Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsübertragung. Arbeitsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Nach § 13 Nr 10 Satz 1 des Manteltarifvertrages für die Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung in Baden- Württemberg vom 7.3.1978 (MTV) kann bei Krankheit, wenn die Arbeitsunterbrechung insgesamt länger als sechs Monate im gleichen Urlaubsjahr dauert, der Urlaub für jeden weiteren angefangenen Monat um ein Zwölftel gekürzt werden. Solche Tarifbestimmungen zur Kürzung des tariflichen Urlaubs bei langandauernder Krankheit sind wirksam, soweit der gesetzliche Mindesturlaub nicht berührt ist.

2. § 13 Nr 16 Satz 3 MTV enthält keine Regelung, die es einem Arbeitnehmer ermöglicht, den Urlaubsanspruch über den 31. März des folgenden Jahres hinaus wegen fortdauernder Krankheit aufrechtzuerhalten.

3. Die wirksame Geltendmachung des Urlaubs setzt dessen Erfüllbarkeit voraus.

 

Normenkette

TVG § 1; BUrlG § 7

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 26.03.1986; Aktenzeichen 4 Sa 144/85)

ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 25.07.1985; Aktenzeichen 2 Ca 580/84 C)

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1953 bei der Beklagten als Schreiner beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für die Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung in Baden-Württemberg vom 7. März 1978 (MTV) anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:

" § 13

Urlaub

...

10. Bei Krankheit kann, wenn die Arbeitsunter-

brechung länger als 6 Monate im gleichen Urlaubsjahr

dauert, der Urlaub für jeden weiteren angefangenen

Monat um ein Zwölftel gekürzt werden. Ist die Krank-

heit die Folge eines nicht durch grobe Fahrlässigkeit

verschuldeten Betriebsunfalls in diesem Arbeitsver-

hältnis oder gehört der Arbeitnehmer dem Betrieb bei

Beginn des Urlaubsjahres ununterbrochen länger als

10 Jahre an, so ist der Urlaub in voller Höhe zu

gewähren. Die Möglichkeit der Anwendung der Recht-

sprechung über die rechtsmißbräuchliche Urlaubs-

inanspruchnahme bleibt unberührt.

...

16. Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr, und zwar

grundsätzlich zusammenhängend, gewährt und genommen

werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste

Kalenderjahr ist nur aus persönlichen oder dringenden

betrieblichen Gründen statthaft. Übertragener Urlaub

erlischt 3 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, sofern

er nicht nachweisbar vorher schriftlich vergeblich

geltend gemacht oder sofern nicht der Arbeitnehmer

nachweisbar ohne eigenes Verschulden an der

rechtzeitigen Geltendmachung verhindert war.

..."

Vom 19. November 1982 bis 25. März 1984 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 29. März 1984, das bei der Beklagten am selben Tage einging, verlangte der Kläger ab sofort Urlaub in unstreitiger Höhe von 45 Arbeitstagen für die Jahre 1982 und 1983. Die Beklagte lehnte den Anspruch ab.

Mit seiner am 5. Dezember 1984 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Jahr

1982 noch 15 Tage Resturlaub und für das Jahr

1983 30 Tage Urlaub zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger mehr als zwei Tage Urlaub zu gewähren. Im übrigen muß sie zurückgewiesen werden.

I. Der Anspruch des Klägers auf Erholungsurlaub für das Jahr 1982 in Höhe von 15 und für das Jahr 1983 in Höhe von 30 Urlaubstagen war entstanden. Der Kläger hatte die sechsmonatige Wartezeit nach § 13 Nr. 6 MTV erfüllt. Dem Urlaubsanspruch stand nicht entgegen, daß der Kläger vom 19. November 1982 bis 25. März 1984 keine Arbeitsleistungen im Betrieb der Beklagten erbracht hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.

1. Der Senat hat sich bereits im Urteil vom 14. Mai 1986 (BAGE 52, 67, 69 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 2 der Gründe) der Rechtsprechung des Sechsten Senats angeschlossen, nach der der Urlaubsanspruch nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraussetzt. Dies gilt grundsätzlich auch für den Teil des Tarifurlaubs, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.

2. Auch § 13 Nr. 10 Satz 1 MTV steht dem Urlaubsanspruch des Klägers nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann bei Krankheit, wenn die Arbeitsunterbrechung insgesamt länger als sechs Monate im gleichen Urlaubsjahr dauert, der Urlaub für jeden weiteren angefangenen Monat um ein Zwölftel gekürzt werden. Solche Tarifbestimmungen zur Kürzung des tariflichen Urlaubs bei langandauernder Krankheit sind wirksam (BAG Urteil vom 25. Mai 1983 - 6 AZR 273/82 - AP Nr. 12 zu § 7 BUrlG Abgeltung), soweit der gesetzliche Mindesturlaub nicht berührt ist (vgl. BAGE 45, 199 = AP Nr. 15 zu § 13 BUrlG). Zugunsten des Klägers greift jedoch § 13 Nr. 10 Satz 2 MTV ein. Der Kläger gehörte dem Betrieb der Beklagten bei Beginn des Urlaubsjahres ununterbrochen länger als zehn Jahre an, so daß die Kürzungsmöglichkeit entfallen ist.

II. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der Anspruch des Klägers auf 15 Tage Resturlaub aus dem Jahre 1982 am 31. März 1983 erloschen.

Nach § 13 Nr. 16 Satz 3 MTV erlischt übertragener Urlaub drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, sofern er nicht nachweisbar vorher schriftlich vergeblich geltend gemacht oder sofern nicht der Arbeitnehmer nachweisbar ohne eigenes Verschulden an der rechtzeitigen Geltendmachung verhindert war.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Resturlaubsanspruch des Klägers für 1982 deshalb nicht verfallen sei, weil der Kläger im Übertragungszeitraum bis zum 31. März 1983 arbeitsunfähig erkrankt war. Er sei damit ohne eigenes Verschulden an der rechtzeitigen Geltendmachung des übertragenen Urlaubs verhindert gewesen.

2. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht zwar darin, daß der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1982 wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen worden ist (§ 13 Nr. 16 Satz 2 MTV).

§ 13 Nr. 16 Satz 3 MTV enthält keine Regelung, die es einem Arbeitnehmer ermöglicht, den Urlaubsanspruch über den 31. März des folgenden Jahres hinaus wegen fortdauernder Krankheit aufrechtzuerhalten. Durch diese Vorschrift ist in Übereinstimmung mit § 7 Abs. 3 BUrlG ein solcher Urlaubsanspruch in seinem Bestand auf den 31. März des Folgejahres befristet. Der übertragene Urlaub muß vorher schriftlich vergeblich geltend gemacht worden sein, sofern nicht der Arbeitnehmer nachweisbar ohne eigenes Verschulden an der rechtzeitigen Geltendmachung verhindert war. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, daß sich die Regelung "sofern nicht der Arbeitnehmer nachweisbar ohne eigenes Verschulden an der rechtzeitigen Geltendmachung verhindert war" auf die vorher genannte rechtzeitige schriftliche Geltendmachung bezieht. Dieser Halbsatz ändert nichts daran, daß die wirksame Geltendmachung des Urlaubs dessen Erfüllbarkeit voraussetzt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z.B. BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung; BAGE 53, 328 = AP Nr. 26 zu § 13 BUrlG). Damit ist ausgeschlossen, daß der ausnahmsweise bis 31. März des Folgejahres übertragene Urlaub wegen Krankheit des Arbeitnehmers über den Verfalltag hinaus in das folgende Urlaubsjahr übergeht.

III. Der Anspruch des Klägers auf 30 Tage Urlaub für das Jahr 1983 ist nur in Höhe von zwei Tagen in das Urlaubsjahr 1984 übertragen worden. Im übrigen ist er am 31. März 1984 erloschen.

1. Der Kläger hat den Urlaub unmittelbar nach seiner Rückkehr in den Betrieb am 29. März 1984 und damit vor dem Verfalltag (31. März 1984) schriftlich gefordert. Eine wirksame Geltendmachung setzt voraus, daß der Urlaub vor Fristablauf erfüllt werden kann (BAGE 53, 328, 330 = AP Nr. 26 zu § 13 BUrlG, zu I 2 der Gründe). Da der Kläger den Urlaub am 29. März 1984 "mit sofortiger Wirkung" gefordert hat, konnte der Urlaub am 29. und 30. März 1984 (Donnerstag und Freitag) gewährt und genommen werden. Der 31. März 1984 war arbeitsfreier Samstag. Damit ist der Anspruch des Klägers auf Urlaub für das Jahr 1983 in Höhe von zwei Urlaubstagen vor dem Verfalltag schriftlich vergeblich geltend gemacht, nach § 13 Nr. 16 Satz 3 MTV in das Urlaubsjahr 1984 übertragen und mit der am 5. Dezember 1984 erhobenen Klage rechtzeitig eingeklagt worden. Die Beklagte ist daher verpflichtet, diese zwei Urlaubstage nachzugewähren.

2. In Höhe weiterer 28 Tage ist der Urlaubsanspruch des Klägers für 1983 erloschen, da er bis zum 31. März 1984 nicht erfüllt werden konnte. Dabei ist es unerheblich, daß der Kläger wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage war, den Urlaub vor dem 29. März 1984 geltend zu machen. § 13 Nr. 16 Satz 3 MTV ändert am Verfall des Urlaubs am 31. März 1984 nichts (vgl. oben unter II 2).

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Wittek

Dr. Weiss K. Fox

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441554

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