Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderurlaub für den pädagogischen Vorbereitungsdienst
Normenkette
BAT § 50 Abs. 2 S. 1; BRRG § 116; BGB § 315; LBG Schleswig-Holstein § 13 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
I. Vor Erledigung der Hauptsache haben die Parteien darüber gestritten, ob die Beklagte verpflichtet ist, nach § 50 Abs. 2 BAT dem Kläger Sonderurlaub zu gewähren, um ihm die Ableistung des Vorbereitungsdienstes für das Lehramt an Realschulen in Schleswig-Holstein zu ermöglichen.
Der 1961 geborene, tarifgebundene Kläger ist seit August 1984 als teilzeitbeschäftigter Lehrer im Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein angestellt. Er unterrichtet seit 1989 an einer Grundschule in den Fächern Sport, Heimat- und Sachunterricht, Mathematik, Religion, Kunst, textiles Werken und Musik. Zuletzt betrug seine Unterrichtsverpflichtung neun Stunden in der Woche (9/27 der regelmäßigen Pflichtstundenzahl). Im Mai 1994 erwarb der Kläger den wissenschaftlichen Abschluß Magister artium und bestand im November 1994 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen. Der Kläger beantragte die Einstellung in den beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst für die Laufbahn der Realschullehrer. Im Mai 1995 sagte die Ministerin für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport die Einstellung zum 1. August 1995 zu. Nach Rücksprache mit dem Schulrat und einer befürwortenden Stellungnahme des Grundschulrektors beantragte er im Juni 1995 Sonderurlaub für die Dauer des Vorbereitungsdienstes unter Verzicht auf die Bezüge. Am 20. Juli 1995 teilte ihm der Schulrat mit:
„leider muß ich Ihnen mitteilen, daß ich Ihrem Antrag auf Gewährung Sonderurlaub nach § 50 Abs. 2 BAT nicht entsprechen kann.
Mit der Ernennung zum Beamten auf Widerruf erlischt nach § 13 Abs. 4 LBG das privatrechtliche Arbeitsverhältnis mit dem Land Schleswig-Holstein.
Es können also keine Entscheidungen, die das jetzt bestehende Arbeitsverhältnis betreffen und über dessen Ende hinausgehen, mehr getroffen werden.”
Mit der am 7. August 1995 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,
- das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger zum Zwecke der Ableistung des Vorbereitungsdienstes zur Laufbahn eines Realschullehrers zu beurlauben,
- es wird festgestellt, daß das seit dem 1. August 1984 bestehende Angestelltenverhältnis des Klägers zu dem beklagten Land nicht durch die Ableistung des Vorbereitungsdienstes zur Laufbahn eines Realschullehrers beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision hat die Beklagte weiterhin begehrt, die Klage abzuweisen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben beide Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, weil der Kläger zwischenzeitlich erfolgreich in Hamburg einen gleichwertigen Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volks- und Realschulen abgeleistet hat.
Entscheidungsgründe
II. Gemäß § 91 a ZPO ist nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung nur noch über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Soweit schwierige und bisherige höchstrichterliche ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden sind, reicht dabei eine lediglich summarische Prüfung aus (vgl. BAG Beschluß vom 27. März 1996 – 5 AZR 647/94 – n.v.; Senatsbeschluß vom 27. Mai 1997 – 9 AZR 325/96 – n.v.). Dem Rechtsmittelführer können dabei schon dann die Kosten auferlegt werden, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, daß das Berufungsurteil Bestand gehabt hätte (vgl. BGH Beschluß vom 16. September 1993 – V ZR 246/92 – NJW 1994, 256). So ist es hier.
1. Nach der zwischen den beiderseits tarifgebundenen Parteien geltenden Bestimmung des § 50 Abs. 2 Satz 1 BAT kann der Angestellte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Bezüge Sonderurlaub erhalten, wenn die dienstlichen Verhältnisse es gestatten.
a) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen des wichtigen Grundes nach der Interessenlage des Klägers beurteilt. Das entspricht dem Senatsurteil vom 25. Januar 1994 (– 9 AZR 540/91 – AP Nr. 16 zu § 50 BAT). Dort hat der Senat darauf abgestellt, daß bei objektiver Betrachtung der von dem Angestellten vorgebrachte Beurlaubsgrund genügend gewichtig sein muß. Das Landesarbeitsgericht hat diese Voraussetzung bejaht, weil der Kläger mit dem Vorbereitungsdienst einen berufsqualifizierenden Abschluß erstrebe, der ihm auch die Möglichkeit einer Vollzeitbeschäftigung eröffne. Das kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden.
