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Bei der kollektiven Gestaltung der Arbeitsbedingungen stehen sich Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkoalitionen als Parteien mit gegenläufigen Interessen gegenüber. Der Weg, zu einem Ausgleich dieser Positionen zu kommen, besteht zunächst in der Aushandlung von Tarifverträgen. Werden sich die Tarifparteien nicht einig, scheitern also die Verhandlungen, kann es zu einem Arbeitskampf kommen, mit dem die Parteien versuchen, ihre Regelungsziele durchzusetzen. Zu dieser Phase des kollektiven Konflikts gehört nach einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1958 „jede Maßnahme, die an die Stelle des freien Verhandelns den Zwang zum Bewilligen der Forderung des Partners oder jedenfalls zum Nachgeben setzen soll, und zwar aus Furcht vor Nachteilen oder Verlusten, die der Arbeitskampf mit sich bringt”.

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Offen ist diese Begriffsbestimmung, soweit es um die Beschreibung der Maßnahmen selbst geht. Hier ist zwar primär an den Streik der Arbeitnehmer mit seinem Gegenstück, der Aussperrung durch die Arbeitgeber, zu denken. Doch gibt es auch andere Möglichkeiten, Druck auf den Gegner auszuüben. Das BAG hatte im Jahr 2009 beispielsweise über die Zulässigkeit von Flash-Mob-Aktionen als Arbeitskampfmaßnahme im Einzelhandel zu urteilen. Dabei ging es um gewerkschaftlich gesteuerte Aktionen, die gezielt den Betriebsablauf von Einzelhandelsgeschäften störten, indem koordiniert agierende„Kunden“ veranlasst wurden, Pfennig-Artikel zu kaufen, um damit für längere Zeit den Kassenbereich zu blockieren oder volle Einkaufswagen im Geschäft stehen zu lassen, um Aufräumarbeiten zu provozieren. Das BAG hat diese Form des Arbeitskampfes, die den Druck auf den Gegner von Dritten Personen ausgehen lässt, für zulässig erachtet.[2]

Rechtliche Einordnung

Ein kodifiziertes Arbeitskampfrecht gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Die Gerichte sind bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen darauf angewiesen, eigene Kriterien zu entwickeln und anzuwenden.

Grundlage für die Erarbeitung dieser Kriterien ist die Verankerung der Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG, die nach der Rechtsprechung des BVerfG auch den gewerkschaftlich organisierten Arbeitskampf schützt. Das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG schütze neben dem Einzelnen („Jedermann…“) auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der Schutz erstrecke sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und sei nicht auf die traditionell anerkannten Formen des Streiks und der Aussperrung beschränkt. Die Wahl der Mittel überlasse Art. 9 Abs. 3 GG vielmehr grundsätzlich den Koalitionen selbst. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit bedürfe allerdings der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, soweit es die Beziehungen zwischen Trägern widerstreitender Interessen zum Gegenstand habe. Beide Tarifparteien schütze das GG in gleicher Weise. Sie seien auch insoweit vor staatlicher Einflussnahme geschützt, als sie zum Austragen ihrer Interessengegensätze Kampfmittel mit beträchtlichen Auswirkungen auf den Gegner und die Allgemeinheit einsetzten. Umstrittene Arbeitskampfmaßnahmen seien allerdings unter dem Gesichtspunkt der Proportionalität zu überprüfen um zu verhindern, dass durch den Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen ein einseitiges Übergewicht bei Tarifverhandlungen entstehe.[3] Damit spricht das BVerfG die Rolle der Arbeitsgerichtsbarkeit an, die im Wesentlichen ihre Maßstäbe in Form von Richterrecht vor dem Hintergrund konkreter Rechtsstreitigkeiten (weiter) entwickelt hat.

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