Entscheidungsstichwort (Thema)
Einseitige Änderung der Eingruppierungsordnung durch den Arbeitgeber;. Mitbestimmung durch den Betriebsrat. entgegenstehende Rechtshängigkeit
Normenkette
BetrVG §§ 87, 99, 23; ZPO § 261
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20. Oktober 1999 – 2 (4) TaBV 29/99 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Die Beteiligten streiten noch über die Untersagung der Anwendung einer dem – gekündigten – Tarifvertrag entnommenen, jedoch modifizierten Vergütungsordnung ohne Zustimmung des Betriebsrats.
Der Antragsteller ist der für das Land Nordrhein-Westfalen gewählte Betriebsrat des Beteiligten zu 2) (im folgenden: Arbeitgeber). Der Arbeitgeber ist freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit mit bundesweit über 600 Einrichtungen an 300 Orten. Er hat mit der ÖTV ua. einen Manteltarifvertrag (MTV Nr. 2) sowie den Tarifvertrag Nr. 3 über die Tätigkeitsmerkmale zum Manteltarifvertrag abgeschlossen. Beide Tarifverträge hat er im September 1997 jeweils zum 31. Dezember 1997 gekündigt.
Zur Vergütung enthält der MTV Nr. 2 ua. folgende Regelungen:
„§ 20
Eingruppierung, Vergütung (Gehälter und Löhne)
(1) Über die Tätigkeitsmerkmale sowie über die Höhe der Vergütungen werden besondere Tarifverträge abgeschlossen.
…
§ 21
Grundvergütung (Gehälter, Monatslohn)
(1) Im Vergütungstarifvertrag sind die Grundvergütungen nach Lebensaltersstufen zu bemessen.
…”
Im TV Nr. 3 heißt es ua.:
„§ 3
Bewährungsaufstieg
1.a) Angestellte, die nach Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen IX bis V b eingruppiert sind, erhalten nach 4jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist.
1.b) Erzieher (außer Erzieher nach Aufgabenfeld 8.7 – Vc) und Erzieher in Kindertagesstätten, Kinderpfleger, Sozialberater, Gruppenerzieher, Ausbilder, Werkerzieher erhalten nach 2jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist. Dies gilt auch für AidTe-Angestellte.
…”
Im Vergütungstarifvertrag vom 14. Dezember 1996 waren – aufbauend auf den Vergütungsgruppen – die Lebensaltersstufen nach den Maßgaben des § 21 MTV Nr. 2 bestimmt. Die tarifschließende Gewerkschaft ÖTV hat den Vergütungstarifvertrag zum 31. Dezember 1997 gekündigt.
Bei Neueinstellungen und Neubegründungen von Arbeitsverhältnissen nach Ablauf von Befristungen wendet der Arbeitgeber seit dem 1. Januar 1998 die bisher geltenden Tarifverträge weiter an mit Ausnahme des hier im Streit stehenden Systems der Lebensaltersstufen (sowie der im Tarifvertrag Nr. 3 vorgesehenen Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs). Es wird unabhängig vom tatsächlichen Lebensalter stets die niedrigste Lebensaltersstufe (21) zugrunde gelegt.
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die vom Arbeitgeber geübte Praxis stelle eine mitbestimmungspflichtige Neuregelung von Vergütungsgrundsätzen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar. Dabei sei sein Mitbestimmungsrecht nicht beachtet worden. Der Betriebsrat hat daher die Untersagung der Anwendung des modifizierten Vergütungssystems, soweit die nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderliche Zustimmung nicht vorliegt, begehrt. Die Rechtshängigkeit seiner gleichlautenden Anträge in dem vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf anhängigen Verfahren (– 18 TaBV 26/99 –) stehe nicht entgegen, da er sich vorliegend auf die im Bezirk des Arbeitsgerichts Köln liegenden Einrichtungen des Betriebs beschränkt habe. Im übrigen sei er zuständig und nicht etwa der Gesamtbetriebsrat.
Der Betriebsrat hat – soweit für die Rechtsbeschwerdeinstanz von Bedeutung – beantragt,
- dem Antragsgegner zu untersagen, einseitig ohne Zustimmung des Antragstellers die Anlage 1) zu § 2 des gekündigten Vergütungstarifvertrages vom 14.12.1996 in Verbindung mit § 1 des Vergütungstarifvertrages vom 24.07.1998 mit der Maßgabe anzuwenden, daß für alle neu eingestellten bzw. nach Befristung weiterbeschäftigten Mitarbeiter/innen die Grundvergütung sich nach der dortigen Lebensaltersstufe 21 richtet;
- dem Antragsgegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 2) ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gesetzt wird, anzudrohen.
Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge des Betriebsrats abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Zulässigkeit der Anträge stehe die Rechtshängigkeit der gleichlautenden Anträge des Betriebsrats im Verfahren – 18 TaBV 26/99 – vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf entgegen. Außerdem sei hier das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht verletzt. Es betreffe nicht die Bemessung der Vergütung, da die Festsetzung der Höhe der Grundvergütung nicht Teil der Entlohnungsgrundsätze sei. Jedenfalls fehle dem Betriebsrat die Antragsbefugnis, da insoweit der Gesamtbetriebsrat zuständig sei. Im übrigen gehe der Antrag zu weit, weil der Betriebsrat jeweils nur für seinen Zuständigkeitsbereich Forderungen stellen könne.
Das Arbeitsgericht hat mit einem Teilbeschluß den hier streitgegenständlichen Anträgen stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht diese Anträge abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betriebsrat mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Dabei macht er in der Rechtsbeschwerdeinstanz zusätzlich geltend, daß die Anwendung des modifizierten Vergütungsschemas auch zu untersagen sei, soweit der Gesamtbetriebsrat zuständig sei. Der Arbeitgeber bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat keinen Erfolg.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die hier streitigen Anträge des Betriebsrats als unzulässig angesehen und auf die Beschwerde des Arbeitgebers den stattgebenden Teilbeschluß des Arbeitsgerichts aufgehoben sowie die Anträge abgewiesen. Den Anträgen steht die Rechtshängigkeit inhaltsgleicher Anträge in dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (– 18 TaBV 26/99 –) entgegen.
Der Betriebsrat hat in dem Verfahren – 18 TaBV 26/99 – nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Teilbeschluß vom 21. Juni 1999 mit Schriftsatz vom 5. November 1998, eingegangen am 6. November 1998 beim Arbeitsgericht Solingen, beantragt, „dem Antragsteller zu untersagen, einseitig ohne Zustimmung des Antragsgegners die Anlage 1 zu § 2 des gekündigten Vergütungstarifvertrags vom 14. Dezember 1996 iVm. § 1 des Vergütungstarifvertrages vom 24. Juli 1998 mit der Maßgabe anzuwenden, daß für alle neu eingestellten bzw. nach Befristung weiterbeschäftigten Mitarbeiter/innen die Grundvergütung sich nach der dortigen Lebensaltersstufe 21 richtet.” Diesem Antrag entspricht der hier streitige, am 30. November 1998 beim Arbeitsgericht Köln eingegangene Antrag zu 1), der damit denselben Verfahrensgegenstand hat. Der Antrag vor dem Arbeitsgericht Solingen ist früher gestellt worden. Es liegt damit ein Prozeßhindernis vor (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO); § 261 Abs. 3 ZPO gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren. Der Antrag zu 1) ist nach § 261 ZPO unzulässig; dies gilt auch für den Antrag zu 2), der lediglich den Antrag zu 1) mit einem Ordnungsgeld bewehrt.
Der Unzulässigkeit der Anträge des Betriebsrats wegen bereits bestehender Rechtshängigkeit steht nicht entgegen, daß der Betriebsrat seinen Antrag im vorliegenden Verfahren zweitinstanzlich auf Arbeitnehmer in den Einrichtungen des Arbeitgebers im Arbeitsgerichtsbezirk Köln beschränkt hat und den Antrag im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (– 18 TaBV 26/99 –) auf die Arbeitnehmer in den Einrichtungen des Arbeitgebers im Arbeitsgerichtsbezirk Solingen beschränken möchte. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine solche Antragsbeschränkung nach Arbeitsgerichtsbezirken überhaupt zulässig wäre. Jedenfalls bedurfte eine teilweise Rücknahme des zunächst unbeschränkt gestellten Antrags der Zustimmung der übrigen Beteiligten (§ 87 Abs. 2 Satz 3 ArbGG). Der Arbeitgeber hat aber im vorliegenden Verfahren der Rücknahme ausdrücklich widersprochen. Auch eine Zustimmung des Arbeitgebers im Verfahren – 18 TaBV 26/99 – vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf liegt nicht vor und wird nach dem ausdrücklichen Vortrag nicht erteilt.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht für den Fall, daß in der Umformulierung des Antrags eine Antragsänderung liegen sollte, deren Sachdienlichkeit verneint (§ 87 Abs. 2 Satz 3, § 81 Abs. 3 ArbGG). Unabhängig davon, ob die mit einer solchen Antragsänderung verbundene Aufteilung des Verfahrens, das den Streit über die Mitbestimmung in einem einzigen Betrieb zum Gegenstand hat, auf mehrere Arbeitsgerichtsbezirke überhaupt zulässig wäre, sind jedenfalls keine Gesichtspunkte erkennbar, die für eine Sachdienlichkeit sprächen.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Schmidt, Schneider, Rösch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.03.2001 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen