Rz. 102
Beim Anspruch auf Urlaubsentgelt ist zu unterscheiden, ob es sich um Entgelt für vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewährten Urlaub handelt, oder ob der Urlaub bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewährt und lediglich – entgegen der Fälligkeitsbestimmung des § 11 Abs. 2 BUrlG – das Urlaubsentgelt nicht gezahlt wurde.
Rz. 103
Auch soweit der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsgeld hat, das eine über das Urlaubsentgelt nach §§ 1, 11 BUrlG hinausgehende Arbeitgeberleistung darstellt, gilt nichts anderes. Urlaubsgeld folgt den für das Urlaubsentgelt entwickelten Grundsätzen, wenn es so mit dem Urlaub verbunden ist, dass es mit der Urlaubsgewährung entsteht. In diesen Fällen wird es nämlich im Sinne von § 108 InsO nicht "für" einen anderen Zeitraum als für den des Urlaubs gezahlt.
Wird das Urlaubsgeld dagegen als Einmalzahlung unabhängig vom Zeitpunkt der Urlaubsgewährung gezahlt, kommt es für die Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit entscheidend darauf an, ob die Sonderzahlung später fälliges Entgelt für bereits in der Vergangenheit geleistete Arbeit ist oder eine stichtagsabhängige einmalige Sonderleistung. Ist das Urlaubsgeld eine später fällige Gegenleistung für bereits geleistete Arbeit, ist es insolvenzrechtlich dem Zeitraum zuzuordnen, für den es als Gegenleistung geschuldet ist. Ist die Sonderleistung jedoch an einen Stichtag geknüpft, ist sie dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt. Ist dies der Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit.
9.3.1 Masseforderung
Rz. 104
Gewährt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Arbeitnehmer Urlaub, so handelt es sich beim Anspruch auf Urlaubsentgelt um eine Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Unbeachtlich ist, wenn der Urlaub bereits vor Insolvenzeröffnung vom insolventen Arbeitgeber bewilligt wurde. Im Gegensatz zur Masseunzulänglichkeit (s. Rz. 109 f.) kommt es auch nicht darauf an, ob der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer nach der Insolvenzeröffnung freistellt oder dessen Arbeitsleistung in Anspruch nimmt. Die Masseforderung ist vorweg zu befriedigen und gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Urlaub nicht aus dem Jahr der Insolvenzeröffnung stammt, sondern wegen Übertragung nach § 7 Abs. 3 BUrlG oder als Schadensersatzanspruch aus dem/den Vorjahr/en stammt. Enthalten die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien oder tarifliche Regelungen keine vom BUrlG abweichende Systematik, gilt dies auch für den vertraglich oder tariflich vereinbarten übergesetzlichen Urlaub.
Auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann ein Anspruch auf Urlaubsentgelt eine Masseverbindlichkeit sein. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelten Verbindlichkeiten, die von einem sogenannten "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten.
9.3.2 Insolvenzforderung
Rz. 105
Handelt es sich dagegen um einen Anspruch auf Urlaubsentgelt, dem ein vor Insolvenzeröffnung gewährter und genommener Urlaub zugrunde liegt, handelt es sich um eine Insolvenzforderung nach §§ 38, 108 Abs. 3 InsO. Die Gläubiger von Insolvenzforderungen müssen ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Sie erhalten i. d. R. nur eine anteilige Befriedigung ihrer Forderung ("Quote"). Diese "Kürzung" ist mit Unionsrecht vereinbar. Zwar geht der EuGH davon aus, dass die Vergütung einer von zwei Aspekten eines einheitlichen Urlaubsanspruchs ist. Ist dieser in einem bestimmten Umfang entstanden, zieht er zwingend einen entsprechenden Vergütungsanspruch nach sich. Allerdings geht es bei Insolvenzforderungen nicht darum, dass die Höhe des Urlaubsentgelts hinter dem entstandenen Urlaubsanspruch zurückbleibt. Vielmehr führt die Insolvenz dazu, dass die in vollem Umfang entstandene Forderung nur anteili...