Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltsicherung. kinderbezogene persönliche Zulage. Bestätigung der Rechtsprechung aus BAG 24. Februar 2000 – 6 AZR 550/98 – BAGE 94, 32

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 7 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Sicherung der Einkommen und Arbeitsbedingungen für die zur DB AG übergeleiteten Arbeitnehmer besteht Anspruch auf Zahlung einer kinderbezogenen persönlichen Zulage entsprechend den persönlichen Verhältnissen am 31. Dezember 1993. Der Anspruch besteht nicht, wenn dem geschiedenen Ehegatten des Arbeitnehmers kinderbezogene Leistungen nach besoldungsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Dienstes zustehen.

 

Normenkette

Tarifvertrag über die Sicherung der Einkommen und Arbeitsbedingungen für die zur DB AG übergeleiteten Arbeitnehmer (ÜTV) § 7

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 01.11.2001; Aktenzeichen 5 Sa 476/00)

ArbG Schwerin (Urteil vom 14.09.2000; Aktenzeichen 5 Ca 3802/99)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. November 2001 – 5 Sa 476/00 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 1. September 1998 bis zum 30. Juni 2000 die kinderbezogene persönliche Zulage (PZÜ-K) für ein Kind nach § 7 des Tarifvertrags über die Sicherung der Einkommen und Arbeitsbedingungen für die zur Deutschen Bahn AG übergeleiteten Arbeitnehmer (ÜTV) zusteht.

Der Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Deutschen Reichsbahn, beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde am 1. Januar 1994 auf die Beklagte übergeleitet. Am 31. Dezember 1993 hatte er Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags gemäß § 16 des Tarifvertrags für die Angestellten der Deutschen Reichsbahn (AnTV-DR) für zwei Kinder. Im Dezember 1996 wurde seine Ehe geschieden. Das Sorgerecht für die Tochter M.… erhielt der Kläger übertragen, dasjenige für den Sohn P.… die geschiedene Ehefrau. Der Kläger bezog bis zum 31. August 1998 PZÜ-K für beide Kinder. Die geschiedene Ehefrau ist seit dem 1. September 1998 im öffentlichen Dienst als Beamtin vollbeschäftigt. Seit diesem Zeitpunkt erhält sie wegen der Kinder P.… und M.… Familienzuschlag der Stufe 1 BBesG. Dem Kläger wird das Kindergeld für die in seinem Haushalt lebende Tochter ausgezahlt. Seine geschiedene Ehefrau erhält das Kindergeld für den bei ihr wohnenden Sohn.

Die Bestimmungen des ÜTV lauten auszugsweise wie folgt:

“Abschnitt II

Entgeltsicherung

§ 7

Kinderbezogene persönliche Zulage

(1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung einer kinderbezogenen persönlichen Zulage (PZÜ-K) entsprechend den persönlichen Verhältnissen am 31. Dezember 1993.

Ausführungsbestimmungen

1. Steht der Ehegatte des Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst oder ist er aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt und stünden ihm der Ortszuschlag nach Stufe 3 BBesG oder einer der folgenden Stufen oder Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zu, so besteht kein Anspruch nach Abs. 1.

Satz 1 gilt auch, wenn einer anderen Person für dasselbe Kind kinderbezogene Leistungen nach besoldungsrechtlichen oder tariflichen Vorschriften des öffentlichen Dienstes zustehen.

3. Der neueingestellte Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Zahlung einer PZÜ-K.

(2) Die PZÜ-K ist der Betrag des Sozialzuschlags (§ 13 LTV, § 13 LTV-DR, § 13 Teil B Vz ATV  5) bzw. der des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlags (§ 16 AnTV, § 16 AnTV-DR, § 16 Teil C Vz ATV 5) – jeweils einschließlich des ggf. zustehenden besonderen Erhöhungsbetrags –.

§ 3 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Ändern sich die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und würde dadurch bei Fortgeltung der v.g. Tarifverträge der Anspruch auf den Sozialzuschlag bzw. auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags – jeweils einschließlich des ggf. zustehenden besonderen Erhöhungsbetrags – ganz oder teilweise entfallen, verringert sich die PZÜ-K um den entsprechenden Betrag.

