Entscheidungsstichwort (Thema)
DO-Angestellte: Rücknahme der Berufung in das DO-Verhältnis
Orientierungssatz
- Bei Verweisung der Dienstordnung auf das Beamtenrecht des Bundes sind die Bestellung zur Aufsichtsperson und Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis in Anwendung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG zurückzunehmen, wenn der Dienstordnungsangestellte die Einstellung bei der Berufsgenossenschaft durch Vorlage eines gefälschten Diplom-Zeugnisses und Hochschuldiploms erschlichen hat.
- Nach § 12 Abs. 1 BBG ist die Rücknahme zwingend. Für Ermessenserwägungen unter sozialen Aspekten oder im Hinblick auf bisher erbrachte Leistungen oder wegen besonderer Härte im Einzelfall ist kein Raum.
- Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt nicht zu einer Einschränkung, so dass eine Weiterbeschäftigung zu veränderten Bedingungen, etwa als Tarifangestellter, erfolgen müsste.
- Eine Anfechtung der dem Dienstordnungs-Vertrag zugrunde liegenden Willenserklärung der Berufsgenossenschaft gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung kommt neben der Rücknahme nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG nicht mehr in Betracht.
- Nach Rücknahme der Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis lebt ein Arbeitsverhältnis, das zwischen dem Angestellten und der Berufsgenossenschaft vor der Berufung bestanden hat, nicht wieder auf.
Normenkette
BGB § 611; BBG § 12 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 123, 242
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Dienstordnungs-Angestelltenverhältnisses über den 12. August 2004 hinaus.
Der am 3. September 1958 geborene Kläger wurde von der Beklagten mit Wirkung ab dem 1. Juli 1988 als sog. Nachwuchskraft in einem “Tarif-Angestelltenverhältnis” beschäftigt, um die erforderliche betriebliche Praxis für den vorgesehenen späteren Dienst im höheren technischen Aufsichtsdienst zu erwerben.
Nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 der Dienstordnung für die Angestellten der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glas-Industrie Würzburg (DO) iVm. § 23 der Richtlinien für den berufsgenossenschaftlichen Dienst der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glas-Industrie Würzburg (RL) war für die Einstellung als Aufsichtsperson im höheren Dienst ein abgeschlossenes technisches oder sonstiges wissenschaftliches Hochschulstudium Voraussetzung. Der Kläger hatte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen den Studiengang Bergbau studiert. Ohne über einen entsprechenden Hochschulabschluss zu verfügen, legte der Kläger zum Nachweis der Einstellungsvoraussetzungen das von ihm gefälschte Diplomzeugnis vom 23. Juni 1988 und das ebenfalls von ihm gefälschte Hochschul-Diplom vom selben Tag vor.
Der Kläger wurde mit “Einstellungsvertrag” vom 4. Dezember 1989 “mit Wirkung vom 01. Dezember 1989 als Technischer Aufsichtsbeamter auf Probe … eingestellt.” Nach § 2 dieses Vertrags regelt sich das Angestelltenverhältnis nach den Bestimmungen des § 12 DO iVm. den Richtlinien für den berufsgenossenschaftlichen Dienst. Mit § 3 wird der Kläger in die Besoldungsgruppe A 13h BBesO eingewiesen und führt die Dienstbezeichnung “Technischer Aufsichtsbeamter a. P.”. Nach bestandener Prüfung für den technischen Aufsichtsdienst wurde der Kläger mit “Anstellungs-Vertrag” vom 20. März 1992 mit Wirkung vom 13. März 1992 als Angestellter angestellt. § 2 sieht vor, dass sich das Angestelltenverhältnis nach den Bestimmungen der DO und den bundesgesetzlichen Besoldungsvorschriften für Beamte regelt. Nach § 3 wird er in die Besoldungsgruppe A 13h BBesO eingereiht und führt die Dienstbezeichnung “Technischer Aufsichtsbeamter”.
