Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Tätigkeit
Orientierungssatz
Auch zum wortgleichen § 24 BAT.
Vorübergehende Tätigkeit nach dem MTV für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit vom 21.4.1961; rechtsmißbräuchliche Zuweisung höherwertiger Tätigkeit liegt nicht vor, wenn der Vertretene ebenfalls vorübergehend eine andere Tätigkeit ausübt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die vorübergehende Zuweisung des Vertretenen offensichtlich und ohne jeden Zweifel ihrerseits rechtsmißbräuchlich war.
Normenkette
BAT § 24; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 20.09.1988; Aktenzeichen 6 Sa 53/88) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 25.03.1988; Aktenzeichen 3 Ca 418/87) |
Tatbestand
Die 46-jährige Klägerin war von 1958 bis 1964 zunächst als Verwaltungslehrling, danach als Verwaltungsangestellte bei der Beklagten beschäftigt. Seit 24. August 1981 steht die Klägerin erneut in den Diensten der Beklagten. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 24. August 1981 haben die Parteien vereinbart, daß für das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit vom 21. April 1961 (MTA) und die ihn ergänzenden oder ändernden Tarifverträge gelten. Die Klägerin erhielt zunächst Vergütung nach VergGr. VIII MTA; seit 1. Januar 1982 erhält sie Vergütung nach VergGr. VII MTA.
In der Zeit von Mai 1982 bis 30. Juni 1987 wurde die Klägerin überwiegend mit höherwertigen Tätigkeiten nach der VergGr. V c MTA vorübergehend beauftragt, und zwar in der Zeit vom 3. Mai 1982 bis 30. April 1984 als Vermittlerin im Berufsbereich I 76 und in der Zeit vom 21. Januar 1985 bis 14. November 1985, vom 21. November 1985 bis 10. Februar 1986 und vom 12. März 1986 bis 30. Juni 1987 als Bearbeiterin im Berufsbereich I 76. Vor ihrem jeweiligen Einsatz als Bearbeiterin wurde der Klägerin mitgeteilt, daß es sich hierbei um eine jeweils vorübergehende Wahrnehmung eines freien Vermittlerdienstpostens handele. In der Zeit vom 15. November 1985 bis 20. November 1985 und vom 11. Februar 1986 bis 11. März 1986 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.
Bei ihrem Einsatz als Bearbeiterin im Berufsbereich I 76 ab 21. Januar 1985 vertrat die Klägerin jeweils die Bearbeiterin St. Diese war während der Vertretungszeiten ebenfalls vorübergehend auf dem Dienstposten der Hauptvermittlerin G eingesetzt. Frau G fiel zunächst durch Schwangerschaft, anschließende Mutterschutzfrist sowie Erziehungsurlaub aus. Während des Erziehungsurlaubs zeigte Frau G mit Schreiben vom 26. April 1985 der Beklagten an, daß sie für die nächsten 10 Jahre nur noch als Teilzeitbeschäftigte arbeiten wolle. Ab 22. August 1985 wurde Frau G als Teilzeitbeschäftigte eingesetzt und ab 1. Februar 1986 in eine andere Dienststelle versetzt. Die Stelle von Frau G wurde am 10. Februar 1987 ausgeschrieben und zum 1. Oktober 1987 neu besetzt. Frau St, die auf dem Dienstposten von Frau G eingesetzt war, beantragte am 16. März 1987 vorgezogenes Altersruhegeld ab 1. Juli 1987. Am 1. April 1987 wurde ihre Stelle ausgeschrieben und ab 1. Juli 1987 mit einer anderen Bewerberin besetzt. Seit dieser Zeit arbeitet die Klägerin wieder als Hilfsbearbeiterin nach VergGr. VII BAT.
Die Klägerin hat vorgetragen, die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nach VergGr. V c BAT durch die Beklagte sei rechtsmißbräuchlich gewesen, da es für die Dauer der Übertragung keinen sachlichen Grund gegeben habe. Seit der Rückkehr von Frau G aus dem Erziehungsurlaub und ihrer weiteren Beschäftigung als Teilzeitkraft ab 22. August 1985 sei jedenfalls ein sachlicher Grund für die vorübergehende Beauftragung von Frau St auf der Stelle von Frau G und für die vorübergehende Beauftragung der Klägerin auf der Stelle von Frau St nicht mehr vorhanden gewesen. Spätestens ab 1. Februar 1986 habe festgestanden, daß Frau G nicht mehr auf ihren früheren Dienstposten zurückkehren werde.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß die Beklagte ver-
pflichtet ist, an sie über den 30. Juni
1987 hinaus Vergütung entsprechend der
Vergütungsgruppe V c MTA zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, sie mit
Tätigkeiten einer Bearbeiterin zu be-
trauen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Vertretung von Frau G für die Zeit ihres Mutterschutzes und Erziehungsurlaubs habe zunächst einen sachlichen Grund für die vorübergehende Beauftragung der Angestellten St dargestellt. Ab 1. Februar 1986 sei zwar klar gewesen, daß Frau G nicht mehr auf ihren früheren Dienstposten zurückkehre und die Stelle anderweitig zu besetzen sei. Zu jenem Zeitpunkt seien jedoch 14 Stellen für Hauptvermittler unbesetzt gewesen, weil für diese Dienstposten keine geeigneten Bewerber hätten gefunden werden können. Eine Ausschreibung habe seinerzeit keine Aussicht auf Erfolg versprochen. Aufgrund der Einstellung externer Bewerber und der Beschäftigung ausgebildeter Nachwuchskräfte sei die Zahl der freien Dienstposten gesunken. Daher sei erst ab 1987 eine Ausschreibung des freien Dienstpostens, auf dem früher Frau G beschäftigt gewesen sei, erfolgversprechend erschienen. Hinsichtlich der vorübergehenden Tätigkeit der Klägerin habe festgestanden, daß Frau St spätestens auf den von der Klägerin vorübergehend wahrgenommenen Dienstposten habe zurückkehren sollen, wenn der Arbeitsplatz von Frau G neu besetzt werde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach den Klageanträgen erkannt.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte nicht verpflichtet, an die Klägerin über den 30. Juni 1987 hinaus Vergütung nach VergGr. V c MTA zu zahlen und die Klägerin mit Tätigkeiten einer Bearbeiterin zu betrauen. Denn die Klägerin ist mit ihrer überwiegend auszuübenden Tätigkeit nicht in VergGr. V c MTA eingruppiert. Die von ihr in den Jahren 1982 bis 1987 wahrgenommenen Tätigkeiten als Vermittlerin und Bearbeiterin hat sie nur vorübergehend ausgeübt, so daß diese Tätigkeiten für ihre Eingruppierung nicht maßgebend sind (vgl. § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 MTA).
Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag hat die Klägerin nur Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VII MTA und eine entsprechende Beschäftigung. Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V c MTA und auf eine entsprechende Beschäftigung hätte die Klägerin dann, wenn ihr die von ihr unstreitig ausgeübte höherwertige Tätigkeit nach VergGr. V c MTA rechtsmißbräuchlich nur vorübergehend übertragen worden wäre. In einem solchen Fall gilt die höherwertige Tätigkeit als auf Dauer übertragen (vgl. BAGE 49, 95, 98 = AP Nr. 9 zu § 24 BAT). Die Voraussetzungen eines rechtsmißbräuchlichen Verhaltens der Beklagten hat die insoweit für den Ausnahmetatbestand des Rechtsmißbrauchs darlegungs- und beweispflichtige Klägerin jedoch nicht dargetan (vgl. auch BAGE 10, 65, 73 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C 4 der Gründe). Es fehlen nach dem gesamten Akteninhalt auch Anhaltspunkte für einen Rechtsmißbrauch.
Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung davon aus, daß die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit dann rechtsmißbräuchlich ist, wenn für die vorübergehende Übertragung und ihre Dauer kein sachlicher Grund vorliegt. Dabei besteht eine zeitliche Grenze für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nicht (BAG Urteil vom 10. Februar 1988 - 4 AZR 585/87 - AP Nr. 15 zu § 24 BAT m. w. N.). Als sachlicher Grund für eine nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist stets die Vertretung eines anderen Mitarbeiters anzusehen, da nach Rückkehr des vertretenen Mitarbeiters auf seinen Arbeitsplatz kein Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Vertreters auf diesem Arbeitsplatz besteht (BAGE 49, 95, 98 = AP Nr. 9 zu § 24 BAT m. w. N.).
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall gegeben. Die Klägerin hat in der Zeit vom 11. Februar 1985 bis zur Beendigung ihrer Bearbeitertätigkeit am 30. Juni 1987 jeweils die Angestellte St vertreten, mit deren Rückkehr auf ihren alten Arbeitsplatz gerechnet werden konnte. Der Angestellten St war ein anderer Arbeitsbereich nur zur vorübergehenden Ausübung übertragen worden. Solange der Angestellten St nicht auf Dauer eine andere Tätigkeit zugewiesen wurde, mußte mit ihrer Rückkehr auf ihren alten Arbeitsplatz, auf dem die Klägerin vertretungsweise tätig war, gerechnet werden. Es ist insoweit unerheblich, ob die Angestellte St ihrerseits rechtsmißbräuchlich nur vorübergehend mit einer höherwertigen Tätigkeit betraut worden war. Dadurch änderte sich nicht automatisch die von der Angestellten St auf Dauer auszuübende Tätigkeit. Erst wenn die Angestellte St sich auf rechtsmißbräuchliches Verhalten der Beklagten berufen hätte, hätte sie von der Beklagten unter Umständen die Beschäftigung mit der höherwertigen Tätigkeit auf Dauer verlangen können. Anhaltspunkte für ein solches Begehren der Angestellten St sind jedoch nicht ersichtlich und von der Klägerin nicht vorgetragen. Daher mußte mit der Rückkehr von Frau St auf ihren Dienstposten, den die Klägerin vorübergehend wahrnahm, gerechnet werden. Diesen Dienstposten hat die Beklagte der Angestellten St nicht auf Dauer entzogen.
Damit kommt es nicht darauf an, ob der Angestellten St die höherwertige Tätigkeit eines Hauptvermittlers rechtsmißbräuchlich nur vorübergehend übertragen worden war. Hätte die Angestellte St sich auf Rechtsmißbrauch berufen, hätte dies für den Anspruch der Klägerin allenfalls dann von Bedeutung sein können, wenn die nur vorübergehende Betrauung der Angestellten St mit der höherwertigen Tätigkeit offensichtlich und ohne jeden Zweifel rechtsmißbräuchlich gewesen wäre. Denn nur dann, wenn ohne jeden Zweifel die Rückkehr von Frau St auf ihren alten Arbeitsplatz ausgeschlossen gewesen wäre, hätte ein sachlicher Grund für die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit auf die Klägerin gefehlt.
Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß §§ 91, 97 ZPO auch die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Etzel
Koerner Dr. Apfel
Fundstellen