…”

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe weiterhin die PZÜ-K für ein Kind zu, weil er für seine Tochter sorgeberechtigt sei. Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 7 Abs. 1 ÜTV sei nicht anwendbar. Die Tarifnorm beziehe sich statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Überleitung der Arbeitsverhältnisse zur Jahreswende 1993/94. Spätere Veränderungen der persönlichen Verhältnisse seien ausschließlich nach § 7 Abs. 3 ÜTV zu beurteilen. Bei Fortgeltung des früheren AnTV-DR bliebe der Anspruch auf Zahlung des Sozialzuschlags für seine Tochter erhalten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine kinderbezogene persönliche Zulage für den Zeitraum vom 1. September 1998 bis zum 30. Juni 2000 in Höhe von monatlich 63,98 Euro (= 125,14 DM), insgesamt eine Summe von 1.407,63 Euro (= 2.753,08 DM) brutto, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der geschiedenen Ehefrau des Klägers steht seit dem 1. September 1998 ein Anspruch auf kinderbezogene Leistungen für beide Kinder nach besoldungsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Dienstes zu. Seit dem erfüllt der Kläger nicht mehr die Voraussetzungen für den Bezug der PZÜ-K für seine bei ihm lebende Tochter.

  • Nach § 7 Abs. 1 ÜTV hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer PZÜ-K entsprechend den persönlichen Verhältnissen am 31. Dezember 1993. Die PZÜ-K ist gemäß § 7 Abs. 2 ÜTV der Betrag des Sozialzuschlags (§ 13 LTV, § 13 LTV-DR, § 13 Teil B Vz ATV 5) bzw. der Betrag des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlags (§ 16 AnTV, § 16 AnTV-DR, § 16 Teil C Vz ATV 5). Ein Arbeitnehmer erhält daher als PZÜ-K den Betrag des bis zum 31. Dezember 1993 gewährten Sozialzuschlags entsprechend seinen persönlichen Verhältnissen am 31. Dezember 1993.
  • Der Kläger hatte zum Stichtag am 31. Dezember 1993 Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags gemäß § 16 AnTV-DR. Er war verheiratet und bezog das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz für zwei Kinder. Auf Grund dieser persönlichen Verhältnisse stand ihm ab dem 1. Januar 1994 gemäß § 7 Abs. 1 ÜTV eine PZÜ-K auch für beide Kinder zu.
  • Ab dem 1. September 1998 hat er weder einen Anspruch auf PZÜ-K für das bei der geschiedenen Ehefrau lebende Kind noch für das bei ihm wohnende Kind.

    Nach Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 7 Abs. 1 ÜTV besteht kein Anspruch auf Zahlung einer PZÜ-K, wenn dem Ehegatten des Arbeitnehmers oder einer anderen Person nach besoldungsrechtlichen oder tariflichen Vorschriften des öffentlichen Dienstes für dasselbe Kind kinderbezogene Leistungen zustünden. Das trifft auf die geschiedene Ehefrau des Klägers ab dem 1. September 1998 zu. Seither befindet sie sich als vollzeitbeschäftigte Beamtin im öffentlichen Dienst. Nach § 40 Abs. 3 BBesG erhalten geschiedene Beamte, denen Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht, zusätzlich zum Grundgehalt den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe des Familienzuschlags, der der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Sowohl die geschiedene Ehefrau als auch der Kläger haben gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG einen Anspruch auf Kindergeld für die gemeinsamen Kinder, weil sie beide im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben. Da gemäß § 64 Abs. 1 EStG bei Vorhandensein mehrerer Berechtigter nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird, erhält das Kindergeld nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG derjenige, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der Kläger erhält danach das Kindergeld für die gemeinsame Tochter, die geschiedene Ehefrau das Kindergeld für den gemeinsamen Sohn. § 40 Abs. 3 BBesG bestimmt für diesen Fall, daß der geschiedenen Ehegatte ungeachtet der Vorschrift des § 64 EStG einen Anspruch auf den Familienzuschlag auch für das bei seinem früheren Ehegatten lebende gemeinsame Kind hat. Damit sind die Voraussetzungen des Satzes 2 der Ausführungsbestimmung Nr. 1 zu § 7 Abs. 1 ÜTV erfüllt. Der geschiedenen Ehefrau stehen für beide Kinder kinderbezogene Leistungen nach besoldungsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Dienstes zu. Der Kläger kann deshalb nach Satz 1 der Ausführungsbestimmung Nr. 1 keine PZÜ-K mehr beanspruchen. Das gilt nach der Tarifbestimmung unabhängig davon, ob die geschiedene Ehefrau des Klägers den ihr zustehenden Familienzuschlag auch tatsächlich für den Barunterhalt ihrer Tochter verwendet.

    4. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anwendungsbereich der Ausführungsbestimmung Nr. 1 zu § 7 Abs. 1 ÜTV nicht auf die persönlichen Verhältnisse zum Stichtag 31. Dezember 1993 beschränkt und deren spätere Änderungen allein nach § 7 Abs. 3 ÜTV zu beurteilen.

    a) Aus dem Wortlaut der Ausführungsbestimmung Nr. 1 zu § 7 Abs. 1 ÜTV kann die einschränkende Bedeutung allein für die Prüfung der persönlichen Verhältnisse am Stichtag 31. Dezember 1993 nicht hergeleitet werden, da der Stichtag in der Ausführungsbestimmung selbst nicht wiedergegeben wird. Die Ausführungsbestimmung steht zwar in direktem Zusammenhang zu dem vorstehenden § 7 Abs. 1 ÜTV, der seinerseits auf die persönlichen Verhältnisse am 31. Dezember 1993 abstellt. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß § 7 Abs. 1 ÜTV die grundlegende Anspruchsnorm für den Erhalt einer kinderbezogenen persönlichen Zulage enthält. Durch die nachfolgende Ausführungsbestimmung sollte der Anspruch auf PZÜ-K eine generelle Einschränkung erfahren. Sobald einer anderen Person am oder nach dem 31. Dezember 1993 für dasselbe Kind kinderbezogene Leistungen zustehen, besteht keine Anspruch (mehr) auf PZÜ-K.

    b) Der generelle Ausschlußtatbestand entspricht der Zielsetzung der Tarifvertragsparteien, nach Privatisierung des Unternehmens die für den öffentlichen Dienst typische kinderbezogene Zulage langfristig abzuschmelzen und schließlich aufzuheben (BAG 24. Februar 2000 – 6 AZR 550/98 – BAGE 94, 32, 40; 1. Oktober 1998 – 6 AZR 119/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 16 = EzA TVG § 4 Deutsche Bahn Nr. 1, zu 1b der Gründe).

    aa) Die PZÜ-K dient, wie sich aus der Überschrift des Abschnitts II des ÜTV ergibt, der Entgeltsicherung. Durch sie soll den auf die Beklagte übergeleiteten Arbeitnehmern der Betrag des bis zum Zeitpunkt der Überleitung gezahlten kinderbezogenen Teils des Ortszuschlags/Sozialzuschlags erhalten bleiben. Den Kreis der Begünstigten haben die Tarifvertragsparteien durch die Konkurrenzregelung in Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 7 Abs. 1 ÜTV eingeschränkt. Die Tarifverträge für die Arbeitnehmer der Beklagten sehen kinderbezogene Vergütungsbestandteile nicht vor. Neu eingestellte Arbeitnehmer haben deshalb gemäß Nr. 3 der Ausführungsbestimmungen zu § 7 Abs. 1 ÜTV keinen Anspruch auf die PZÜ-K.

    bb) Dieser Zielsetzung liefe es zuwider, wenn ein Anspruch auf PZÜ-K beibehalten würde, obwohl der – wenn auch geschiedene – Ehegatte zwischenzeitlich als Vollbeschäftigter im öffentlichen Dienst Ansprüche auf entsprechende kinderbezogene Leistungen hat. Der Anspruch auf PZÜ-K ist durch die Ausführungsbestimmung subsidiär ausgestaltet gegenüber Ansprüchen von im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehegatten oder anderen Personen auf kinderbezogene Leistungen (BAG 24. Februar 2000 – 6 AZR 660/98 – BAGE 94, 25, 30). Diese grundlegende Ausgestaltung der PZÜ-K wird durch § 7 Abs. 3 ÜTV, der einen weiteren Ausschluß- bzw. Minderungstatbestand bei Änderung der persönlichen Verhältnisse regelt, nicht verdrängt, sondern lediglich ergänzt.

 

Unterschriften

Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, D. Knauß, Klabunde

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1134113

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