Die Beklagte erfuhr im Juli des Jahres 2004 davon, dass der Kläger sein Hochschulstudium nicht erfolgreich abgeschlossen hatte und von ihm das Diplomzeugnis und die Diplomurkunde vom 23. Juni 1988 gefälscht worden waren. Mit Schreiben vom 11. August 2004 wurden die Bestellung zur Aufsichtsperson sowie die Berufung in das Dienstordnungsverhältnis zurückgenommen und die mit dem Kläger “geschlossenen Ein- und Anstellungsverträge” wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 2. September 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Er hat die Fälschungen eingeräumt und vorgetragen, die RWTH Aachen habe gegen ihn deshalb Strafanzeige erstattet. Dieses Verfahren sei auf seine entsprechende Stellungnahme durch die Staatsanwaltschaft Aachen gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden. Er verkenne nicht, sich bei Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses rechtswidrig verhalten zu haben, jedoch sei zu berücksichtigen, dass er sowohl den Vorbereitungsdienst mit erfolgreichem Abschluss sowie auch seine Probezeit erfolgreich absolviert habe und seit März 1992 erfolgreich als Technischer Aufsichtsbeamter tätig gewesen sei. Wäre nicht im Rahmen seines Scheidungsverfahrens eine Nachfrage beim Prüfungsamt der RWTH Aachen erfolgt, hätte er bis zu seiner Pensionierung seinen Dienst als Technischer Aufsichtsbeamter erfolgreich fortgesetzt. Sei sein Verhalten strafrechtlich nicht mehr zu belangen, müsse dies dann auch entsprechende Folgen für die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) haben: Unter Berücksichtigung seiner bisherigen Tätigkeit habe eine umfassende Interessenabwägung zu erfolgen, in der darauf abzustellen sei, dass der Beklagten im Hinblick auf die Verdienste, die er sich erworben habe, die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung nicht mehr möglich gewesen sei. Durch seine erfolgreiche berufliche Tätigkeit habe er seine ausreichende fachliche Qualifikation nachgewiesen. Insoweit trete der nicht vollständig erlangte Hochschulabschluss in den Hintergrund. Die Beklagte hätte ihn auf Grund dessen durchaus in anderer Funktion weiterbeschäftigen können, etwa als angestellter Mitarbeiter vergleichbar dem früheren Dienst oder auch in sonstiger vergleichbarer beruflicher Position. Zudem seien die einschneidenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme der Arbeitgeberin im Rahmen einer gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
Es wird festgestellt, dass das seit dem 1. Dezember 1989 zunächst als Technischer Aufsichtsbeamter auf Probe und dann durch Anstellungsvertrag vom 20. März 1992 ab 13. März 1992 als Dienstordnungs-Angestellter bestehende Dienstverhältnis nicht mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 11. August 2004 endete.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Grundsatz von Treu und Glauben stehe der Rücknahme der Berufung zum Dienstordnungs-Angestellten und der Anfechtung des Anstellungsvertrags nicht entgegen. Vielmehr habe der Kläger selbst gegen Treu und Glauben verstoßen, als er sie durch Vorlegung gefälschter Zeugnisse über das Vorliegen der Einstellungsvoraussetzungen getäuscht habe. Die in § 3 DO in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Vorschriften sähen bei einer durch arglistige Täuschung erlangten Ernennung zwingend deren Rücknahme vor. Die erfolgreiche Absolvierung des Vorbereitungsdienstes und die sich daran anschließende jahrelange Tätigkeit könnten hieran nichts ändern. Ein Vertrauensschutz zu Gunsten des Klägers könne damit nicht begründet werden. Die wirtschaftlichen Interessen des Klägers seien bereits dadurch ausreichend berücksichtigt worden, dass sie von einer möglichen Rückforderung der Dienstbezüge, Beihilfen und sonstigen Leistungen abgesehen habe. Der Kläger habe auch nicht in anderer Funktion weiterbeschäftigt werden können, da freie Stellen in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stünden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger der Sache nach seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zutreffend abgewiesen. Die Beklagte hat wirksam die Bestellung des Klägers zur Aufsichtsperson und seine Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis zurückgenommen. Damit bestanden keine arbeitsvertraglichen Beziehungen mit dem Kläger mehr. Die Anfechtung der mit dem Kläger geschlossenen Ein- und Anstellungsverträge gem. § 123 BGB ging ins Leere. Einen Anspruch auf Beschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz, etwa als Tarifangestellter, hat der Kläger nicht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei berechtigt gewesen, die mit Vertrag vom 20. März 1992 vorgenommene Bestellung des Klägers zum Dienstordnungs-Angestellten einseitig mit Schreiben vom 11. August 2004 wieder zurückzunehmen. Soweit nicht jegliche arbeitsrechtliche Vertragsbeziehung der Parteien bereits durch die Rücknahme der Bestellung zum Dienstordnungs-Angestellten erloschen sei, sei diese durch die im Schreiben vom 11. August 2004 ebenfalls erklärte Anfechtung gem. § 123 Abs. 1 BGB beendet worden. Mit Zugang der Anfechtungserklärung habe jegliche arbeitsvertragliche Beziehung der Parteien ex nunc geendet. Die Ausübung des Anfechtungsrechts verstoße nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Da der Kläger keine freien Arbeitsplätze aufgezeigt habe, für die er die fachlichen Einstellungsvoraussetzungen erfülle, könne offen bleiben, ob im Zusammenhang mit der erfolgten Rücknahme der Bestellung und der Anfechtung des Arbeitsverhältnisses die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger eine Beschäftigung zu veränderten Vertragsbedingungen anzubieten.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in Teilen der Begründung.
1. Mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 11. August 2004 ist das Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis der Beklagten mit dem Kläger rechtswirksam beendet worden. Auch ein Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis als Technischer Aufsichtsbeamter auf Probe besteht nicht mehr. Ebenso ist ein Arbeitsverhältnis als Tarif-Angestellter nicht mehr gegeben.
a) Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bestellung zur Aufsichtsperson und für die Rücknahme der Berufung des Klägers in das Dienstordnungsverhältnis ist § 3 Abs. 1 DO. Nach dieser Bestimmung gelten für die Rechtsverhältnisse der Angestellten die jeweiligen für Bundesbeamte geltenden Gesetze und Vorschriften insbesondere über 1. die Rechte der Beamten, 2. die Pflichten der Beamten “entsprechend”, soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in der Dienstordnung etwas anderes bestimmt ist. Während das “Muster einer Dienstordnung für die Angestellten der gewerblichen Berufsgenossenschaften” (aufgestellt und empfohlen vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften – Stand 1976, abgedruckt bei Lauterbach Unfallversicherung 3. Aufl. Stand 1980 Anhang S. 240 ff.) in § 9 Abs. 1 die “Dienstentlassung” ua. für den Fall vorsah, dass Tatbestände vorliegen, die bei einem Beamten zur Rücknahme der Ernennung führen würden, enthält für die Rücknahme der Bestellung zum Aufsichtsbeamten und für die Rücknahme der Berufung in das Dienstordnungsverhältnis weder die DO eine speziellere Regelung noch sind insoweit andere gesetzliche Regelungen vorgreiflich.
Sonach ist unter Geltung der vorliegenden Dienstordnung entsprechend § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG eine Bestellung zum Aufsichtsbeamten und Berufung in das Dienstordnungsverhältnis zurückzunehmen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des für beamtenrechtliche Streitigkeiten zuständigen Senats des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung erfüllt, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war, bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Mitarbeiter der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen (vgl. zB BVerwG 24. Oktober 1996 – 2 C 23/96 – BVerwGE 102, 178).
aa) Der Kläger hat der Beklagten ein gefälschtes Diplomzeugnis und eine gefälschte Diplomurkunde vorgelegt und damit der Wahrheit zuwider vorgespiegelt, die Einstellungsvoraussetzungen des § 23 RL zu erfüllen. Der Kläger hat damit die Beklagte arglistig getäuscht. Wenn er den fehlenden Hochschulabschluss offengelegt hätte, hätte er befürchten müssen, nicht zum Aufsichtsbeamten bestellt und in das Dienstordnungs-Verhältnis übernommen zu werden.
bb) Der Kläger hat seine Bestellung zum Aufsichtsbeamten und seine Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis durch die arglistige Täuschung der Beklagten herbeigeführt. Die für die Einstellung des Klägers zuständigen Personen/Gremien der Beklagten hätten die Bestellung des Klägers zum Aufsichtsbeamten und seine Übernahme in das Dienstordnungs-Verhältnis bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht vorgenommen, weil nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 der Dienstordnung iVm. § 23 Buchst. a RL für die Einstellung als Aufsichtsperson im höheren Dienst ein abgeschlossenes technisches oder sonstiges wissenschaftliches Hochschulstudium Voraussetzung war.
