Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsschulung. Freistellung des Betriebsratsmitglieds von Übernachtungskosten. nachträgliche Änderung der für die kostenauslösende Entscheidung maßgeblichen Umstände
Orientierungssatz
1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören auch notwendige Reise- und Übernachtungskosten.
2. Der für die Kostentragungspflicht erforderliche Beschluss des Betriebsrats über die Schulungsteilnahme muss auf ein konkretes Betriebsratsmitglied und auf eine konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung bezogen sein. Dagegen braucht er sich nicht darauf zu erstrecken, mit welchem Verkehrsmittel das Betriebsratsmitglied zum Schulungsort gelangt und ob es dort übernachtet.
3. Entscheidet das Betriebsratsmitglied, im Schulungshotel zu übernachten, ist die Erforderlichkeit der Übernachtung grundsätzlich danach zu beurteilen, ob das Betriebsratsmitglied zum Zeitpunkt der die Übernachtungskosten auslösenden Beschlussfassung oder Handlung (zB der Buchung des Hotelzimmers) die Verursachung der Kosten für erforderlich halten durfte. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn sich die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände nachträglich bis zur Übernachtung erheblich geändert haben und das Betriebsratsmitglied die Kosten unter den geänderten Umständen für erforderlich halten durfte. In diesem Fall sind die Kosten vom Arbeitgeber zu tragen.
Normenkette
BetrVG § 2 Abs. 1, § 37 Abs. 6 S. 1, § 40 Abs. 1; ArbGG § 83 Abs. 3; ZPO § 286 Abs. 1, § 313 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. Februar 2013 – 6 TaBV 43/12 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, Übernachtungskosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme des zu 3. beteiligten Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstanden sind.
Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin unterhält am Flughafen K einen Betrieb, in dem der zu 1. beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Die Beteiligte zu 3. ist Mitglied dieses Betriebsrats.
Im Rahmen wöchentlich stattfindender Gespräche zwischen dem Leiter der Abteilung „Arbeit und Soziales” und dem Betriebsratsvorsitzenden wurde über die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an einer Grundlagenschulung zum Betriebsverfassungsrecht Einvernehmen erzielt. Der Leiter der Abteilung „Arbeit und Soziales” bat zur Vermeidung von Übernachtungskosten um Buchung eines Seminars im Raum K. Der Betriebsrat meldete die Beteiligte zu 3. nach einer entsprechenden Beschlussfassung am 29. Oktober 2010 zum Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil I” des Veranstalters „W” in der Zeit vom 7. bis 10. Dezember 2010 in H an. Dabei wurde die Beteiligte zu 3., deren Wohnort 44 km von H entfernt liegt, als sogenannter Tagesgast angemeldet. Am 4. November 2010 buchte die Sekretärin des Betriebsrats beim Seminarveranstalter für die Beteiligte zu 3. auf deren Veranlassung ein Einzelzimmer mit Vollpensionspauschale für die Dauer der Schulungsveranstaltung nach. Während der Schulung übernachtete die Beteiligte zu 3. in dem gebuchten Hotelzimmer. Der Seminarveranstalter stellte die Kosten für die Übernachtungen in Höhe von 264,00 Euro nebst Mehrwertsteuer, insgesamt 314,16 Euro, zunächst der Arbeitgeberin in Rechnung. Nachdem die Arbeitgeberin die Begleichung dieser Rechnung vom 10. Dezember 2010 abgelehnt hatte, nahm der Seminarveranstalter die Beteiligte zu 3. in Anspruch.
