Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewährungsaufstieg für Arbeiter

 

Leitsatz (redaktionell)

Beim sogenannten Fallgruppenbewährungsaufstieg für Arbeiter sind vorübergehend oder vertretungsweise ausgeübte Tätigkeiten nicht auf die Bewährungszeit anzurechnen.

 

Normenkette

MTB § 21; MTB 2 § 21

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 06.11.1986; Aktenzeichen 4 Sa 760/86)

ArbG Rheine (Entscheidung vom 05.02.1986; Aktenzeichen 2 Ca 1158/85)

 

Tatbestand

Der Kläger, der der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) angehört, ist seit dem 1. April 1981 als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Arbeiter des Bundes Anwendung. Der Kläger war als Werkstatthelfer zunächst in die Lohngruppe VII Fallgruppe 5.6 des Sonderverzeichnisses für die Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung, die unter die SR 2 a MTB II (SV 2 a) fallen, eingereiht. In der Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 30. April 1982 wurde dem Kläger vertretungsweise die Tätigkeit eines Lagerhelfers, der in Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 SV 2 a eingereiht war, übertragen. Mit Wirkung zum 1. Mai 1982 wurde ihm diese Tätigkeit auf Dauer übertragen. Nach dreijähriger Bewährung in der Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 SV 2 a wurde der Kläger ab 1. Mai 1985 in die Lohngruppe V Fallgruppe 5.20 SV 2 a eingereiht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm Lohn nach Lohngruppe V bereits ab 1. Januar 1985 zustehe, da auf die Bewährungszeit die Zeit, während derer er eine Tätigkeit nach Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 vertretungsweise wahrgenommen habe, angerechnet werden müsse. Für die Bewährungszeit sei nicht der Zeitpunkt der formalen Übertragung der Tätigkeit auf Dauer, sondern die Dauer der tatsächlichen Ausübung der Tätigkeit maßgebend. Demzufolge seien auch Zeiten, in denen die Tätigkeit vertretungsweise ausgeübt worden sei, auf die Bewährungszeit anzurechnen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

156,42 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger Lohn nach Lohngruppe V erst ab 1. Mai 1985 zustehe. Die Lohngruppe V Fallgruppe 5.20 erfordere eine dreijährige Bewährung in Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15. Damit werde eine Einreihung in die Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 gefordert. Die vertretungsweise Ausübung der Tätigkeit reiche nicht aus. Sie begründe nur einen höheren Lohnanspruch und könne auf die Bewährungszeit nicht angerechnet werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Dabei hat er in der Revisionsinstanz klargestellt, daß er die Zahlung eines Bruttobetrages begehrt. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß dem Kläger ein Lohnanspruch nach Lohngruppe V für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis zum 30. April 1985 nicht zusteht. Die für die Lohngruppe V Fallgruppe 5.20 erforderliche dreijährige Bewährung in Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 ist erst seit dem 1. Mai 1985 gegeben.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes (MTB II) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Demgemäß bestimmt sich der Lohn nach § 21 Abs. 1 Buchstabe a MTB II neben der Dienstzeit und dem Lebensalter nach der in den Lohngruppen angegebenen Tätigkeit. Insoweit ist § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum MTB II (TV-Lohngruppenverzeichnis) maßgebend, der bestimmt, daß für die Einreihung in die Lohngruppen die überwiegend auszuübende Tätigkeit maßgebend ist, soweit sich aus den Tätigkeitsmerkmalen nichts anderes ergibt. Für den Kläger, der als Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung tätig ist, gilt damit das Sonderverzeichnis für die Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung (SV 2 a). Dieses nennt für die Einreihung in die einzelnen Lohngruppen, soweit sie vorliegend in Betracht kommen, folgende Beispiele:

Lohngruppe VII

5.6 Helfer in Nachschub- oder Versorgungseinrichtungen

oder in Waffen-, Geräte- oder

Bekleidungskammern, soweit nicht höher

eingereiht.

Lohngruppe VI

5.15 Helfer in Nachschub- oder Versorgungseinrichtungen

oder in Waffen-, Geräte- oder

Bekleidungskammern, die Arbeiten verrichten,

die besondere Erfahrungen und Fähigkeiten

erfordern, soweit nicht höher eingereiht.

Lohngruppe V

5.20 Helfer in Nachschub- oder Versorgungseinrichtungen

oder in Waffen-, Geräte- oder

Bekleidungskammern nach dreijähriger Bewährung

in Lohngruppe VI Fallgruppen 5.15 und

5.16.

Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit den Parteien angenommen, daß die dem Kläger seit dem 1. Mai 1982 übertragene Tätigkeit zu einer Einreihung in die Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 und damit nach dreijähriger Bewährung ab 1. Mai 1985 zu einer Einreihung in Lohngruppe V Fallgruppe 5.20 führte. Hingegen hat das Landesarbeitsgericht abgelehnt, die Zeit der vertretungsweisen Ausübung der Tätigkeit nach Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 vom 1. Januar 1982 bis zum 30. April 1982 auf die Bewährungszeit anzurechnen und deshalb den vom Kläger ab 1. Januar 1985 geltend gemachten höheren Lohnanspruch verneint.

Dieser Auslegung der tariflichen Bestimmungen durch das Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen. Nach dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgeblich zu berücksichtigen sind (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) können Zeiten einer vertretungsweisen Ausübung einer Tätigkeit beim sogenannten Fallgruppenbewährungsaufstieg in Lohngruppe V Fallgruppe 5.20 auf die Bewährungszeit nicht angerechnet werden. Die Einreihung in Lohngruppe V Fallgruppe 5.20 erfolgt nach dreijähriger Bewährung in Lohngruppe VI Fallgruppen 5.15 und 5.16. Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig, daß allein eine Bewährung in Fallgruppe 5.15 vorliegend in Betracht kommt. Auch erfordert die tarifliche Bestimmung keine kumulative Ausübung von Tätigkeiten der Lohngruppe VI Fallgruppen 5.15 und 5.16, sondern ist das "und" im Sinne einer Aufzählung zu verstehen und damit als "oder" zu lesen (vgl. BAG Urteil vom 18. Februar 1970 - 4 AZR 257/69 - AP Nr. 1 zu § 21 MTB II).

Die Bewährung in einer bestimmten Fallgruppe einer Lohngruppe erfordert eine entsprechende Einreihung des Arbeiters. Für die Einreihung in eine Lohngruppe ist nach § 2 Abs. 1 TV- Lohngruppenverzeichnis die überwiegend auszuübende Tätigkeit maßgebend. Dabei ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, daß diese Tätigkeit dem Arbeiter auf Dauer und nicht nur vertretungsweise oder vorübergehend übertragen sein muß. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich insoweit in § 9 Abs. 4 MTB II bestimmt, daß die Ausübung einer vertretungsweise übertragenen Tätigkeit nicht zu einer Einreihung in die entsprechende Lohngruppe, sondern nur zu einem entsprechenden, höheren Lohnanspruch führt. Ebenso führt die vorübergehende Ausübung einer höher zu bewertenden Tätigkeit in anderen als in Vertretungsfällen zu keiner Einreihung in eine höhere Lohngruppe, sondern nur zu einem höheren Lohnanspruch für die Zeit der Übertragung dieser Tätigkeit nach näherer tariflicher Maßgabe (§ 2 Abs. 4 TV-Lohngruppenverzeichnis). Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien im Bereich des MTB II ebenso wie im Bereich des BAT deutlich zwischen der Ausübung einer auf Dauer und der Ausübung einer vertretungsweise oder vorübergehend übertragenen Tätigkeit hinsichtlich der Rechtsfolgen für den Lohn- bzw. Vergütungsanspruch unterscheiden. Während eine auf Dauer übertragene Tätigkeit zu einer Einreihung in die entsprechende Lohngruppe nach § 2 Abs. 1 TV-Lohngruppenverzeichnis bzw. zu einer Eingruppierung nach § 22 Abs. 2 BAT führt, begründet eine vertretungsweise oder vorübergehend übertragene Tätigkeit nur einen entsprechenden Lohnanspruch nach § 9 Abs. 4 MTB II oder § 2 Abs. 4 TV-Lohngruppenverzeichnis bzw. einen Anspruch auf eine Zulage nach § 24 BAT. Wie im Bereich des BAT bringen die Tarifvertragsparteien auch im Bereich des MTB II beim sog. Fallgruppenbewährungsaufstieg mit dem Erfordernis der Bewährung in einer bestimmten Fallgruppe einer Lohngruppe zum Ausdruck, daß die Tätigkeit die Merkmale dieser Lohngruppe erfüllen muß (BAG Urteil vom 18. Februar 1970 - 4 AZR 257/69 - AP Nr. 1 zu § 21 MTB II), d. h., daß ihre Ausübung zu einer entsprechenden Einreihung nach § 2 Abs. 1 TV-Lohngruppenverzeichnis führt. Diese Voraussetzung wird bei einer vertretungsweisen oder vorübergehenden Ausübung der Tätigkeit nicht erfüllt. Demzufolge kann sich ein Arbeiter, ebenso wie ein Angestellter nach den tariflichen Bestimmungen des BAT, beim sog. Fallgruppenbewährungsaufstieg mit einer nur vertretungsweise oder vorübergehend ausgeübten Tätigkeit in einer bestimmten Fallgruppe einer Lohngruppe nicht bewähren (vgl. BAG Urteil vom 14. September 1982 - 4 AZR 1083/79 - AP Nr. 63 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und BAGE 43, 374 = AP Nr. 6 zu § 24 BAT).

Zwar weist der Kläger mit Recht darauf hin, daß in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die vertretungsweise Ausübung einer Tätigkeit ohne zeitliche Unterbrechung in die auf Dauer auszuübende Tätigkeit übergeht, in tatsächlicher Hinsicht eine Bewährung bereits vom Zeitpunkt der vertretungsweisen Wahrnehmung der Tätigkeit an vorliegen mag. Jedoch haben die Tarifvertragsparteien im Bereich des MTB II ebenso wie im Bereich des BAT beim sog. Fallgruppenbewährungsaufstieg keine dem Bewährungsaufstieg nach § 23 a BAT entsprechende Regelung unter Einbeziehung von Zeiten einer vertretungsweise oder vorübergehend ausgeübten höherwertigen Tätigkeit normiert. Daran sind die Gerichte für Arbeitssachen gebunden.

Eine andere Auslegung der tariflichen Bestimmung über den Bewährungsaufstieg in Lohngruppe V Fallgruppe 5.20 gebietet auch nicht die Vorbemerkung Nr. 1 A zu allen Lohngruppen. Die Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

Das Erfordernis der Bewährung ist erfüllt,

wenn sich der Arbeiter während der vorgeschriebenen

Bewährungszeit den in der

ihm übertragenen Tätigkeit auftretenden

Anforderungen gewachsen gezeigt hat. Auf

die vorgeschriebene Bewährungszeit werden

die Zeiten angerechnet, während deren der

Arbeiter in gleicher Berufstätigkeit in

einer höheren Lohngruppe eingereiht war.

Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Tarifvertragsparteien in Nr. 1 A Satz 1 der Vorbemerkungen zu allen Lohngruppen nicht zum Ausdruck gebracht, daß auch Zeiten der vertretungsweisen Ausübung einer Tätigkeit auf die Bewährungszeit anzurechnen sind. Vielmehr weist der Wortlaut der Tarifnorm eindeutig aus, daß sie allein die Voraussetzungen für die Bewährung bestimmt, nicht aber die Frage geregelt wird, ob die Tätigkeit auf Dauer oder vertretungsweise übertragen sein muß. Zutreffend weist vielmehr die Beklagte darauf hin, daß aus Nr. 1 A Satz 2 der Vorbemerkungen zu allen Lohngruppen der Schluß gerechtfertigt ist, daß für die Bewährung die Einreihung in eine Lohngruppe und nicht die vertretungsweise oder vorübergehende Ausübung der Tätigkeit maßgebend ist.

Das Landesarbeitsgericht ist damit zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Kläger Lohn nach Lohngruppe V nicht bereits ab 1. Januar 1985 zusteht, da er in Lohngruppe VI Fallgruppe 5.15 erst ab 1. Mai 1982 eingereiht war und die vertretungsweise Ausübung dieser Tätigkeit ab 1. Januar 1982 auf die dreijährige Bewährungszeit nicht anzurechnen ist. Anhaltspunkte dafür, daß die vertretungsweise Übertragung der Tätigkeit in der Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 30. April 1982 rechtsmißbräuchlich ohne sachlichen Grund erfolgte und deshalb im Hinblick auf die Bewährungszeit schon ab 1. Januar 1982 von einer Übertragung der Tätigkeit auf Dauer auszugehen wäre, sind nicht ersichtlich.

Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Etzel hat Urlaub Dr. Freitag

Dr. Neumann

Prieschl Dr. Konow

 

Fundstellen

Haufe-Index 439525

RdA 1987, 319

ZTR 1987, 241-242 (LT)

AP § 21 MTB II (LT1), Nr 8

AR-Blattei, Öffentlicher Dienst IIIB Entsch 6 (LT1)

PersV 1991, 231 (K)

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