Der Kläger bezweifelt in der Revisionsinstanz die Ursächlichkeit der von ihm begangenen Täuschung für seine Einstellung bei der Beklagten. Er trägt vor, dass auf ihn zur Besetzung einer Stelle als Technischer Aufsichtsbeamter zurückgegriffen worden sei, habe vor allem an dem kompetenten Eindruck gelegen, den er gegenüber Prof. Mayer, dem damaligen leitenden technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten, zu erwecken vermocht habe. Er sei im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs mit dem gesamten Vorstand ausgewählt worden. Im Rahmen des Vorstellungsgesprächs habe er ungefragt darauf hingewiesen, dass er seine Diplomarbeit noch nicht fertiggestellt habe. Keiner der anwesenden Herren habe dies zum Anlass genommen, Zweifel an der Tauglichkeit des Klägers für die zu besetzende Stelle zu äußern.
Abgesehen davon, dass insoweit tatsächliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlen, verkennt der Kläger, dass bei Anwendung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG hinsichtlich der Kausalität zwischen der Täuschungshandlung und der Berufung in das Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis allein entscheidungserheblich ist, ob die Beklagte ohne die Täuschung tatsächlich, insbesondere nach Berücksichtigung ihrer damaligen Verwaltungspraxis, eine Bestellung des Klägers zum Aufsichtsbeamten und eine Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis vorgenommen haben würde (vgl. BVerwG 18. September 1985 – 2 C 30/84 – DVBl. 1986, 148). Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich über eine zwingende Einstellungsvoraussetzung hinweggesetzt hätte. Der Kläger verweist zwar auf “das damals von Seiten der Beklagten praktizierte Einstellungsverhalten”, trägt aber nicht vor, dass und welche Bewerber ohne abgeschlossenes Hochschulstudium zum technischen Aufsichtsbeamten bestellt und in ein Dienstordnungs-Verhältnis übernommen wurden.
c) Ist somit davon auszugehen, dass die arglistige Täuschung für die Bestellung des Klägers zum Aufsichtsbeamten und seine Berufung in das Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis ursächlich war, sieht § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG zwingend die Rücknahme vor. § 3 Abs. 1 DO iVm. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG ordnet die Rücknahme als zwingende Rechtsfolge an. Ein Ermessen besteht nicht, so dass für Ermessenserwägungen unter sozialen Aspekten oder im Hinblick auf bisher erbrachte Leistungen kein Raum ist (st. Rspr. vgl. zB BVerwG 29. Juli 1998 – 2 B 63/98 – DVBl. 1999, 319; OVG Nordrhein-Westfalen 11. März 1998 – 12 A 5987/95 –; VG Meiningen 16. Februar 1994 – 1 E 480/93.Me – RAnB 1994, 185, 187 ; VG Meiningen 24. Mai 1993 – SU 1 S 92.302 – RAnB 1993, 237, 240; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt 12. November 1997 – A 1 S 99/96 – GewArch 1998, 293).
Auch eine Ausnahme wegen besonderer Härte lässt das BBG nicht zu.
Weder der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch die Fürsorgepflicht der Beklagten in Verbindung mit der vom Kläger angeführten “langjährigen, unstreitig stets beanstandungsfreien Tätigkeit … in hervorgehobener Stellung” vermögen zu einer anderen Betrachtungsweise zu führen. Es kann schon nicht von einem beanstandungsfreien Verhalten des Klägers gesprochen werden, wenn der Dienstherr über das Vorhandensein einer abgeschlossenen Hochschulausbildung getäuscht wird. Auch ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der zwingenden Rücknahme einer durch arglistige Täuschung herbeigeführten Ernennung der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entgegengehalten werden kann (BVerwG 29. Juli 1998 – 2 B 63/98 – DVBl. 1999, 319; 9. Dezember 1998 – 2 B 100/98 – Buchholz 232 § 12 BBG Nr. 20). Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Rücknahmeregelung, die insbesondere auf die Wiederherstellung der Entschließungsfreiheit der Ernennungsbehörde und auf die Reinhaltung des öffentlichen Dienstes von Personen gerichtet ist, die durch unlauteres Verhalten diese Entschließungsfreiheit eingeschränkt haben. Zwar ist nach § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG eine Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann, ggf. unter geänderten Arbeitsbedingungen. Diese Vorschrift, auf die der Kläger ersichtlich der Sache nach abstellt, ist jedoch schon mangels Kündigung nicht einschlägig. Eine “Änderungsrücknahme” vergleichbar der Änderungskündigung sieht § 12 Abs. 1 BBG nicht vor.
d) Unzutreffend ist die Ansicht der Revision, die Beklagte habe lediglich die Bestellung zum technischen Aufsichtsbeamten und die Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis zurückgenommen, so dass der Anstellungsvertrag vom 4. Dezember 1989, mit dem der Kläger als Technischer Aufsichtsbeamter auf Probe in ein Dienstordnungs-Verhältnis übernommen worden sei, bestehen geblieben oder wieder “aufgelebt” sei.