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die Arbeitgeberin habe die Beteiligte zu 3. von der Verpflichtung zur Zahlung der Hotelkosten freizustellen. Die Übernachtungen im Schulungshotel seien notwendig gewesen. Der Nutzen einer Betriebsratsschulung bestehe nicht nur in der Wissensvermittlung, sondern auch in dem abendlichen Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern und Referenten. Zudem sei der Beteiligten zu 3. die tägliche An- und Abreise zum Schulungsort wegen der seinerzeit herrschenden ungünstigen winterlichen Witterungsbedingungen und der damit verbundenen Verkehrsbehinderungen aufgrund von Schnee- und Eisglätte nicht zumutbar gewesen.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, das Betriebsratsmitglied V von der Inanspruchnahme durch die Firma W, aus deren Rechnung vom 10. Dezember 2010, RG-Nr. …, in Höhe von 314,16 Euro freizustellen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Übernachtungen seien angesichts der kurzen Distanz zwischen Wohn- und Schulungsort nicht notwendig gewesen. Es treffe nicht zu, dass im Zeitraum vom 7. bis 10. Dezember 2010 außergewöhnliche Witterungsund Straßenverhältnisse geherrscht hätten. Jedenfalls habe die Entscheidung zur Übernachtung im Schulungshotel nicht auf widrigen Verkehrsverhältnissen beruht. Bei der Hotelbuchung seien diese nicht absehbar gewesen. Während des Seminars habe die Beteiligte zu 3. nicht geprüft, ob die Übernachtungen im Schulungshotel erforderlich seien.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Einholung einer Auskunft des Deutschen Wetterdienstes dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Die Arbeitgeberin begehrt mit der Rechtsbeschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3. beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats zu Recht stattgegeben.
I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.
1. Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Dem steht nicht entgegen, dass nicht der Betriebsrat, sondern das zu 3. beteiligte Betriebsratsmitglied von dem Schulungsveranstalter in Anspruch genommen wurde. Zu den Kosten des Betriebsrats gehören auch die Schulungskosten seiner Mitglieder. Soweit einzelne Betriebsratsmitglieder für den Besuch betriebsverfassungsrechtlicher Schulungsveranstaltungen Zahlungsverpflichtungen eingegangen sind, ist der Betriebsrat als Gremium berechtigt, den Arbeitgeber auf Freistellung des Betriebsratsmitglieds von der Zahlungsverpflichtung in Anspruch zu nehmen (vgl. etwa BAG 28. Juni 1995 – 7 ABR 55/94 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 80, 236).
2. Einer Sachentscheidung durch den Senat steht nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 3. von den Vorinstanzen nicht am Verfahren beteiligt wurde. Dies konnte in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt werden.
a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben im Beschlussverfahren die Stellen ein Recht auf Anhörung, die im Einzelfall beteiligt sind. Beteiligt in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist. Das ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen. Ist die Anhörung in den Tatsacheninstanzen unterblieben, stellt dies einen Verfahrensfehler dar. Einer darauf gestützten Zurückverweisung bedarf es nicht, wenn die Anhörung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt wird und der Beteiligte Gelegenheit erhält, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern (vgl. BAG 15. Oktober 2014 – 7 ABR 71/12 – Rn. 21; 17. April 2012 – 1 ABR 84/10 – Rn. 15).
b) Danach war neben dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin auch die Beteiligte zu 3. anzuhören. Diese ist wegen ihres vom Betriebsrat abgeleiteten Rechts unmittelbar von der begehrten Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen, da der Betriebsrat geltend macht, sie sei Inhaberin eines Freistellungsanspruchs nach § 40 Abs. 1 BetrVG (vgl. BAG 17. November 2010 – 7 ABR 113/09 – Rn. 13 mwN). Der Senat hat der Beteiligten zu 3. deshalb Gelegenheit gegeben, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern.
II. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG verpflichtet, die Beteiligte zu 3. von der Verpflichtung zur Zahlung der Übernachtungskosten freizustellen, die anlässlich der Teilnahme an dem Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil I” in der Zeit vom 7. bis 10. Dezember 2010 entstanden sind.
1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist (BAG 20. August 2014 – 7 ABR 64/12 – Rn. 14). Neben den eigentlichen Seminargebühren hat der Arbeitgeber auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds zu tragen (BAG 17. November 20107 ABR 113/09 – Rn. 21).
