Leitsatz (amtlich)

1) Wird dem Arbeitnehmer einer BGB-Gesellschaft betriebsbedingt gekündigt, sind nach § 1 Abs. 2 KSchG regelmäßig nur Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der BGB-Gesellschaft zu berücksichtigen, nicht solche in Unternehmen der Gesellschafterinnen der BGB-Gesellschaft.

2) In die Sozialauswahl sind nur die Beschäftigten des Betriebs der BGB-Gesellschaft einzubeziehen.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 705

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert beträgt EUR 6.800,–.

Die Berufung wird gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt mit der Klage die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung und Weiterbeschäftigung.

Der am XX.XXXXXXXXX 1996 geborene, verheiratete und drei Kindern zu Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 10. Juli 1996 bei der Beklagten zu 1 als Reiniger beschäftigt. Zuletzt erhielt er bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden einen Bruttostundenlohn in Höhe von EUR 10. Im Betrieb der Beklagten zu 1 waren regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig. Mit Schreiben vom 20. Juni 2003, dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte zu 1 das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2003.

Die Beklagte zu 1 ist eine von den Beklagten zu 2 bis 4 in Form einer BGB-Gesellschaft gebildete Arbeitsgemeinschaft, die seit dem 1. Oktober 1991 existiert. Zweck der Arbeitsgemeinschaft war die Erlangung und Durchführung von Reinigungsaufträgen, die von der Fa. B.-Gesellschaft für den H.-GmbH (im Folgenden: Fa. B.) vergeben wurden. Diese Firma war von der Freien und Hansestadt Hamburg gegründet worden und vergab sämtliche Reinigungsaufträge für den H. Hauptbahnhof. 96 % des Auftragsvolumens der Beklagten zu 1 erhielt diese von der Fa. B.. Im August 2002 entschied der Aufsichtsrat der Fa. B., die Gesellschaft zum 31. Dezember 2003 aufzulösen. Die Geschäftsleitung der Fa. B. unterrichtete die Beklagte zu 1 hierüber im Herbst 2002. In § 7 Abs. 2 des zwischen der Fa. B. und der Beklagten zu 1 geschlossenen Reinigungsvertrages ist u.a. Folgendes vorgesehen:

„Der Vertrag endet ohne Kündigung,

a) sobald die B. nicht mehr die Aufgabe der Reinigung für die Verkehrsanlage H. Hauptbahnhof wahrnimmt, wobei der Auftraggeber den Auftragnehmer rechtzeitig verständigen wird;…”

Die Beklagte zu 1 wurde zum 31. Dezember 2003 aufgelöst und stellte ihre Reinigungstätigkeiten zu diesem Zeitpunkt vollständig ein.

Die Fa. H. AG erweiterte den zwischen ihr und der Beklagten zu 4 bestehenden Reinigungsauftrag um den U-Bahn-Bereich am H. Hauptbahnhof.

Bei der Beklagten zu 1 waren im Juni 2003 74 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig. Allen Beschäftigten wurde zum 31. Dezember 2003 gekündigt, sofern deren Arbeitsverhältnisse nicht ohnehin nur bis zum 31. Dezember 2003 abgeschlossen worden waren. Vier (so der Kläger) oder fünf (so die Beklagte zu 1) Beschäftigten, die vor ihrem Eintritt bei der Beklagten zu 1 bei der Beklagten zu 4 tätig waren, hatten ein Rückkehrrecht zu der Beklagten zu 4 vereinbart. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung hatte die Beklagte zu 1 keine Kenntnis davon, wie und durch wen die Reinigung des Hauptbahnhofs ab dem 1. Januar 2004 durchgeführt werden würde.

Mit Schreiben des Arbeitsamts Hamburg vom 18. Juli 2003 teilte dieses der Beklagten zu 1 mit, dass deren Anzeige nach § 17 KSchG vollständig, aber verfrüht eingegangen sei. Deren Aktualität bzw. etwaige Änderungen sollten ca. acht Wochen vor den geplanten Entlassungen nochmals schriftlich mitgeteilt werden. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten zu 1 vom 27. Oktober 2003 (Bl. 23 d.A.) verwiesen. Die Beklagte zu 1 wandte sich mit einem Schreiben vom 28. Oktober 2003 an das Arbeitsamt, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage B 3 zum Schriftsatz der Beklagten zu 1 vom 31. Dezember 2003 verwiesen wird.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er fordert die Beklagte auf, die soziale Auswahl offen zu legen und hierbei Namen und Sozialdaten von vergleichbaren Arbeitnehmern zu nennen. Der Kläger trägt vor, dass sein Bruttomonatsentgelt EUR 1700 betragen habe. Die Kündigung sei unwirksam, weil bei einer BGB-Gesellschaft jede einzelne der Gesellschafterinnen Arbeitgeberin sei. Das bleibe auch nach Auflösung der BGB-Gesellschaft der Fall. Außerdem handele eine Arbeitgeberin rechtsmissbräuchlich, wenn sie durch die Bildung separater betrieblicher Organisationseinheiten ihren Betrieb in mehrere Teile aufspalte, um den Beschäftigten den Kündigungsschutz zu entziehen. Genau das geschehe aber, wenn die durch die Gründung der Beklagten zu 1 erzielte Verknüpfung des Auftrags am Hauptbahnhof mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werde. Es sei der Schluss nahegelegt, dass es tatsächlich nur darum gehe, sich von dem Kläger ohne wirtschaftliche Nachteile zu trennen und sodann mit neuen Beschäftigten unter veränderten Bedingungen und mit getrennten Unternehmen die Aufträge am Hauptbahnhof durchzuführen. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge