Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung hat der Beschäftigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. Diesen Anforderungen kommt er regelmäßig mit der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vollständig nach. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit; ihr kommt nach der Rechtsprechung ein hoher Beweiswert zu. Auch in einem Arbeitsgerichtsverfahren hat der Tatrichter nach Ansicht des BAG im Regelfall den Beweis der Arbeitsunfähigkeit mit Vorlage der Bescheinigung als erbracht anzusehen. Auch bei psychischen Erkrankungen, deren Diagnose im Wesentlichen auf subjektiven Angaben des Patienten beruhen, bringt das ärztliche Attest regelmäßig ausreichenden Beweis für die Arbeitsunfähigkeit.
Legt der Beschäftigte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, so hat der Arbeitgeber folglich seinerseits aktiv zu werden, will er die Entgeltfortzahlung nicht leisten. Er hat dann Gründe zu ermitteln, die die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung infrage stellen. Dies können Gründe sein, die unmittelbar gegen die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sprechen. Der Arbeitgeber muss dabei konkrete Einzelumstände darlegen. Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können insbesondere dann bestehen, wenn die Krankschreibung für einen länger zurückliegenden Zeitraum erfolgt ist, wenn die Krankschreibung ohne vorhergehende ärztliche Untersuchung erfolgt ist oder wenn der Beschäftigte seine Arbeitsunfähigkeit "angekündigt" hat. Gleiches gilt, wenn der Beschäftigte während der Arbeitsunfähigkeit einer anderen Tätigkeit nachgeht oder sich sonst genesungswidrig verhält oder wenn er eine rückdatierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt.
Der Arbeitgeber ist dabei nicht auf die in § 275 Abs. 1a SGB V aufgeführten Regelbeispiele ernsthafter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit beschränkt.
Erklärt der Beschäftigte, er werde krank, wenn der Arbeitgeber ihm den im bisherigen Umfang bewilligten Urlaub nicht verlängere, obwohl er im Zeitpunkt dieser Ankündigung nicht krank war und sich aufgrund bestimmter Beschwerden auch noch nicht krank fühlen konnte, so ist ein solches Verhalten ohne Rücksicht darauf, ob der Beschäftigte später tatsächlich erkrankt, an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.
Kündigt ein Beschäftigter sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies nach Auffassung des BAG den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.
Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann grundsätzlich auch dadurch erschüttert werden, dass der Beschäftigte sich im Falle des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend – "postwendend" – krankmeldet bzw. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht. Das gilt insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist – auch durch mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – abgedeckt wird.
Ist durch solche oder vergleichbare Tatsachen der Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttert, hat der Beschäftigte den vollen Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit zu erbringen. Benennt der Beschäftigte den Arzt als Zeugen, hat er ihn von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Verbleiben Zweifel, gehen diese zulasten des Beschäftigten.
Der Missbrauchskontrolle dienen auch die ergänzenden Kontrollbefugnisse der Krankenkasse (§ 275 SGB V), die zum Teil erheblich verschärft worden sind. Bislang konnte die Krankenkasse bei "begründeten Zweifeln" an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes einholen. Nunmehr reichen (einfache) Zweifel aus. Solche Zweifel werden nach § 275 Abs. 1 Nr. 3b SGB V vermutet insbesondere bei auffällig häufigen Mehrfach- und Kurzerkrankungen, bei häufiger Arbeitsunfähigkeit am Beginn oder Ende einer Woche oder bei Nachweisen durch einen Arzt, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen auffällig geworden ist. In § 106 Abs. 3a SGB V ist zudem erstmals eine Schadensersatzpflicht des Arztes geregelt, der grob fahrlässig oder vorsätzlich die Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten festgestellt hat, obwohl die medizinischen Voraussetzungen nicht vorlagen.
Unabhängig hiervon hat der Arbeitgeber bei durch konkrete Anhaltspunkte begründeten Zweifeln am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit auch die Möglichkeit, nach § 3 Abs. 5 TVöD dem Beschäftigten aufzugeben, eine ärztliche Bescheinigung des Betriebsarztes betreffend seiner Arbeitsfähigkeit vorzulegen (vgl. Ärztliche Untersuchung). Auch können zur Überprüfung Hausbesuche gemacht werden, der Beschäftigte braucht allerdings den ...