Allerdings steht die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung nach § 40 Abs. 1 BetrVG unter dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (vgl. BAG 23. Juni 2010 – 7 ABR 103/08 – Rn. 18, BAGE 135, 48; 16. Januar 2008 – 7 ABR 71/06 – Rn. 13, BAGE 125, 242; 25. Mai 2005 – 7 ABR 45/04 – zu B I 4 a der Gründe). Der Betriebsrat ist daher verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er der Sache nach für angemessen halten darf. Er hat darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Diese Pflicht gilt auch für das einzelne Betriebsratsmitglied (BAG 25. Mai 2005– 7 ABR 45/04 – zu B I 5 der Gründe).
Bei dem Begriff der Erforderlichkeit in § 40 Abs. 1 BetrVG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob die vom Betriebsrat oder einem Betriebsratsmitglied verursachten Kosten für die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich waren, unterliegt in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur einer eingeschränkten Nachprüfung darauf, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen wurden (st. Rspr., vgl. BAG 20. August 2014 – 7 ABR 64/12 – Rn. 17; 25. Mai 2005 – 7 ABR 45/04 – zu B I 4 a der Gründe).
2. Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die Übernachtungskosten zu tragen.
a) Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass der Betriebsrat die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an der Schulungsveranstaltung „Betriebsverfassungsrecht Teil I” in der Zeit vom 7. bis 10. Dezember 2010 in H für erforderlich halten durfte und dass die Schulungsteilnahme der Beteiligten zu 3. auf einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss beruht.
b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beteiligte zu 3. habe die Übernachtung am Schulungsort für erforderlich halten dürfen, weil ihr die tägliche An- und Abreise zum Schulungsort aufgrund der Witterungs- und Straßenverhältnisse nicht zumutbar gewesen sei, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht ist von dem zutreffenden Begriff der Erforderlichkeit ausgegangen und hat alle maßgeblichen Umstände widerspruchsfrei gewürdigt.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff der Erforderlichkeit nicht deshalb verkannt, weil es bei der Beurteilung der Erforderlichkeit nicht auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats oder der Buchung der Übernachtungen abgestellt hat, sondern die Witterungs- und Straßenverhältnisse während der Zeit der Schulung berücksichtigt und damit Umstände zugrunde gelegt hat, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats über die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an der Schulung und zum Zeitpunkt der Buchung der Übernachtungen noch nicht absehbar waren.
(1) Es kann dahinstehen, ob sich der Beschluss des Betriebsrats über die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an der Schulung auch darauf bezog, dass diese nur als sogenannter Tagesgast – ohne Übernachtung in der Schulungsstätte -teilnimmt und ob eine Beschlussfassung des Betriebsrats darüber, ob das Betriebsratsmitglied am Schulungsort übernachtet oder nicht, für das Betriebsratsmitglied bindend wäre. Grundsätzlich muss der für die Schulungsteilnahme erforderliche Betriebsratsbeschluss auf ein konkretes Betriebsratsmitglied und auf eine konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung bezogen sein (vgl. BAG 12. Januar 2011 – 7 ABR 94/09 – Rn. 21 f.; 8. März 2000 – 7 ABR 11/98 – zu B 2 der Gründe, BAGE 94, 42). Dagegen braucht er sich nicht darauf zu erstrecken, mit welchem Verkehrsmittel das Betriebsratsmitglied zum Schulungsort gelangt und ob es dort übernachtet oder nicht. Erfolgt dennoch eine Beschlussfassung zu diesen Punkten, ist das Betriebsratsmitglied hieran jedenfalls dann nicht gebunden, wenn sich – wie hier – zwischen dem Betriebsratsbeschluss und dem Beginn der Schulungsveranstaltung die für die Beurteilung der Erforderlichkeit maßgebenden Umstände gravierend ändern.
