Der Arbeitgeber hat dagegen keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen ergriffen.

    Beispiel: Der Arbeitgeber reagiert auf eine Beschwerde nicht oder ist selbst der Belästigende.

  3. Der Arbeitgeber muss dazu auch Kenntnis von der Belästigung gehabt haben.
  4. Die Leistungsverweigerung muss erforderlich sein. Die Erforderlichkeit hängt von der Verhältnismäßigkeit der Belästigung und der Reaktion ab. Das Risiko, ein milderes Mittel nicht erkannt zu haben, liegt beim Beschäftigten (Irrtumsrisiko).

    Beispiel: Das Zurückhalten der Leistung für einen gewissen Zeitraum kann ein milderes, gleich geeignetes Mittel sein, wenn der belästigende Kollege in dieser Zeit nicht am Arbeitsplatz ist oder eine Begegnung ausgeschlossen ist.

Hinweis: Bei Erfüllung vordringlicher öffentlicher oder auch privater Aufgaben kann das Leistungsverweigerungsrecht ausgeschlossen sein. Beispiel: Richter und Beamter.[5]
5.5 Wann hat ein Arbeitnehmer einen Ersatzanspruch wegen des erlittenen immateriellen Schadens?

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Ersatz des immateriellen Schadens (ähnlich dem Schmerzensgeld) verlangen.[6] Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Der Arbeitgeber haftet verschuldensunabhängig. Eine Verletzung der Pflicht aus § 12 AGG begründet nicht selbst schon Ersatzansprüche aus § 15 AGG, denn das Unterlassen von Präventions- oder Schutzmaßnahmen ist keine "Benachteiligung".[7] Allerdings kann ggf. eine Verletzung der (vor-)vertraglichen Schutzpflicht aus § 12 Abs. 1 AGG vertragliche Entschädigungsansprüche begründen.[8]

Beispiel: Ein Arbeitgeber, der trotz Kenntnis nicht unterbindet, dass ein Arbeitnehmer von seinen Kollegen wegen seiner Homosexualität regelmäßig als "Schwuchtel" bezeichnet wird, macht sich schadensersatzpflichtig.
5.6 Ist der immaterielle Entschädigungsanspruch der Höhe nach begrenzt?

Der Anspruch ist der Höhe nach grundsätzlich nicht begrenzt. Die Höhe des immateriellen Ersatzanspruchs legt das Arbeitsgericht individuell fest. Bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Entschädigung ist nach der Rechtsprechung zu beachten, dass die Entschädigung einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten muss.[9]

Es sind Faktoren zu berücksichtigen, wie die Umstände der Begehung der Benachteiligung und ihre Auswirkung auf den Benachteiligten. Hierbei ist die Dauer und Intensität der Benachteiligung zu bewerten. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des "Täters" ist ebenfalls ein relevanter Gesichtspunkt. Eine rein symbolische Entschädigung reicht nicht aus.[10]

Lediglich für die Diskriminierung eines Bewerbers, der – z. B. mangels Qualifikation – auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, stellt das AGG, wie bisher schon § 611a BGB, eine Höchstgrenze für die Entschädigung von drei Monatsverdiensten auf.[11] Allerdings muss der Arbeitgeber beweisen, dass er den geeigneteren Bewerber eingestellt hat.[12]

Hat der Arbeitgeber aber den besten Bewerber diskriminierend abgelehnt, gibt es keine summenmäßige Begrenzung des Ersatzanspruchs.[13]
5.7 Gibt es auch Ansprüche wegen eines erlittenen materiellen Schadens, wenn ja in welcher Höhe?

Ein Arbeitnehmer kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vom Arbeitgeber auch den Ersatz des erlittenen materiellen Schadens verl...

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