Der Fall: Kündigung ohne Abmahnung nach Verweigerung der Durchführung von Corona-Schnelltests
Die beklagte Arbeitgeberin ist als Anbieter eines vollelektronischen „Ride-Sharing“ Dienstleister im Bereich der Personenbeförderung. Sie beschäftigt im Betrieb, in dem der Kläger angestellt war, regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit. Mit den von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fahrzeugen können ihre Fahrer bis zu sechs Fahrgäste pro Fahrt gleichzeitig befördern.
Der klagende Arbeitnehmer war bei der Beklagten seit dem 15.06.2019 auf Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt. Der Kläger hatte gem. § 3 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages u. a. die Vorgaben des sog. Fahrer-Handbuchs der Beklagten „strengstens“ zu befolgen. Dieses wurde mit Wirkung ab dem 1.6.2021 um die Verpflichtung, regelmäßige Corona-Schnelltest durchführen zu müssen, ergänzt. Bei den von der Beklagten angebotenen Schnelltests handelte es sich um den „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigentest“ vom Hersteller Beijing Hotgen Biotech Co. Ltd. Dieser Antigen-Selbsttest erfordert lediglich einen Abstrich im vorderen Nasenbereich und ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anerkannt.
Der Kläger weigerte sich an drei Arbeitstagen, den Test durchzuführen und wurde daraufhin von der Arbeit freigestellt und gekündigt. Dagegen hat er Kündigungsschutzklage erhoben.
ArbG: Erst hätte eine Abmahnung erfolgen müssen!
Die Kündigung ist - so das ArbG Hamburg - nicht als verhaltensbedingte Kündigung i. S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Zwar war die Anordnung der Beklagten gegenüber ihren Fahrern rechtmäßig, die von ihr bereitgestellten Corona-Schnelltests durchzuführen, und der Kläger hat entsprechend durch die Ablehnung dieser Tests schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Nach Auffassung des ArbG wäre allerdings vor Ausspruch einer Kündigung der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel geeignet und ausreichend gewesen, beim Kläger künftige Vertragstreue zu bewirken. Die Beklagte war somit nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist sogleich zu kündigen.
Auch wenn es letztlich für die Entscheidung nicht darauf ankomme, sei die Beklagte - obgleich eine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung nicht existierte - berechtigt gewesen, Anfang Juni 2021 gegenüber ihren Fahrern die Durchführung der bereitgestellten Corona-Schnelltests anzuordnen. Insbesondere auch die Anordnung der Beklagten, einen solchen Test erstmalig vor Ort auf dem Betriebsgelände durchzuführen, war rechtmäßig und von dem in den Grenzen billigen Ermessens bestehenden Weisungsrecht der Beklagten gem. § 106 GewO gedeckt.
Im konkreten Fall war, so das ArbG, eine Abmahnung des Klägers nicht von vornherein entbehrlich. Das gelte schon deswegen, weil auch die Beklagte grundsätzlich nicht ausschließen konnte, dass der Kläger für den Fall der Androhung von Konsequenzen für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses seine Verweigerungshaltung überdacht und die bereitgestellten Corona-Schnelltests zukünftig durchgeführt hätte.
Wichtig für die Praxis
Es ist anzunehmen, dass sich solche Streitigkeiten mit der Einführung von „3G“ am Arbeitsplatz häufen werden. Die Entscheidung des ArbG Hamburg macht deutlich, dass eine Testverpflichtung rechtmäßig ist, im Falle einer Verweigerung aber erst der Weg über eine Abmahnung zu suchen ist. Das könnte sich anders darstellen, wenn der Arbeitnehmer grundsätzlich von Anfang an deutlich macht, sich nicht an diese Regeln halten zu wollen.