(2) Eine Verkennung des Begriffs der Erforderlichkeit durch das Landesarbeitsgericht folgt auch nicht daraus, dass es die Gegebenheiten zur Zeit der Schulung berücksichtigt hat, obwohl diese bei der Buchung der Übernachtungen noch nicht vorhersehbar waren. Zwar ist die Frage der Erforderlichkeit grundsätzlich danach zu beurteilen, ob das Betriebsratsmitglied zum Zeitpunkt der Beschlussfassung oder Handlung, die die Kosten auslöste, die Verursachung der Kosten für erforderlich halten durfte (BAG 28. Oktober 1992 – 7 ABR 10/92 – zu B II 3 a der Gründe). Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn sich die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände nachträglich erheblich geändert haben und das Betriebsratsmitglied die Kosten unter den geänderten Umständen für erforderlich halten durfte. In diesem Fall sind die Kosten vom Arbeitgeber zu tragen, da es sich um erforderliche Kosten der Betriebsratstätigkeit handelt. Es kommt nicht darauf an, ob das Betriebsratsmitglied aufgrund der veränderten Umstände erneut die Erforderlichkeit geprüft und aus sachgerechten Erwägungen einen entsprechenden Entschluss gefasst hat. Maßgebend ist vielmehr, dass es die Kosten unter Berücksichtigung der Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben für erforderlich halten durfte.
bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beteiligte zu 3. habe die Übernachtungen in der Schulungsstätte zur Zeit der Schulung für erforderlich halten dürfen, ist auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat unter Berücksichtigung der von ihm eingeholten Auskunft des Deutschen Wetterdienstes festgestellt, dass in der Region K in der Zeit vom 7. bis 10. Dezember 2010 aufgrund durchgehender Eis- und Schneeglätte außergewöhnliche Straßenverhältnisse bestanden, die zu verlängerten Fahrtzeiten und einem besonderen Unfallrisiko führten. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, unter Berücksichtigung dieser Umstände habe die Beteiligte zu 3. die Übernachtungen im Schulungshotel für erforderlich halten dürfen, es sei ihr auch unter Beachtung des Kosteninteresses der Arbeitgeberin nicht zumutbar gewesen, ein erhöhtes Unfallrisiko einzugehen, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Die Beteiligte zu 3. hatte ihre Schulungsteilnahme sicherzustellen. Sie musste auch keine wesentlich verlängerten Fahrtzeiten hinnehmen. Schon bei üblichen Verkehrsverhältnissen hatte die Beteiligte zu 3. für die Fahrt vom Wohnort zum 44 km entfernten Schulungshotel eine nicht unerhebliche Fahrtzeit einzuplanen. Erheblich längere Fahrtzeiten waren ihr nicht zuzumuten. Das gilt auch deshalb, weil bei Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG der Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Betriebsratsarbeit unter den Seminarteilnehmern außerhalb des eigentlichen Seminarprogramms fortgesetzt wird. An der Teilnahme an diesen Zusammentreffen ist das Betriebsratsmitglied nicht gehindert, wenn es nicht in der Schulungsstätte übernachtet (vgl. BAG 28. März 2007 – 7 ABR 33/06 – Rn. 18). Da die Beteiligte zu 3. jedoch 44 km entfernt von dem Schulungshotel wohnt, wäre ihr bei einer täglichen An- und Abreise unter den festgestellten winterlichen Verkehrsbedingungen eine Teilnahme an diesem Gedankenaustausch kaum möglich gewesen.
cc) Die Verfahrensrügen der Arbeitgeberin gegen die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts greifen nicht durch.
(1) Die freie richterliche Beweiswürdigung des Tatsachengerichts ist nur beschränkt revisibel. Die revisionsrechtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, dass sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BAG 20. August 2014 – 7 AZR 924/12 – Rn. 35; 8. Mai 2014 – 2 AZR 1005/12 – Rn. 21).