Die Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Probe lässt etwaige nachfolgende Ernennungen entfallen (OVG Nordrhein-Westfalen 11. März 1998 – 12 A 5987/95 –; VG Berlin 27. Februar 2004 – 5 A 224.03 –). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Das Schreiben der Beklagten ist dahin zu verstehen, dass die Bestellung zur Aufsichtsperson und die Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis generell zurückgenommen wurden, also einschließlich der Bestellung zur Aufsichtsperson auf Probe und der Einstellung auf Probe in ein Dienstordnungs-Verhältnis. Das macht der weitere Satz des vorletzten Absatzes des Schreibens vom 11. August 2004 deutlich, wonach “die … geschlossenen Ein- und Anstellungsverträge … angefochten” werden.
Hinzu kommt, dass das Dienstordnungs-Verhältnis auf Probe in ein solches auf Dauer übergeführt wurde. Das Dienstordnungs-Verhältnis auf Probe ist, nachdem es vordergründig seinen Zweck erfüllt hatte, in einem unbefristeten Dienstordnungs-Verhältnis aufgegangen. Das unbefristete Dienstordnungs-Verhältnis hat die Einstellung nach der Dienstordnung als Technischer Aufsichtsbeamter auf Probe abgelöst. Der Rücknahmegrund des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG steht dafür, dass ein Beamter, der seine Berufung in das Beamtenverhältnis durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat, überhaupt kein Beamter mehr soll sein dürfen, gleichgültig in welcher Stellung (so schon BDH 22. Juli 1955 – III D 166/54 – BDHE 2, 39, 40; vgl. auch OVG Mecklenburg-Vorpommern 1. Juni 2004 – 2 M 89/04 – Schütz BeamtR ES/A II 2.2 Nr. 19).
Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung steht dem nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in dem Urteil vom 18. September 1985 (– 2 C 30/84 – DVBl. 1986, 148) mit der Rücknahme einer Ernennung zum Staatsanwalt unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wegen angeblicher arglistiger Vortäuschung der Erledigung von Ermittlungsverfahren befasst. Es hat lediglich darauf verwiesen, dass der bei der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit noch nicht verstrichene Zeitraum von fünf Jahren mit der Berufung in das Richterverhältnis auf Probe erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Rücknahme wieder laufen könnte, wobei das Bundesverwaltungsgericht offen gelassen hat, welche Bedeutung der Entlassung jenes Klägers mit dessen Einverständnis aus dem Richterverhältnis auf Probe durch Erlass zukommt. Auf den vorliegenden Fall übertragen würde das bedeuten, dass die Probezeit nicht mehr liefe; die Probezeit war befristet, verlängerte sich lediglich bis zur Ablegung der Prüfung für den technischen Aufsichtsdienst, welche der Kläger am 13. März 1992 abgelegt hat.
Die Entscheidung des OVG Berlin vom 7. März 1997 (– 4 S 236.96 – DtZ 1997, 266) passt insofern nicht, als es um die Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit und um die fristlose Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis ging, nicht aber um die Rücknahme der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe.
e) Auch das Arbeitsverhältnis, das zuvor, also vor der Bestellung zur Aufsichtsperson und der Berufung in das Dienstordnungs-Verhältnis bestanden hat, nämlich das als Tarif-Angestellter ab 1. Juli 1988, lebt nicht wieder auf. Die Beamtenernennung führt zum Erlöschen eines bis dahin bestehenden Arbeitsverhältnisses zum Dienstherrn (§ 10 Abs. 3 BBG). Daran ändert die Rücknahme der Beamtenernennung nichts (BAG 24. April 1997 – 2 AZR 241/96 – BAGE 85, 351).
2. Die Anfechtungserklärung der Beklagten, mit der sie “ferner” die mit dem Kläger “geschlossenen Ein- und Anstellungsverträge hiermit angefochten” hat (§ 123 BGB), geht ins Leere.
a) Da die Rücknahme der Rechtsstellung des Klägers als Dienstordnungs-Angestellter gem. § 3 Abs. 1 DO iVm. § 12 BBG denselben Voraussetzungen unterliegt, unter denen die Rücknahme der Ernennung zum Beamten zu erfolgen hat, und da diese Voraussetzungen vorliegen, sind der Vertrag vom 4. Dezember 1989 und der Anstellungsvertrag vom 20. März 1992 schon durch die Erklärung der Rücknahme beseitigt. Einer zusätzlichen Anfechtung der diesen Verträgen zugrunde liegenden Willenserklärungen bedarf es nicht (vgl. BAG 2. Dezember 1999 – 2 AZR 724/98 – BAGE 93, 41, 54; Siebeck Handbuch des Dienstordnungsrechts der Versicherungsträger S. 274). Das der Einstellung auf Probe vorausgegangene Arbeitsverhältnis ist, wie dargelegt, ohnehin schon gem. § 10 Abs. 3 BBG erloschen.
b) Selbst wenn man davon ausginge, dass neben der Rücknahme eine Anfechtung der dem Dienstordnungs-Verhältnis zu Grunde liegenden Willenserklärungen wegen arglistiger Täuschung durch Anfechtung notwendig wäre, hielten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu § 123 BGB der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Entgegen der Auffassung des Klägers verstieße die Ausübung des Anfechtungsrechts durch die Beklagte nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Zwar kann die Anfechtung ausgeschlossen sein, wenn die Rechtslage des Getäuschten im Zeitpunkt der Anfechtung durch die arglistige Täuschung nicht mehr beeinträchtigt ist (BAG 2. Dezember 1999 – 2 AZR 724/98 – aaO; zuletzt 16. Dezember 2004 – 2 AZR 148/04 – AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5, zu B II 2b der Gründe). Jedoch ist in diesem Zusammenhang nicht wie bei einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.
Die Annahme des Landesarbeitsgerichts im Anschluss an die Entscheidung des Zweiten Senats vom 28. Mai 1998 (– 2 AZR 549/97 – AP BGB § 123 Nr. 46 = EzA BGB § 123 Nr. 49, zu II 2b der Gründe), die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Anfechtungsrechts lägen hier nicht vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das, was das Landesarbeitsgericht zur Begründung ausführt, ist offensichtlich. Eines Vortrags der Beklagten dazu bedurfte es nicht.
Die vom Kläger für sich ins Feld geführte beanstandungsfreie Tätigkeit und die positiven Beurteilungen vermögen an der fortdauernden Beeinträchtigung der Rechtslage der Beklagten nichts zu ändern. Abgesehen davon, dass seine Tätigkeit wegen der Täuschung eben gerade nicht beanstandungsfrei war, hatte der Kläger zwar im Zeitpunkt des Zugangs der Anfechtungserklärung bereits 16 Jahre bei der Beklagten gearbeitet. Das vermag indes nicht die Annahme zu rechtfertigen, es sei bereits “Gras über die Sache gewachsen”. Es ist nicht auszuschließen, dass Außenstehende erfahren, dass die Beklagte Mitarbeiter, die ihre Einstellung/Anstellung in ein Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis erschlichen haben, ohne weiteres weiterbeschäftigt, nur weil sie ihre Arbeit ordnungsgemäß geleistet haben. Eine Tätigkeit als Aufsichtsperson setzt voraus, dass diese Aufsichtsperson sich stets rechtstreu verhalten hat und sich nicht durch arglistige Täuschung über die Einstellungsvoraussetzungen in diese Position gebracht hat.
3. Ein Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung auf einen anderen freien Arbeitsplatz, ggf. als Tarif-Angestellter, ist nicht Streitgegenstand. Dafür würde es auch an einer Anspruchsgrundlage fehlen. Darauf, dass die erhobene Verfahrensrüge im Zusammenhang mit der Frage der Beschäftigung des Klägers auf einem anderen freien Arbeitsplatz unzulässig sein dürfte, kommt es deshalb nicht mehr an.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Dr. Armbrüster, Friedrich, Kapitza, Markwat
Fundstellen
NZA 2007, 1072 |
ZTR 2006, 669 |
NZA-RR 2007, 103 |
PersV 2007, 197 |