Rz. 15
Für Befristungen ohne Sachgrund gelten für Beschäftigte, auf die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden und deren Tätigkeit vor dem 1.1.2005 der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen hätte (s. oben Rz. 6), folgende Besonderheiten und Einschränkungen:
- Die Dauer des Arbeitsverhältnisses muss mindestens 6 Monate betragen. § 30 Abs. 3 Satz 1 TVöD/TV-L: In Abweichung vom TzBfG gilt also im Anwendungsbereich des TVöD/TV-L – ebenso wie bei der (früheren) SR 2y BAT – zugunsten der Arbeitnehmer eine Mindestlaufzeit des sachgrundlos befristeten Vertrags von 6 Monaten. Eine Befristung mit einer kürzeren Laufzeit ist ohne Sachgrund nicht wirksam. Folge des Verstoßes wäre das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Teilweise wird jedoch angenommen, es gelte dann die tarifliche Mindestfrist von 6 Monaten.
- Die Mindestfrist von 6 Monaten gilt nur für den ersten sachgrundlos befristeten Vertrag nicht aber für Verlängerungen; das Auslegungsergebnis des BAG zum wortgleichen § 33 Abs. 3 TV-BA ist insoweit übertragbar; danach sprechen Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen dafür, dass sich die Mindestdauer nur auf den zuerst abgeschlossenen Grundarbeitsvertrag, nicht aber auf dessen Verlängerungen bezieht.
- Die Laufzeit "soll in der Regel" 12 Monate nicht unterschreiten; ein Verstoß hiergegen ist aber unbeachtlich, solange die vereinbarte Laufzeit mindestens 6 Monate beträgt.
- In § 30 TVöD/TV-L ist das Zitiergebot der Protokollnotiz Nr. 6a zu Nr. 1 SR 2y BAT nicht übernommen worden; d. h. es muss im Arbeitsvertrag nicht angegeben werden, dass es sich um ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis handelt (LAG München, Urteil v. 10.12.2008, 10 Sa 765/08).
- Vor Ablauf des Arbeitsvertrags hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob der Beschäftigte auf Dauer oder befristet weiterbeschäftigt werden kann, § 30 Abs. 3 Satz 2 TVöD.
Rz. 16
Aus der in § 30 Abs. 3 Satz 2 TVöD vorgesehenen Prüfpflicht folgt aber kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung, schon gar nicht auf eine unterbrechungslose Anschlussbeschäftigung (LAG Hamm, Urteil v. 9.8.2007, 17 Sa 404/07).
Ein anderes Ergebnis stünde mit Wortlaut, Sinn und Zweck, Tarifsystematik und Tarifgeschichte im Widerspruch (LAG München, Urteil v. 1.9.2010, 5 Sa 365/10). Der Wortlaut gibt dem Arbeitgeber lediglich auf, "zu prüfen", ob eine unbefristete oder befristete Weiterbeschäftigung möglich ist. § 30 Abs. 3 Satz 2 TVöD begründet keine materiellen Pflichten bei der Prüfung. Es handelt sich ausschließlich um eine Verfahrensnorm (BAG, Urteil v. 15.5.2012, 7 AZR 754/10). Sinn und Zweck des § 30 TVöD ist es, den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern zu regeln. Dabei eröffnet § 30 Abs. 3 TVöD ausdrücklich auch die Möglichkeit des Abschlusses befristeter Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund. Diese von den Tarifvertragsparteien gewollte Befristungsmöglichkeit wäre konterkariert, würde aus § 30 Abs. 2 Satz 2 TVöD ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung abgeleitet.
Selbst zu § 30 Abs. 2 Satz 2 TVöD, der für mit Sachgrund befristet Beschäftigte vorsieht, dass sie bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen sind, wenn sie die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllen, wird ein Anstellungsgebot abgelehnt (LAG Hamm, Urteil v. 9.8.2007, 17 Sa 404/07). Systematisch ist deshalb für § 30 Abs. 3 Satz 2 TVöD, der eine bloße Prüfpflicht vorsieht, ein Weiterbeschäftigungsanspruch abzulehnen. Schließlich wurde bereits zur nahezu wortgleichen Protokollnotiz Nr. 6 f zu Nr. 1 SR 2y BAT ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung abgelehnt. In Kenntnis dessen haben die Tarifvertragsparteien des TVöD keinen Anlass gesehen, § 30 TVöD als Nachfolgeregelung anders zu fassen.
Rz. 17
Ob sich der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen die in § 30 Abs. 3 Satz 2 TVöD vorgesehene Prüfungspflicht schadensersatzpflichtig macht, war bereits bei der vergleichbaren Regelung in der Protokollnotiz Nr. 6 Satz 3 lit. f zu Nr. 1 SR 2y BAT streitig. Dafür spricht, dass die Regelung ansonsten völlig sinnlos wäre.
Selbst wenn man eine Schadensersatzpflicht annähme, könnte diese sich aber nicht auf das sog. positive Interesse, also das Erfüllungsinteresse, richten, da andernfalls im Wege der Naturalrestitution hieraus wiederum ein von den Tarifvertragsparteien nicht gewollter Anspruch auf Einstellung abzuleiten wäre (LAG München, Urteil v. 1.9.2010, 5 Sa 365/10; vgl. auch LAG Köln, Urteil v. 26.3.2014, 5 Sa 819/13). Es kommt allenfalls ein Ausgleich des Vertrauensschadens in Betracht. Der betroffene Beschäftigte wäre dann so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er auf die Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber vertraut hätte. Ein Schaden in diesem Sinne wäre z. B. denkbar, wenn der Arbeitgeber seiner Prüfobliegenheit nicht nachgekommen wäre, die Prüfung zur Einstellung geführt hätte und der Arbeitnehmer im Vertrauen darauf, dass der Arbeitgeber eine Prüfun...