(2) Gemessen daran ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
(a) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, in der Region K habe vom 7. bis 10. Dezember 2010 durchgehend Eis- und Schneeglätte geherrscht, ist nicht deshalb fehlerhaft, weil sich die Angaben in der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes über Eis- und Schneeglätte nur auf die Station K-W bezogen und die Eisglätte in der Zeit vom 7. Dezember 2010, 00:00 Uhr bis zum 10. Dezember 2010, 14:00 Uhr nur stellenweise bestand. Das Landesarbeitsgericht hat sich bei seiner Würdigung nicht auf diese einzelnen Angaben beschränkt, sondern auch die weiteren Angaben aus der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes berücksichtigt. Danach herrschte an der Station K-W zusätzlich zur Eisglätte vom 7. Dezember 2010, 00:00 Uhr bis 9. Dezember 2010, 08:45 Uhr durchgehend Schneeglätte. Damit konnte das Landesarbeitsgericht für die Station K-W im maßgebenden Zeitraum von durchgehender Schnee- und/oder Eisglätte ausgehen. Unter Berücksichtigung vergleichbarer Schneehöhen und Temperaturen an den anderen Stationen durfte es annehmen, dass auch an diesen Stationen und im gesamten Raum K Schnee- und Eisglätte bestand. Die Arbeitgeberin verkennt, dass es für die von § 286 Abs. 1 ZPO geforderte Überzeugung des Gerichts keiner absoluten Sicherheit bedarf, sondern ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genügt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. etwa BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 44).
(b) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ist nicht deshalb von einer Unvollständigkeit der Beweiswürdigung auszugehen, weil das Landesarbeitsgericht sich nicht ausdrücklich mit der Angabe in der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes befasst hat, dass es am 7. Dezember 2010 an der Station K-W erst ab 19:37 Uhr schneite. Im Urteil sind zwar gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Dies erfordert jedoch nicht eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten, wenn sich nur ergibt, dass eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Hierbei kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass nach § 313 Abs. 3 ZPO die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten müssen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (BAG 21. August 2014 – 8 AZR 655/13 – Rn. 40). Die Gründe des angefochtenen Beschlusses lassen erkennen, dass eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Unter Berücksichtigung der bestehenden Schneehöhe von 5 cm und der Schneeglätte war es nicht von Bedeutung, dass es am 7. Dezember 2010 ab 19:37 Uhr schneite.
(c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es hätten außergewöhnliche Straßenverhältnisse geherrscht, ist entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat sich bei dieser Würdigung nicht nur auf einen Bericht aus einem Internetportal gestützt, vielmehr hat es den gesamten Inhalt des Verfahrens, insbesondere die Auskunft des Deutschen Wetterdienstes, berücksichtigt. Die in der Auskunft enthaltenen Angaben über Temperaturen, Niederschlag, Schneehöhen sowie Schnee- und Eisglätte lassen auf die Straßenverhältnisse in der Region K chließen. Damit bestand ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, dass auch auf der von der Beteiligten zu 3. genutzten Autobahn winterliche Straßenverhältnisse herrschten, die mit verlängerten Fahrtzeiten und einem besonderen Unfallrisiko verbunden waren. Einer Feststellung der konkreten Straßenverhältnisse bedurfte es ebenso wenig wie der ausdrücklichen Auseinandersetzung mit diesem Gesichtspunkt.
dd) Die Beteiligte zu 3. durfte die Übernachtungskosten auch der Höhe nach für angemessen erachten. Es ist nicht ersichtlich, dass eine andere kostengünstigere Übernachtungsmöglichkeit am Seminarort bestanden hätte.
Unterschriften
Gräfl, Kiel, M. Rennpferdt, Deinert, D. Glock
Fundstellen
Haufe-Index 8391165 |
BB 2015, 2227 |
DB 2015, 2275 |