Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungsstichwort: Pfändungsschutz von Lohn – (Gehalts-)nachzahlungen
Leitsatz (amtlich)
Bleibt der Arbeitgeber die Lohn- (Gehalts-)Zahlung für einen oder mehrere Monate schuldig, zahlt aber später diese Beträge nach, dann handelt es sich bei der Nachzahlung nicht um eine „nicht wiederkehrend, zahlbare Vergütung” im Sinne des § 850 i Abs. 1 ZPO.
Die Nachzahlung ist demnach nicht voll einer Pfändung unterworfen. Die pfändbaren Beträge sind vielmehr nach § 850 c ZPO zu ermitteln. Dazu sind die unterbliebenen Lohnabrechnungen nachzuholen. Der jeweils pfändbare Betrag ist für jeden einzelnen Monat festzustellen.
Normenkette
ZPO §§ 850c, 850i
Tenor
1) Das Versäumnisurteil vom 21.4.1988 wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Prozeßvergleich des Landesarbeitsgerichts Frankfurt/M. vom 6.8.1987 – 3 Sa 905/86 – in Höhe von 60,20 DM unzulässig ist.
Im übrigen wird es aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 9/10 und dem Beklagten zu 1/10 auferlegt. Der Beklagte hat jedoch die Kosten zu tragen, die durch seine Säumnis im Termin vom 21.4.1988 entstanden sind.
3) Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.500,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Der ledige Beklagte war bei der Klägerin bis zum 24.11.85 als Kraftfahrer beschäftigt. Da er für seine Arbeit im November 1995 keinen Lohn erhielt, erhob er eine Zahlungsklage. In einem am 06.08.87 vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt (Az.: 3 Sa 903/86) geschlossenen Vergleich verpflichtete sich die Klägerin, dem Beklagten „für November 1985” 1.500,00 DM brutto nachzuzahlen. Am 27.08.87 ließ ein Gläubiger das Beklagten diesen Anspruch pfänden. Nachdem der Beklagte eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse VI vorgelegt hatte, berechnete die Klägerin den Nettolohn für 1.500,00 DM brutto auf 845,65 DM und überwies diesen Betrag an den Pfandgläubiger; denn sie hielt die Voraussetzungen des § 850 i ZPO für gegeben. Der Beklagte wollte hingegen § 850 c ZPO anwenden und meinte, die Klägerin müsse ihm die danach pfandfreien Beträge auszahlen. Da die Klägerin keine Zahlung leistete, beauftragte er den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt geschlossenen Vergleich.
Die Klägerin erhob daraufhin die vorliegende Klage mit dem Antrag; die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Landesarbeitsgerichts Frankfurt vom 06.08.87 für unzulässig zu erklären. Im Termin vom 21.04.88 war der Beklagte nicht vertreten, so daß Versäumnisurteil gegen ihn erlassen wurde. Gegen das am 26.04.88 zugestellten Versäumnisurteil legte er am 02.05.88 Einspruch ein.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 21.04.88 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 21.04.88 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 21.04.88 ist zulässig (§ 59 Arbeitsgerichtsgesetz). Auf die erneute Verhandlung mußte es zum überwiegenden Teil aufgehoben und die nach § 767 ZPO erhobene Klage mußte insoweit abgewiesen werden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht dem Beklagten für den Novemberlohn 1985 der Pfändungsschutz des § 850 c ZPO zu. Baumbach-Lauterbach (ZPO, 40. Auflage, § 350 i Anm. 2 A) vertreten zwar die Ansicht, nachgezahlter Arbeitslohn sei gemäß § 850 i ZPO voll der Pfändung unterworfen, sofern nicht der dort vorgesehene Antrag auf Pfändungsschutz gestellt werde. Dem konnte das erkennende Gericht jedoch nicht folgen. Gemäß § 850 i Abs. I ZPO ist eine „nicht wiederkehrende zahlbare Vergütung” in vollem Umfang pfändbar, doch darf diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden. Unterläßt ein Arbeitgeber die Lohnzahlung für einen oder mehrere Monats, zahlt er aber später die aufgelaufenen Beträge nach – sei es freiwillig, nach einem entsprechenden Urteil oder auf einen gerichtlichen Vergleich – dann kommt dieser Zahlung der Pfändungsschutz des § 850 c ZPO zu Gute. Für die Feststellung der pfändbaren Beträge sind die unterbliebenen Lohnabrechnungen nachzuholen und der für jeden Monat pfändbare Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen (Zöller, ZPO, 15. Auflage, § 850 c Rn. 3). Jede andere Ansicht ließe Sinn und Zweck der Pfändungsschutzvorschriften außer acht, die jedem Arbeitnehmer die Auszahlung der lebensnotwendigen Mittel sichern sollen. Dies kann nicht dann anders sein, wenn dem Arbeitnehmer die ihm zustehenden Beträge zeitweise vorenthalten werden. Immerhin benötigte er auch während dieser Zeit Mittel für seinen – und gegebenenfalls seiner Familie – Lebensunterhalt, die er sich auf andere Weise, meist durch Darlehen, beschaffen mußte. Bei der Nachzahlung der einbehaltenen Gelder muß er daher ebenso behandelt werden, als wenn die Zahlungen pünktlich erfolgen.
Da der Beklagte ledig ist, waren bei einem – zutreffend nach Steuerklasse VI berechneten (§ 38 b Z...