Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung
Leitsatz (redaktionell)
Keine Wiedereinsetzung bei Möglichkeit rechtzeitiger Übermittlung durch Telefax; Verhinderung durch Stau auf der Autobahn am Gründonnerstag
Normenkette
ZPO 1977 §§ 233, 85; ArbGG 1979 § 74
Verfahrensgang
Tenor
1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 1989 – 10 Sa 1156/88 – wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Gründe
Der Kläger, der bei der Beklagten als Erster Offizier beschäftigt ist, hat mit einer Zahlungs- und Feststellungsklage gegen die Beklagte Vergütungsansprüche für die Zeit ab 1. Februar 1984 erhoben. Das Arbeitsgericht hat einen von drei Klageanträgen durch Teilurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Gegen das dem Kläger am 12. Januar 1990 zugestellte Urteil des Landesarbeitsgerichts hat dieser mit einem am 12. Februar 1990 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Die Revisionsbegründungsfrist wurde auf Antrag des Klägers bis 12. April 1990 verlängert. Mit einem am 17. April 1990 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Revision begründet und mit einem am 27. April 1990 heim Bundesarbeitsgericht eingegangenen weiteren Schriftsatz gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zu seinem Wiedereinsetzungsantrag hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am letzten Tag der bis 12. April 1990 verlängerten Revisionsbegründungsfrist gegen 15.00 Uhr das Diktat der Revisionsbegründungsschrift beendet. Von der Übermittlung der Revisionsbegründungsschrift per Telefax habe er abgesehen, weil zu erwarten gewesen sei, daß der Schriftsatz nach Fertigstellung, Korrektur und Unterzeichnung per Telefax erst zu einem Zeitpunkt hätte übermittelt werden können, zu dem die Telefaxstelle des Bundesarbeitsgerichts wegen Dienstschlusses nicht mehr besetzt sein werde, so daß der ordnungsgemäße Empfang des Telefax mit der Revisionsbegründung auf der Empfangsanlage des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr telefonisch hätte nachgefragt werden können. Daher habe sein Prozeßbevollmächtigter den Schriftsatz durch Boten zum Bundesarbeitsgericht bringen lassen. Damit habe der Prozeßbevollmächtigte seine 20-jährige Tochter … beauftragt, die zusammen mit einer Freundin im PKW des Prozeßbevollmächtigten nach Kassel gefahren sei. Die Fahrt habe die Tochter kurz nach 19.00 Uhr angetreten; wegen eines Staus sei sie jedoch erst am 13. April 1990 gegen 0.25 Uhr vor dem Gebäude des Bundesarbeitsgerichts eingetroffen.
Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der bis 12. April 1990 verlängerten Revisionsbegründungsfrist (§ 74 Abs. 1 ArbGG) begründet worden ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist war dem Kläger zu versagen, weil sein Prozeßbevollmächtigter die Fristversäumnis verschuldet hat und dies dem Kläger zuzurechnen ist (§ 233, § 85 Abs. 2 ZPO).
Dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers ist es als Verschulden zuzurechnen, daß sein am 12. April 1990 innerhalb der Revisionsbegründungsfrist diktierter und von ihm unterzeichneter Schriftsatz nicht rechtzeitig beim Bundesarbeitsgericht eingegangen ist. Der Klägervertreter konnte nicht darauf vertrauen, daß seine 20-jährige Tochter, die zudem aufgrund ihres Alters keine größere Fahrpraxis besitzt, am Gründonnerstag, dem 12. April 1990, bei einer Abfahrt in Mannheim kurz nach 19.00 Uhr noch rechtzeitig vor 24.00 Uhr beim Gebäude des Bundesarbeitsgerichts in Kassel eintreffen würde. Es ist gerichtsbekannt, daß an Tagen vor Wochenenden (freitags) es am Nachmittag und Abend auf der Autobahnstrecke Frankfurt-Kassel in aller Regel zu größeren Verkehrsstaus kommt. Dies hätte der Klägervertreter durch Nachfrage bei den örtlichen Verkehrsbehörden erfahren können. Es ist keine Seltenheit, daß man an einem Freitagnachmittag und -abend allein für die Strecke von Frankfurt am Main nach Kassel drei Stunden Fahrtzeit mit einem PKW benötigt. Für die Autobahnstrecke Mannheim, bis Kassel ist danach mit einer noch längeren Fahrtzeit zu rechnen. Entscheidend kommt aber im vorliegenden Fall hinzu, daß es sich bei dem Gründonnerstag um den letzten Werktag vor den Osterfeiertagen handelt. An diesem Tage kommt es regelmäßig zu chaotischen Verkehrsverhältnissen, vor denen in den Medien – so auch in diesem Jahr – gewarnt wird. Verkehrsstaus von 50 und mehr Kilometern sind an diesem Tage keine Seltenheit. Der Klägervertreter konnte daher nicht darauf vertrauen, daß die Fahrtstrecke von Mannheim nach Kassel am Gründonnerstag in fünf Stunden mit einem PKW bewältigt würde.
Darüber hinaus wäre es dem Klägervertreter ohne weiteres möglich gewesen, die Revisionsbegründungsschrift rechtzeitig beim Bundesarbeitsgericht einzureichen. Er hätte die Revisionsbegründungsschrift per Telefax übermitteln können. Die Telefaxanlage beim Bundesarbeitsgericht ist ständig in Betrieb und registriert die Eingänge mit Zeitangabe, so daß die Revisionsbegründungsschrift am 12. April 1990 auch noch um 23.59 Uhr per Telefax rechtzeitig beim Bundesarbeitsgericht eingehen konnte. Eine telefonische Bestätigung des Empfangs per Telefax durch das Bundesarbeitsgericht war für den Klägervertreter entbehrlich. Wäre wegen eines technischen Defekts die per Telefax übermittelte Revisionsbegründungsschrift nicht beim Bundesarbeitsgericht eingegangen, wäre dies vom Klägervertreter nicht zu vertreten gewesen, so daß ihm deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewährt werden müssen. Da das Bundesarbeitsgericht Telefax zur Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen zur Verfügung stellt, kann es nicht zu Lasten einer Partei gehen, wenn diese Telefaxverbindung zum Bundesarbeitsgericht Mängel aufweist, so daß eine fristgerechte Übermittlung von Schriftsätzen nicht möglich ist.
Abgesehen davon hätte der Klägervertreter auch die Möglichkeit gehabt, die Revisionsbegründung telegrafisch einzulegen. In dem Telegramm hätte er sich auf wenige Sätze beschränken können, die zur ordnungsgemäßen Begründung einer Revision ausreichen. Dann wäre es durchaus zulässig gewesen, in einem weiteren Schriftsatz, der nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht hätte eingehen können, weitere Rechtsausführungen zu machen.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 und § 91 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision und des Wiedereinsetzungsverfahrens zu tragen.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Freitag, Dr. Etzel
Fundstellen