b) Das Landesarbeitsgericht ist weiterhin zu der Überzeugung gelangt, daß die dienstlichen Verhältnisse die Bewilligung des Sonderurlaubs zulassen. Den Bedenken der Revision kann nicht gefolgt werden. Die Besorgnis einer vorzeitigen Beendigung des Sonderurlaubs ist unbegründet. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einer vorzeitigen Beendigung zuzustimmen. Der mit der Gewährung von Sonderurlaub zwangsläufig verbundene Verwaltungsmehraufwand ist zumutbar. Das gilt insbesondere für die Einrichtung einer Leerstelle.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch erkannt, daß die Verweigerung des Sonderurlaubs nicht billigem Ermessen entsprach. Der Schulrat hat, als er am 20. Juli 1995 den Antrag des Klägers abgewiesen hat, kein Ermessen ausgeübt. Das Landesarbeitsgericht konnte deshalb nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die unterbliebene Ermessensentscheidung nachholen (vgl. BAG Urteil vom 25. Januar 1994, a.a.O.; BAG Urteil vom 12. Januar 1989 – 8 AZR 251/88 – BAGE 60, 362, 365 = AP Nr. 14 zu § 50 BAT). Die dagegen erhobene Rüge der Revision greift nicht durch. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Einkommenssituation des Klägers nicht weiter aufgeklärt. Die Berücksichtigung von etwa vorhandenem Grundvermögen oder von Einkünften der Ehefrau wäre nicht sachgemäß.
2. Es bedarf keiner abschließenden Stellungnahme des Senats, ob § 13 Abs. 4 LBG Schleswig-Holstein der Gewährung von Sonderurlaub entgegensteht. Das Landesarbeitsgericht hat diese beamtenrechtliche Vorschrift, nach der mit der Ernennung zum Beamten das bei demselben Dienstherrn bestehende Arbeitsverhältnis erlischt, als auf diesen Einzelfall nicht anwendbar angesehen. Das ist vertretbar.
a) § 13 Abs. 4 LBG Schleswig-Holstein soll ebenso wie der für Bundesbeamte geltende gleichlautende § 10 Abs. 4 BBG vermeiden, daß bei Begründung eines Beamtenverhältnisses mit einem Angestellten arbeitsrechtliche Pflichten fortbestehen und das Nebeneinander von arbeits- sowie beamtenrechtlichen Pflichten zu Kollisionen führt (Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, 4. Aufl., § 10 BBG, Rz 13) oder zu Versorgungszwecken mißbraucht werden kann (Battis, BBG, 2. Aufl., § 10 Anm. 3). Diese Besorgnis besteht bei der Berufung des Klägers in ein Beamtenverhältnis nicht, weil er für die Dauer des Vorbereitungsdienstes in dem weiterbestehenden Arbeitsverhältnis als Grundschullehrer von seinen Arbeitspflichten freigestellt ist und die Gefahr einer Doppelversorgung ausgeschlossen ist.
b) Ferner ist die von der Revision vertretene Auffassung über die generelle Unvereinbarkeit eines Arbeits- mit einem Beamtenverhältnis überholt. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist auch die Vereinbarung eines zivilrechtlich ausgestalteten Beschäftigungsverhältnisses mit einem Beamten rechtswirksam, wenn keine Pflichtenkollision zu befürchten ist. Das zwischen Dienstherrn und Beamten bestehende Rechtsverhältnis muß nicht ausschließlich öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein. Der Beamte kann für eine Beschäftigung, die nicht zu den Obliegenheiten seines Dienstzweiges gehört, auch in einem weiteren, arbeitsrechtlich ausgestalteten Rechtsverhältnis zu seinem Dienstherrn stehen (OVG Münster Urteil vom 6. Dezember 1971 – I A 1183/69 – OVGE NW 27, 205 = DöD 1972, 69 = ZBR 1972, 125, 126; ebenso BAG Urteil vom 27. Juli 1994 – 4 AZR 534/93 – AP Nr. 72 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
c) Schließlich kommt eine einschränkende Auslegung der auf die „Kann”-Bestimmung des § 116 BRRG zurückgehenden landesrechtlichen Regelungen in Betracht. Mit der dort angeordneten Rechtsfolge („erlischt das Arbeitsverhältnis”) soll die vollständige Umwandlung in das neu begründete Beamtenverhältnis bewirkt werden. Unterscheiden sich Inhalt und Umfang der arbeitsvertraglich vereinbarten Beschäftigung so erheblich von der beamtenrechtlichen Dienstverpflichtung, daß keine Pflichtenkollision zu besorgen ist, besteht kein sachlicher Grund für das Erlöschen dieser vertraglichen Rechtsbeziehung.
Die Dienstpflicht des Klägers im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen unterscheidet sich zeitlich und inhaltlich erheblich von seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung als geringfügig beschäftigter Grundschullehrer. Zudem ist er von dieser vertraglichen Verpflichtung bei Anwendung des § 50 Abs. 2 Satz 1 BAT für die Dauer des Vorbereitungsdienstes freigestellt. Ein störendes Nebeneinander von arbeitsvertraglichen und beamtenrechtlichen Pflichten ist somit nicht zu besorgen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Trümner, H. Unger
Fundstellen
Haufe-Index 1254623 |
ZTR 1999, 35 |